Wie kann Deutschland mit Schwellenländern konkurrieren?
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Wie kann Deutschland mit Schwellenländern konkurrieren?
Wirtschaftsanalysen Nr. 2 Globalisierte Arbeitswelt – Wie kann Deutschland mit Schwellenländern konkurrieren? 1 Globalisierte Arbeitswelt – Wie kann Deutschland mit Schwellenländern konkurrieren? Deutschland liegt mit seiner Wettbewerbsfä- ortvorteile auswärtiger Produktionsstätten zu higkeit international auf Rang 13 – so der nutzen. Längst werden nicht nur einfache „Global Competitiveness Report 2003“ des Arbeiten ins Ausland verlegt. Seit dem World Economic Forum. Die Wettbewerbs- schnellen Aufholprozess der ehemaligen fähigkeit der deutschen Unternehmen er- Schwellenländer müssen zunehmend auch reicht hat Akademiker mit gut ausgebildeten Arbeit- Deutschland nach dem Report vor allem bei nehmern in Indien oder China konkurrieren. den makroökonomischen Rahmenbedingun- Deutschland gehört zu den wettbewerbsfä- gen (Rang 21), im Technologie-Bereich higsten Standorten der Welt. Aber wird wirt- (Rang 14) und beim unternehmerischen schaftliche Aktivität in Deutschland lang- Ordnungsrahmen macht fristig wettbewerbsfähig bleiben? Lohnt es deutlich, wie wichtig es ist, die Agenda 2010 sich noch, in Deutschland zu produzieren? umzusetzen, um die wirtschaftlichen Rah- Oder verliert der Standort Deutschland zu- menbedingungen zu verbessern. nehmend an Attraktivität, so dass in Zukunft dagegen Rang 5. (Rang 9). Defizite Dies Viele deutsche Unternehmen sind global aktiv und produzieren an internationalen Standorten. Dahinter steht das Bestreben, Märkte vor Ort zu öffnen und zu sichern. weitere Produktionsverlagerungen ins Ausland bevorstehen? Und welche Konsequenzen hat dies für die deutsche Wirtschaftspolitik? Dahinter steht aber auch die Absicht, Stand- I. Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland – Die zweite Welle betrifft Hochqualifizierte Bereits in den 1980er und 90er Jahren er- higkeit im Niedrigpreisbereich führte dazu, lebten die Industrieländer eine Welle von dass personalintensive Fertigungsprozesse in Produktionsverlagerungen ins Ausland. Der der Textilindustrie oder im Maschinenbau in Verlust der internationalen Wettbewerbsfä- Niedriglohnländer verlegt wurden. Eine Um- 2 strukturierung der nationalen Ökonomien men enden heute in Indien, ohne dass die und die weitere Konzentration auf wissens- Anrufer dies überhaupt bemerken. Für die und kapitalintensive Wirtschaftsgüter und Unternehmen ist es in mehrfacher Hinsicht Dienstleistungen war die Folge. vorteilhaft auszulagern. So betragen die Seit einiger Zeit zeichnet sich nun ein neuer Trend ab. Auch hoch qualifizierte Tätigkeiten - hauptsächlich Dienstleistungen - werden von Unternehmen in andere Länder verlagert. Dieses Phänomen wird oft als „Offshoring“ bezeichnet. Die Bandbreite reicht vom Arbeitsplatz im Call Center über Software-Programmierung bis hin zum spe- Löhne nur den Bruchteil europäischer oder amerikanischer Gehälter: Indische Ingenieure oder IT-Spezialisten verdienen etwa ein Achtel des Gehaltes ihrer amerikanischen und etwa ein Fünftel des Gehaltes ihrer europäischen Kollegen. Auf der anderen Seite sind die ausländischen Arbeitnehmer häufig sehr gut ausgebildet. zialisierten Facharzt, dessen computerto- Zwar gehören Lohnabrechnungen, Konto- mographische Analyse am anderen Ende der buchungen oder Kundenanfragen sicherlich Welt zeitgleich über Internet in eine laufende noch nicht zu den außergewöhnlich hoch Operation eines Patienten in Europa einge- qualifizierten spielt wird. Marktanalysen, oder Tätigkeiten. Aber technische wissenschaftliche auch Zeichnungen Auftragsstudien werden zunehmend in früheren Billiglohn- Welche Arbeiten wandern aus? ländern erstellt. In Indien gibt es trotz des Besonders betroffen von Offshoring- geringen durchschnittlichen Lebensstan- Aktivitäten ist der IT-Bereich. Grundsätzlich dards eine zahlenmäßig sehr große Schicht können aber alle standardisierbaren Prozesse junger Menschen, die mit fließendem Eng- oder autonomen Wertschöpfungsbereiche lisch und internationalen Studienabschlüs- verlagert werden. Dazu zählen vor allem sen über ein sehr hohes Bildungsniveau ver- Verwaltungstätigkeiten wie Buchführung, fügen. Und schließlich ermöglicht das Ver- Personalverwaltung Transaktionsab- lagern von Leistungen ans andere Ende der wicklung, aber auch Leistungen des Kun- Welt einen 24-Stunden Service zugunsten denservice, die aus der Ferne über Internet der Konsumenten oder einer schnelleren oder Telefon erbracht werden können. Viele Entwicklungsarbeit. und Kundenhotlines amerikanischer Unterneh- 3 Wie groß ist die globale Bedeutung? • Deloitte & Touche schätzen das von indischen IT-Unternehmen auf dem deut- In den USA und Großbritannien wirkt sich schen Markt zu erobernde Umsatzpoten- das Offshoring deutlich erkennbarer als in zial auf 14 Mrd. €. Deutschland aus. Welche Dimensionen der hiermit verbundene Verlust von nationalen Zwar ist nicht anzunehmen, dass Offshoring Arbeitsplätzen annehmen könnte, zeigen die gleiche Bedeutung wie im angelsächsi- Schätzungen von Forschungs- und Unter- schen Bereich erlangen wird, da etwa im nehmensberatungsgesellschaften: Kontakt zum deutschen Kunden die Sprach- • Forrester Research schätzt für die USA eine Verlagerung von 3,3 Millionen Arbeitsplätzen bis 2015. • barriere höher ist als zum amerikanischen. Trotzdem nimmt auch in Deutschland die generelle Bereitschaft zum Offshoring zu. So gaben bei einer Umfrage des DIHK An- Deloitte Consulting gehen davon aus, fang 2003 24 % der Industrieunternehmen dass allein im Bereich der Finanzdienst- und leistungen in den nächsten fünf Jahren Dienstleister an, zur Zeit Produktionsausla- weltweit 2 Millionen Jobs verlagert wer- gerungen zu planen. Welche konkreten Be- den. reiche der Unternehmen davon betroffen 11 % der unternehmensorientierten sein werden, geht aus der Befragung nicht In Deutschland ist die Verlagerung von hoch hervor. Der DIHK bestätigt jedoch, dass qualifizierten Arbeitsplätzen ins Ausland zunehmend auch wissensbasierte Bereiche noch nicht in diesem Ausmaß feststellbar. wie Verwaltung oder F&E ins Blickfeld ge- Schätzungen und Umfragen in einzelnen raten. Nach Presseberichten beschäftigt zum Branchen zeigen aber, dass der Trend kei- Beispiel SAP 1.000 Mitarbeiter in Indien nesfalls spurlos an Deutschland vorüberge- und will die Belegschaft dort bis 2005 ver- hen wird: doppeln. Infineon hat seine Buchhaltung • So schätzt die Unternehmensberatung A.T. Kearney, dass im Bereich der Finanzdienstleistungen in den nächsten fünf Jahren 100. 000 Arbeitsplätze aus dem deutschsprachigen Raum abfließen werden. nach Portugal ausgelagert, die Lufthansa konzentriert ihr Rechnungswesen in Polen. Die Deutsche Bank und ABB gliedern Arbeitsfelder an andere Unternehmen aus, die wiederum in Indien neu investieren. 4 indirekten Arbeitskosten sowie Bürokratie- Wohin wandern die Arbeitsplätze? kosten jeglicher Art zu verstehen. Unter der Während für die USA Indien und andere „Leistung“ lassen sich der Output des Fak- asiatische Standorte wie Malaysia, die Phi- tors Arbeit (Stundenproduktivität, Arbeits- lippinen oder China attraktiv sind, interessie- stunden) sowie staatliche Leistungen (Trans- ren sich deutsche Unternehmen außer für fers, Infrastruktur) verstehen. Indien vor allem für den osteuropäischen Raum. Der Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten zur EU, darunter attraktive Standorte wie Ungarn, Slowakei oder die baltischen Staaten, steht unmittelbar bevor. Der Lohn- Als Hauptmotive für die Verlagerung ins Ausland nennen Unternehmen nach einer DIHK- und anderen Unternehmensbefragungen: kostenvorteil in diesen Ländern wird voraus- • Arbeitskostenersparnis sichtlich noch einige Zeit bestehen bleiben. • Geringere Belastung durch Steuern und Gleichzeitig sorgt der Beitritt für einen sicheren rechtlichen und steuerlichen Rahmen, der Offshoring erleichtert. Die räumliche Nähe und der im Vergleich zu den asiatischen Staaten geringere kulturelle Unterschied werden als weitere Vorteile angesehen. Abgaben • Bürokratielasten • Qualitätsverbesserung • Konzentration auf Kernkompetenzen • Wechselkursrisiken • Erschließung neuer Märkte • Zeitzonenausnutzung Warum verlagern Unternehmen Arbeit ins Ausland? Die Aktivität im Ausland folgt dem Markt- Unternehmen müssen im internationalen tig drücken die von den Unternehmen ge- Wettbewerb bestehen. Deshalb werden sie nannten Motive auch die Unzufriedenheit Arbeitsplätze, bei denen dies technisch der auslagernden Unternehmen mit wirt- möglich ist, ins Ausland verlagern, wenn sie schaftlichen Rahmenbedingungen im Inland damit ihre Marktposition verbessern können aus. Dies spiegelt das Ergebnis des „World oder Preis- Competitiveness Report“ wieder, wonach Leistungsverhältnis geboten wird als auf die langfristige Entwicklung des Ordnungs- dem heimischen Markt. Als „Preis“ in die- rahmens als entscheidender und kritischer wenn dort ein besseres sem Sinne sind vor allem die direkten und trend wachsender Globalisierung. Gleichzei- 5 Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit einge- Offshoring hat jedoch nicht nur negative schätzt wird. Auswirkungen. Auf längere Sicht wird auch die Wirtschaft des verlagernden Landes von Welche ökonomischen Konsequenzen ergeben sich? der Zunahme der internationalen Arbeitsteilung profitieren. Bleiben z.B. die ausgela- Wirtschaftspolitisches Ziel muss es daher gerten Arbeitsplätze über Beteiligungen im sein, die Standortattraktivität für deutsche konzerneigenen Verbund, steigen die Chan- und ausländische Investoren zu erhöhen. cen für Investitionen und Innovationen im Dazu gehört es vor allem, die technologische Inland. Das „McKinsey Global Institute“ Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Die Wirt- schätzt z.B., dass an der Wertschöpfung des schaft wird einen Innovationsprozess durch- von US-Unternehmen im Ausland in Offsho- laufen, an dessen Ende qualitativ höhere ring-Geschäften investierten Kapitals die Produkte und Dienstleistungen stehen. Ver- amerikanische Wirtschaft selbst mehr profi- liert Deutschland im Bereich der Hochtech- tiert als das Empfängerland. Die im Ausland nologie und der Zukunftsbranchen die inter- eingesparten Kosten könnten an die Konsu- nationale bedroht menten weitergegeben oder für Neuinvestiti- dies nicht nur aktuelle Arbeitsplätze. Es ge- onen im Inland genutzt werden. Außerdem fährdet auch künftige Arbeitsplätze, weil kann durch Offshoring im Ausland die deutsches Know-how ins Ausland abfließt. Nachfrage nach eigenen Exportprodukten Wettbewerbsfähigkeit, erhöht werden. II. Standortattraktivität erhöhen Arbeitszeit Trotzdem weisen Unternehmensumfragen darauf hin, dass die Arbeitszeitflexibilität Die Flexibilität der Arbeitszeit ist laut noch ausgeweitet werden sollte. Öffnungs- OECD-Wirtschaftsbericht Deutschland 2003 klauseln in den Tarifverträgen, über die spe- im internationalen Vergleich relativ hoch. zifische Vereinbarungen zwischen Unter- Arbeitszeitkonten, die die bedarfsgerechte nehmensführung und Belegschaft ermöglicht Umverteilung der Arbeit auf einen längeren werden, erleichtern es, in schlechter wirt- Zeitraum ermöglichen, sind weit verbreitet. schaftlicher Lage am Markt zu bleiben. 6 Neben der Flexibilität spielt die Dauer der mehr arbeiten als ein durchschnittlicher Ar- Arbeitszeit eine wesentliche Rolle für die beitnehmer in Deutschland. Entsprechend Produktivität. In Deutschland wird verhält- liegt der Output pro Beschäftigtem in nismäßig wenig gearbeitet. Während die Deutschland bei 42.500 $, in den USA dage- gesetzliche durchschnittliche Höchstarbeits- gen bei 60.700 $. Deutschland hat die dritt- zeit 48 Stunden pro Woche beträgt, liegt die niedrigste jährliche Arbeitszeit der OECD- tatsächliche durchschnittliche Arbeitszeit, Länder. Ein Anstieg wäre daher wünschens- die von den Tarifpartnern oder in Einzelver- wert, um Arbeit in Deutschland wieder wett- trägen vereinbart wird, deutlich darunter bei bewerbsfähiger zu machen. Notwendig sind etwa 38 Stunden. Wie ein Vergleich der Jah- ein Anstieg des Arbeitsvolumens und eine resarbeitsstunden zeigt, lag Deutschland größere Flexibilität der Arbeitszeit nach 2002 mit durchschnittlich 1.444 Stunden pro oben und unten, um auf die verschiedenen Arbeitnehmer weit hinter den USA mit betrieblichen Bedürfnisse besser eingehen zu 1.825 Stunden. Ein amerikanischer Arbeit- können. Die Stundenlohnkosten deutscher nehmer würde also bei einer angenommenen Industriearbeiter übersteigen deutlich die 38-Stunden–Woche zehn Wochen im Jahr asiatischer oder osteuropäischer Wettbewer- 7 ber. Aber auch im Vergleich zu anderen OECD-Ländern hat Deutschland – vor allem im verarbeitenden Gewerbe – sehr hohe Lohnkosten pro Stunde. Eine Verlängerung der Arbeitszeit könnte diesen Wettbewerbsnachteil ausgleichen, ohne dass es zu einer die Binnennachfrage schwächenden Senkung der Einkommen käme. Das Wirtschaftswachstum 2004 wird schon allein deswegen um etwa 0,6 Prozentpunkte zulegen, weil mehrere Feiertage auf Wochenenden fallen. Eine Verlängerung der Arbeitszeit würde auch nicht das Entstehen weiterer Arbeitsplätze behindern, sondern durch die Steuern und Abgaben Sowohl der deutsche Körperschaftssteuersatz von 25 Prozent als auch die für Personengesellschaften relevanten Einkommensteuersätze liegen unter dem internationalen Durchschnitt. Bei den wichtigen Steuertarifen, die Signale für in- und ausländische Investoren setzen, wird Deutschland mit der Umsetzung der Steuerreform 2000 deutlich wettbewerbsfähiger. Sie entlastet Bürger und Unternehmen im Jahr 2004 gegenüber 1998 um insgesamt rund 49 Mrd. €, im Jahr 2005 um etwa 56 Mrd. €. gestiegene Wettbewerbsfähigkeit erleichtern. Körperschaftsteuersätze 2002 (einschließlich Körperschaftssteuersätze der nachgeordneten Gebietskörperschaften) 8 Nach wie vor sehr hoch sind jedoch die Bei- bremst werden. Anders als in der Periode träge zur Sozialversicherung. Sie sind von 1991 – 1998, als wegen des hohen Anstiegs 26,5 Prozent 1970 auf über 40 Prozent ge- der Abzüge die realen Nettolöhne pro Kopf stiegen. Im Jahr 2003 lagen sie mit 42 Pro- sanken, sind im Zeitraum 1998 – 2002 die zent wieder auf dem Niveau von 1998, realen Nettolöhne im gleichen Umfang ge- nachdem sie zwischenzeitlich bis 2000/2001 wachsen wie die Bruttoentgelte. um rund einen Prozentpunkt gesunken waren. Ziel muss es aber sein, nicht nur den Anstieg der Steuer- und Abgabenlast zu bremsen, Insgesamt konnte der Anstieg der Steuer- sondern sie deutlich zurückzuführen. Diesem und Abgabenlast in den letzten Jahren ge- Ziel dient das teilweise Vorziehen der dritten 9 Stufe der Steuerreform auf 2004. Diesem Bürokratiekosten Ziel dienen auch weitere Reformen der Sozialversicherungssysteme: Im Bereich der Ge- Bürokratie hemmt unternehmerisches Han- setzlichen Rentenversicherung sollen die deln und Denken und damit die wirtschaftli- kapitalgedeckte Säule weiter gestärkt und che Dynamik. Sehr kritisch ist deshalb, dass die Rentenformel um einen Nachhaltigkeits- mehr als drei Viertel aller deutschen Unter- faktor ergänzt werden. In der gesetzlichen nehmen sich durch bürokratische Anforde- Krankenversicherung gilt es, die Effizienz rungen hoch oder sehr hoch belastet fühlen. des Systems zu erhöhen, indem auf der An- Als Hauptlast werden die bürokratischen gebotsseite der Wettbewerb gestärkt und von Pflichten im Bereich der Sozialversicherun- Seiten der Versicherten mehr Eigenverant- gen und des Arbeitsrechts empfunden, wie wortung eingefordert wird. Durch die hierzu eine Befragung des Instituts für Mit- eingeleiteten Maßnahmen wird bereits 2004 telstandsforschung ergab. Häufige Änderun- mit einem leichten Rückgang der Summe der gen der Gesetzgebung, geringe Verständ- Beitragssätze zu rechnen sein. lichkeit und wachsende Komplexität erhöhen die zeitliche und kostenmäßige Belastung der Unternehmen. Die relative Belastung, 10 gemessen an den Kosten je Beschäftigtem, besonderen Produktivität seiner Arbeits- steigt mit sinkender Unternehmensgröße. kräfte rechtfertigen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind also besonders betroffen. Die Bundesregierung hat es sich deshalb in ihrer Initiative zum Bürokratieabbau 2003 zum Ziel gesetzt, den Mittelstand nachhaltig zu entlasten. Maßnahmen sind dafür unter anderem die Anhebung der Buchführungsgrenzen und Standardisierung der Einnahmenüberschussrechnung, die Modernisierung des Lohnsteuerverfahrens sowie die Reduzierung der statistischen Berichtspflichten. Evaluation und Verstärkung dieser Maßnahmen müssen in Für eine überdurchschnittlich hohe Arbeitsproduktivität ist ein hervorragendes Bildungs- und Ausbildungssystem unerlässlich. Deutschland gibt laut OECD-Wirtschaftsbericht mehr als die meisten anderen OECDLänder für die Sekundarschulbildung aus. Das Geld wird aber offenbar nicht effizient eingesetzt. Denn das schlechte Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler bei der PISA-Studie hat deutliche Mängel im deutschen Bildungssystem aufgezeigt. Zukunft sicherstellen, dass Unternehmen Deutschland will aus den PISA-Ergebnissen deutlich entlastet werden. lernen. Geplant ist, nationale Bildungsstandards einzuführen, deren Einhaltung regel- Höhere Produktivität durch bessere Bildung mäßig überprüft wird. Gleichzeitig sollen die Auch wenn es gelingt, die Lohnnebenkosten entscheiden, wie sie die Qualitätsanforde- zu senken, die Arbeitszeit zu verlängern und rungen erfüllen. Zudem sollen flächende- so die Arbeitskosten zu verringern, wird ckend Ganztagsschulen angeboten werden. Deutschland auf diesem Gebiet nicht mit Im Bereich der beruflichen Qualifikation Niedriglohnländern konkurrieren können. ergibt sich ein differenzierteres Bild. Wäh- Zwar kann man davon ausgehen, dass auch rend das duale System der Berufsausbildung in Schwellenländern die Löhne im Zuge der international sehr angesehen ist, müssen die wirtschaftlichen Entwicklung ansteigen. Bis deutschen Hochschulen wieder attraktiver zur eventuellen Angleichung an das deutsche werden. Mehr Wettbewerb und Autonomie Lohnniveau wird es aber noch einige Zeit der Universitäten, kürzere Studienzeiten, dauern. Deutschland muss seine vergleichs- bessere Ausstattung und die leistungsorien- weise hohen Arbeitskosten daher mit der tierte Schulen autonomer werden und eigenständig Entlohnung der 11 Dozenten sind wichtige Schritte auf diesem fördern, erhöht deshalb das Zukunftspoten- Weg. Die staatliche Finanzierung der Hoch- zial in neuen Technologiefeldern. Innerhalb schulen dieser Cluster können die beteiligten Unter- sollte an deren Ausbil- dungsleistungen gekoppelt werden. nehmen Kompetenzen bündeln, Schnittstellen optimieren und regionale Stärken aus- Innovation und Marktöffnung nutzen. Investitionen in Aus- und Weiterbildung Neben den neuen Technologien ist das Öff- sind eine notwendige Bedingung für die nen von Märkten weitere wichtige Triebfe- Wettbewerbsfähigkeit gerade auch der wis- der für Innovationen. Freier Marktzugang zu sensbasierten Volkswirtschaften. Sie ist aber früher monopolistischen Märkten wie denen nicht hinreichend. Um überdurchschnittlich der Telekommunikation oder der Energie- produktiv zu sein, muss auch ein innovati- versorgung hat in Deutschland bereits be- onsförderndes Umfeld existieren. Zuneh- achtliche Innovationskräfte freigesetzt, die mend kürzere Produktzyklen erfordern es, zu verbesserten Produkten und gesunkenen Technologien und Dienstleistungen ständig Preisen für die Verbraucher geführt haben. weiter zu entwickeln. Wer an der Spitze der Nicht nur offene inländische Märkte, son- Entwicklung steht und innovative Ideen auf dern auch der freie Waren- und Kapitalver- den Markt bringt, sichert Arbeitsplätze. Ein kehr zwischen nationalen Märkten wirkt attraktives Umfeld für innovationsstarke, innovationsfördernd. Der Abbau von Han- forschungsintensive Unternehmen und Bran- delsschranken und der internationale Wett- chen ist deshalb besonders wichtig. bewerb erleichtern Innovationen, schaffen und erhalten Arbeitsplätze. Innovationsnetze von Forschungseinrichtungen mit Unternehmen, vor allem kleinen und mittleren Betrieben, müssen weiter geknüpft und verstärkt werden. Besonders in der Frühphase des Innovationszyklus sind diese Netzwerke, der persönliche Kontakt und Austausch der Wissenschaftler und kreativen Arbeitnehmer, von entscheidender Bedeutung. Regionale Innovationsschwerpunkte zu 12 III. Fazit Deutschland kann ein Verlagern von Arbeit rieländer, die ebenfalls sehr gut qualifizierte in Niedriglohnländer nicht verhindern. Die Arbeitnehmer und funktionierende Infra- Lohnkosten Indiens oder Chinas sind für strukturen bieten. Die Gruppe dieser Länder einen Wohlfahrtsstaat nicht zu unterbieten. wird weiter wachsen und der internationale Die eigentlichen Konkurrenten im globalen Standortwettbewerb Standortwettbewerb, auf die Deutschland Deutschland muss sich deshalb als innovati- sich konzentrieren sollte, sind andere Indust- ves Leistungsland präsentieren. schärfer werden. 13 IV. Quellen A.T. Kearney: Offshoring Financial Services – Auf dem Weg zum globalen Geschäftsmodell, Juli 2003. Bundesministerium für Bildung und Forschung; Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Innovationspolitik – Mehr Dynamik für zukunftsfähige Arbeitsplätze, April 2002. Deloitte Consulting: The Offshoring Imperative – A White Paper, Juni 2003. http://www.dc.com/Expertise/Services/outsourci ng/offshore_imperative.asp Deloitte & Touche: Outsourcing und Offshoring mit indischen IT-Unternehmen, September 2003. www.deloitte.com/de DIHK: Produktionsverlagerung als Element der Globalisierungsstrategie von Unternehmen – Ergebnisse einer Unternehmensbefragung, Mai 2003. Handelsblatt: Globalisierung, neuester Stand 2.9.2003. International Labour Organisation: Key Indicators of the Labour Market, third Edition, Geneva, Switzerland 2003. www.ilo.org/public/english/bureau/inf/pr/2003/4 0.htm McKinsey Global Institut: Perspective – Offshoring: Is it a Win-Win Game? www.mckinsey.com/knowledge/mgi/offshore Möllhof, Christine: Wir sind die Gewinner, in: DIE ZEIT, 23.10.2003. OECD: OECD-Wirtschaftsberichte: land, Paris, Frankreich, Januar 2003. Roberts, Dan; Luce, Edward: Service industries go global: how high-wage professional jobs are migrating to low-cost countries; in: Financial Times, 20.08.2003. World Economic Forum: The Global Competitiveness Report 2002 – 2003, Geneva, Switzerland 2003. Institut für Mittelstandsforschung Bonn: Bürokratiekosten kleiner und mittlerer Unternehmen – Kurzfassung der Ergebnisse einer empirischen Untersuchung im Auftrag des BMWA, Oktober 2003. www.ifm-bonn.org Impressum: Redaktionsteam für diese Ausgabe: Ludwig Schuster, Julia Gerstung, Dr. Holger Niermann, Dr. Daniela Brönstrup Berlin, November 2003 Deutsch-