Ein Motorrad mit CFK 011 - Argentinisches Tageblatt

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Ein Motorrad mit CFK 011 - Argentinisches Tageblatt
Inhalt
Mercosur-Beschlüsse
Argentinien .................... 2
Unsicherheitsministerium
Meinung ........................ 4
Gorch-Fock-Abschied
Vermischtes .................. 5
Wachstum und
Sozialpolitik
Wirtschaftsübersicht .... 11
Rubriken
Personalnachrichten ... 13
Wirtschaft ................ 8-13
Freitag, 24. Dezember 2010
121. Jahrgang Nr. 31.803
Ein Motorrad mit CFK 011
Kirchner hat ihre Kandidatur angekündigt, oder nicht?
zu Sozialbewegungen
Buenos Aires (AT/ar)
und vor allem auch der
- Das erste Treffen des
Jugend gegen-über öffNationalen Rates der
nen, sagte Cristina.
Justizia-listischen ParDenn inmitten einer
tei (PJ) seit dem Tod ihZeit des Wandels habe
res mächtigen ParteiArgentinien die historichefs Néstor Kirchner
sche Chance, sich gewar mit Spannung ersellschaftlich weiterzuwarten worden. Welche
entwickeln und ein
Botschaften würde die
“sehr wichtiges Land”
Sitzung ins Wahljahr
zu werden. “Die Regie2011 ausstrahlen? Hatrung braucht dazu die
ten sich KräfteverhältMitarbeit mit allen ponisse verschoben?
litischen Kräften”, sagFakt ist, dass alle Bete Cristina. “Ich will
teiligten um Normalität
nicht, dass der Peronisbemüht waren und dass
mus diesen historiCristina Kirchner die
Foto: Presidencia
schen Moment nicht
unumstrittene Protagofür sich zu interpretienistin des Gipfeltreffens
Gouverneure, Kabinettsmitglieder und Partei-funktionäre
ren weiß.”
inmitten der höchsten
folgen der Rede Cristina Kirchners.
Ansonsten nutzte
Parteifunktionäre, Redie
Präsidentin
die
Gelegenheit,
die
Jahre
ihrer
bisherigen Amtsgierungsmitglieder und Gouverneure der peronistischen Partei war.
zeit
Revue
passieren
zu
lassen
und
sparte
auch
nicht
an Kritik für
65 Minuten lang dauerte ihre Rede vor den über 60 Ratsmitgliedie
Presse,
den
Kongress
und
die
Opposition.
dern, die sich im Pavillion vor der präsidentiellen Residenz in OliWie häufig in der Politik waren es allerdings weniger die vorvos versammelt hatten, und sie bemühte sich, aus dem Anliegen
dergründigen
Inhalte, als die versteckten Botschaften, die für Aufder Partei eine politische Bewegung entstehen zu lassen. Die Parsehen
sorgten.
In diesem Fall war es folgende Anekdote, die Cristei müsse sich hin zu anderen Bereichen des politischen Lebens,
tina Kirchner in ihrer Rede erzählte und die für spontanen Applaus
unter den Beteiligten sorgte: Vor wenigen Tagen, bei einer Veranstaltung in San Juan, habe ihr ein kleines Mädchen ein Motorrad
gezeigt, mit dem Nummernschild: CFK 011. Ein Bild mit Symbolcharakter. Denn das Kürzel von Cristina in Zusammenhang mit
dem Wahljahr wird allgemein als versteckte Ankündigung ihrer
Kandidatur in den Präsidentschaftswahlen 2011 verstanden.
Weitere Aussagen zu dem Thema unterließ sie. Das übernahmen im Anschluss andere hochrangige Partiemitglieder - von Kabinettmitgliedern bis zu Gouverneuren - die die Präsidentin als “natürliche Kandidatin” bezeichneten, die “die Partei mit aller Festigkeit führe”. Interne Kreise der PJ rechnen damit, dass sie ganz im
Stile Néstors bis zum letzten Augenblick warten wird, bis sie ihre
Kandidatur offiziell bestätigt.
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Freitag, 24. Dezember 2010
Zollunion im Blick
Mercosur beschließt gemeinsame Staatsbürgerschaft
Buenos Aires (AT/ar) - 20 Jahre
aller im Mercosurraum geborenen
nach seiner Gründung ist der StaaMenschen. Innerhalb von 10 Jahtenbund Mercosur immer noch eine
ren soll uneingeschränkte Freizüunvollendete Zollunion. Das soll
gigkeit herrschen, wo sich die
sich jetzt endgültig ändern. Darauf
Menschen niederlassen und arbeieinigten sich die Regierungschefs
ten. Sämtliche Normen, Dokumender Mitgliedsstaaten Argentinien,
te, Bildungsabschlüsse soll bis
Brasilien, Uruguay und Paraguay
dahin angeglichen worden sein.
auf dem 40. Mercosur-Gipfel, der
Um die gemeinsame Identität
vergangenenes Wochenende im brades Staatenbundes zu fördern, soll
silianischen Foz de Iguazú stattaußerdem ein einheitliches Autofand. Bis spätestens 2019 sollen alle
kennzeichen eingeführt werden,
noch existierenden Zölle innerhalb
das bis 2016 für alle Fahrzeuge
der Gemeinschaft abgeschafft sein.
verbindlich sein wird.
Foto: AP
Gleichzeitig sollen einheitliche BeWas den Erweiterungsprozess
stimmungen und Außenzolltarife
der Staatengemeinschaft anbeDie Präsidenten der Mercosur-Staaten und
assoziierter Staaten in Foz de Iguazú.
für alle Produkte und Dienstleistunlangt, ist dieser ins Stocken geragen aus Nichtmitgliedsstaaten geten: Das assoziierte Mitglied Veschaffen werden und die noch bestehenden Ausnahmen in Form von nezuela muss weiter auf seine Vollmitgliedschaft im Mercosur warbilateralen Vereinbarungen ausgeschlossen sein.
ten, nachdem es Paraguays Präsident Fernando Lugo nicht gelunNachdem in den letzten Tagen in Argentinien die unbeschränkte gen ist, im paraguayischen Kongress eine Mehrheit für den Beschluss
Einwanderung von Menschen gerade aus anderen Mercosur-Staa- zu erwirken. Paraguay ist das letzte Land, das die Aufnahme Veneten heftig diskutiert worden war, sah sich der Gipfel genötigt, “den zuelas noch bestätigen muss. Darum kann sich Lugo nun in herausRassismus und die Fremdenfeindlichkeit” im Rahmen einer gemein- ragender Stellung kümmern: Er übernimmt jetzt den turnusgemäsamen Deklaration zu verdammen. Wenn auch nicht als Reaktion ßen Vorsitz des Mercosur-Gipfels von seinem scheidenden brasiliaauf diese Diskussion - immerhin war diese Initiative bereits auf dem nischen Amtskollegen Lula da Silva.
letzten Gipfeltreffen seitens Brasilien vorbereitet worden - gingen
die Regierungschefs aber noch einen deutlichen Schritt weiter und
beschlossen die Schaffung einer gemeinsamen Staatsbürgerschaft
Buenos Aires (dpa/ar) - Der argentinische Ex-Diktator Jorge
Lebenslang für Videla
Weitere Verletzte
bei Besetzungen
Buenos Aires (AT/ar) – Die Gewalttaten im Zusammenhang mit
der illegalen Besetzung von Flächen im Großraum von Buenos Aires reißen nicht ab. Am Dienstagnachmittag wurden vier Gendarme
in Lanus verletzt, als sie ein parkähnliches Grundstück gegen illegale Besetzungen bewachen sollten. Seit Mitte 2009 wird das 44 Hektar große Gelände nahe des Riachuelo-Flusses, auf dem in Kürze
eine Wiederaufbereitungsanlage für Abwasser und Abfälle entstehen soll, auf Richterbeschluss hin polizeilich gegen Besetzer geschützt. Trotzdem war es am vergangenen Samstag Menschen gelungen, auf das Grundstück vorzudringen. Nach der umgehenden
Räumung wurde am Dienstag ein weiterer Versuch der Besetzung
unternommen, in dessen Verlauf laut Aussagen der Polizei Schüsse
von benachbarten Dächern auf die ca. Hundert anwesenden Gendarme abgegeben wurden. Nach Angaben eines Polizeisprechers erlitten drei Polizisten Schussverletzungen, ein weiterer zog sich bei den
Auseinandersetzungen eine Quetschung am Kopf zu. Alle Verletzten befinden sich außer Lebensgefahr.
Mit dem Zwischenfall in Lanús dreht sich die Gewaltspirale rund
um illegale Besetzungen weiter. Nach den Vorfällen mit Toten in
Villa Soldati (wir berichteten), kam es in dieser Woche außerdem zu
heftigen Auseinandersetzungen zwischen Besetzern eines Sportplatzes in Villa Lugano und den Anwohnern, die sich mit Gewalt gegen
die Ghettoisierung ihres Viertels schützen wollen. Auch der Konflikt um die jüngste Landnahme am Bahnhof Retiro schwelt weiter.
Rafael Videla ist am Mittwoch wegen Verbrechen gegen die
Menschlichkeit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt
worden. Das Bundesgericht in der Stadt Córdoba verfügte zusätzlich, dass der 85-Jährige seine Strafe in einem gewöhnlichen Gefängnis absitzen muss. Das hatte der frühere Heereschef 27Jahre
lang vermeiden können. Im konkreten Fall ging das Verfahren um
die Entführung, Folterung und Ermordung von 31 Regimengegnern in der Zeit zwischen April und Oktober 1976. Diese waren
zuvor von den Militärs aus dem Gefängnis UP1 in Córdoba geholt worden, wo sie als politische Gefangene inhaftiert waren.
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der ehemalige Chef der
Militärjunta während seiner Herrschaft für die Gräueltaten verantwortlich war.
Videla, der 1976 den Putsch gegen Isabel Perón anführte, war
bis 1981 Mitglied des allmächtigen Dreigestirns aus den Führern
von Armee, Marine und Luftwaffe. Unter seiner Führung fanden
die meisten Staatsverbrechen der Militärdiktaturzeit 1976 bis 1983
statt. Videla war bereits 1985 zu lebenslanger Haft verurteilt worden, aber 1990 durch den damaligen Präsidenten Carlos Menem
begnadigt worden. 1998 wurde Videla erneut festgenommen,
zunächst zu Hausarrest verurteilt und befand sich seit 2008 in
Militärhaft.
Neben Videla wurde auch der frühere Kommandant der 3. Heeresgruppe in Córdoba, Luciano Benjamín Menéndez, sowie weitere 28 Angeklagte wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit
verurteilt.
Familienangehörige der Opfer und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen nahmen das Urteil im Gerichtsaal mit Freude und Genugtuung auf.
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Freitag, 24. Dezember 2010
WOCHENÜBERSICHT
Boudou unter Beschuss
Wie weit gehen die Bespitzelungen, die Wirtschaftsminister
Amado Boudou gegen seine Angestellten angestrengt hat? Die
Zeitung Clarín meldete in ihrer Ausgabe vom Montag, dass der
Minister Mitte des Jahres eine 60-köpfige Sonderabteilung ins Leben gerufen hatte, um die elektronische Korrespondenz der Mitarbeiter in seinem Ministerium systematisch zu überwachen und auszuwerten. Diese “Spezialgruppe” soll zudem nicht nur die Anweisung gehabt haben, die E-Mails der Mitarbeiter mitzulesen, sondern explizit auch Dateien zu öffnen, die sich auf deren Computern befinden. Alles mit dem Ziel, private Aktivitäten der Mitarbeiter zu kontrollieren und Ministeriumsangestellte herauszufiltern,
die Informationen herausgeben oder gegen die Politik des Ministers arbeiten. Dies gehe, so Clarín, aus der Resolution 464 vom 30.
Dezember 2009 hervor, die Boudous Unterschrift trägt und nicht
im offiziellen Boletin veröffentlicht worden ist, um öffentliche
Aufregung zu vermeiden. Der Minister hält dagegen und gibt zu
Protokoll, dass alles im Rahmen internationaler Normen stattgefunden habe, wie sie zum Beispiel auch Konzerne anwenden, um
das Speichern von schädlicher Software auf den Rechnern oder
privates Surfen im Internet zu unterbinden. Eine Verletzung der
Privatsphäre habe nicht stattgefunden, immerhin musste jeder Mitarbeiter eine Einverständniserklärung unterzeichnen, mit der er
derlei Kontrollen zustimmt. Gut möglich, dass sich bald Gerichte
mit dieser Frage beschäftigen werden.
Neuer Rektor
Gustavo Zorzoli ist neuer Rektor der traditionsreichen Schule
“Colegio Nacional de Buenos Aires”. Mit 18 zu drei Stimmen (bei
fünf Enthaltungen) wählte ihn der Oberste Rat der Universität von
Buenos Aires (UBA) zum neuen Leiter der Lehranstalt. Der 51jährige Zorzoli ist Mathematiker und politisch dem Lager der Radikalen zuzurechnen. Er gilt als Wunschkandidat des UBA-Rektors Rubén Hallú. Die Wahl Zorzolis war begleitet von Protesten
der Schüler. Diese werfen Zorzoli unter anderem vor, nichts gegen
die Amtsenthebung der ehemaligen Rektorin Virginia González
Gass vor fünf Monaten unternommen zu haben. Der Schülerrat hätte
stattdessen Carlos González als neuen Schulleiter bevorzugt. Dieser hatte bei einer Abstimmung des besagten Gremiums 74,3 Pro-
zent der Stimmen erhalten, Zorzoli hingegen nur 10 Prozent.
Hollands Kronprinz in Patagonien
Hollands Kronprinz Willem-Alexander (43) verbringt die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel in Argentinien, der Heimat
seiner Ehefrau Máxima. Gemeinsam mit ihren Töchtern Amalia,
Alexia und Ariane werden die beiden ihren Urlaub in Villa La Angostura (Provinz Neuquén), rund 80 Kilometer von Urlaubsort Bariloche entfernt, verbringen. Es wird auch darüber spekuliert, ob
Königin Beatrix zu einem Kurzbesuch in den malerischen Ort anreist, der von Bergen und dem See Nahuel Huapi umgeben ist.
Auch Máximas Eltern, Jorge Zorreguieta und María del Carmen
Cerruti, wollen die Feiertage dort verbringen. Máxima ist oft in
der Gegend zu Gast, wo ihr Bruder den Angaben zufolge eines der
renommiertesten Restaurants der Region betreibt.
Erzbischof verteufelt Weihnachtsmann
Der argentinische Erzbischof Fabriciano Sigampa hat den Weihnachtsmann als „fetten roten Mann“ verteufelt, der in der christlichen Weihnacht nichts zu suchen habe. Die Gläubigen in der Kathedrale der Stadt Resistencia im Nordwesten des Landes trauten
ihren Ohren nicht, als der Kirchenmann bei der Messe über den
Weihnachtsmann herzog. Die Eltern sollten den Kindern gefälligst
nicht länger vorgaukeln, der Weihnachtsmann bringe die Geschenke. Schon die Kleinsten „sollen wissen, dass es die Geschenke nur
Dank der Anstrengungen der Eltern und mit der Hilfe von Jesus
gibt“, zitierte das Onlineportal „Corrientesya“ den Geistlichen. Der
Weihnachtsmann hatte den Zorn des umstrittenen Erzbischofs auf
sich gezogen, weil ein Bürgerverein und Sponsoren zusammen mit
der Stadt ein „Weihnachtsmannhaus“ vor der Kathedrale aufgebaut hatten. Dort sollten Wunschzettel abgegeben werden und Kinder aus armen Familien Geschenke bekommen. Ein Junge habe
ihm kürzlich gesagt, Weihnachten sei, wenn im Kühlschrank seiner Eltern Weihnachtskuchen stehe. „Von Jesus war bei dem Kind
gar nicht die Rede“, schimpfte Sigampa. Um weiteren Krach mit
der Kirche zu vermeiden, benannte die Stadt das Häuschen schnell
in Weihnachtshaus um. Und der Weihnachtsmann musste auch ausziehen.
(AT/ar/mc/dpa)
Erste Zahlen aus dem Zensus
Knapp über 40 Millionen Einwohner / Villas um 50 Prozent gewachsen
Buenos Aires (AT/RTA) - Laut den ersten provisorischen Zahlen
der Volkszählung vom 27. Oktober, dem Todestag von Expräsident
Néstor Kirchner, lebten in Argentinien mit 40.091.359 Einwohner fühlbar weniger als die bisherigen Hochrechnungen der Regierung von 40,5
Millionen und jüngsten Annahmen von bis 43 Millionen Menschen
vorausgesagt hatten. Das Statistische Institut Indec, das saubere Arbeit
bei der Volkszählung geleistet hatte, kündigte am Freitag der Vorwoche in Rio Gallegos eine zweite provisorische Ermittlung der Volkszählung für Juni 2011 und die endgültigen Daten für Dezember 2011
an.
Der Zuwachs in neun Jahren seit der vorherigen Volkszählung von
2001 war mit knapp über ein Prozent im Jahr kaum höher als im vorherigen Dezenium. Die Zählung von 2001 fand inmitten der damaligen
sozialen Unruhen statt, weshalb angenommen wurde, dass die Notstandssiedlungen nicht richtig ermittelt worden waren, so dass damals
mehr Einwohner in Argentinien lebten und der Zuwachs bis 2010 entsprechend geringer ausfiel.
In Buenos Aires und Umgebung wurden 32 Prozent aller Einwohner gezählt. Die südpatagonischen Provinzen Santa Cruz (+38,4%),
Feuerland und Chubut verzeichneten prozentual die höchsten Wachstumsraten. Die Einwohnerzahlen der südlichen Provinzen wuchsen um
28% und damit deutlich stärker als die der nördlichen Gliedstaaten,
die durchschnittlich nur 9,7% zulegten. Die Haupstadt Córdoba überrundete mit 1,33 Millionen ihre traditionelle Rivalin Santa Fe mit 1,19
Millionen Menschen, ebenso die Provinz Córdoba mit 3,3 Millionen
gegen 3,2 Millionen von Santa Fe. Die autonome Stadt Buenos Aires
blieb mit 4,1% Zuwachs Schlusslicht der Volkszählung.
Über die Wohnungssituation wurde nur berichtet, dass 14.247.149
Wohnungen gezählt wurden, 10,6 Prozent mehr als 2001. In der Stadt
Buenos Aires wurden in 18 Notstandssiedlungen („villas“) 161.000
Einwohner gegen 107.000 von 2001 mit einem 50-prozentigem Zuwachs ermittelt. Mit sonstigen notdürftigen Behausungen dürften laut
Zensus rund 200.000 Menschen unter Wohnungsnot leiden.
15,5 Millionen Einwohner lebten in der Provinz Bue-nos Aires, Córdoba 3,3 Millionen, Santa Fe 3,2 Millionen, Stadt Buenos Aires 2,9
Millionen, Mendoza 1,7 Millionen, Tucumán 1,4 Millionen, Entre Ríos
und Salta je 1,2 Millionen sowie Misiones und Chaco je 1,0 Millionen.
Schlusslicht ist Feuerland mit 126.190 Einwohnern.
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Freitag, 24. Dezember 2010
D
Das Unsicherheitsministerium
as inmitten der vorwöchentlichen Krise der illegalen Baulandbesetzungen in Villa Soldati geschaffene Sicherheits-mi
nisterium, das die bisherige Verteidigungsministerin Nilda
Garré innehat, entpuppt sich neuerdings als das genaue Gegenteil,
nämlich ein Unsicherheitsministerium. Diese erstaunliche Feststellung beruht auf der Entscheidung der Präsidentin Cristina Kirchner,
dass die Polizisten bei ihren Einsätzen in Sozialkonflikten keine Waffen tragen dürfen. Es soll auf jeden Fall vermieden werden, dass die
Polizei schießt. Der Befehl, den die Ministerin Garré durchsetzte,
ist allerdings nicht durchgreifend. Wenn die Polizeiinfanterie wie
neuerdings im Fall der illegalen Besetzung eines Fußballfelds im
Klub Albariño in Villa Lugano, angrenzend an Villa Soldati, ohne
Schusswaffen, auch ohne Gaspatronen, Spalier steht, muss im Hintergrund eine Patrouille für alle Fälle mit Schusswaffen bereit stehen.
Die Polizeiinfanterie wurde in Villa Lugano aufgestellt, um die aufgebrachten Nachbarn daran zu hindern, die illegalen Besetzer anzugreifen, nachdem die Polizei letztere nicht vertreibt, wie es alle Sprecher der Nachbarn pausenlos forderten. Das heißt im Klartext, dass
die Polizei die Illegalen schützt, nicht umgekehrt, wie es sein sollte.
Dass die Regierung einen richterliches Räumungsurteil einfach übersieht und nicht ausführt, ergänzt das Bild der obwaltenden Anarchie.
Ohne Polizeischutz gibt es bekanntlich keine staatliche Ordnung,
die auf der Verfassung und den Gesetzen beruht. Nachdem die Kirchnerregierungen mit ihrer Verteidigungsministerin Garré die Streitkräfte weitgehend entmachtet haben, ist nun die Polizei mit der gleichen Ministerin an der Reihe. Die Führungsriege ist bereits ausgewechselt worden, danach kommen Untersuchungen möglicher Korruption. All das verursacht Unsicherheit innerhalb des Polizeikaders,
Furcht vor Repressalien und die Bedrohung der persönlichen Sicherheit der Polizisten, wenn sie unbewaffnet Aggressionen über sich
ergehen lassen müssen. In Villa Lugano zündeten die aufgebrachten
Nachbarn Reifen an und beschimpften die Polizisten im Spalier, weil
sie es unterließen, die illegalen Besetzer zu vertreiben. Wasserwer-
fer wurden dann eingesetzt, um die Brände zu löschen, anstatt mit
blau gefärbten Wasserwerfern die Illegalen zu vertreiben, ohne
Schusswaffen einzusetzen.
Hinter den zahlreichen Baulandbesetzungen von bereits über dreißig im ganzen Land räkeln sich dubiose Immobiliengeschäfte. Illegale Landbesetzer in den zahlreichen Notstandssiedlungen, genannt
„villas miseria“, bauen ihre Behausungen längst mit Ziegelsteinen
und anderem Baumaterial und vermieten oder verkaufen sie dann
gelegentlich. Die Mieten sind letzthin sprunghaft gestiegen, woraus
abgeleitet wird, dass die Betroffenen neues Bauland suchen, um sich
niederzulassen, neue Behausungen zu bauen, um sie später zu vermieten oder zu verkaufen. Die Abmachung zwischen der Nationalregierung und der Stadtregierung von Buenos Aires, wonach illegalen Besetzern und Ausländern, die wengier als zwei Jahre im Land
residieren, keine Baufinanzierungen zustehen, stört die Illegalen offenbar nicht, versprechen sie sich doch andere staatliche Geldquellen für die Finanzierungen ihrer Wohnungen.
Mit ihrer Entscheidung, dass die Polizei unbewaffnet in sozialen
Gewaltkonflikten eingreift, hat das Unsicherheitsministerium das landesweite Signal gesetzt, dass künftig solche Rechtsbrüche nicht geahndet werden und straflos weiter geübt werden dürfen. Insofern sind
der kommenden Anarchie keine Grenzen mehr gesetzt worden. Man
muss leider mit mehr illegalen Baulandbesetzungen rechnen, die
sicherlich auch wie in Villa Soldati öffentliche Plätze betreffen mögen, auch in den wohlhabenden Nordvierteln der Stadt Buenos Aires
und im Landesinneren. Einige Gouverneure haben bereits eingegriffen und die Illegalen vertrieben, aber das Signal, das ihnen das nationale Unsicherheitsministerium erteilt hat, birgt auch für Gouverneure
und Bürgermeister, die für Ruhe und Ordnung sorgen, gewaltige Gefahren, zumal richterliche Räumungsurteile nicht befolgt werden.
All das verheißt einen politisch heißen Sommer, derweil sich die
Kandidaturen für die nächstjährigen Präsidentschaftwahlen vorbereiten. Ohne Ruhe und ohne Ordnung.
Randglossen
Z
eitgleich mit vier unbewaffneten Gendarmen, die von illegalen
Besetzern in Lanús angeschossen wurden,
ließ Präsidentin Cristina Kirchner auf einer politischen Veranstaltung in ihrer Residenz in Olivos führende Gouverneure,
Bürgermeister und parteipolitisches Landvolk durch die Blume wissen, dass sie sich
für die Fortsetzung des bisherigen sogenannten Modells einsetzt. Das heißt im
Klartext, dass sie 2011 für ihre Wiederwahl
kandidieren wird, wie es die meisten Anwesenden in Pressegesprächen bestätigten.
Für die formelle Aufstellung ihrer Kandidatur durch die Justizialistische Partei und
ihre Alliierten in der sogenannten Front für
den Sieg muss man sich freilich bis zum
kommenden Herbst gedulden, sofern es
schließlich nicht anders kommt, als man
denkt.
Z
u den prominentesten Kandidaten, die sich vor Jahresende für 2011
melden, überraschte Wirtschaftsminister
Amado Boudou nicht nur die Öffentlichkeit,
sondern die Justizialisten in der Stadt Bue-
nos Aires mit der Ankündigung, dass er sich
im kommenden Jahr für das Amt des Regierungschefs stellen wird. Ihn unterstützt paradoxerweise CGT-Chef Hugo Moyano, der an
der Veranstaltung für die Verkündung der
Kandidatur anwesend war, und angeblich
auch die Präsidentin, allerdings bisher nicht
formell. Boudou vollzog einen politischen
Purzelbaum, als er das wirtschaftsliberale
Lager verließ, in dem er ansässig war, um sich
für das Gegenteil, nämlich Populismus und
Hochinflation, zu entscheiden, mit welchen
Phrasen er gegebenfalls auch mit seiner Gitarre um Stimmen wirbt. Eigenartig.
V
on
Viktor
Orban
könnte
sogar Cristina Kirchner noch etwas
lernen, obwohl der Ungar auf der anderen Seite des politischen Spektrums beheimatet ist. Der ungarische Ministerpräsident hat eine Medienbehörde geschaffen,
die nur von seinen Parteigenossen besetzt
ist. Sie überwacht alle Medien und kann
Bußgelder verhängen, wenn Redakteure
gegen Vorschriften verstoßen, die Orbans
Fidesz-Partei definiert. So ist etwa “poli-
tische Propaganda” verboten, darunter
kann man auch Kritik an der Regierung
verstehen. Cristina träumt von einer Presse, die nur Gutes über sie sagt. Orban
schafft Realitäten, die die EU hoffentlich
bald wieder abschafft.
I
mmerhin ein versöhnlicher Jah-resab
schluss für Barack Obama. Der Senat hat
den Abrüstungsvertrag mit Russland abgesegnet. Mindestens 13 Republikaner haben
mit den Demokraten gestimmt und damit die
notwendige Zweidrittelmehrheit gesichert.
Russland, dessen Parlament noch zustimmen
muss, und die USA werden die Zahl ihrer
nuklearen Sprengköpfe von 2200 auf 1550
verringern. Fragt sich nur, warum 26 US-Senatoren nicht einsehen wollten, dass man
auch mit 1550 Sprengköpfen die Welt in
Schutt und Asche legen kann. Aber denen
geht es nicht um das Sicherheitsinteresse ihres Landes, es geht gegen Obama. Um dem
Präsidenten zu schaden, nehmen diese
“Volksvertreter” Schaden für die USA in
Kauf.
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Im Blickfeld
Helle Rauchschwaden
Von Stefan Kuhn
Der große alte Mann der deutschen Politik ist reger denn je. Altkanzler Helmut Schmidt meldet sich zu Wort, in Zeitungsinterviews,
in TV-Talkshows. Er ist gefragt, er wird gehört, auch weil ihn drei
Viertel der Deutschen als die herausragende moralische Instanz des
Landes betrachten. Natürlich hat das seine Vorteile: Wer greift in
Interviews schon eine 92-jährige „moralische Instanz“ an. Dazu
kommt, dass Schmidts Ehefrau Hannelore „Loki“ erst vor wenigen
Wochen gestorben ist.
In der vor einigen Tagen ausgestrahlten TV-Sendung „Menschen
bei Maischberger“ sah man einen alten, von Trauer gezeichneten
Mann im Rollstuhl, der sich eine Zigarette nach der anderen anzündet. Schmidt ist wohl der einzige Deutsche, der sich über das Rauchverbot in öffentlichen Räumen hinwegsetzen kann. Auch das ist eine
Konzession an die moralische Instanz. Einen Schmidt bekommt man
nur mit Nikotin.
Die Sendung war kurzweilig. Das lag in erster Linie nicht an der
Moderatorin Sandra Maischberger, sondern an dem kettenrauchenden Gast. Vor allem seine Nichtantworten hatten höchsten Unterhaltungswert. Zum derzeitigen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel sagt
Schmidt, der seit 65 Jahren SPD-Mitglied ist: „Ich bin nicht verpflichtet, über jeden Sozialdemokraten etwas Positives zu sagen.“ Über die
deutsche Außenpolitik unter Guido Westerwelle: „Sie glauben doch
wohl nicht im Ernst, dass ich Ihnen diese Frage beantworte.“
Kritische Fragen blockt der Altkanzler ab. Er wolle sich nicht in
die „Tagespolitik“ einmischen. Bei genehmen Fragen tut er dies dennoch. Bundeskanzlerin Angela Merkels Europapolitik sieht er kritisch. Man hätte laut und deutlich sagen müssen, dass Griechenland
geholfen werden muss. Schmidt ist Schmidt. Aus wahltaktischen
Gründen würde er nie seine eigenen Überzeugungen preisgeben. Er
plädiert für eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik. Merkel seit dem jüngsten EU-Gipfel auch.
Gerade in diesem Teil des TV-Interviews wurde deutlich, was
Schmidts moralische Instanz ausmacht. Er steht zu seinen Überzeugungen, auch wenn sie der öffentlichen oder der Parteimeinung widersprechen. Vielfach behielt er Recht, etwa beim Nato-Doppelbeschluss, als scheinbar widersprüchlich nukleare Aufrüstung und Abrüstungsgespräche beschlossen wurden. Gegen diesen Beschluss gingen in Deutschland Millionen auf die Straße, die SPD versagte
Schmidt die Gefolgschaft. Dennoch führte er zur nuklearen Abrüstung und letztendlich zum Fall des Eisernen Vorhangs.
Bei manchen Themen liegt er auch falsch - auch wenn man bei
Schmidt in solchen Dingen vorsichtig sein muss. Schmidt ist Atomkraftbefürworter, obwohl Deutschland durch den Atomausstieg
inzwischen führend bei alternativen Energietechnologien ist und eine
Mehrheit der Bevölkerung hinter dem Ausstiegsbeschluss steht.
Schmidt ist gegen die Einwanderung aus „fremden Kulturkreisen“,
er bevorzugt Arbeitskräfte aus Tschechien und Polen, obwohl es in
diesen Ländern mehr antideutsche Stimmung gibt als in der Türkei
oder anderen islamischen Ländern. Schmidt verweist dabei auf die
patriarchalischen Strukturen islamischer Familien und auf Zwangsheiraten. Er vergisst, dass die Emanzipation der Frau in Deutschland
auch nur ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Er vergisst auch,
dass selbst noch in seiner Regierungszeit für Mädchen oder Angehörige marginaler Schichten der Zugang zu höherer Bildung keine
Selbstverständlichkeit war. Dennoch wäre es keine Überraschung,
wenn Schmidt Recht behielte. Das nur, weil er Schmidt ist.
Gestern feierte Helmut Schmidt seinen 92. Geburtstag. Er glaubt,
dass er noch ein paar Jahre hat. Die wünscht man ihm von ganzem
Herzen. Allein wegen der moralischen Instanz.
„Gorch Fock“
hat abgelegt
Buenos Aires (AT/olb) - Das Segelschulschiff der deutschen
Bundesmarine, die „Gorch Fock“, hat am Mittwoch Buenos Aires
verlassen. Der Besuch in Argentinien war Teil der Feierlichkeiten
zum Bicentenario. Die 89,4 Meter lange Dreimast-Bark war am
20. August in Kiel zu der 42.000 Kilometer langen Reise aufgebrochen und wird erst im Juni nächsten Jahres in Deutschland
zurückerwartet. Erstmals in seiner Geschichte wird das Schiff dabei
auch Kap Hoorn umrunden. Zuvor besuchte die „Gorch Fock“
bereits Las Palmas in Spanien und San Salvador da Bahia in Brasilien.
Seit dem unglücklichen Todesfall einer der Offiziersanwärterinnen in San Salvador da Bahia ist die „Gorch Fock“ ohne Schüler unterwegs. Die etwa 70 anderen Offiziersanwärter, die neben
den 76 Mann und vier Frauen Stammbesatzung auf der „Gorch
Fock“ fuhren, traten vorzeitig den Rückweg per Flugzeug nach
Deutschland an.
In Buenos Aires stiegen 60 Wehrpflichtige aus Deutschland
an Bord, um die Stammbesatzung bei der schwierigen Umrundung von Kap Hoorn zu verstärken. Da die neue Besatzung
zunächst eingewiesen werden musste, blieb die „Gorch Fock“ bis
zum Mittwoch in Buenos Aires. Nach einer Seephase liegt der
nächste Halt in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo, wo
sie vom 29. Dezember bis 2. Januar festmachen soll. Im Januar
startet das Schiff dann von dort in Richtung Kap Hoorn.
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Freitag, 24. Dezember 2010
AUSFLÜGE UND REISEN
Ein Weihnachtskrimi: Peróns
verwunschene Goldbarren
Jimmy Hawkins, Inspektor Dance, Billy Bolich, dass jenes mysteriöse Bash-Safe mit
nes, der einbeinige Pirat John Silver und wie die
(oder ohne?) Goldbarren noch heute irAkteure in Robert Louis Stevensons Schatzingendwo da unten steht.
sel sonst noch hiessen – vergiss es! Denn wie so
Einer Version zufolge, aber eben nichts
oft wird auch hier die Fantasie durch die Realiweiter als eine Ente, sollte besagter Keller als
tät übertroffen.
atombombensicherer Zufluchtsort für Perón
Bei unserem samstäglichen Tabakskollegium
dienen - doch wer wollte schon Buenos Aiwar auch stets ein ehemaliger Techniker von der
res mit einer Kernwaffe belegen?
früheren Unión Telefónica zugegen, den wir InDerzeit halten auf einem rund 6000 Quageniero nannten, schon weit über 90. Als Ferndratmeter grossen Parkplatz nebenan die glitsprechspezialist war er während seiner Tätigkeit
zernden, modernen Autos der argentinischen
an viele sonst unzugängliche Stellen hin gelangt,
Soja-Society, manche Fahrzeuge gut soviel
so beispielsweise auch in den von Dunkel umwert wie mehrere Kilobarren des gelben Merankten Bunker von Perón.
talls.
Dieser geheimnisvolle Kellerraum lag unter
Übrigens war Peróns grossmundige Vereinem grossen Druckereigebäude, genannt Alea,
kündung, die Gänge des Banco Central könin der Bouchard zwischen Viamonte und Córdne man nicht betreten, weil allesamt geramoba, gleich hinter dem Alas-Wolkenkratzer (42
melt voll mit Goldbarren waren, keine ÜberStock), der seinerzeit allein schon genug Poletreibung (am 17. Oktober 1945, wörtlich: „No
mik erregt hatte, weil manche behaupteten, das
se puede caminar por los pasillos del Banco
132 Meter aufragende Hochhaus stünde nicht
Central de tanto oro“, und zwar als Gegenlotrecht.
leistung für Kriegslieferungen vor allem an
Bei Alea (Bouchard 722) wurden Blätter wie
Grossbritannien für Weizen, Fleisch, Leder
Democracia, El Laborista und Noticias Gráfiund Mineralien).
cas (2. Epoche) erzeugt.
Jahrzehnte später berichteten Offiziere
Eines Tages mitte der Fünfziger wurde unser
mehrerer argentinischer Frachter der seinerFreund von seinem Chef zu einem unterirdischen
zeitigen Flota Mercante del Estado (Río LuVerlies abgestellt, das man durch einen langen,
ján, Río Deseado, Río Atuel u.a.), dass ab
dunklen Korridor erreichte. Maximale GeheimEnde 1943 die Schiffe immer wieder den Hahaltungsstufe! Am Ende des Ganges befand sich
fen von New Orleans anliefen, um dort Lader Zugang zu einem etwa drei mal drei Meter
dungen mit schweren Holzkufen, kleine Fässkleinen, fensterlosen Raum, spartanisch als Bechen, zu übernehmen, die, im Land von Dilhelfsbüro eingerichtet. Nur ein Tisch, ein Stuhl
linger, Baby Face Nelson und Bonnie and
und eine Lampe, ansonsten kahle Wände. Hier
Clyde, unter schwerster Bewachung angeliesollte unser Gewährsmann, der Ingeniero, einen
fert wurden und Goldbarren enthielten, die
Das ALAS-Gebäude rechts, zuvorderst der
Fernsprechapparat anschliessen, doch einen
man zumeist in der Kajüte des Kapitäns lagrosse Parkplatz, dahinter das jetzige Büroge- gerte.
Kontakt dafür gab es nirgendwo.
Plötzlich steckte ein Maler seinen Kopf durch bäude anstelle der früheren Alea-Druckerei
Die Entfernung von Fort Worth, wo das
eine gut getarnte Nebentüre, und sichtbar wurde der Zugang zu einer Edelmetall gespeichert war, bis New Orleans beträgt knapp 900 Straszweiten Kammer. Auch hier: lediglich ein einfaches Bett, ein Stuhl, ein senkilometer.
Garderobenständer und ein Nachttischchen. Ach ja, auch noch ein PanDas ging weiter bis 1945. Und Perón schien gar nicht so sehr aufgezerschrank Marke Bash, aus Stahl und feuerresistent.
schnitten zu haben: einmal musste die Río Atuel vierundzwanzig StunVon hier aus führte ein weiterer, niedriger Tunnel, spärlich beleuch- den lang im Hafen von Buenos Aires vertäut warten, schwer bewacht
tet, Richtung Dársena Norte bzw. Dique Cuatro, zum Hafen also, grade von bewaffneten Soldaten und zwei gepanzerten Mannschaftswagen am
275 Meter entfernt.
Pier, weil in den Gewölben des Banco Central einfach kein Platz vorUm den Anschluss bewerkstelligen zu können, mussten die beiden handen war.
Telefontechniker besagten Tresor bewegen. Mit reichlich Kraftaufwand
Auf der Reise von New Orleans oder New York nach dem Río de la
wurde das Monstrum hin und her geschoben, dann, Vorsicht!, gekantet. Plata wurden verschiedene argentinische Dampfer in der Karibik wieAls sie den Stahlschrank leicht ankippten, verrutschte im Inneren etwas derholt von deutschen U-Booten aufgebracht. Das Prisenkommando kam
hartes und schweres. Bumm. Erst als später von den Goldbarren Perons an Bord, beanstandete aber nichts – nur Zigaretten wollten die blauen
die Rede aufkam, wurde es unserem Freund klar, worum es sich dabei in Jungs haben, und zwar GlimmstenWirklichkeit gehandelt haben könnte.
gel gegen Pommery-Sekt, der in der
Freilich: nachdem kurze Zeit darauf Perón gestürzt wurde und tür- engen und übel riechenden Röhre ofmen musste, floh er mitnichten durch jenen obskuren Tunnel, sondern fenbar keine so grosse Nachfrage geüber einen Laufsteg auf das paraguayischen Kanonenboot Humaitá, in noss.
der Hand eine Aktentasche aus Carpincho-Leder, in die nicht viel mehr
Mit Kriegsschluss fanden auch die
als etwas Unterwäsche und ein sauberes Hemd passte. Von Goldbarren Anlieferungen ein Ende, und bald
keine Spur.
drehte sich der Goldfluss sogar um,
Nach der Revolution wurde die grosse Druckerei stillgelegt, der Kom- weil Perón in seiner Überheblichkeit
plex verfiel. Schliesslich wurde das, was eigentlich nur noch ein Eisen- erst die britischen Eisenbahnen kaufbetonskelett war, versteigert und daraus ein modernes Glasbürohaus ge- te und dann Unmengen von schrottschaffen, heute Eingang Bouchard 710.
reifem Kriegsmaterial der Allierten
Es erscheint wenig wahrscheinlich, dass bei diesen Arbeiten jemand anschaffte, um, wie er sagte, das
auf die unterirdischen Anlagen gestossen sein könnte. Und so ist es mög- Land in „Argentina Potencia“ zu verwandeln.
Federico Kirbus
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Freitag, 24. Dezember 2010
Neuer Glanz
Wiedereröffnung des Museums für Moderne Kunst von Buenos Aires
Buenos Aires (AT/SF) - Fünf Jahre lang waren seine Pforten geschlossen, nun wurde das Museum für Moderne Kunst von Buenos
Aires (Museo de Arte Moderno de Buenos Aires, Mamba) am gestrigen Donnerstagabend wiedereröffnet. Das heißt, es wurde zumindest
teilweise wieder in Betrieb genommen: Von den geplanten sieben
Museumssälen sind zunächst zwei Räume für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, einer im Erdgeschoss mit 380 m2, der
andere im 1. Stock mit 488 m2. 2937 Quadratmeter Fläche - die
Fassade eingerechnet - wurden bislang insgesamt renoviert, Mitte
2012, wenn das Museum ganz fertiggestellt sein soll, werden es
11.350 Quadratmeter sein, mehr als das Doppelte des alten Museums.
Die Pläne zum Umbau und der Erweiterung des Museums an der
Av. San Juan 350 in San Telmo waren bereits vor 12 Jahren von dem
argentinischen Architekten Emilio Ambasz, einem Pionier der ökologischen Baukunst, kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Sie
sahen die Renovierung des alten Museumsgebäudes (die ehemalige
Tabakfabrik Nobleza Picardo von 1918) unter Einbeziehung des Nebengebäudes aus den 50er Jahren vor. Für die Fassade des Museums
sollten die alten roten Backsteine einer mit Bäumen und Pflanzen
bewachsenen Balkonfront weichen. Auch die Rückseite, die zur Autobahn 25 de Mayo hin liegt, sollte in Zukunft aus einer “atmenden”
Pflanzenwand bestehen.
Die Renovierungsarbeiten haben bislang schon 58 Millionen Pesos verschlungen, 27 weitere Millionen sollen in die Fertigstellung
noch investiert werden. Die Stadt Buenos Aires will für ihr dann
größtes Museum auch das Verwaltungsbudget aufstocken.
Das Museum für Moderne Kunst wurde 1956 auf Initiative des
Kunstkritikers Rafael Squirru gegründet. In seinem Besitz befinden
sich rund 7000 Werke argentinischer und internationaler Künstler
des 20. und 21. Jahrhunderts, außerdem hat das Museum die einzige
Industriedesign-Sammlung des Landes. Die Modernisierung der Innenräume entspricht laut der Museumsdirektorin Laura Buccellato
klimatisierungs- und sicherheitstechnisch den Normen des ICOM
“Grünes” Mamba: Bäume und Pflanzen sollen die Balkone des
gesamten Gebäudes schmücken.
(International Council of Museums).
Zwei Ausstellungen kann man ab sofort im “neuen” Mamba sehen: Im Erdgeschoss wird die Schau “Narrativas inciertas” gezeigt,
die Werke zeitgenössischer argentinischer Künstler umfasst, die extra für diese Gelegenheit geschaffen wurden. Die Kuratorin Valeria
González wählte für die Exposition u.a. Werke von Eduardo Basualdo, Dino Bruzzone, Max Gómez Canle und Leandro Erlich aus. Im
ersten Stock wird die von Cecilia Rabossi kuratierte Ausstellung “El
imaginario de Ignacio Pirovano” gezeigt. Zur Sammlung Pirovano,
die zum Museumsschatz gehört, zählen u.a Werke von Paul Klee,
Julio Le Parc und Henri Matisse.
Nach seiner Fertigstellung soll das Museum auf fünf Stockwerken neben den Ausstellungssälen auch über ein Depot, eine Bibliothek, Büroräume, Restaurierungswerkstätten, einen Skulpturen-Patio und ein Auditorium für 240 Menschen verfügen.
Eine Auslandsverschuldung von u$s 127,30 Mrd.
und ein Auslandsvermögen von u$s 140 Mrd.
Die gesamte auswärtige Schuld des Staates und der Privatwirtschaft erreichte zum 30. September 2010 laut INDEC u$s 127,37
Mrd., und lag um u$s 3,67 Mrd (2,9%) über Ende Juni 2010. In 9
Monaten 2010 betrug die Zunahme u$s 9,61 Mrd. (8,1%).
Von der Gesamtschuld entfallen u$s 68,85 Mrd. (54,06%) auf den
nicht finanziellen staatlichen Bereich und die Zentralbank, u$s 55,26
Mrd. (43,38%) auf den nicht finanziellen privaten Bereich und u$s
3,26 Mrd. (2,56%) auf den finanziellen Bereich (vornehmlich Banken). Bei der Staatsschuld werden die Wertpapiere in Pesos, auch
diejenigen, die mit dem CER-Index berichtigt werden, nicht als Auslandsverschuldung gebucht. Der grösste Teil der Staatsschuld ist somit inländisch. In Wirklichkeit ist die formelle Unterscheidung zwischen staatlicher Auslands- und Inlandsschuld nicht zutreffend, da
staatliche Dollarbonds in grossen Mengen von Personen gehalten
werden, die in Argentinien wohnhaft sind, während Titel in Pesos
mit CER-Berichtigung sich auch im Besitz von Ausländern befinden.
Die nicht finanzielle Staatsschuld, einschliesslich ZB, stieg im 3.
Quartal um u$s 2,21 Mrd. (3,3%). Diese Zunahme ist vornehmlich
auf die Wertzunahme in Dollar bei Euro-Bonds zurückzuführen, die
sich aus der Euro-Aufwertung gegenüber dem Dollar von 10% ergeben hat. Die private nicht finanzielle Schuld stieg im 3. Quartal um
u$s 1,38 Mrd. (2,6%) und die finanzielle Verschuldung um u$s 76
Mio. (2,4%). Die Zunahme der privaten Auslandsverschuldung steht
in direktem Zusammenhang mit den stark gestiegenen Importen. Hinzu
kommt noch eine beschränkte Aufnahme von Krediten oder internen
Zuwendungen bei multinationalen Unternehmen.
Die Auslandsverschuldung wird auf Grund von Differenzen bei
der Zahlungsbilanz berechnet. Dabei werden jedoch bestimmte laufende Zahlungen nicht berücksichtigt, vornehmlich die Preisdifferenzen, die sich bei unterfakturierten Importen ergeben. Die private Auslandsschuld dürfte somit wesentlich geringer sein.
Das Statistische Amt hat das gesamte Auslandsvermögen von Personen und Unternehmen, die in Argentinien ansässig sind (einschliesslich Dollar- und Euronoten, die in Argentinien gehalten werden) zum
30.9.2010 auf u$s 140 Mrd. berechnet, u$s 7,32 Mrd. mehr als zum
31.12.09. In der gleichen Periode nahmen die ZB-Reserven um u$s
3,08 Mrd. zu. Das Auslandsvermögen, das zum grössten Teil schwarz
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Freitag, 24. Dezember 2010
Staatsfinanzen mit künstlichem Überschuss
Die Finanzen des Nationalstaates schlossen im November mit einem Überschuss von
$ 2,11 Mrd. 9% unter dem gleichen Vorjahresmonat. Der sogenannte „primäre“ Überschuss (bei dem Zinsen auf die Staatsschuld
nicht berücksichtigt werden) betrug $ 3,31
Mrd, 18% mehr als im November 2009. Bei
den Einnahmen wurden jedoch $ 6,41 Mrd.
gebucht, die nicht echt sind: $ 3,11 Mrd. entfallen auf den Ertrag des Sonderfonds des
Rentensystems (ANSeS), der zum grossen
Teil rein inflationär ist, und $ 3,3 Mrd. auf
Abhebung einer Quote des ZB-Gewinnes,
der zum grössten Teil rein buchmässig ist,
da er auf der Aufwertung der Devisenreserven beruht, die sich aus der Abwertung ergibt. Wenn man somit diese Einnahmen abzieht, die eine „krea-tive Buchhaltung“ darstellen, dann ergibt sich ein echtes Defizit
von $ 4,3 Mrd und ein primäres Defizit von
$ 3,10 Mrd. Abgesehen davon wird das Ergebnis noch durch Verschiebung von Zahlungen und nicht-Zahlung von Schulden verbessert, wobei die ANSeS auch bei Urteilen
des Obersten Gerichsthofes zunächst nicht
zahlt.
In 11 Monaen 2010 erreichte der echte
(„finanzielle“) Überschuss gemäss Zahlen
des Schatzamtes $ 7,94 Mrd., und der primäre $ 27,28 Mrd. Auch diese Ergebnisse
werden ohne kreative Buchhaltung zu Defiziten.
Im November lagen die gesamten Staatsausgaben mit $ 31,67 Mrd. um 49% über
dem gleichen Vorjahresmonat. Die Zunahme
betrug in 11 Monaten 34,4%, woraus sich
ergibt, dass im November ein markanter
Sprung stattgefunden hat. Die starke Ausnahme ist u.a. auf die Subvention für über 3,5
Mio. minderjährige Kinder zurückzuführen,
die im November 2009 nicht bestand, sowie
auf erhöhte Subventionen (vornehmlich für
städtischen Personentransport und elektrischen Strom), und auch auf hohe Zuwendungen für Staatsinvestitionen, besonders für die
Fertigstellung von Atucha II und Yacyretá,
die sich in der Endphase befinden. Abesehen davon wurden Beamtengehälter und
Renten allgemein erhöht.
Die gesamten Einnahmen, enschliesslich
der Quote des ZB-Gewinnes und der Rente
des ANSeS-Fonds, betrugen im November
34,98 Mrd., um 45% mehr als im Vorjahr.
Die Steuereinnahmen lagen jedoch bei der
Staatsverwaltung im Novemeber um 37,6%
über dem Vorjahr und beim Sozialsystem
(ANSeS) um 46% höher. Die Staatseinnahmen steigen somit gesamthaft stärker als das
(geschätzte) BIP zu laufenden Werten, jedoch
viel weniger als die Ausgaben.
ARGENTINISCHE WIRTSCHAFT
Der Dollarkurs schloss am Donnerstag zu
$ 4,00, unverändert zur Vorwoche und um
4,44% über Ende 2009. Der Rofex-Terminkurs lag zum 30.12.10 bei $ 3,983, zum 31.3.11
bei $ 4,078, zum 30.6.11 bei $ 4,17, zum
30.9.11 bei $ 4,267 und zum 30.12.11 bei $
4,368. Der Kurs per Ende September 2011 lag
um 9,63% über dem Tageskurs.
***
Der Merval-Aktienindex der Börse von
Buenos Aires lag am Donnerstag um 5,68%
über der Vorwoche. Im Laufe des Jahres ist
der Merval-Index um 49,79% gestiegen.
***
Die Staatspapiere standen in der Woche
ganz im Zeichen der Hausse. Par-Bonds in Pesos stiegen innerhalb einer Woche um 2,09%
(+88,79% seit Ende 2009). Discount-Bonds in
Pesos stiegen um 4,97% (bzw. +70,63%), Boden 2014 stiegen um 1,24% (bzw. +30,60%),
Boden 2012 stiegen um 2,14% (bzw. +8,66%)
und Boden 2013 stiegen um 1,14% (bzw.
+13,83%).
***
Die Währungsreserven der ZB betrugen
zum 10.12.10 u$s 51,96 Mrd., unverändert
zur Vorwoche und 8,32% über Ende 2009.
***
Der Notenumlauf betrug zum 10.12.10 $
116,74 Mrd., 1,18% über der Vorwoche und
19,05% über Ende 2009. Girodepositen betrugen $ 106,62 Mrd., um 0,81% über der Vorwoche und um 26,21% über Ende 2009, und
Spardepositen machten $ 56,88 Mrd. aus,
4,32% weniger als in der Vorwoche und 18,74%
mehr als Ende Dezember.
***
Die gesamten Pesodepositen des Bankensystems lagen zum 10.12.10 bei $ 320,12
Mrd., um 0,17% unter der Vorwoche und
um 38,42% über Ende 2009. Fristdepositen
lagen mit $ 141,72 Mrd. um 0,13% über der
Vorwoche und um 62,02% über Ende Dezember. Dollardepositen betrugen u$s 16,03 Mrd.,
um 1,03% über der Vorwoche und um 34,77%
über Ende Dezember.
***
Gold wurde letzte Woche in Buenos Aires
(Banco Cuidad) bei 18 Karat zu $ 116,52 pro
Gramm gehandelt (Vorwoche: $ 114,80) und
bei 24 Karat zu $ 177,40 (Vorwoche: 174,90).
***
Der Saal 3 der Bundeskammer für soziale Sicherheit hat einer Einstweiligen Verfügung eines Pensionärs stattgegeben, dass sein
Pensionsguthaben unverzüglich und ohne
weiteres Abwarten auf den endgültigen Ausgang des Rechtsweges gemäß der Richterentscheidung des Obersten Gerichtshofes im
Fall Badaro angepasst werden muss. Das
Besondere an dieser Entscheidung ist, dass das
Richtergremium des besagten Saales 3 in der
Vergangenheit Einstweilige Verfügungen in
ähnlich gelagerten Fällen stets abgelehnt hatte.
In diesem Fall gaben die Richter zu Protokoll,
dass sie die besondere gesundheitliche und wirtschaftliche Situation des 94-jährigen Klägers
berücksichtigt hätten. Bislang hatte nur der Saal
2 nach Mehrheitsentscheid durch Richter Lisandro Fernández und Luis René Herrero solchen Einstweiligen Verfügungen stattgegeben.
***
Die Kammer der privaten Fluggesellschaften in Argentinien, genannt Jurca, hat
förmlich Protest gegen eine Entscheidung
der Nationalen Regulierungsstelle für den
Flughafenbetrieb (Orsna) eingelegt. Diese
hatte in ihrer Resolution 79/2010 vom 7.12. der
staatlichen Aerolineas Argentinas sowie der von
ihr kontrollierten Inlandsfluggesellschaft Austral weitreichende Privilegien am Inlandsflughafen Jorge Newbery (Bundeshauptstadt) eingeräumt, indem sie deren Flugzeugen Priorität
beim direkten Zugang zum Hauptgebäude mit
seinen vier Seitenflügeln gewährt hat. Andere
Fluggesellschaften müssen mit ihren Flugzeugen auf weiter entfernte Parkbuchten ausweichen und ihre Fluggäste mit Bussen von und
zum Hauptgebäude transportieren, was ein gravierenden Wettbewerbsnachteil darstellt.
***
Das Parlament der Stadt Buenos Aires hat
einem Gesetzesentwurf zugestimmt, wonach
die Banco Ciudad Mietern unter gewissen
Bedingungen eine Bankgarantie für die
Wohnungsmieten in der Bundeshauptstadt
ausstellen muss. Um in den Genuss dieser
Möglichkeit zu kommen, muss der Antragsteller Argentinier sein oder als Ausländer eine
gültige Aufenthaltsgenehmigung besitzen, er
muss volljährig sein und ein Konto bei der Banco Ciudad eröffnen. Außerdem darf die Miete
höchstens 35% der monatlichen Einkünfte ausmachen, was bei abhängig Beschäftigten über
Einkommensnachweise und bei Selbstständigen über Einheitssteuer-Belege, beide für den
Zeitraum der letzten 3 Monate, nachgewiesen
werden muss. Mieter, welche die Bankgarantien ohne Beanstandungen in Anspruch genommen haben, können zudem in der Folgezeit
leichter an Kredite zum Kauf von Wohnraum
kommen.
***
Die Wirtschaftsleistung der Industrie
wächst weiter zweistellig: Im November betrug die Steigerung 12,5% gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres, so der vom Indec
monatlich ermittelte Branchenindex EMI
(„Estimador Mensual Industrial“). Gegenüber
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Freitag, 24. Dezember 2010
dem Oktober legte der Index um 3,9% zu. Vergleicht man die Zeiträume Januar bis November 2010 und 2009 betrug der Anstieg 9,7%.
Größte Wachstumssektoren waren einmal mehr
die Kfz-Produktion und die metallverarbeitende Industrie.
***
Die inländische Produktion von elektrischen Haushaltsgeräten steuert auf ein Rekordjahr zu. Gemäss Angaben der Industrieministeriums werden die Produktionszahlen
2010 im Vergleich zum Vorjahr um durchschnittlich 35% zunehmen. Auf die Warengruppen verteilt geht Ministerin Débora Giorgi für
2010 davon aus, dass die Produktion von Kühlschränken um 25%, von Waschmaschinen um
48% und von Küchenherden um 30% wachsen
wird. 908.000 Waschmaschinen, 641.000 Kühlschränke sowie 598.200 Kochherde waren 2009
hergestellt worden. Die Produktionssteigerungen lassen sich darauf zurückführen, dass zunehmend Importe durch hier produzierte Geräte ersetzt werden, so dass inzwischen 90% der
verkauften Eisschränke im Inland hergestellt
worden ist; allein 2010 waren Importe im Wert
von u$s 50 Mio. ersetzt worden. Besonders
deutlich wird der Prozess in der Warengruppe
Küchenherde, wo die Importquote von 70%
(2003) auf inzwischen 20% reduziert wurde.
***
Die Investitionen der Industrie in Maschinen und Geräten sind im 3. Quartal 2010
interanuell um 26,6% gestiegen, meldet Industrieministerin Débora Giorgi. Inzwischen
macht dieser Bereich 45% der gesamten Bruttoinlandsinvestitionen, bzw. 24,6% des Bruttoinlandsproduktes aus, der höchste Stand seit 30
Jahren. Der Kauf von Investitionsgütern (Maschinen und Betriebsmittel) im Ausland umfasst
inzwischen die Hälfte aller Importe. Laut Indec nahmen in den ersten 10 Monaten des Jahres die Einfuhren von Maschinen um 36% und
die von Rohstoffen und Halbfabrikaten um 41%
zu, während die von Konsumgütern nur um
28% stiegen.
***
Die staatlichen Exportbeschränkungen
für Gas werden jetzt vermutlich in einen
großen Rechtsstreit zwischen der Erdölfirma YPF und der Transportadora Gas del
Norte (TGN) münden. In einem Schreiben an
die Börse Buenos Aires gab TGN am Montag
bekannt, dass es den Vertrag mit YPF jetzt gekündigt habe, weil Rechnungen im Umfang von
u$s 71,54 Mio. aus dem Zeitraum Februar 2007
bis Oktober 2010 noch nicht beglichen seien.
Der Vertrag aus dem Jahr 1999 sah vor, dass
TGN den Transport von täglich bis zu 2,8 Mio.
cbm Flüssiggas nach Brasilien für 20 Jahre
übernimmt. Als die Regierung nach 2006 den
Export von Gas beschränkt hatte, war der Liefervertrag mit dem brasilianischen Partner AES
Uruguaiana hinfällig, die Lieferung wurde eingestellt. Neben den offenen Rechnungen hat
TGN angekündigt, YPF auch die Ausfallkosten für die verbleibende Vertragslaufzeit von 9
Jahren in Rechnungen zu stellen, da die Amor-
tisation der Investition auf die gesamten 20 Jahre berechnet worden sei. YPF seinerseits gab
an, dass es den Vertrag bereits im April 2009
gekündigt habe und diese Kündigung seitdem
auch bei jeder eingehenden Rechnung an TGN
wiederholt habe. Zusätzliche Brisanz erhält der
Fall, da sich hinter TGN die Gesellschaft Gasinvest und somit Techint verbirgt. In dem Rechtsstreit stehen sich demnach die beiden größten
Unternehmen
Argentiniens
gegenüber.
***
Nach Angaben des Indec weist die Leistungsbilanz Argentiniens im 3. Quartal einen Überschuss von u$s 900 Mio. aus. Er lag
damit deutlich unter dem Überschuss der Handelsbilanz von u$s 3,75 Mrd. Gegenüber dem
3. Quartal 2009 ist der Leistungsbilanzüberschuss um u$s 2,77 Mrd. gefallen. Der Grund:
Das damalige Ergebnis war stark von den Einnahmen aus den Sonderziehungsrechten (spanisch: DEG) des Internationalen Währungsfonds aufgebläht, die der Fonds aufgrund der
weltweiten Wirtschaftskrise auch nach Argentinien verteilt hat. Auch der Kapitalfluss fiel im
3. Quartal 2010 positiv aus; es wurden Nettoeinnahmen von u$s 207 Mio. verbucht. Im Vergleichszeitraum 2009 waren noch Nettoabflüsse
von u$s 1,74 Mrd zu verzeichnen gewesen.
***
Die Importe stiegen im interanuellen Vergleich im November um 53% und die Exporte um 23%, so dass der Saldo der Handelsbilanz um 67,8% zurückging. Die Zunahme der Importe war zu 39% auf höhere Mengen und zu 9% auf höhere Preise zurückzuführen. In 11 Monaten lagen die Importe mit u$s
51,1 Mrd. um 45% über dem Vorjahr, und die
Exporte mit u$s 62,9 Mrd. um 24% höher.
***
Die Mitglieder der Genossenschaft der
Landwirte AUT (Asociación Unión Tamberos) haben in einer Generalversammlung mit
grosser Mehrheit dem Verkauf ihrer Beteiligung von 54% im Milchunternehmen Milkaut an die französische Bongrain zugestimmt, die schon eine Beteiligung von 40%
hat. Die Übertragung soll am 20. Januar abgeschlossen werden, sofern die Weltbanktocher
ICF (International Finance Corporation) sich
mit einem Abschlag von 50% auf ihre Kredite
an Milkaut einverstanden erklärt.
***
Der EMAE-Index („Estimador Mensual
de la Actividad Económica“) des INDEC, der
eine grobe Schätzung des BIP ist, lag im Oktober 2010 um 7,2% über dem gleichen Vorjahresmonat, und in 11 Monaten 2010 um
8,9% über dem Vorjahr. Die Rate der Zunahme war im Oktober geringer als in Vormonaten
(als sie gelegentlich über 10% erreichte, mit einem Spitzenwert von 13,5% im Mai), weil die
Vergleichsbasis des Jahres 2009 höher lag.
***
Die Zeitung „Ambito Financiero“ berichtet, dass Repsol letzte Woche 5% des Kapitals von YPF an der Börse von New York verkauft hat, angeblich an zwei Investment-
Fonds. Die Repsol-Leitung hatte vor einem
Monat schon die Absicht angekündigt, 15% des
Kapitals an der Börse unterzubringen.
***
Die Autobahn zwischen Córdoba und
Rosario, die „Ruta 9“, ist seit dieser Woche
vollständig fertiggestellt. Präsidentin Cristina
Kirchner konnte den letzten 44 Km langen Bauabschnitt am Dienstag feierlich in der Stadt
Leones eröffnen. Damit verkürzt sich die Reisezeit für die 410 Km lange Strecke zwischen
den beiden wichtigen Großstädten von 7 auf
4,5 Stunden. In den Bau der zweispurigen Autobahn hatte die Regierung mehr als $ 3,2 Mrd.
investiert.
***
Im Beisein von Präsidentin Cristina
Kirchner unterzeichneten Unternehmer und
Arbeitnehmer der Baubranche eine Vereinbarung zum sozialen Dialog. Es ist bereits die
dritte Branche, die einen solchen Vertrag abgeschlossen hat. Neu an dem Vertrag zwischen
der Baugewerkschaft UOCRA und der Kammer der Bauindustrie sei, so Kirchner, dass auch
Zulieferbranchen Teil der Vereinbarung sind
und damit die gesamte Wertschöpfungskette abgedeckt sei. Die Regierung versucht über solche Vereinbarungen zum sozialen Frieden
einerseits Arbeitskämpfe und ausufernde Lohnforderungen zu unterbinden und andererseits Investitionszusagen der Unternehmen zu erhalten.
***
Pablo Moyano, Vorsitzender der Lastwagenfahrergewerkschaft und Sohn des mächtigen Vorsitzenden des Gewerkschaftsdachverbandes CGT, fordert von den Arbeitgebern eine Sonderzahlung von $ 1.000 für jeden Arbeitnehmer zum Jahresende. Diese
Forderung war dem Unternehmerverband des
Straßengüterverkehrs (Fadeeac) am 10.12. per
Brief zugestellt worden, der diese jedoch
inzwischen geschlossen zurückgewiesen hat.
Als originelle Begründung für die Sonderzahlung gab Moyano an, dass das Geld den Arbeitern bei den notwendigen Einkäufen für das
neue Schuljahr helfen solle.
***
Binnenhandelssekretär Guillermo Moreno hat befristet für den Dezember den Export von Rinderzungen untersagt. Er sorgt
sich darum, dass das Produkt als integraler Bestandteil des traditionellen Weihnachtsessens
„Zunge mit Sauce Vinaigrette“ zum Ende des Jahres knapp wird. Laut Branchenquellen besteht das
Ausfuhrverbot seit Anfang des Monats und hat
auch schon im vergangenen Jahr bestanden.
***
Die Produktion von Rohstahl betrug im
November 448.700 t und lag damit um 8,2%
über den Zahlen des Vorjahresmonats, meldet die Kammer der Stahlbranche. Gegenüber dem Vormonat ist die Produktion um 4,4%
zurückgegangen, was allerdings lediglich auf
die geringere Anzahl der Arbeitstage im November zurückzuführen sei, so die Kammer. Die
akkumulierte Produktionsmenge der ersten 11
Monate liegt um 30,5% über der des Vergleichs-
Seite 10
Freitag, 24. Dezember 2010
zeitraums 2009.
***
Zum 51. Mal in diesem Jahr hat die Regierung den laufenden Haushalt durch Beschluss 881/10 (Amtsblatt vom 21.12.10) des
Kabinettschefs geändert. Es wurden zusätzliche $ 5,5 Mrd. für Sozialleistungen aufgewendet. Die Mittel fließen vor allem in Zuwendungen im Rahmen der sozialen Familienunterstützung, der Pensionen ohne vorherige Beitragszahlungen, der Renten für ehemalige Militärund Sicherheitskräfte sowie Überweisungen an
PAMI. Die Regierung holt sich die Gelder aus
dem Anses-Etat, zum Großteil ($ 5,43 Mrd.)
aus deren Einnahmen, die von Sozialabgaben
herrühren, sowie über die Verminderung der
Barbestände um $ 67 Mio., die Anses auf Bankkonten bereit hält. Im Wesen werden die Einnahmen verteilt, die sich ergeben, weil die
Schätzung des Haushaltsgesetztes 2010 weit
unter den effektiven Einnahmen lagen.
***
Meteorologen fürchten, dass die für diese
Saison prognostizierte Rekordernte von Soja
ausfallen wird, wenn nicht noch starker Regen im Dezember und Januar kommt. Hohe
Temperaturen und geringe Niederschläge –
Auswirkungen des Wetterphänomens La Niña
– bedrohen die Erträge bei Sojabohnen. Zwar
habe es inzwischen starke Niederschläge im
Norden von Santa Fe, in Santiago del Estero
und im Südosten der Provinz Buenos Aires gegeben sowie moderaten Regen in Córdoba, im
Süden von Santa Fe und im Norden der Provinz Buenos Aires, was die Situation etwas entspannt habe, aber es gäbe weiterhin viele Regi-
onen, die unter dem Wassermangel zu leiden
hätten, sagt Maximiliano Zavala von der Getreidebörse in Buenos Aires. Das Landwirtschaftsministerium hatte für 2011 eine Rekordernte von 52 Mio. t Soja vorausgesagt, fast
gleich so hoch wie die von 2010.
***
Die ZB hat in dieser Woche Wechsel für $
1 Mrd. ausgeschrieben, Offerten von $ 2,56
Mrd. erhalten und $ 2,26 Mrd. zugeteilt.
Lebac-Wechsel zu 42 Tagen wurden mit
10,85% verzinst, zu 63 Tagen mit 10,95%, zu
119 Tagen mit 11,2%, zu 378 Tagen mit 13,05%
und zu 469 Tagen mit 13,95%. Nobac auf 209
Tage wurde zum Badlar-Satz plus 1,5 Prozentpunkte verzinst. Der Aufschlag betrug bei 273
Tagen 1,79 Punkte, bei 363 Tagen 2,06 Punkte
und bei 546 Tagen 2,35 Punkte.
***
Seit Anfang letzter Woche blockieren Mitglieder der Hafenarbeitergewerkschaft
SUPA das Terminal der Firma Exolgan am
Dock Süd des Hafens von Buenos Aires.
SUPA fordert, dass die Firma die Arbeitnehmervertreter der Gewerkschaft anerkennt und die
Auslagerungen der Arbeitsplätze an Dienstleister sowie die prekären Arbeitsverhältnisse von
Hunderter der Verladearbeiter beendet.
***
In einem aufsehenserregenden Urteil hat
die Appellationskammer für den Handel die
Teilnahme von Binnenhandelssekretär Guillermo Moreno an Direktoriumssitzungen
von Papel Prensa als Vertreter des Aktienpaktes, das der Staat an der Firma hält, untersagt. Moreno dürfe künftig nicht einmal das
Gebäude von Papel Prensa betreten, so die Richter. Der Staat soll nach Willen der Kammer einen neuen Vertreter ernennen. Daneben gab die
Kammer dem Unternehmen grünes Licht für die
Durchführung der Wahl von Vertretern, die in
die Steuerprüfungskommission entsandt werden. Moreno hatte diese Wahl am 12.8. auf martialische Weise gestoppt.
***
Die Regierung hat per Dekret das Umtauschangebot für die noch verbleibenden
Schuldentitel aus dem Default wieder eröffnet. Bis zum 31.12.2010 haben Schuldner, die
bislang die beiden vergangenen Umtauschaktionen 2005 und Juni 2010 haben verstreichen
lassen, letztmalig die Gelegenheit, die Offerte
anzunehmen. Die argentinische Regierung rechnet damit, dass Titel im Wert von ca. u$s 100
Mio. umgetauscht werden. Das Angebot gilt an
die Schuldner weltweit, allerdings müssen sie
die Transaktion in Argentinien durchführen,
Zwischenbanken sind nicht zulässig. Das Gesetz aus 2009, auf dem die Konditionen des Umtausches beruhen, erlischt am 31.12.2010.
***
Die Bankangestellten und Mitarbeiter von
Finanzinstituten erhalten im 1. Quartal 2011
monatlich $ 1000 mehr an Gehalt. Für Dezember werden rückwirkend $ 900 bezahlt.
Darauf einigten sich die Bankgewerkschaft und
die Unternehmerkammern der Branche am
Dienstag. Die zusätzliche Monatszahlung entspricht im Durchschnitt einer Gehaltserhöhung
von 20%. Gleichzeitig gaben die Verhandlungspartner grünes Licht für die Ausarbeitung einer
Sozialvereinbarung im Januar.
LATEINAMERIKANISCHE WIRTSCHAFT
Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat
per Dekret 2 Zulieferfirmen für die Bauindustrie enteignet. Es handelt sich um die Keramikfabrik Sanitarios Maracay sowie den Weiterverarbeiter von Aluminium, Aluminio de Venezuela (Alven). Beide Unternehmen seien laut
Chávez seit Jahren geschwächt gewesen. Sanitario Maracay wird bereits seit 2006 – in Folge
von Konflikten mit den Besitzern - von den Arbeitnehmern kontrolliert. Die kontinuierlichen
Unternehmensenteignungen bürden dem Staat
eine zunehmende finanzielle Last auf, wobei
diese neuen Staatsbetriebe sehr ineffizient sind
und eine geringe Leistung aufweisen, die das
Wachstum belastet.
***
Nachdem es 20 Jahre lang brach gelegen
ist, wird das Hotel Casino Carrasco in Montevideo voraussichtlich im Mai 2012 wieder
seine Türen öffnen. Das Gebäude, ein Wahrzeichen der uruguayischen Hauptstadt, wird von
dem Konsortium Carrasco Nobile, angeführt
von der Codere-Gruppe und der Argentine Gaming Gruppe, mit einer Investition von u$s 60
Mio. vollständig renoviert und zu einem luxuriöses 5-Sterne-Hotel mit 110 Zimmern, Konferenzsälen, Spa-Bereich und Casino umgebaut.
Das Hotel wird von Sofitel betrieben werden,
der Unterhaltungsbereich von der Codere-Grup-
pe. Hinter dieser steht eine spanische Unternehmensgruppe mit Schwerpunkt auf dem Unterhaltungs- und Glückspiel-Sektor, die in 8 Ländern Europas und Lateinamerikas präsent ist.
In Argentinien sind die Spanier seit 23 Jahren
tätig und betreiben 14 Spielsäle in der Provinz
Buenos Aires. Die Gruppe Argentine Gaming
nimmt ihrerseits Fremdkapital über einen Investmentfonds auf, und investiert dieses in Beteiligungen an Spielcasinos. Aktuell kontrolliert
die Gruppe 3 Kasinos in der Provinz Buenos
Aires, ist aber auf der Suche nach weiteren Projekten in Argentinien bzw. Lateinamerika.
Die argentinischen Firmen AESA und
BTU konkurrieren mit der deutschen Firma
SPG Steiner um den Auftrag zur Entwicklung und den Bau einer Anlage zur Erdgastrennung in Bolivien. Das Ausschreibungsverfahren wird von der Yacimientos Petrolíferos
Fiscales Bolivianos (YPFB) durchgeführt.
Bereits nächste Woche soll der Zuschlag erfolgen. Die notwendige Investition für das Projekt wird auf u$s 90 Mio. geschätzt, mit der
Fertigstellung wird in 2 Jahren gerechnet. Die
Anlage, die im Bezirk Santa Cruz entstehen
wird, erlaubt es YPFB, die Flüssiganteile an
dem dort geförderten Erdgas herauszutrennen,
um es so für den Inlandsmarkt weiterverarbei-
ten zu können und die wertvollen Bestandteile
(Propan und Butan) gesondert verwenden zu
können
***
Die chinesische Noble-Gruppe, die stark
auf dem internationalen Rohstoffmarkt tätig ist, hat den Kauf von 2 Zuckerfabriken
der brasilianischen Gruppe Cerradinho angekündigt. Der Kaufpreis wird mit u$s 950
Mio. angegeben. Die beiden Raffinerien produzieren 600.000 t Zucker und 300.000 cbm
Ethanol pro Jahr.
***
Die chilenische Regierung beabsichtigt,
binnen neun Monaten den Anteil von 35%
am Unternehmen „Aguas Andinas“ zu verkaufen, das sich mit Wasserversorgung und
Entsorgung befasst und von der spanischen
„Aguas de Barcelona“ kontrolliert wird.
Ebenfalls soll der Anteil von 29% an Esval verkauft werden, die den Hafen von Valparaíso betreibt, sowie 43% von Essbio und 45% von
Essal. Ausserdem soll der Anteil von 13,7% an
„Blanco y Negro“, die den Fussballclub Colo
Colo betreibt, verkauft werden. Die Regierung
erwartet einen Gesamterlös von u$s 1,6 Mrd.,
der für den Wiederaufbau der durch das Erdbeben vom Februar zerstören Gegend eingesetzt
werden soll.
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Freitag, 24. Dezember 2010
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Brasiliens Zentralbank meldet für November u$s 3,73 Mrd. ausländischer Direktinvestitionen in Brasilien, und in 11 Monaten 2010 u$s 38 Mrd.
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Brasiliens Leistungsbilanzdefizit hat sich
im November wegen des starken (überbewerteten) Reals weiter verschärft: Mit u$s 4,7
Mrd. lag es deutlich über den u$s 3,3 Mrd. vom
November des Vorjahres. Bis Ende des Jahres
rechnet die Zentralbank Brasiliens mit einem
Negativsaldo von insgesamt u$s 49 Mrd. Die
Bank revidierte ihre Prognose für 2011 und sagt
nun ein Defizit von u$s 64 Mrd. voraus, was
2,85% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) entspricht. Aktuell liegt das akkumulierte Defizit
2010 bei 2,43% des BIP.
Geschäftsnachrichten
PepsiCo
Mit einer Investition von u$s 15 Mio. hat der US-Getränke- und
Lebensmittelkonzern PepsiCo seine Fabrik in Mar del Plata (Provinz Buenos Aires) um eine neue Produktionsanlage für Salzgebäck
(„Cracker“) erweitert. Die Produkte gehen in den argentinischen,
chilenischen, paraguayischen und uruguayischen Markt.
Howard Johnson Argentina
Die Hotelkette mit den meisten Hotels im Land, Howard Johnson, baut ein neues Hotel im Strandbad Cariló (bei Pinamar). Die
Investition für das 120-Zimmer-Hotel wird bis zu u$s 14 Mio. betragen, die Bauarbeiten beginnen im Januar 2011. Howard Johnson
betreibt 24 Hotels in Argentinien, 21 weitere befinden sich im Bau.
Mercedes-Benz
Nach 15 Jahren wird der deutsche Kfz-Konzern erstmals wieder
LKWs in Argentinien fertigen. Das gab der Präsident von Mercedes-Benz, Roland Zey, bei einem Treffen mit Präsidentin Cristina
Kirchner am Montag bekannt. Ab Mai 2011 wird in der Fabrik im
Industriezentrum Juan Manuel Fangio, in der Umgebung der Bundeshauptstadt, der halbschwere Lastwagen Frontal 1720 gebaut. Die
neue Produktionsreihe zielt auf den Plan der Erneuerung der LKWFlotte auf Argentiniens Straßen ab, der von der Regierung und dem
Unternehmerverband des Straßengüterverkehrs (Fadeeac) ins Leben
gerufen worden ist, um die Sicherheit und die Umweltverträglichkeit des Straßenverkehrs zu erhöhen. Die Produktionserweiterung
des Autobauers ist Teil eines umfassenden Investitionsplans der
Daimler AG, zu der Mercedes-Benz gehört. In diesem Rahmen will
der Konzern in Argentinien bis zu $ 400 Mio. investieren und damit
u.a. neue Produktionen von Karosserien für Stadtbusse sowie dem
Motor OM 651 aufbauen. An dem Treffen in der Casa Rosada nahmen auch Industrieministerin Débora Giorgi, der Leiter des Industriezentrums von Mercedes-Benz, Olaf Klug, sowie der Leiter der
Institutionellen Beziehungen von Mercedes-Benz, Gustavo Castagnino, teil.
Toyota
Die japanische Toyota hat eine Investition von u$s 50 Mio. in
ihrem Werk in Zárate, Provinz Buenos Aires, angekündigt. Ab November 2011 soll die Kapazität auf 90.000 Kfz pro Jahr erhöht werden, was mit einer Erhöhung der Belegschaft um 500 Personen auf
3.700 begleitet wird. Von der Produktion soll 75% exportiert werden, vornehmlich nach Brasilien u.a. Ländern von Südamerika und
der Karibik.
Regina Hoteles
Die spanische Hotelgruppe wird im 1. Quartal 2011 ihr erstes 4Sterne-Hotel in Buenos Aires eröffnen, nämlich das Pulitzer Buenos
Aires, auf der Plaza San Martín. Das Hotel wird in 13 Stockwerken
mit 104 Zimmern zählen.
Aeropuertos Argentina 2000
Nachdem dieser Flughafenbetreiber eine Anleihe in Höhe von u$s
300 Mio. erfolgreich platzieren konnte, hat er Investitionen in gleicher Höhe angekündigt. Der Großteil der Investition fließt in den
Ausbau des Flughafens Ezeiza. Hier errichtet AA 2000 für u$s 250
Mio. ein neues Terminal C mit einer Gesamtfläche von 150.000 qm.
Die erste Bauphase läuft bereits.
WIRTSCHAFTSÜBERSICHT
Wirtschaftswachstum und Sozialpolitik
Im 3. Quartal 2010 hat das Bruttoinlandsprodukt laut Berechnung
des statistischen Amtes (INDEC) im interanuellen Vergleich um 8,6%
zugenommen. Die ersten 9 Monate des Jahres liegen um 9,1% über
der gleichen Vorjahresperiode. Die Tatsache, dass die interanuelle
Zunahme des 3. Quartals, das um 0,4% über dem 2. Quartal liegt,
geringer als die der vorangehenden Quartale 2010 war, beruht darauf, dass das 1. Halbjahr 2009 rezessiv war und im 2. Halbjahr eine
Besserung eintrat. Die Vergleichsbasis lag im 3. Quartal 2010 höher
und wird im 4. Quartal noch höher liegen.
Im 4. Quartal 2010 wirkt sich jetzt die Superernte von Sojabohne,
die zu gestiegenen hohen Preisen exportiert wird, und auch die von
Mais, voll aus. Ausserdem hat die Regierung noch besondere Anreize für den Konsum geschaffen, wie die zusätzlichen $ 500 für Pensionäre, die die Mindestrente beziehen. Der Konsum wird ausserdem
auf breiter Basis mit Krediten (auf 24 und 30 Monate) angespornt,
so dass das Jahr mit Volldampf endet, was in einem besonders guten
Weihnachts- und Neujahrsgeschäft und einer guten Feriensaison zum
Ausdruck kommt. Man kann somit für ganz 2010 mit einer BIPZunahme von fast 9% rechnen.
Die Experten des IWF, die nach Argentinien kamen, um den Index der Konsumentenpreise zu revidieren, haben beiläufig darauf
hingewiesen, dass eine Korrektur nach oben dieses Indices eine nach
unten der BIP-Berechnung mit sich bringt. Indessen wird das BIP
auf der Grundlage konkreter Daten über Produktion der einzelnen
Bereiche berechnet, bei denen die Preisentwicklung keine Rolle spielt.
Nur bei Dienstleistungen, die
ohnehin schwer zu messen sind,
spielen eventuell die Preise eine
Rolle.
Hingegen kann man die hohe
INDEC-Wachstumsrate des BIP
für 2010 von einer anderen Perspektive aus beanstanden. Wenn das
BIP 2009 um 3% bis 4% zurückgegangen ist, wie es private Wirtschaftler berechnet haben, dann ist
eine Zunahme von 9% 2010 in
Freitag, 24. Dezember 2010
Ordnung, wobei ein Teil derselben eben nur im Ausgleich des Vorjahresverlustes besteht. Wenn man jedoch von den INDEC-Zahlen
ausgeht, gemäss denen 2009 eine BIP-Zunahme von 0,9% verzeichnet, dann wird man stutzig, da dann die 9% eine volle Zunahme darstellen. Dennoch: auch wenn es „nur“ 7% oder 8% sind, handelt es
sich um ein bedeutendes Wachstum.
Langfristiges Wachstum
und erhöhte Staatsquote
In der Periode 2002/2010 wäre das BIP somit um 70% gestiegen.
Dabei muss berücksichtigt werden, dass das BIP zwischen 1990 und
1998 um 60% zugenommen hatte, und danach bis 2000 um 20%
zurückging, so dass man von 1990 bis 2010 auf eine BIP-Zunahme
von sage und schreibe von 126% gelangt. Angenommen die Zahlen
stimmen nicht ganz, hat auf alle Fälle eine Verdoppelung stattgefunden, die von einem qualitativen Fortschritt begleitet wurde, wie er
besonders bei der Telefonie stattgefunden hat, aber auch durch den
Durchbruch bei der Computertechnologie u.a. technologischen Fortschritten herbeigeführt wurde. Da die Bevölkerung von 1990 bis 2000
nur um 1,06% jährlich und danach bis 2010 um 1,12% p.a. zugenommen hat, ist auch das BIP pro Einwohner stark gestiegen, gemäss offiziellen Zahlen auf mehr als das doppelte.
Gleichzeitig hat sich in der Kirchner-Epoche die Staatsquote (Anteil der gesamten Staatsausgaben des Nationalstaates, der Provinzen
und der Gemeinden am BIP) von etwa 30% auf 40% erhöht. Eine
stärkere Präsenz des Staates gehört zum Wesen des „Modells“. Der
Staat investiert mehr in Infrastruktur und hat dabei auch Investitionsobjekte übernommen, die in den 90er Jahren auf Privatunternehmen übertragen worden waren, besonders in Unternehmen, die rückverstaatlicht wurden, wie Aguas Argentinas (Wasserversorung in der
Bundeshauptstadt und Umgebung) und Aerolineas Argentinas. Auch
wurden neue Unternehmen geschaffen, an erster Stelle das Energieunternehmen ENARSA, die die Staatskasse beanspruchen. Ebenfalls
wurde auch mehr in sozialer Infrastruktur investiert, und die Sozialausgaben wurden allgemein beträchtlich erhöht, durch Anhebung der
Mindestrenten, Gewährung von Pensionen an 2,3 Mio. Menschen,
die über 65 Jahre alt waren, aber ihre Beiträge nur zum Teil oder gar
nicht bezahlt hatten, Subvention für 3,5 Mio. Kinder, Subventionierung öffentlicher Dienste (was vornehmlich dem unteren Mittelstand
zu Gute kommt) u.a. sozialen Geschenken. Das Motto der Regierung heisst „Wachstum mit sozialem Einschluss“.
Mangelhafte Sozialpolitik
Die sozialen Unruhen, die in letzter Zeit aufgetreten sind, haben
jetzt gezeigt, dass auf sozialem Gebiet nicht genug getan worden
ist, oder nicht das Richtige, wobei man unter den gegebenen Umständen von einem Staat, der unverhältnismässig mehr einnimt als
es in den 90er Jahren und noch mehr als es vorher der Fall war, viel
mehr auf sozialem Gebiet hätte erwarten können. Soziale Koeffizienten wie Schwarzarbeit und Armut liegen, gemäss offiziellen Zahlen, höher als in vorangehenden Jahrzehnten. Das rasante Wachstum der Elendsviertel während der Kirchner-Regierungen passt auch
nicht in eine so stark wachsende Wirtschaft. 2009 hat die Nationalregierung $ 5,28 Mrd. für ihre Wohnungsprogramme ausgegeben; doch
dieses Jahr werden es nur um die $ 5 Mrd. sein, die bei einer Inflation
von 25% auf $ 4 Mio. in Werten des Vorjahres zusammenschmelzen.
Bei stark gestiegnem BIP wird somit weniger für sozialen Wohnungsbau ausgegeben.
Die Wohnungsproblematik ist jetzt in den Mittelpunkt der Sozialpolitik gerückt. Der Fall liegt so, dass ein grosser Teil der Bevölkerung keinen Zugang zur Wohnung hat, weder durch Miete noch
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durch Kauf. Nachdem der Hypothekarkredit auf Dollarbasis, der in
den 90er Jahren mühsam aufgebaut worden war, 2002 zerstört wurde, betrifft dies auch den Mittelstand, vor allem jüngere Menschen.
Wenn keine Finanzierung für Wohnungen für den Mittelstand besteht, vor allem den unteren, dann nehmen auch die Mieten zu. Der
Bau von Neuwohnungen richtet sich gegenwärtig vornehmlich an
die Oberschicht, die bar bezahlen kann.
Doch das Hauptproblem ergibt sich für die ärmeren Bevölkerungsschichten, bei denen der Staat einspringen muss, da diese Menschen
sonst nur ausnahmsweise Zugang zu einer menschenwürdigen Wohnung haben. Es geht hier einmal darum, dass der Staat mehr Mittel
für sozialen Wohnungsbau einsetzt. Das ist durchaus möglich, wenn
auf der anderen Seite die phänomenale Vergeudung im staatlichen
Bereich beschränkt wird, Staatsunternehmen privatisiert, Subventionen für öffentliche Dienste stark verringert und bestimmte Staatsinvestitionen im Rahmen von Konzessionsverträgen auf Privatunternehmen verlagert werden. Aerolineas Argentinas allein kostet pro
Tag um die u$s 1,5 Mio., für einen Dienst, den Privatunternehmen
besser und ohne Subvention (abgesehen von bestimmten unrentablen Strecken) leisten können. Die anderen Rückverstaatlichungen
und neue Staatsunternehmen kosten den Staat ebenfalls viel Geld.
Der Unternehmerstaat steht prinzipiell im Gegensatz zum Sozialstaat, was Nestor und Cristina Kirchner leider nicht begriffen haben. Wenn man den Haushalt gründlich durchkämmt, und im oben
erlauterten Sinn handelt, dann kann man bestimmt den Betrag für
sozialen Wohnungsbau mindestens verdreifachen.
Allein, es fehlt auch ein Konzept für diesen Wohnungsbau. Die
Mittel müssen effizient eingesetzt werden. Sonst reichen sie nie aus.
In vielen Fällen (so bei Bewohnern von Elendsvierteln) kann eine
aktive Mitwirkung der zukünfigten Bewohner der Häuser erreicht
werden. Der Staat muss für den Boden, die Baumaterialien und die
technische Leitung aufkommen, was jedoch auf alle Fälle viel weniger als die Hälfte einer fertigen Wohnung kostet. In Fällen, in denen dies nicht möglich ist, kann die Beendigung der Wohnungen
(Verputz, Malen, u.dgl.) an die Bewohner übertragen werden, womit die Kosten pro Wohnung stark sinken. So etwas wurde in der
Vergangenheit schon mit Erfolg in einigen Fällen vorexerziert.
Schliesslich können Wohnungen, die sich in schlechtem Zustand
befinden oder für eine gewachsene Familie nicht ausreichen, mit
relativ geringer finanzieller Hilfe instandgesetzt und erweitert werden.
Doch auch wenn der Staat auf diesem Gebiet effizient vorgeht
und dem sozialen Wohnungsbau erste Priorität verleiht, ist das Problem unlösbar, wenn nicht gleichzeitig die Einwanderung aus Bolivien, Paraguay und Perú begrenzt wird. Diese Einwanderer kommen ohnehin in Scharen, um in Elendsvierteln miserabel unterzukommen. Wenn sie die Aussicht hätten, eine echte Wohnung zu erhalten, sei diese noch so bescheiden, dann würden noch viele mehr
herkommen und ein unlösbares Problem schaffen.
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Freitag, 24. Dezember 2010
Die absurde Weizenpolitik
Die Vertreter der Landwirtschaft protestieren immer lauter über
den künstlich gedrückten Weizenpreis. Im Grunde protestieren sie
viel zu spät und viel zu sanft, da das Problem, auf das sie jetzt hinweisen, schon seit gut vier Jahren besteht. Es handelt sich darum,
dass Weizen am Markt um u$s 30 bis u$s 60 por Tonne unter der
Parität gehandelt wird, die aus dem dem internationalen Preis minus
Frachten, Exportkosten und Exportzöllen ergibt. Aus einem Exportzoll von 23% entsteht eine Wirkung auf den internen Preis, wie wenn
der Satz zwischen 35% und 40% liegen würde (gelegentlich erreichte die Differenz sogar über 50%), die also höher als bei Sojabohne
(35%) ist. Das absurde an dieser Lage besteht darin, dass die Differenz zwischen Paritätspreis und Marktpreis nicht an den Fiskus geht,
wie der Exportzoll, sondern von Mühlen, Exporteuren oder Spekulanten eingenommen wird, die dabei auf Kosten der Landwirte üppig verdienen.
Landwirtschaftsminister Julián Dominguez sagte, die Mühlen
müssten nachweisen, dass sie zum Paritätspreis kaufen, um die Subvention für das erzeugte Mehl zu erhalten. In der Praxis ist der Fall
dann so, dass sie zwar eine Quittung für den Paritätspreis ausstellen,
unter dem Tisch dann einen Abzug machen. Ein Marktpreis setzt
sich gegenüber bürokratischen Formalitäten stets durch. Abgesehen
davon hat der Minister weitere Exportkontingente in Aussicht gestellt.
Das Problem entsteht, weil der Export kontingentiert wird, so dass
die Nachfrage der Exporteure begrenzt ist. Da die Mühlen nur langsam kaufen, weil sie hohe Lagerbestände vermeiden wollen, die Landwirte jedoch das Geld sofort benötigen, entsteht ein hoher Angebotsdruck. Das will Dominguez jetzt vermeiden, indem den Landwirten, die Weizen geerntet haben, zinslose Kredite erteilt werden,
damit sie nicht sofort verkaufen müssen. Wie weit so etwas dann in
der Praxis funktioniert, sei dahingestellt.
Der Sinn der Exportkontingentierung besteht darin, zu verhindern,
dass zu viel exportiert wird und dann Weizen für den lokalen Konsum fehlt. In früheren Zeiten, bis 1982, hat die Getreidejunta den für
den Binnenkonsum notwendigen Weizen aufgekauft und den Mühlen dann im Laufe des Jahres geliefert. Danach mussten sich die
Mühlen direkt bei Banken finanzieren, um den Weizen, den sie benötigen, zu kaufen und zu lagern. Aus nicht geklärten Gründen sind
sie jedoch angeblich nicht in der Lage dies jetzt zu tun, wobei es auf
alle Fälle bequemer ist, dass der Weizen von Landwirten oder Händlern gelagert wird, und sie ihn jederzeit kaufen können, dazu eventuell noch zu einem niedrigeren Preis. Die staatliche Banco Nación
sollte auf alle Fälle bereit sein, für diese Finanzierung zu sorgen.
Die Landwirte sollten bei ihrer Forderung der Aufhebung der Exportkontingentierung, durch die der Marktpreis sich dem Paritätspreis angleichen würde, auch eine Lösung für die Sicherung des Binnenkonsums vorschlagen, etwa wie wir es hier dargestellt haben. Der
Protest ohne Lösungsvorschläge hat keine Wirkung, und besonders
dann nicht, wenn auf der anderen Seite ein starrköpfiger Mann, wie
Guillermo Moreno sitzt, für den es nur um die Versorgung der Mühlen in ausreichenden Mengen mit billigem Weizen, und um billiges
Brot und Teigwaren geht. Obwohl Moreno nach dem Tod von Nestor Kirchner nicht mehr so mächtig ist, kann sich Dominguez, der
die Weizenproblematik versteht, offensichtlich ihm gegenüber nicht
durchsetzen. Obwohl er Minister und Moreno Staatsekretär (also eine
Stufe niedriger) ist.
Für die Periode 2010/11 wird dank hoher Erträge eine Weizenernte von etwa 13 Mio. t erwartet. Das ist zwar mehr als die 9,6 Mio.
t des Vorjahres und der 10,1 Mio. t der Periode 2008/09, aber weit
unter dem Rekord, der 2007/08 mit 18,6 Mio. t erzielt wurde. Die
gesähte Fläche betrug dieses Jahr 4,3 Mio. ha. Das ist zwar bedeutend mehr als die 3,2 Mio. ha des Vorjahres, liegt aber weit unter den
6,6 Mio. Ha der Periode 2007/08 und noch mehr unter den 7 Mio.
Ha des Jahres 2001/02. Die bebaute Fläche könnte ohne weiteres
auf 8 Mio Ha und mehr erhöht werden; denn man muss berücksichtigen, dass schon vor über 30 Jahren der Nobelpreisträger Norman
Borlaugh einen Weizen für trockene Gegenden (in Mexico) entwickelt hat, der somit erlaubt, auch in Argentinien beim Weizenanbau
weiter vorzudringen. Ausserdem hat die direkte Aussaht den Anbau
in trockenen Gegenden erleichtert, weil dabei die Feuchtigkeit im
Boden erhalten wird. Allein, der Anbau in weniger günstigen Gegenden ist teurer, weil die Erträge geringer und das Risiko eines Ernteausfalls grösser sind, so dass der Preis entscheidend ist. Wenn dieser gedrückt wird, dann ist nur den Anbau in den besten Gegegenden
rentabel, und auch dies gelegentlich nur, weil nach dem Weizen, wenn
dieser im November geerntet wird, Sojabohne gesäht wird, so dass
der Landwirt zwei Ernten auf dem gleichen Feld erhält, die sich einen Teil der Kosten teilen. In den letzten Jahren hat Argentinien die
Weizenproduktion durch eine absurde Preispolitik gedrosselt und
auf Exporteinnahmen von viele Milliarden Dollar verzichtet, an denen sich auch der Staat beteiligt hätte. Nur aus Dummheit und Sturheit.
Für Argentinien bietet sich jetzt eine neue gute Gelegenheit, und
es wäre unverzeihlich, wenn sie nicht genutzt würde. Der Weizenpreis ist auf dem Weltmarkt in einem Jahr um etwa 50% gestiegen,
weil die klimatischen Verhälnisse in Russland, Australien u.a Ländern schlecht waren. Die Lagerbestände haben weltweit abgenommen, und die Weltnachfrage nimmt zu, u.a. weil die Bevölkerung in
China bei steigendem Einkommen stärker von Reis auf Weizen übergeht. Es wird angeommen, dass sich der Preis auch nächstes Jahr auf
einem relativ hohem Niveu hält.
Der Exportzoll von 23%, der relativ hoch ist, könnte sogar beibehalten werden (sofern der Wechselkurs nicht weiter zurückbleibt);
aber die Differenz, die darüber hinaus besteht, muss abgeschafft
werden. Und das sollte relativ einfach sein. Allerdings nur für vernünftige Menschen.
PERSONALNACHRICHTEN
Gestorben
Martha Wolfsteller geb. Wagner, 70, am 20.12.; Luis D. Stück, am
22.12. und Federico Bellardi, 91, am 21.12.