Ausgabe 02/2015 - Union Investment
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Ausgabe 02/2015 - Union Investment
RAUM mehr Ausgabe 2 | 2015 Das Immobilienmagazin von Union Investment Die Grüne Insel erholt sich Irland hat die Immobilienkrise überwunden Das Quartier lebt Erfolgreiche Büroparks funktionieren wie eine kleine Stadt Der Euro schwächelt Was Währungsschwankungen für Investoren bedeuten Gelungener Kraftakt Berlins Büromarkt holt auf – und profitiert von der wachsenden Wirtschaftskraft der deutschen Hauptstadt INHALT RAUM mehr Das Immobilienmaga zin von Union Investm ent Junge Wilde TITEL Ausgabe 2 | 2015 Das Immobilienmagazin von Union Investment Die Grüne Insel erholt sich Irland hat die Immobilienkrise überwunden Das Quartier lebt Erfolgreiche Büroparks funktionieren 4 wie eine kleine Stadt Die Metropole blüht macht Was B-Städte so attraktiv Wo Änderungen im RAUM mehr Urbane Landwirtschaft verändert unsere Stille Stars Neue Gesetze Ausgabe 2 | 2014 Städte Berlin Der Büroimmobilienmarkt der deutschen Hauptstadt führte lange ein Schattendasein. Das ändert sich Steuerrecht anstehen 9 Expertenstimme Olaf Janßen, Researchprofi bei Union Investment, über die Chancen am Berliner Büroimmobilienmarkt ts gefragt sind Wieso Serviced Apartmen Die Welt im Blick Gelungener Kraftakt ren Warum Europas Investo auf wieder den Schritt wagen die globalen Märkte Berlins Büromarkt holt auf – und profitiert von der wachsenden Wirtschaftskraft der deutschen Hauptstadt Liebe Leserinnen, liebe Leser, zur aktuellen Ausgabe von RAUM & mehr begrüße ich Sie herzlich! Das zweimal jährlich erscheinende Immobilienmagazin von Union Investment informiert Sie über Trends, Produkte und Entwicklungen auf den nationalen und internationalen Investment- und Vermietungsmärkten. Neu ist unsere Jubiläumswebsite: Wir laden Sie ein zu einer interaktiven Zeitreise durch 50 Jahre Immobilien investments. Erleben Sie Union Investment im Zeitraffer – mit immer neuen Meilensteinen. www.gemeinsam-meilensteine-setzen.de Bestellmöglichkeiten und Download-Angebote für RAUM & mehr sowie aktuelle Informationen über Union Investment finden Sie auf unserer Homepage. www.union-investment.de/realestate 10 Büroquartiere Über den Erfolg eines Büroparks entscheidet sein Nutzungsmix. Je vielfältiger er ist, desto besser 16Euro-Schwäche Warum Immobilieninvestoren die Kursverluste der Gemeinschaftswährung gelassen hinnehmen 18Irland Die Wirtschaft der Republik hat ihr tiefes Tal durchschritten. Das zeigt sich auch auf den Immobilienmärkten 29 Investitionsklimastudie Wie europäische Asset-Manager die aktuelle Situation auf den Investmentmärkten beurteilen KONZEPTE 22 Infografik Internationale und nationale Immobilienverbände und -organisationen im Überblick 24 Digitalisierung Die Immobilienwirtschaft entwickelt sich von der investitions- zur informationsgetriebenen Branche 28 Nachgefragt Welche Schwerpunkte Martin Brühl als neuer RICS-Präsident beim Thema Digitalisierung setzen will 30 Umnutzung Der Zeitpunkt für Investitionen in die Umwandlung von Büro- und Industriegebäuden ist günstig 36 Urban Gardening Eine kollektive Bewegung setzt mit Obstund Gemüseanbau positive Akzente in der Stadtentwicklung PORTFOLIO 34 Risikomanagement Fondsportfolios gegen Gefahren abzusichern, ist eine hochkomplexe Steuerungsaufgabe WEITWINKEL 42 Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und freue mich auf Ihre Meinungen und Anregungen. Ihr Fabian Hellbusch Leiter Marketing, Kommunikation fabian.hellbusch@union-investment.de RAUM & mehr 2 | 2015 MÄRKTE Rooftops Dachflächen sind begehrte Freiräume in der Stadt, sie bieten grandiose Ausblicke und Erlebnisse ZUR SACHE 14 NACHRICHTEN 29 IMPRESSUM & KONTAKT 43 NEU IM PORTFOLIO 3 Titelbild „Molecule Man“ ist ein Berliner Monumentalkunstwerk des Bildhauers Jonathan Borofsky. 30 Meter hoch erhebt sich die Drei-PersonenSkulptur seit 1999 in der Spree und symbolisiert das Zusammentreffen von drei Berliner Ortsteilen im wiedervereinigten West- und Ostberlin. RAUM & mehr 2 | 2015 ZUR SACHE Besonders krisenfest Frank Billand über Deutschlands Rolle auf den internationalen Investmentmärkten E Seite 4 Irland schafft die Wende Die Folgen der Finanzkrise trafen das Land und seine Immobilienmärkte hart. Nun kehren die Investoren zurück. Seite 18 Der Euro schwächelt Den Kursverlust der Gemeinschafts währung nehmen Immobilien investoren weitgehend gelassen hin. Seite 16 Urbanes Gärtnern Obst- und Gemüseanbau auf Brachen und Dächern begeistert Menschen und verändert Städte. Titelfoto: Thomas Kierok; Fotos: David Bagnall/Alamy, Hon Lau-Dublin/Alamy, Getty Images, Union Investment, BUDDY BEAR BERLIN GmbH; Illustration: Karsten Petrat Berlin holt auf Stagnierende Mieten, hohe Leer stände, das war einmal. Der Büro markt in der Hauptstadt floriert. s war das zweitbeste Quartal aller Zeiten: Zwischen Anfang April und Ende Juni 2015 investierten Anleger 14,5 Milliarden Euro in deutsche Gewerbeimmobilien. Mehr Kapital hat der Markt bislang nur im zweiten Quartal 2007 gesehen. Die Betrachtung zum Halbjahr sieht ähnlich gut aus: 24 Milliarden Euro – 42 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und doppelt so viel wie im Fünfjahresschnitt (12 Milliarden Euro) – flossen in den Kauf deutscher Bürotürme, Shopping center und Einzelhandelsgebäude, Logistikhallen und Hotelge bäude. Zum neuen Liebling der Investoren stieg Berlin auf, doch in allen s ieben deutschen Großstädten brummten die Geschäfte: 13 Milliarden Euro oder knapp 54 Prozent des Kapitals konnten sie auf sich vereinen. Beeindruckende Zahlen – auch im europäischen Vergleich: Mehr als ein Viertel ihrer Investitionen in Europa tätigten Immo bilieninvestoren im zweiten Jahresquartal in Deutschland. Alle Beobachter sind sich daher einig: Deutschland gehört weiter hin zu den sichersten und weltweit am stärksten nachgefragten Immobilieninvestmentmärkten. Deutschlands Sonderrolle auf der europäischen Immobilien investmentbühne scheint sich damit fortzusetzen. Sie war der größten europäischen Volkswirtschaft schon bald nach Beginn der Finanzkrise zugefallen. Denn die breit aufgestellte Wirtschafts struktur des Landes wirkte sich schon in der Krise stabilisierend aus. Für 2015 erwartet der Bundesverband der Deutschen Volks banken und Raiffeisenbanken nun ein Wachstum von 1,8 Prozent, für 2016 von 1,7 Prozent. Davon profitiert der gewerbliche Immo bilienmarkt, zu dessen großen Vorzügen seine Vielfalt g ehört: Das Investoreninteresse richtet sich auf sieben Großstädte mit jeweils hohen Transaktionsumsätzen. Zudem sind die wenig volatilen Renditen ein starkes Argument für Investments in Deutschland. Doch ist seine Konjunkturstärke kein Alleinstellungsmerkmal mehr: Frankreichs Wirtschaft legt ebenfalls zu, und sogar die eins tigen Krisenländer Irland, Spanien und Italien befinden sich auf Wachstumskurs. Deshalb überrascht es nicht, dass Investoren ihre Fühler nach Südeuropa und Irland ausstrecken. Und selbstverständlich beeinflussen auch die aktuellen glo balen Risiken das Geschehen auf Deutschlands Immobilien märkten. Von welchen Risiken sprechen wir? Zuerst von der US-Zinswende. Wenn Sie diese Ausgabe von RAUM & mehr in den Händen halten, wissen wir, ob und in welchem Umfang die US-amerikanische Notenbank Fed die Leitzinsen angehoben hat und wie die globalen Finanzmärkte reagieren. Dass die Nullzins politik der Fed im September endet, erwarten zur Jahresmitte die meisten Beobachter. Mit Spannung wird man verfolgen, ob der US-Dollar gegen über dem Euro weiter aufwertet. Dessen aktuelle Schwäche hat mit dafür gesorgt, dass sich Investoren aus anderen Währungs räumen für deutsche Immobilien interessierten. Sollte der EuroKurs erneut sinken, dürfte das die Nachfrage weiter beflügeln. Andererseits könnten US-Anleihen als Alternative zum Immo bilieninvestment interessanter werden. Das gilt auch für deutsche Bundesanleihen. Die Rendite zehn jähriger Bonds schnellte im Juni 2015 überraschend von 0,1 auf gut 1 Prozent nach oben und lag im Durchschnitt des Gesamtmo nats schließlich bei 0,8 Prozent. So mancher hielt das bereits für die europäische Zinswende. Der sich leicht verringernde Renditeab Frank Billand ist Mitglied der Geschäftsführung der Union Investment Real Estate GmbH. stand zwischen Bundesanleihen und Immobilien dürfte aber die Attraktivität des deutschen Immobilienmarktes kaum schmälern. Das gilt auch für den sogenannten Brexit, also ein mögliches Nein der Briten zur Mitgliedschaft in der EU. Viele Finanzdienst leister würden in diesem Fall der britischen Hauptstadt den Rü cken kehren, profitieren würde auch Frankfurts Büromarkt. Bleibt die griechische Schuldenkrise. Die Verhandlungen über ein drittes EU-Hilfsprogramm für Hellas wurden erfolgreich abgeschlossen. Ob es das letzte bleibt, ist ungewiss. Akteure auf den Finanzmärkten müssen auf der Hut bleiben – und werden im Zweifel ihr Kapital in den „sicheren Hafen“ des deutschen Immobilienmarktes lenken. Fazit: Abkoppeln von den aktuellen Risiken kann sich der Immobilienstandort Deutschland nicht. Deren negative Folgen aber kann der Markt besser abfedern als viele Nachbarn. Seine Sonderrolle als eines der sichersten europäischen Investment ziele dürfte Deutschland daher noch eine Weile behalten. • Seite 36 2 RAUM & mehr 2 | 2015 RAUM & mehr 2 | 2015 3 TITEL Hauptstadt der Hoffnung Jahrelang war der Berliner Büromarkt von hohen Leerstandsquoten, geringen Mieten und enttäuschten Hoffnungen geprägt. Jetzt aber rappelt sich die Wirtschaft der deutschen Hauptstadt auf. Daraus ergeben sich Chancen für Investoren – doch die müssen sich mit den Foto: Getty Images Besonderheiten des Berliner Marktes auseinandersetzen. Von Christian Hunziker Blick auf den Potsdamer Platz: Die neue alte Mitte Berlins zählt zu den bedeutenden Bürostandorten der Stadt. Einen eigentlichen Central Business District sucht man in Deutschlands Hauptstadt aber vergeblich. 4 RAUM & mehr 2 | 2015 RAUM & mehr 2 | 2015 5 3 „Berlin unterscheidet sich grundlegend von den anderen Topbürostandorten in Deutschland, da es mehrere innerstädtische Bürolagen gibt, die Spitzenmieten erzielen.“ TITEL Timothy Horrocks, Head of Germany bei TH Real Estate Yzer. Zudem steigt das Bruttoinlandsprodukt in Berlin stärker als im Bundesdurchschnitt – 2014 um immerhin 2,2 Prozent. Das wirkt sich auf den Büromarkt aus. „Seit 2010 sinkt der Leerstand, und die jährliche Vermietungsleistung beträgt kontinuierlich zwischen 500.000 und 600.000 Quadratmetern“, sagt Peter Starke, Leiter der Berliner Niederlassung des Beratungsunternehmens Aengevelt. Diese Sichtweise teilen ausländische Investoren. „Die deutsche Hauptstadt hat in den letzten Jahren eine beeindruckende Entwicklung gezeigt“, hält Ernst Vejdovszky fest, Vorstandsvorsitzender des österreichischen Unternehmens S Immo, das zuletzt mehrere Gewerbe liegenschaften in Berlin erworben hat. „Vor allem im Bürobereich erwarten wir auch in den nächsten Jahren noch Steigerungen.“ Allerdings verweist der zweite von den Investoren genannte Punkt, nämlich das günstige Preisniveau, auf eine Schwäche der Stadt: Berlin ist zwar die Hauptstadt und mit 3,5 Millionen Einwohnern die mit Abstand größte Stadt Deutschlands, leidet aber wirtschaftlich noch immer unter den Folgen der deutschen Teilung. „Dass Berlin als politisches Zentrum wirtschaftlich nicht die wichtigste Stadt des Landes ist, stellt international gesehen einen Sonderfall dar“, sagt Olaf Janßen, Leiter Research der Union Investment Real Estate GmbH. Mit rund 10 Prozent liegt die Arbeitslosenquote deutlich über dem deutschen Durchschnitt, und kein einziger der 30 Großkonzerne, die im deutschen Aktienindex Dax vertreten sind, hat seinen Hauptsitz an der Spree. Dementsprechend hinkt die Bürospitzenmiete von 23 Euro pro Quadratmeter und Monat den Werten von München (33,50 Euro) und Frankfurt am Main (35,50 Euro) hinterher. Einen wichtigen Unterschied Berlin: niedriges Mietniveau, hohe Mietnachfrage Bürospitzenmieten und neu vermietete Bürofläche in den sieben deutschen Metropolen Internationale Käufer sind zurück Investitionen in Berliner Gewerbeimmobilien* in Mrd. Euro 40 20 Bürospitzenmiete in €/m2/Monat 10 33,50 8 35,50 23,00 26,00 24,50 22,00 19,50 400 neu vermietete Bürofläche im 1. Halbjahr 2015 in 1.000 m2 339 205 200 312 258 180 0 Düsseldorf Frankfurt/ Hamburg Main Quelle: JLL, Juli 2015 Berlin 6 RAUM & mehr 2 | 2015 Köln München Stuttgart Mehrere starke Bürolagen Anteil ausländischer Käufer** 6 5,6 4,7 2,9 1,8 2 2,8 2,7 4,0 4,1 0 148 129 zu diesen Städten führt Andreas Schulten an, Vorstand des Beratungsunternehmens Bulwiengesa: „In Berlin gibt es nur wenige große Nutzer aus dem Bereich der Banken, Consultingfirmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Großvermietungen sind deshalb seltener.“ In der Tat verzeichnete der internationale Immobiliendienstleister JLL im ersten Quartal dieses Jahres eine durchschnittliche Vermietungsgröße von nur 756 Quadratmetern. 8,8 4 3,4 0 Mediaspree Berlin: Die einstige Brache zwischen Oberbaum- und Michaelbrücke entwickelt sich zum urbanen Quartier. Die 2013 fertiggestellte deutsche Vertriebszentrale von Mercedes-Benz (rechts) gehört zum Portfolio des UniImmo: Deutschland. 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 67 % 68 % 51 % 46 % 21 % 45 % 37 % 50 % 29 % 41 % * Büro-, Einzelhandels-, Industrieobjekte sowie Gewerbegrundstücke ** am jeweiligen jährlichen Gesamtinvestment Quelle: Aengevelt, Juni 2015 Fotos: Thomas Kierok, BUDDY BEAR BERLIN GmbH, privat B erlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 170, ein kühler Frühsommertag. Christoph-Marc Pressler, Vorstand der HollerStiftung aus München, hat zur Grundsteinlegung für das Palais Holler geladen. Am berühmten Boulevard entsteht ein neues Bürogebäude, das den in die Jahre gekommenen und deshalb abgerissenen Vorgängerbau ersetzt. „Wir feiern den Baubeginn für den ersten kompletten Neubau am Kurfürstendamm seit vielen Jahren“, freut sich Pressler. Nun ist das Palais Holler mit knapp 6.000 Quadratmetern Büro fläche kein besonders großes Projekt. Bemerkenswert ist es trotzdem, steht es doch beispielhaft für den Aufschwung des Berliner Büroimmobilienmarktes. Jedenfalls kommen seit einiger Zeit immer mehr Beobachter zum Ergebnis, dass sich die Beschäftigung mit diesem Markt lohnt. So zählt der japanische Thinktank The Mori Memorial Foundation’s Institute for Urban Strategies die deutsche Hauptstadt in B ezug auf ihre wirtschaftliche Anziehungskraft zur weltweiten Spitzengruppe der wichtigsten Städte: Berlin landete im jüngsten Ranking auf Platz acht, geschlagen nur von Metropolen wie London, New York, Paris und Tokio. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse C oopers (PwC) und das Urban Land Institute halten Berlin auf Grundlage einer Befragung professioneller Investoren sogar für den attraktivsten Immobilienmarkt Europas. Dieses gute Ergebnis hat nach Ansicht der von PwC Befragten zwei Gründe: die exzellenten Fundamentaldaten und das günstige Preisniveau. Tatsächlich wächst die Berliner Wirtschaft deutlich. Im Frühling 2015 gab es 3,1 Prozent mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als ein Jahr zuvor. „Vor allem die Dienstleistungsbereiche gehörenzu den Jobmotoren“, sagt Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Eine weitere Besonderheit nennt Timothy Horrocks, Head of Germany bei der weltweit tätigen Investmentgesellschaft TH Real Estate: „Berlin unterscheidet sich grundlegend von den anderen Topbürostandorten in Deutschland, da es mehrere innerstädtische Bürolagen gibt, die Spitzenmieten erzielen.“ Tatsächlich hat Berlin keinen eigentlichen Central Business District. Als Topstandorte gelten vielmehr City-Ost (Gendarmenmarkt, Unter den Linden), der Potsdamer Platz und CityWest (Kurfürstendamm). Dort wächst gerade ein spektakuläres Bürogebäude in die Höhe: das Upper West, ein von Strabag Real E state entwickeltes Hochhaus, das neben Läden und einem Hotel auch 19.000 Quadratmeter Bürofläche aufweist. Daneben bilden sich momentan zwei weitere hochpreisige Standorte heraus: die Gegend um den Hauptbahnhof (Europacity) und ein an der Spree gelegenes Areal im Stadtteil Friedrichshain, das unter dem Namen Mediaspree vermarktet wird. Für die Umgebung des Hauptbahnhofs haben sich beispielsweise der Mineralölkonzern Total und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC entschieden; Letztere bezog im Sommer das Humboldthafen Eins, einen vom niederländischen Unternehmen OVG entwickelten Neubau. Für „hoch spannend“ hält Martin Rodeck, Geschäftsführer von OVG Real Estate, zudem das Südkreuz. Das ist einer der B erliner Fernbahnhöfe, der bisher als Bürolage noch kaum im Bewusstsein ist. Das wird sich ändern, ist Rodeck mit Blick auf die hervorragende Verkehrsanbindung dieses Standorts überzeugt. Diese Vielfalt an Bürostandorten bietet Chancen für ganz unterschiedliche Investorentypen. Besonders begehrt sind wie in allen Metropolen Core-Objekte. „Neue, voll vermietete Bürogebäude sind momentan wertvoll wie Goldstaub“, formuliert es Rodeck. Weil diese Immobilien rar sind, ist ihre Anfangsrendite auf 4,7 Prozent gesunken. „Deshalb steigt die Risikobereitschaft der Investoren“, sagt Aengevelt-Experte Starke. Vor allem Investoren mit einem Value-add- oder opportunistischen Ansatz wagen sich auch an Objekte mit hohem Leer stand oder an Gebäude in peripheren Lagen. So vermittelte Aengevelt ein rund 20 Jahre altes Bürogebäude in Berlin-Reinickendorf mit einer Bruttoanfangsrendite von deutlich über 7 Prozent an einen ausländischen Kapitalanleger. Verschärft wird der Engpass an neuwertigen Büroflächen, weil der Neubau nicht recht Fahrt aufnehmen will. 2016 werden nach einer Prognose von JLL zwar etwa 300.000 Quadratmeter Bürofläche neu auf den Markt kommen; von diesen sind aber 60 Prozent bereits an Mieter oder Eigennutzer vergeben. „Die Nachfrage der Mieter kann momentan kaum bedient werden“, stellt Marcus Lehmann, Büro vermietungschef von Colliers International Berlin, mit Blick auf die Leerstandsquote von nur noch etwa 5 Prozent fest. Vor diesem Hintergrund sind manche Projektentwickler bereit, stärker ins Risiko zu gehen. „Mit Blick auf einige Mieter, die sehr kurzfristig planen wollen oder müssen, ist spekulatives Bauenfür uns künftig bei ausgesuchten Projekten durchaus eine Option“, sagt Thomas Hohwieler, Geschäfts- 3 RAUM & mehr 2 | 2015 7 TITEL „Da in Berlin die Headquarter der großen Corporates fehlen, müssen sich Büroentwickler mit den neuen Unternehmen aus dem Internetbereich auseinandersetzen.“ Martin Rodeck, Geschäftsführer von OVG Real Estate „Kreativer Hub für Start-ups“ Oder springt eine andere Gruppe in die Bresche? Charakteristisch für Berlin ist nämlich der hohe Anteil der TMT-Unternehmen (Technologie, Medien, Telekommunikation). Diese waren nach Angaben des Beratungsunternehmens CBRE zwischen 2010 und 2014 für fast ein Viertel aller Büroflächenanmietungen in der Stadt verantwortlich – mit steigender Tendenz. Auch einer der größten Deals dieses Jahres geht auf das Konto einer TMT-Firma: Der deutsche Internetkonzern Rocket Internet mietete einen 22.000 Quadratmeter großen Hochhauskomplex in Berlin-Kreuzberg, der bisher vom Wohnungsunternehmen GSW genutzt worden war. Da liegt es auf der Hand, dass diese Nachfragergruppe auch für Developer an Bedeutung gewinnt. „Da in Berlin die Headquarter der großen Corporates fehlen, müssen sich Büroentwickler mit den neuen Unternehmen aus dem Internetbereich auseinandersetzen“, sagt OVGChef Rodeck. „Sonst wird der Markt sehr eng.“ Das teilweise stürmische Wachstum der internetaffinen Start-ups wird auch von den Investoren aufmerksam verfolgt. „Wir gehen davon aus, dass Märkte, die heute einen hohen TMT-Anteil aufweisen, besser für die Zukunft gerüstet sind als Märkte mit einem geringeren Anteil dieses innovativen Wirtschaftszweigs“, sagt Timothy Horrocks von TH Real Estate. Berlins „Image als kreativer und hipper Hub für Start-up-Unternehmen“ trage zudem dazu bei, dass die deutsche Hauptstadt im Ausland als attraktives Investmentziel wahrgenommen werde. „Berlin hat als eine von wenigen Städten eine wirklich internationale DNA“, bekräftigt Simon Schaefer, Gründer der Factory Berlin, eines weit über Deutschland hinaus bekannten Startup-Campus im Bezirk Mitte. Das lockt auch Global Player wie den IT-Betreiber Cisco an, der sich 2014 für Berlin als Standort seines Innovationszentrums entschied. „Dafür“, sagt Bernd Heinrichs, Managing Director bei Cisco, „ist Berlin der ideale Nährboden mit all seinen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Start-ups“. Auch Olaf Janßen von Union Investment ist überzeugt: „Berlin wird künftig seinen TMTSchwerpunkt ausbauen“ (siehe Interview auf Seite 9). Ob aber der Berliner Büromarkt eines Tages dem Markt von Frankfurt am Main den Rang ablaufen wird? Da ist der Experte denn doch skeptisch: „Dafür müssen wir in einem Zeitraum von mindestens 20 Jahren denken.“ • Die einstige Zentrale des Wohnungsunternehmens GSW in Kreuzberg heißt nun Rocket Tower (links). 2016 will der Konzern Rocket Internet einziehen. Der Wirtschaftsprüfer PwC bezog seinen neuen Sitz im Humboldthafen nahe dem Hauptbahnhof im Juli 2015. 8 RAUM & mehr 2 | 2015 Olaf Janßen, Leiter Research der Union Investment Real Estate GmbH, über die Chancen des Büroimmobilienmarkts der deutschen Hauptstadt Herr Janßen, was spricht aus Sicht eines institutionellen Investors für den Berliner Büromarkt? Der Berliner Markt weist ein sehr großes Angebot an neuen Büroflächen auf. Außerdem ist die Leerstandsquote gerade in letzter Zeit deutlich gesunken und liegt jetzt auf einem 20-Jahres-Tief. Auch was die Aussichten für die nächsten zwei Jahre betrifft, sind wir sehr positiv: Der Leerstandsabbau wird weitergehen, und ein Großteil der Projekte, die 2016 fertig gestellt werden, ist bereits weitgehend vermietet. Das zeigt: Nach den Sondereffekten der Nachwendezeit – dazu zählen insbesondere die Auswirkungen der steuerlichen Förderung von Neubauten und des Regierungsumzugs – hat sich der Berliner Markt normalisiert. Jetzt fängt er an, mit den anderen deutschen Büromärkten gleichzuziehen. Fotos: BUDDY BEAR BERLIN GmbH, Union Investment, Rocket Internet/ Maksymilian Ciechanowski, KSP Jürgen Engel Architekten führer von Strabag Real Estate. Dafür, so seine Überzeugung, müsse der Mikrostandort allerdings „besonders attraktiv oder interessant“ sein. Diese Einschätzung trifft nach Ansicht von M arcus Lehmann ganz besonders auf den Alexanderplatz zu. Er rechnet damit, dass dort bald der Bau eines gemischt genutzten Turms mit einem Büroanteil von 26.000 Quadratmetern beginnen wird. Andere Beobachter sind skeptischer. „Der Bau von Bürohochhäusern ist teuer“, gibt Andreas Schulten von Bulwiengesa zu bedenken. „Deshalb braucht es dafür Mieter wie Banken und Wirtschaftsprüfer“ – also genau die kapitalkräftigen Mietergruppen, an denen es in Berlin mangelt. „Der Berliner Markt hat sich normalisiert“ Auf der anderen Seite hat kein einziger Dax-Konzern seinen Sitz in Berlin, und wirtschaftlich starke Branchen wie Banken und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind an der Spree nur schwach vertreten. Ist das nicht ein erheblicher Nachteil? Das ist richtig, aber bei einer Spitzenmiete von 22 bis 23 Euro ist diese schwächere Wirtschaftsstruktur eingepreist. Dass das Mietniveau in Berlin viel niedriger ist als in München oder Frankfurt am Main, ist darauf zurückzuführen, dass die finanzstarken Branchen hier schwächer vertreten sind und dass die in Berlin sehr präsenten Unternehmen aus den Bereichen Technologie, Medien und Telekommunikation (TMT) eher mietsensibel sind. Gerade in diesem Bereich wachsen aber bedeutende Unter- nehmen wie Zalando und Rocket Internet heran. Aber wie nachhaltig ist denn die Nachfrage des TMT-Sektors? Immerhin platzte zu Beginn dieses Jahrhunderts schon einmal eine New-Economy-Blase. Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass in einer stark wachsenden Branche auch mal das eine oder andere Unternehmen Arbeitsplätze abbauen muss. Aber ich halte es für sehr positiv, dass die Firmen in diesem Bereich mit ausgesprochen starker Dynamik wachsen. Der Vergleich mit dem früheren Boom der New Economy hinkt: Das Internet ist heute 15 Jahre älter, eine ganze Reihe von Geschäftsmodellen hat sich etabliert, und es handelt sich nicht mehr um einen Hype. Viele dieser Unternehmen werden bald Gewinne erzielen, Olaf Janßen ist Leiter Research bei der Union Investment Real Estate GmbH und beobachtet laufend die Entwicklung auf Deutschlands Büromärkten. sofern sie es nicht bereits tun. Im Übrigen setzen auch Berater und Banken in der Krise Flächen frei. Wie schätzen Sie das Potenzial der neuen Berliner Büromarktlagen am Hauptbahnhof und in der Mediaspree ein? Gerade Mediaspree ist eine interessante Lage, die auch spannende Gebäude hervorgebracht hat und in der Union Investment mit der Zentrale von Mercedes-Benz Vertrieb Deutschland bereits ein Objekt erworben hat. Grundsätzlich muss man als Investor jedoch darauf achten, dass die Projektpipeline in sich entwickelnden Gebieten nicht zu groß ist. Denn an solchen Standorten besteht die große Gefahr, dass es in wirtschaftlich schwächeren Zeiten zu hohen Leerständen kommt. In Phasen von Mietpreiskorrekturen lassen sich Standorte, die sich entwickeln, schwieriger vermarkten als etablierte Büromarktlagen wie City-Ost und City-West. Kommen Investitionen in Projektentwicklungen oder Objekte mit geringerem Vermietungsstand in Berlin für Sie trotzdem infrage? Wir sind offen für Objekte mit Vermietungspotenzial und für Projekte, die in den nächsten 18 Monaten fertiggestellt werden. Denn für die kommenden zwei Jahre rechnen wir damit, dass der Leerstand weiter sinken wird und die Mieten weiter steigen werden. Aber jeder Zyklus ist endlich, weshalb wir uns bezüglich des Eingehens von Vermarktungsrisiken zunächst im Wesentlichen auf zwei Jahre beschränken. Das Interview führte Christian Hunziker. RAUM & mehr 2 | 2015 9 MÄRKTE „Junge Fachkräfte wollen nicht in einem Bürogetto sitzen, sie suchen Urbanität und Vielfalt.“ Von der Bürostadt Nach 17 Uhr nichts los: Reine Büroquartiere wirken auf junge Fachkräfte abschreckend und gelten als städtebaulich überholt. Dabei geht es auch anders. Von Miriam Beul-Ramacher Bahnhof, Museum, Park und ein See in unmittelbarer Nachbarschaft: Das geplante Büroquartier im Zentrum Helsinkis besticht durch seine Lage. 10 RAUM & mehr 2 | 2015 L Fotos: NÄKYMÄ Oy (Simulation), Savillis zum Stadtquartier Marcus Mornhart, Managing Director und Leiter Bürovermietung Deutschland bei Savills yoner Viertel sollte sie künftig heißen, die Frankfurter Bürostadt Niederrad. Benannt nach der Hauptstraße des Viertels. Doch es gab bessere Vorschläge, und so war der Name rasch vom Tisch. Er klang ohnehin zu sehr nach „Wurst“, ließ Mark Gellert, Sprecher des örtlichen Planungsdezernenten Olaf Cunitz, eine Lokalzeitung wissen. Ja, wer will schon in einem Wurstviertel leben? Oder arbeiten? Oder Sport treiben? Oder investieren? Schon unter dem „Büro-“ vor dem „Viertel“ hat der Stadtteil gelitten. Mit „Rothenham“ soll alles besser werden. So lautet der Name, den eine eigens eingesetzte Jury im April dieses Jahres aus 370 Vorschlägen auswählte. In Anlehnung an das Gut Rother Hamm, das auf historischen Lageplänen an Stelle der heutigen Bürostadt eingezeichnet ist. Ein neuer Name ist mehr als Schall und Rauch, er ist Programm. Schließlich kämpft Niederrad wie viele andere Satellitenstandorte seit Jahren gegen Leerstände und ein schlechtes Image. Ein neuer Name wischt die Erinnerung an das schlechte Vergangene weg. Denn Rothenham soll künftig ein gemischt genutztes Quartier sein. Die Ankernutzung Büro wird dabei nicht verdrängt, sondern durch Komplementärangebote und Substanzaufwertungen gestärkt. Erste Wohnungen und Fitnessstudios machen die städtebauliche Transformation bereits sichtbar. Ebenfalls verbessert hat sich die Verkehrsinfrastruktur, seitdem der Carsharing-Anbieter Car2go allein fünf Parkspots im Viertel etabliert hat. Die Fahrzeuge stehen im Geschäftsgebiet verteilt. Kunden lokalisieren das nächstgelegene verfügbare Fahrzeug im Internet, über eine Smartphone-App oder direkt auf der Straße und nutzen es spontan. „Anwohner, Arbeitnehmer und Geschäftsreisende können schnell den Flughafen oder die Innenstadt erreichen und das Auto dort abstellen“, lobt David Roitman, Vorsitzender der 2014 gegründeten Standort- Initiative Neues Niederrad und Geschäftsführer von Access Tower Grundbesitz, das Modell. Er ist überzeugt: „Wir sind auf dem richtigen Weg zu einer lebendigen Bürostadt, in der die Menschen künftig auch wohnen und einkaufen können.“ Ohnehin sehen Experten kaum Alternativen zur Transformation monogenutzter Arbeitsquartiere. „Das reine Büroquartier, wo um 17 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden und Büschel über die Straße wehen, ist ein Auslaufmodell, weltweit“, sagt etwa Marcus Mornhart, Managing Director und Leiter Bürovermietung Deutschland beim internationalen Immobilienberater Savills. Verantwortlich dafür sind Veränderungen der Lebens- und Arbeitswelt. „Die Unternehmen befinden sich im ‚War for Talents‘. Und dies bedeutet, dass sie die Standortpräferenzen ihrer Mitarbeiter ernst nehmen müssen. Junge Fachkräfte wollen nicht in einem Bürogetto sitzen, sie suchen Urbanität und Vielfalt“, sagt der Manager. Interessant seien Arbeit- geber, die neben einem attraktiven Gehalt ein bestimmtes städtebauliches Umfeld sowie eine gute Erreichbarkeit, möglichst ohne eigenen Pkw, bieten. „Abgeschottete Bürolagen und Zwangsmobilität werden als unschöne Begleitaspekte eines Jobs nicht mehr einfach hingenommen“, weiß auch der österreichische Architekt Georg Kogler. Die Stadtentwicklung des Industriezeitalters habe Schlafstädte, Büroleerstände, lange Wege, einen Mangel an Nahversorgung und leblose öffentliche Räume hervorgebracht. „Wir brauchen heute strukturell offene und flexible Räume in den Städten und in den Gebäuden“, so Kogler. Durchmischung wertet Viertel auf Auch bei der Entwicklung neuer Büroquartiere ist daher die stadträumliche Verquickung von Arbeits- und Freizeitnutzungen gefragt. Beispielhaft geglückt ist dies in der finnischen Hauptstadt Helsinki: Unweit des finnischen Parlaments wurden einstige Gleisanlagen zurückgebaut und Platz für vier Neubaukomplexe mit zusammen rund 45.000 Quadratmetern Nutzfläche für Büros und rund 35 Luxuswohnungen geschaffen. Die beiden Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG und EY, der Energiekonzern Alstom, das Werbeunternehmen Alma Media und der Holz- und Zellstoffproduzent UPM haben sich für Neubauflächen im Teilmarkt namens Töölönlahti entschieden. Kein Wunder, die modernen Büros haben neben der Innenstadt, dem Bahnhof auch das Museum für zeitgenössische Kunst sowie einen Park mit See als Nachbarn. „Töölönlahti war das einzige Expansionsareal im Central Business District von Helsinki und daher bei Nutzern entsprechend begehrt“, sagt Kubilay Oezbisikletci, Manager bei der Union Investment Real Estate GmbH und mitverantwortlich für die beiden Ankäufe der Hamburger Fondsgesellschaft. Das UPM-Headquarter mit 12.400 Quadratmetern Nutzfläche gehört bereits seit 2013 zum Portfolio des UniImmo: Deutschland. Im März dieses Jahres erwarb Union Investment die neue Firmenzentrale von EY mit rund 11.000 Quadratmetern Fläche für den Offenen Immobilienfonds UniImmo: Europa. Dass durchmischte Quartiere – auch LWP für „live, work, play“ genannt – nicht nur in europäischen Großstädten extrem erfolgreich sind, zeigt eine Studie der US-amerikanischen Projektentwicklerver einigung NAIOP Commercial Real Estate Development. Durchweg, so das Ergebnis, präferieren US-amerikanische Firmen multifunktionale Standorte. Auch in den USA wurden und werden daher dezentrale und monostrukturell geprägte Bürostandorte im großen Stil durch die Implementierung ergänzender Nutzungen wiederbelebt. Investoren goutieren Anstrengungen dieser Art: So konnte die Bixby Land 3 RAUM & mehr 2 | 2015 11 MÄRKTE „Wir brauchen heute strukturell offene und flexible Räume in den Städten und in den Gebäuden.“ Georg Kogler, Architekt Company im Juni 2015 den von Leerständen geprägten Büropark San Jose im Silicon Valley für 96 Millionen US-Dollar an MCP Trimble Campus verkaufen. Vorausgegangen war dem Deal eine umfangreiche Umgestaltungs- und Neupositionierungsphase des Parks mit rund 23.000 Quadratmetern Mietfläche. Fassaden, Dächer, technische Ausstattung, Gemeinschaftsflächen: Bixby krempelte den Standort kräftig um, vergrößerte den Raum zwischen den Gebäuden, etablierte ein Gourmetrestaurant, dazu Gastronomieflächen und Wasserspiele. Das neue Konzept kam bei flächensuchenden Unternehmen gut an: 90 Tage nach Fertigstellung der Umbau- und Ergänzungsmaßnahmen unterschrieb der Technologiekonzern Verizon einen Mietvertrag über 12.600 Quadratmeter Bürofläche. Anfang dieses Jahres zog der ChipZulieferer ASML US mit 8.500 Quadratmetern nach. Fotos: Union Investment/RALPH RICHTER, www.wilkdesign.de, Aleksandra Pawloff Musterbüro im Seestern 3 in Düsseldorf (oben): Fertiggestellt wurde das Gebäude, das seit 1999 zum Portfolio des UniImmo: Europa gehört, bereits im Jahr 1961. Inzwischen wurde es umfassend modernisiert. Business Campus München in Garching: Restaurants mit Außengastronomie erhöhen die Aufenthaltsqualität und sind daher ein Muss in modernen Büroparks. Als Beispiele für urbane, multifunktionale und „perfekt geplante Businessparks“ führt der Geschäftsführer von Colliers in München die Quartiere der Regensburger Dr. Vielberth Verwaltungsgesellschaft an. Drei solcher Businessparks betreibt der bayerische Entwickler, Investor und Bestandhalter in München-Garching, Regensburg und Nürnberg. Alle wurden schrittweise entwickelt, teilweise spekulativ errichtet, und alle begannen mit kleinteiliger Vermietung. Und oft dauerte es Jahre, bis ein Großnutzer gewonnen war. An prominenten Namen mangelt es heute nicht: Ing-Diba, Canon, Osram, BMW, O2 Telefónica, Siemens und auch Amazon finden sich auf der Mieterliste. Insgesamt 575.000 Quadratmeter Nutzfläche für über 20.000 Beschäftigte bieten die drei Vielberth-Parks an – vor allem Büros, dazu als Ergänzung aber auch Tagungs-, Veranstaltungs- und Hotelflächen. Und immer gibt es ein gastronomisches Angebot mit Restaurants, Als Backoffice-Lage wieder im Kommen Cafés und Bäckereien, außerdem einen Lebensmittelmarkt und häufig Kleinere Büroparks lassen sich vergleichsweise rasch umgestalten. ein Reisebüro, Arztpraxen oder eine Kindertagesstätte. Mit großen Vorortstandorten hat man über Jahre zu tun. So zählte der In Garching ist der Business Campus München heute zu zwei Düsseldorfer Satellitenstandort Seestern mit 520.000 Quadratmetern Dritteln fertiggestellt und funktioniert wie eine kleine Stadt. Auch hier Nutzfläche verteilt auf 30 Gebäude lange Zeit zu den Sorgenkindern haben den Anfang laut Bigelmaier nicht die großen Marken gemacht. am lokalen Bürovermietungsmarkt. Viele Firmen nutzen den Standort, um ihre Forschungs- und EntwickFür diejenigen, die nur auf die Zahlen schauen, hat sich daran seit lungsabteilungen auszugliedern. So siedelte etwa BMW in Garching Gründung der Eigentümerinitiative im Jahr 2010 kaum etwas geändert. seine E-Car-Abteilung an. „Hier stehen keine Glaspaläste, sondern Mitte dieses Jahres summierten sich die Flächenüberhänge noch imfunktionale Immobilien mit Mieten zwischen 10,50 und 12,50 Euro mer auf 240.000 Quadratmeter, wie das Maklerunternehmen Colliers pro Quadratmeter. Das ist Umlandniveau“, sagt Bigelmaier. In der Düsseldorf berichtet. Das sind 30 Prozent des gesamten Leerstands in Münchner City liegen die Büromieten dagegen bei 33,50 Euro. Für der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. „Trotzdem landet der den Standort spricht neben dem Konzept seine Lage: Der Business Teilmarkt bei den Flächenumsätzen in den vergangenen Jahren immer Campus München liegt auf halber Strecke zwischen Flughafen und unter den Top 3“, sagt Ignaz Trombello, Managing Partner und Head of Innenstadt, hat U-Bahn und Autobahnanschluss, und die Technische Investment Germany bei Colliers in Düsseldorf. Das Image des StandUniversität ist gleich um die Ecke. ortes habe sich in den vergangenen Jahren zum Positiven gewandelt. Mit all diesen Pfunden kann ein anderer München-Teilmarkt nicht „Der Seestern ist heute keine No-go-Area mehr, sondern eine wuchern: das von Leerständen gepeinigte Hallbergmoos. Im Business beliebte Backoffice-Lage mit moderaten Preisen“, beschreibt Trombello park am Airport ist seit Jahren mindestens jeder dritte Büroquaden Wandel. Die städtebaulichen Fehler vergangedratmeter ungenutzt. Hier wiegt die vorteilhafte ner Jahrzehnte ließen sich nicht in einem halben Flughafennähe typische andere Mängel reiner Jahrzehnt rückgängig machen. „Zu den VersäumBüroquartiere nicht auf: Es gibt keine Infrastruktur nissen der Ursprungsplanung gehörte vor allem wie Supermärkte und Versorgungseinrichtungen, die Monostruktur aus Büros. Das wird jetzt geraund auch die Anbindung an den ÖPNV fehlt. Den Gebäude mit 520.000 Quadrat de durch ein Wohnprojekt sowie den Bau mehrerer hohen Leerstand und das negative Image bezeichmetern Fläche zählt der Düsseldorfer Hotels verbessert“, zeigt sich Alexander Fils, bei der nen Marktkenner in diesem Fall aber teilweise als Bürostandort Seestern. Stadt Düsseldorf Vorsitzender des Ausschusses für hausgemacht. So fehle neben einem vermarkPlanung und Stadtentwicklung, zufrieden. tungstauglichen Namen auch ein Management Jemand, der klassische Bürostandorte für aus einer Hand. „Aber das soll sich jetzt ändern“, kein bisschen obsolet hält, ist Peter Bigelmaier. verspricht Colliers-Mann Bigelmaier. • 30 12,50 Euro zahlen Mieter im Business Campus München maximal pro Quadratmeter 12 RAUM & mehr 21 | 2015 und Monat. RAUM & mehr 2 | 2015 13 NACHRICHTEN Paneuropäisches Immobilienportfolio verkauft Gute Noten für Immobilien-Publikumsfonds Paketverkauf. Unter dem Namen Aqua w urde Volumen von 371 Millionen beziehungs Euro. Die Breite der Diversifikation wird durch einer der größten europäischen Portfolio- weise 2,56 Milliarden Euro für seine Anleger die Streuung über circa 145 Büromieter unter deals des Jahres erfolgreich abgewickelt. Das erfolgreich zum Abschluss. „Diese Portfolio strichen. Einen hohen Diversifizierungsgrad von der Union Investment Real Estate GmbH deals der ersten Stunde standen unter dem erlangt das Portfolio zudem durch die Zusam- geschnürte, rund 1 Milliarde Euro schwere Vorzeichen, unseren Gebäudebestand inter- menstellung unterschiedlicher Objektgrößen, Aqua-Portfolio übernimmt das französische nationaler aufzustellen. Mit Aqua, unserem die zwischen 25 Millionen und 147 Millionen Unternehmen Amundi Immobilier. Amundi ersten e uropäischen Portfoliodeal, setzen Euro variieren. Das durchschnittliche Alter der gehört mit einem verwalteten Vermögen von wir die strategische Verjüngung unseres Gebäude liegt bei etwa zehn Jahren. 954 Milliarden Euro, davon etwa 9,2 Mil Bestandsportfolios konsequent um“, sagt Für das Verkaufspaket wurden Objekte aus liarden Euro in Immobilien, zu den größten Frank Billand. vier Offenen Immobilienfonds von Union europäischen Asset-Managern. Der Über- Das Aqua-Portfolio umfasst 17 Büroobjekte Investment – dem UniImmo: Deutschland, gang an Amundi wird für das vierte Quartal mit rund 278.000 Quadratmetern Mietfläche UniImmo: Europa, UniImmo: Global und 2015 erwartet. in sechs westeuropäischen Ländern. Mit UniInstitutional European Real Estate – zu- Umgesetzt wurde das Geschäft im Rah- 75 Prozent liegt der geografische Schwer- sammengestellt. Der Schwerpunkt liegt mit men eines strukturierten Verkaufsprozesses punkt auf Großbritannien (Cardiff, Glasgow, sieben Objekten (37 Prozent) auf dem rund innerhalb von nur fünf Monaten. Der Bieter London), Frankreich (Paris) und Deutschland 10 Milliarden Euro großen UniImmo: Europa. prozess, an dem sich insgesamt neun Inves (Frankfurt am Main, Ismaning, Ratingen). Wei- Verkauft wurden unter anderem der Duetto toren beteiligten, startete im März 2015; tere Standorte sind Helsinki, Rotterdam und Business Park in Helsinki, Nord 1 im Frank- ab Juni verhandelten Union Investment und Wien. Die Objekte erwirtschaften einen Jah- furter Europaviertel und Westferry Circus in Amundi exklusiv. resbruttomietertrag von etwa 60 Millionen Canary Wharf/London. • „Mit Amundi haben wir schnell unseren Wunschpartner gefunden, der aufgrund seines starken Bankenhintergrundes für eine hohe Transaktionssicherheit steht und gro ßen Wert auf einen strukturierten und engmaschigen Verkaufsprozess bei gleichzeitig hoher Qualität legt“, sagt Frank Billand, Chief Investment Officer bei der Union Investment Real Estate GmbH. Pedro Antonio Arias, Global Head of Alternative Assets bei aktion unterstreicht die zunehmend wichtige Rolle, die Amundi im Immobilienbereich zu spielen beabsichtigt.“ Union Investment kann einen bedeuten den Track Record bei komplexen Portfolio transaktionen vorweisen. In den Jahren 2006 und 2007 brachte der Hamburger Immobilieninvestmentmanager die Transaktionen N autilus und Pegasus mit einem 14 RAUM & mehr 2 | 2015 Teil des Aqua-Portfolios: Das 1990 errichtete Bürogebäude Westferry Circus am Eingang zu den Londoner Docklands gehörte zum Portfolio des UniImmo: Deutschland. Fotos: Union Investment (3)/Daniel Sumesgutner, Adamirova Amundi, ergänzt: „Diese hochkarätige Trans- die Offenen Immobilien-Publikumsfonds von Union Investment: Der UniImmo: Deutschland und der UniImmo: Europa erhielten die Note „aa AIF“ beziehungsweise „a+ AIF“. Der UniImmo: Global verbesserte seine Ratingnote gegenüber 2014 um zwei Stufen auf „a- AIF“. Einer der beiden Publikumsfonds für institutionelle Anleger, der UniInstitutional European Real Estate, erhielt das Rating „aa AIF“, der erstmals benotete UniInstitutional German Real Estate ein „aa- AIF“. • Erbaut zwischen 1922 und 1924 gilt das Chilehaus als Ikone der Hamburger Kontorhausarchitektur. Ratings Scope Ratings beschei nigt dem Immobilienbereich von Union Investment mit der Bestnote „AAA AMR“ eine hervorragende Asset-Management-Qualität. Gegenüber dem Vorjahresrating kletterte Union Investment um eine Note nach oben. Darin drückt sich die verbesserte Aufstellung im internationalen Umfeld, die effiziente Prozessorientierung und das erfolgreiche Wachstum hinsichtlich der Fokussierung der Zielgruppe institutioneller Investoren aus. Positiv bewertet wurden auch Ein Fondsobjekt wird Weltkulturerbe Ausgezeichnete Immobilienmarke Chilehaus Seit vielen Jahren stand es auf der deutschen Vorschlagsliste für das Unesco-Weltkultur erbe – seit Juli 2015 ist das Hamburger Chilehaus auch offiziell ein Stück Weltkultur. Zusammen mit dem Kontorhausviertel und der Speicherstadt wurde das ikonische Bürogebäude – als erste Stätte Hamburgs überhaupt – in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen. Mit seiner Entscheidung würdigt das Welterbe komitee den außergewöhnlichen universellen Wert dieses innerstädtischen Ensembles. Das nach Plänen von Fritz Höger und im Auftrag des Kaufmanns Henry B. Sloman zwischen 1922 und 1924 erbaute Chilehaus wurde als für die Hansestadt typisches Kontorhaus am 1. April 1924 eröffnet. Seit 1993 gehört das zehngeschossige Büro- und Geschäftsgebäude zum Portfolio des Offe- nen Immobilienfonds UniImmo: Deutschland. „Die Auszeichnung ist für unsere Anleger und für uns als Eigentümer und Asset-Manager des Chilehauses etwas ganz Besonderes. Wer hat schließlich ein Weltkulturerbe im Portfolio, das seit Jahren exzellente Erträge erwirtschaftet?“, freut sich Reinhard Kutscher, Vorsitzender der Geschäftsführung der Union Investment Real Estate GmbH, über das passende Geschenk zum diesjährigen 50. Firmenjubiläum der Immobilienfondsgesellschaft. „Mit unseren Immobilieninvestments wollen wir nachhaltige Werte schaffen – viel schöner als mit dem Prädikat Weltkulturerbe kann man es nicht ausdrücken. Damals wie heute wird das Chilehaus den Ansprüchen seiner Nutzer gerecht und stellt damit seine Nachhaltigkeit seit über 90 Jahren unter Beweis.“ • Markenwert Union Investment ist die stärkste Fonds-/Investoren marke der Immobilienbranche 2014. Im Rahmen der größten empirischen Markenwertstudie der Immobilienwirtschaft (EurebInstitute, Berlin) erreichte Union Investment Real Estate GmbH mit 95,9 von 100 möglichen Punkten den ersten Platz und wurde mit dem Real Estate Brand Award 2014 ausgezeichnet. Insgesamt etwa 16.500 Immobilienexperten wurden befragt. Bereits im Vorjahr belegte Union Investment in der Kategorie den ersten Platz – und bestätigt damit die Markenstrategie von Union Investment: Ausgerichtet an den Werten der Dachmarke wird für differenzierte Kunden- und Anspruchsgruppen in unterschiedlichsten Marktsegmenten eine eigenständige Markenpersönlichkeit herausgebildet. • Sitz von Union Investment in Hamburg ist das 90 Meter hohe Emporio am Dammtorwall. RAUM & mehr 2 | 2015 15 MÄRKTE „Auf die Fondsperformance wirken sich Währungs schwankungen nur in sehr geringem Maße aus.“ E s sind turbulente Zeiten für die Euro-Zone und ihre Währung. Als 2010 das Euro-Mitglied Griechenland in die Krise stürzte, verlor der Euro zunächst langsam, seit Mitte 2014 dann sehr rapide an Wert. Verglichen mit dem Währungskurs Anfang 2014 büßte der Euro gegenüber dem US-Dollar fast ein Fünftel seines Wertes ein, gegenüber dem britischen Pfund etwa ein Zehntel. Anfang Juli 2015 notiert die Gemeinschaftswährung bei knapp über 1,10 US-Dollar. Im März desselben Jahres lag der Kurs sogar nur knapp über der wichtigen Marke von 1 US-Dollar. Entscheidender Grund für den schwachen Euro ist aber nicht die Griechenlandkrise. Maßgeblich, sagt Eric Heymann, Experte bei Deutsche Bank Research, seien „die expansive Gelpolitik der Europäischen Zentralbank“ (EZB) und „erwartete Zins- und Wachstumsdifferenzen zwischen den USA und Euro-Land“. Im März 2015 begann die EZB, monatlich Anleihen im Volumen von 60 Milliarden Euro zu kaufen. Bis mindestens September 2016 will sie so frisches Geld in die Märkte pumpen, um das Zinsniveau in der Euro-Zone weiter niedrig zu halten und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. In den USA wird im Unterschied dazu bereits für den Herbst mit einer Anhebung des Leitzinses gerechnet, da sich Konjunktur und vor allem der Arbeitsmarkt deutlich positiv entwickeln. Was aber bedeutet es für Immobilien-Asset-Manager, dass 1 Euro heute nur noch 80 US-Cent oder 90 britische Pence wert ist – jedenfalls Sicher durch das Kurstief Der Euro hat in den vergangenen 18 Monaten gegenüber dem US-Dollar, aber auch dem britischen Pfund deutlich an Wert verloren. Doch was Devisen händlern Sorge bereiten mag, nehmen Immobilieninvestoren weitgehend gelassen hin. Illustration: Karsten Petra; Foto: privat Von Anne Wiktorin 16 RAUM & mehr 2 | 2015 gemessen an seiner Notierung Anfang 2014? Und wie wirken sich Währungsverluste auf die Performance eines Immobilienfonds aus? Manfred Binsfeld, Leiter des Immobilienresearchs bei Feri Euro rating Services, hält die unmittelbaren Folgen für sehr überschaubar: „Da Immobilieninvestitionen einen langfristigen Charakter haben, spielen kurzfristige Wechselkursbewegungen in der Entscheidungsfindung eine eher nachgelagerte Rolle.“ An erster Stelle stünden die fundamentalen ökonomischen Perspektiven des jeweiligen Landes, erläutert der Experte. Dazu gehören etwa die demografische Entwicklung, das Wirtschaftswachstum und das Innovationspotenzial des Landes, dessen Arbeitsmarkt und die Einkommensentwicklung. Und selbstverständlich bewerten Investoren auch die jeweilige Geld- und Finanzpolitik, also die Perspektiven für Inflation und Zinsen. „Länder, die in den genannten Punkten erfolgreich sind und dies auch künftig wahrscheinlich sein werden, haben eine starke Währung. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Dollar und Pfund seit Längerem gegenüber dem Euro aufwerten“, sagt Binsfeld. Währungspositionen sind abgesichert Ausgeblendet werden Wechselkursrisiken aber keineswegs. „Inter nationale Großanleger mit globalen Portfolios begegnen volatilen Wechselkursen mit geschickten Diversifizierungs- und Absicherungsstrategien“, erläutert Feri-Experte Binsfeld. Das gilt unter anderem für die deutschen Offenen Immobilienfonds. „Sie sind weitgehend währungskongruent unterwegs“, sagt Sonja Knorr, Leiterin der Immobilien fondsanalyse bei der deutschen Ratingagentur Scope, und erläutert: „Die Währungsrisiken sind auf Fondsebene zumeist über Devisen termingeschäfte mit unterschiedlichen Laufzeiten abgesichert.“ Eine ähnliche Funktion kann auch ein Kredit in der jeweiligen Landeswährung übernehmen, der e inen Teil des Kaufpreises finanziert. Weil Zinsund Tilgungsleistungen in Landeswährung gezahlt werden, funktioniert das Darlehen als natürliches Sicherungsinstrument gegen Währungsschwankungen. Das Gleiche gelte für Mietzahlungen. Nur in Ausnahmefällen – etwa in EU-Mitgliedsländern außerhalb der Euro-Zone wie Polen oder Tschechien – zahlten Mieter in Euro. „Bei den meisten deutschen Offenen Immobilienfonds sind nach unserer Beobachtung mehr als 99 Prozent der Währungspositionen abgesichert“, weiß Analystin Sonja Knorr und gibt daher Entwarnung: „Auf die Performance wirken sich Währungsschwankungen, wenn überhaupt, dann nur in sehr geringem Maße aus.“ Auch für institutionelle Investoren wie Versicherer oder Pensionskassen ist das Hedging – also das Eingrenzen – von Währungsrisiken ein Muss bei der Immobilienanlage, sagt Marcus Cieleback, Chefanalyst beim börsennotierten Immobilienunternehmen Patrizia. „Je höher allerdings die Volatilität – also die Schwankungsbreite – einer Währung ist, desto teurer wird die Währungsabsicherung“, erläutert er. Über diesen Umweg betreffe die Euro-Schwäche Investoren aus dem gemeinsamen Währungsraum dann doch: Weil sie an Investitionen im Ausland mindestens die gleichen Renditeanforderungen wie im Inland Sonja Knorr, Leiterin Immobilienfondsanalyse bei Scope stellen, könnten Ankäufe nach der Wirtschaftlichkeitsprüfung durchaus an zu hohen Hedging-Kosten scheitern. Auf einem weiteren Feld bekommen Immobilieninvestoren die Auswirkungen des schwachen Euro indirekt zu spüren. „Für einheimische Investoren hat sich die Konkurrenzsituation gegenüber ausländischen Investoren verschärft“, sagt Marc Balkenhol, Chief Operating Officer bei der Münchner IC Gruppe. Mit 10 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen gehört sie zu den größten Asset- und Property-Managern im Land, etwa 60 Prozent ihrer Kunden kommen aus dem Ausland. „Durch die Abwertung des Euro – oder vice versa die Aufwertung anderer Währungen – erhalten ausländische Investoren schlagartig mehr Immobilie für gleiches Geld“, beschreibt Balkenhol die Situation. Entsprechend seien sie bereit, höhere Euro-Preise zu zahlen, bei denen inländische Investoren nicht mehr mithalten können. Dies gelte zum Beispiel für US-Amerikaner, Briten oder auch Schweizer. Exemplarisch zeigen sich die Auswirkungen auf dem deutschen Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien: Ihm flossen 24 Milliarden Euro in der ersten Jahreshälfte 2015 zu. Das sind 42 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, zeigt die Analyse des internationalen Immobilienberatungsunternehmens CBRE. 57 Prozent des Gesamtvolumens steuerten ausländische Investoren bei. Zur Jahresmitte 2014 hatte ihr Anteil noch bei gut 48 Prozent gelegen. Größte Gruppe waren die Nordamerikaner. Mit ihrem starken US- oder Kanada-Dollar kauften sie Gebäude für mehr als 5,5 Milliarden Euro. In der Folge stiegen die Preise, die Renditen sanken – auf nur noch 4 Prozent für Top büroobjekte etwa in München. „Anleger aus anderen Währungsräumen kaufen heute zu Nettoanfangsrenditen, die vor wenigen Jahren noch als völlig inadäquat galten“, sagt IC-Vorstand Balkenhol. Umgekehrt tun sich Euro-Investoren außerhalb ihres Währungsraums naturgemäß schwerer. In London etwa haben sich die Preise für Büroimmobilien seit 2009 – dem Tiefpunkt des Marktes – mehr als verdoppelt. Gleichzeitig hat die Währung um gut 20 Prozent zugelegt. Feri-Experte Binsfeld: „Londoner Immobilien sind also für Investoren aus Euro-Ländern zurzeit in doppelter Hinsicht zyklisch teuer.“ In der aktuellen, von hoher Liquidität und extrem niedrigen Zinsen geprägten Marktsituation allerdings gibt es für global aufgestellte Immobilieninves toren ohnehin keine Alternative. „Sie müssen sichere Investmenthäfen ansteuern“, sagt Binsfeld. Und dazu gehören neben Deutschland eben auch Großbritannien und vor allem die USA. Dass die Aufwertung des US-Dollar den Euro-Investoren den riesigen Markt jenseits des Atlantiks vergällen könnte, erwartet Binsfeld deshalb nicht: „Bevor internationale Investoren den Wachstumsmarkt USA meiden, müsste der Dollar sich noch weit mehr als bisher von seinem fairen Wert entfernen.“ • RAUM & mehr 2 | 2015 17 MÄRKTE Die Finanzkrise traf Irland hart und Keltisches V ließ seine Immobilienmärkte abstürzen. Doch nun erholt sich die Grüne Insel – und zieht Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit. Von Deirdre Hipwell Comeback or fünf Jahren wäre es für die meisten Anleger undenkbar gewesen, ein Investment in Irland auch nur zu erwägen – in einem Land, das mit unfertigen „Geisterimmobilien“ und abstürzenden Grundstückspreisen schwer zu kämpfen hatte. Damals lag Irland in den Nachwehen einer der heftigsten Immobilienkrisen seiner Geschichte, ausgelöst durch die bedenkenlose Kreditvergabe irischer Banken. Doch das Land erholt sich, und zwar mit einem Schwung, den nur wenige vorausgesehen haben. Im Jahr 2014 führte die Insel die Wachstumsstatistik aller EU-Nationen mit einer Steigerung des Brutto inlandsprodukts um 5 Prozent an, und auch für 2015 und das kommende Jahr wird Irland aller Voraussicht nach diese Top-Position halten. Ein kontinuierlicher Anstieg der Beschäftigungsrate hat die Arbeitslosenquote im April 2015 auf knapp unter 10 Prozent gedrückt, und Richard Bruton, der Arbeitsminister des Landes, ist der Ansicht, dass die Arbeitslosigkeit bis 2018 gar unter die Marke von 6 Prozent fallen könnte. Irland erholt sich deutlich schneller als die anderen Staaten, die während der Krise unter den Rettungsschirm der Europäischen Zentralbank flüchteten. Portugal hat eine Arbeitslosenquote von 13,5 Prozent, Spanien liegt bei 23 Prozent, und in Griechenland hat mehr als ein Viertel der arbeitsfähigen Bevölkerung keine Beschäftigung. Die keltische Wirtschaft hat von ihren engen Handelsbeziehungen mit den USA und Großbritannien profitiert, ebenso vom geschwächten Euro als einem Motor für Exporte. Und der schwache Euro macht irische Liegenschaften darüber hinaus attraktiv für Investoren aus Übersee. Fergal O’Brien, Chefvolkswirt des irischen Arbeitgeber- und Unternehmerverbands Ibec, verkündete kürzlich, dass das Land in einer „starken Erholungsphase“ sei: Er erwartet, dass das Wirtschafts- Erholung im Bürosektor Abweichung der aktuellen Gewerbemieten vom langjährigen Durchschnitt und vom letzten Spitzenwert in Prozent vom langjährigen Durchschnitt Büro Einzelhandel Industrie vom letzten Spitzenwert +9 –24 –20 –45 –24 –46 –50 –40 –30 –20 –10 0 +10 Quelle: CBRE, April 2015 wachstum in den nächsten Jahren bei über 4 Prozent liegen könnte, da die Wirtschaft zu ihrer potenziellen Leistungsfähigkeit zurückfinde. Dieses Wirtschaftswachstum wird zweifellos weiter positive Auswirkungen auf Irlands einst am Boden liegenden Immobilienmarkt haben. Die Investmentaktivitäten über alle Sektoren – besonders im Büro- und Einzelhandelsbereich – steigen bereits seit einiger Zeit. Und mit einem rekordhohen Total Return – also der Gesamtverzinsung des investierten Kapitals – von mehr als 40 Prozent im Jahr 2014 zählt der irische Markt für Gewerbeimmobilien zu denen mit der besten Performance in Europa, geht aus einer Studie der Society of Chartered Surveyors Ireland hervor. Die weltweit operierende Immobilienberatungsgesellschaft CBRE bezifferte die Investitionen in den irischen Immobilienmarkt 2014 auf 4,58 Milliarden Euro, davon kam mehr als die Hälfte von Käufern aus dem Ausland. Der Gebäudekomplex Grand Canal Square 4-5, entworfen von Daniel Libeskind, wurde 2009 fertiggestellt und erhielt das BREEAM-Nachhaltigkeitsrating „exzellent“. Union Investment erwarb es 2015 für den Offenen Immobilienfonds UniImmo: Europa. 18 RAUM & mehr 2 | 2015 Foto: VIEW Pictures Ltd / Alamy Bürovermietungen erreichen Niveau von 2007 Die deutsche Fondsgesellschaft Union Investment gab 2015 ihr Debüt auf dem irischen Markt: Sie erwarb den Bürokomplex Grand Canal Square 4–5 in den Docklands von Dublin für 230 Millionen Euro. Das aus zwei Gebäuden mit einer Gesamtfläche von etwa 23.300 Quadratmetern bestehende Ensemble ist vollständig und mit einer durchschnittlichen Restlaufzeit von mehr als zehn Jahren vermietet. Nur wenige Monate später sicherten sich die Immobilien-Asset- Manager von Union Investment die Projektentwicklung Burlington House. Auf einem 6.500 Quadratmeter großen Grundstück wird das britische Unternehmen Development Securities eine Büroimmobilie realisieren. Wer die späteren Mieter sein werden, steht derzeit noch nicht fest. Die Fertigstellung ist für das zweite Quartal 2017 vorgesehen. Philip La Pierre, Leiter Investment-Management Europa bei der Union Investment Real Estate GmbH, stellt fest: „Irlands wirtschaftliche Erholung zeichnet sich deutlich im anhaltenden Anstieg der Mieten ab, der sich über die kommenden Jahre fortsetzen dürfte.“ Daten von Murphy Mulhall dokumentieren, dass während der vergangenen zwölf Monate die Neuvermietung von Büroflächen mit rund 213.700 Quadratmetern ihren Spitzenwert seit 2007 erreicht hat und damit 31 Prozent über dem Fünf-Jahres-Mittelwert liegt. 3 RAUM & mehr 2 | 2015 19 MÄRKTE Das Bürogebäude Bishop’s Square in Dublin erwarb der USImmobilienkonzern Hines für 92 Millionen Euro. Damit zählt der Deal zu den fünf größten im ersten Quartal 2015. „Irlands beständige wirtschaftliche Erholung zeichnet sich deutlich im anhaltenden Anstieg der Mieten ab, der sich über die kommenden Jahre fortsetzen dürfte.“ Philip La Pierre, Leiter Investment-Management Europa bei der Union Investment Real Estate GmbH Dublins Top-Einkaufslage, der Grafton Street, die Mieten für erstklassige Einzelhandelsflächen auf 5.500 Euro pro Quadratmeter im Jahr. Viele Marktbeobachter gehen davon aus, dass einer der Gründe für Irlands Erholung und für die Anziehungskraft auf Interessenten aus dem Ausland darin begründet ist, dass die Verfügbarkeit von Gewerbeimmobilien derzeit sehr hoch ist. Das zieht Käufer an, die früher nicht erwogen haben, in Irland zu investieren, weil der Markt als nicht liquide genug galt. Einer der größten Verkäufer ist die National Asset Management Agency (NAMA). Als Irlands Immobilienmarkt kollabierte, wurde sie als Auffanggesellschaft für die heute verstaatlichte Anglo Irish Bank mit deren milliardenschweren bedrohten Krediten gegründet. Die NAMA veräußert seit ihrer Gründung große Kreditportfolios und Immobilien – darunter auch den von Union Investment erworbenen Bürokomplex Grand Canal Square 4–5. Damit praktiziert sie ein Verfahren, das im Kontrast steht zum Vorgehen in anderen bedrängten Volkswirtschaften. Dort nämlich kamen gefährdete Vermögenswerte häufig nicht sonderlich zügig auf den Markt. Offenbar hat die rasche Verfügbarkeit von Objekten die internatio nale Nachfrage beflügelt. Wie Studien zeigen, stammt ein großer Teil der mehr als 20 Milliarden Euro, die in Not leidende irische Kredite oder Immobilien investiert wurden, von ausländischen Anlegern, die von Irlands zu erwartendem Wiederaufschwung profitieren wollen. Enda Kenny, der Taoiseach – wie der irische Premierminister in der Landessprache heißt –, machte deutlich, dass er für das Land eine wirtschaftliche Erholung auf breiter Basis anstrebt statt eines von der Bauwirtschaft befeuerten Booms, wie er das Land vor sieben Jahren ins Verderben führte. Im März sagte er: „Wir gehen nicht zurück in die Tage des keltischen Tigers. Das war keine echte Erfolgsgeschichte. Es war oberflächlich und hohl, und für die Konsequenzen hatten die Bürger aufzukommen, aber ich denke, heute haben wir hier das Beispiel einer Regierung und eines Volks, die bereit sind, sich konstruktiv auf neue Herausforderungen einzulassen.“ Trotzdem ist Irlands Immobilienmarkt nicht überall über den Berg, schließlich ist das Wachstum derzeit noch auf die wichtigsten Städte wie Dublin oder Cork fokussiert. Und auch wenn die Bewertungen steigen, liegen sie doch immer noch deutlich unter den Höchstständen von 2007. Auf der anderen Seite bedeutet dies, dass der irische Markt noch einiges Potenzial für die Steigerung von Mieten und den Wert von Kapitalanlagen gleichermaßen bieten dürfte, und eben das ist der Grund für das starke Interesse der Investoren. Marktexperten sagen voraus, dass die Spitzenrenditen in Irland über die nächsten zwölf Monate generell mindestens noch einmal um 25 Basispunkte sinken könnten. Marie Hunt, Leiterin der Research-Abteilung Irland bei CBRE, meint, dass der irische Markt seinen Weg „auf spektakuläre Weise vom Boom zum Absturz und zurück zum Boom“ gemacht hat, und sagt: „Nirgendwo in Europa ist Zyklizität so stark wie in Irland. Nach einem höchst dramatischen Wirtschaftszusammenbruch infolge des globalen Abschwungs im Jahr 2008 und einem Abschwung bei den Geschäftsimmobilien, der seinesgleichen in Europa suchte, erleben die irische Wirtschaft und der Immobilienmarkt seit zwei Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung.“ • Investoreninteresse nimmt zu Investitionen in irische Gewerbeimmobilien in Mrd. Euro Deutlicher Aufschwung Bürospitzenmieten in Dublin pro Quadratmeter und Jahr in Euro Wachstum vor allem in den Großstädten satz von nur 12,5 Prozent als auch von den vielen jungen und gut ausgebildeten Arbeitskräften angezogen. Laut James Mulhall, dem Mitgründer von Murphy Mulhall, steigen die Mieten für Büroflächen stark an, weil „zu guter Letzt die Baukräne wieder zurück sind“ in Dublins Skyline. Die Entwicklung neuer Projekte war nach der Rezession brutal ausgebremst worden, weil die Banken die notwendigen Finanzierungen blockierten. Heute gibt es einen spürbaren Mangel an erstklassigen Büroflächen in Dublin, in diesem Sektor ist von weiteren deutlichen Zuwachsraten bei den Spitzenmieten in den kommenden Jahren auszugehen. Die Projektentwicklung Burlington House in Dublin ergänzt das Portfolio des Offenen Immobilienfonds UniImmo: Deutschland. Die Dubliner Immobilienberatungsgesellschaft teilt darüber hinaus mit, dass die Mieten in der Hauptstadt zuletzt stattliche 33 Prozent zugelegt und damit das Wachstum in Märkten wie dem Londoner Westend übertroffen haben. Murphy Mulhalls Analyse der Mieternachfrage nach dem jeweiligen Herkunftsland ergab, dass Unternehmen, die ihren Stammsitz in den USA haben, mit 31 Prozent aller Neuanmietungen die Nummer zwei nach einheimischen Nachfragern stellen. Viele Mieter, besonders solche aus Übersee wie etwa Facebook und Google, werden sowohl von Irlands Unternehmensteuer- 20 RAUM & mehr 2 | 2015 „Der Markt für Bürogebäude hängt von der allgemeinen Wirtschafts entwicklung ab. Wenn es der Wirtschaft gut geht, expandieren die Unternehmen, und das führt zu verstärkten Anmietungen“, sagt Mulhall. „Vor fünf Jahren hatten wir kein Wirtschaftswachstum, aber heute haben wir es, und das kann sich nur positiv auf Dublins Büromarkt auswirken.“ Irlands Einzelhandel hat ebenfalls wieder deutlich Fahrt aufgenommen. Mehr als 1 Milliarde Euro sind im Jahr 2014 in Geschäftshäuser und Einkaufszentren geflossen, und die Renditen für hochwertige Retailgebäude haben seit dem dritten Quartal des vergangenen Jahres um 50 Basispunkte zugelegt, sie liegen heute bei 4 Prozent. Auch die Leerstandsquoten in den Haupteinkaufsstraßen haben sich in vielen Städten Irlands erfreulich entwickelt, da die Verbraucher Vertrauen in das Wirtschaftswachstum gefasst und wieder begonnen haben, Geld auszugeben. CBRE berichtete im April 2015, dass im zurückliegenden Halbjahr die Leerstandsquoten in den wichtigen Einkaufsstraßen in sechs von neun Einzelhandelshochburgen des Landes deutlich zurückgegangen sind. Währenddessen stiegen in Fotos: mauritius images / Alamy, Union Investment, privat Positive Konjunktur beflügelt Einzelhandelsmarkt 5 700 4,58 600 4 3,24 500 3 1,95 2 400 1,80 1,06 1 0,48 0 2006 * 1. Quartal 2007 2008 0,09 0,24 0,19 2009 2010 2011 0,55 300 200 2012 2013 2014 2015* Quelle: CBRE, April 2015 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quelle: CBRE, April 2015 RAUM & mehr 2 | 2015 21 KONZEPTE Interessen bündeln, Ziele verfolgen Ihrer ökonomischen Bedeutung entsprechend ist die Immobilienwirtschaft in einer Vielzahl von Verbänden Forschungseinrichtungen Branchenverbände ULI, Washington, D.C. FIABCI, Paris Urban Land Institute weltweite interdisziplinäre Expertenvereinigung zu Stadtentwicklungsfragen und Institutionen organisiert. Wie die Auswahl wichtiger internationaler und nationaler Verbände zeigt, vertreten einige bereits seit vielen Jahrzehnten die Interessen der Branche nach innen und außen. Andere wurden erst in der jüngeren Vergangenheit gegründet. Gemeinsam ist allen das Engagement als Sprachrohr 35.000 Personen und Unternehmen der Branche in der politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskussion. „Urban Land“-Magazin, ULI-Konferenzen Zertifizierungsgesellschaften BVI, Frankfurt a.M. 1936 IRES weltweiter Berufsverband von Immobilienfachleuten 300 Personen, 165 Verbände und Institutionen 120.000 Personen und Unternehmen zertifiziert die Nachhaltigkeit von Gebäuden aller Art BREEAM-Zertifikat (Building Research Establishment's Environmental Assessment Method) von 1 bis 6 Sternen 1970 Netzwerk für Immobilienforschung, -research, -standardisierung 7 Immobilienverbände 90 Unternehmen 1.300 Personen Periodika zu immobilienspezifischen Themen, Fachkonferenzen BVI-Wertentwicklungsberechnung, BVI-Statistiken Mietflächenrichtlinie, Renditerichtlinie t ünde gegr er inn d Beg zierung ifi Zert t ünde gegr 1990 2000 1993 CNG, Atlanta t ünde gegr Corenet Global 1997 t ünde gegr 1999 1945 t ünde gegr 1993 er inn d Beg zierung fi i Zert t ünde gegr weltweite Vereinigung von Corporate-RealEstate-Managern 2003 9.500 Personen und Unternehmen er inn d Beg zierung ifi Zert INREV, Amsterdam zertifiziert die Nachhaltigkeit von Gebäuden unterschiedlicher Nutzung 1.000 Zertifizierungen DGNB-Zertifikat in Bronze, Silber, Gold 22 RAUM & mehr 2 | 2015 HQE, Paris Zertifikat der Association pour la Haute Qualité Environnementale LEED, Washington, D.C. EPRA, Brüssel European Association for Investors in Non-Listed Real Estate Vehicles Zertifikat des U.S. Green Building Council (USGBC) European Public Real Estate Association Interessenvertretung nicht börsennotierter Immobilienanlagevehikel zertifiziert die Nachhaltigkeit von Gebäuden aller Art zertifiziert die Nachhaltigkeit von Gebäuden aller Art 370 Personen und Unternehmen 266.000 Zertifizierungen 60.000 Zertifizierungen Interessenvertretung börsennotierter Immobilienunternehmen HQE-Zertifikat (Haute Qualité Environnementale), Level: Basis, leistungsfähig, sehr leistungsfähig LEED-Zertifikat (Leadership in Energy and Environmental Design), Level: zertifiziert, Silber, Gold, Platin 220 Personen und Unternehmen EPRA-Index (FTSE EPRA), Branchenstudien INREV Guidelines, Global Real Estate Fund Index (GREFI), Due Diligence Questionnaire GRI, Amsterdam Global Reporting Initiative internationale Organisation zur Förderung nachhaltiger, sozial verantwortlicher Unternehmensführung 650 Unternehmen und Institutionen Sustainability Reporting Guidelines zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsberichten Recherche: Ulrike Wirtz; Grafik: infografiker.com Corenet Global Benchmarking, Corenet Global Corporate Real Estate Index 2008 Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) 1881 Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung Zusammenschluss supranationaler Forschungsverbände der Immobilienwirtschaft t ünde gegr Interessenvertretung deutscher Fonds- und Kapitalverwaltungsgesellschaften 425.000 Zertifizierungen DGNB, Stuttgart Red Book zur Immobilienbewertung, Code of Measuring Practice (Flächendefinition) t ünde gegr GIF, Wiesbaden International Real Estate Society Bundesverband Investment und Asset Management Zertifikat von Building Research Establishment (BRE) 1995 internationaler Dachverband der Immobilienbranche Investorenverbände BREEAM, Watford (UK) er inn d Beg zierung ifi Zert Royal Institution of Chartered Surveyors Guidelines zu Urbanisation, Berufsstandards t ünde gegr RICS, London Fédération Internationale des Professions Immobilières ZIA, Berlin Zentraler Immobilien Ausschuss politische Interessenvertretung der deutschen Immobilienbranche auf nationaler und europäischer Ebene 150 Verbände und Unternehmen Sachverständigengutachten der Immobilienweisen, Leitlinien für Fair Business t ünde gegr 2002 t ünde gegr 2006 Quelle: Verbände, Juli 2015 RAUM & mehr 2 | 2015 23 KONZEPTE Ein Begriff elektrisiert IT-Experten weltweit – Industrie 4.0, die intelligente, mit dem Kunden vernetzte Fabrik. Doch bevor die vierte industrielle Revolution gelingen kann, muss erst einmal Meilenstein, Von Arne Gottschalck nicht Modewort aten sind überall, und es werden immer mehr. Einer Studie von Bitkom zufolge, dem Verband der deutschen Digitalwirtschaft, soll das weltweite Datenvolumen 2020 mehr als 100 Zettabytes betragen – in Bytes gerechnet ist das eine unvorstellbar große Zahl mit 21 Nullen. Wie jede andere Industrie versucht auch die Immobilienbranche, die Vorteile der sogenannten dritten digitalen Revolution zu nutzen. Die Studie „Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft“, erstellt vom Real Estate Management Institute (Remi) in Wiesbaden, nennt diese Entwicklung einen „Megatrend“. So helfe die Digitalisierung, Kauf- und Verkaufstransaktionen effizienter zu machen. Denn mehr Daten auszuwerten heiße auch, Managemententscheidungen zu verbessern, sind die Studienautoren überzeugt. So lässt sich dank Big Data individuelles Wissen mit relevanten, globalen Daten abgleichen und ergänzen. Vernetztes und vertieftes Wissen wird so auf Knopfdruck verfügbar. Immobilienmärkte zum Beispiel seien bislang oft mit Blick auf das Spitzensegment untersucht und beschrieben worden. Dagegen ist die Transparenz in den Segmenten darunter deutlich schwächer ausgeprägt. Damit dürfte die Digitalisierung aufräumen, heißt es in der Remi-Studie. Und das könnte sich auch auf die Preise auswirken. Wenn Entscheidungen auf dürrer Datenbasis getroffen werden, kann dies in Preisab- oder -aufschläge von bis zu 10 Prozent münden, rechnet das IT-Beratungsunternehmen Architrave vor. Doch nicht nur bei Transaktionen ist die zunehmende Digitalisierung in der Immobilienbranche inzwischen gesetzt. Big Data ist bei Union Investment in Teilen schon Realität. Dank Digitalisierung können beispielsweise bislang nicht miteinander verknüpfte Zahlen in Rela tion zueinander gesetzt werden und so neue Erkenntnisse liefern: zum Beispiel der Energieverbrauch von Hotelimmobilien mit deren durchschnittlicher Auslastung. Die Analysen und Auswertungen fließen ins Risikomanagement. Mit ImmoRisk nutzt Union Investment eine intern entwickelte, SAS-basierte Softwarelösung zur Risikomessung auf Objekt- und Portfolioebene. Mit ihr lässt sich eine sogenannte Monte-Carlo-Simulation durchführen, die komplexe Prozesse nachbildet und mithilfe statistischer Methoden aus der Wahrscheinlichkeitstheorie verschiedene Risi koszenarien durchspielt. So wird es möglich, diverse Rendite-RisikoStrukturen zu quantifizieren, was sowohl fachlich als auch vor dem 24 Die Immobilienwirtschaft steckt noch mittendrin. RAUM & mehr 2 | 2015 Hintergrund der gestiegenen rechtlichen Anforderungen durch das Kapitalanlagegesetzbuch zukünftig unabdingbar sein wird. Zudem können unterschiedliche Bewertungsansätze wie Ertragswertverfahren und Discounted Cashflow parallel angewendet werden. Auch sind Performancevergleiche zwischen dem gesamten Sondervermögen und Teilportfolios möglich. Eine Sensitivitätsanalyse gibt zudem Auskunft darüber, welchen Einfluss zuvor identifizierte Risikotreiber auf die Rendite haben. Dabei wird neben Aussagen über den erwarteten Kapitalertrag auch die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass die angestrebte Rendite nicht zu erreichen ist (sogenannte Shortfall-Wahrscheinlichkeit). In einem Stresstest schließlich werden unterschiedliche Worst-Case-Parameter und deren Auswirkungen auf den Fondswert simuliert. Dabei werden große Mengen Daten gewälzt, um zu erfahren, wie sich Portfoliokennzahlen unter bestimmten Voraussetzungen entwickeln. Das lässt sich ohne gro ßen Daten- und Technologieeinsatz nicht realisieren. Effiziente Prozesse, datenbasierte Entscheidungen Nicht allein im Bereich Risikomanagement hat Union Investment digitale, integrierte Prozesse implementiert. Auch für die Immobilienfondsplanung nutzt man ein eigens entwickeltes System. ImmoPlan dient vor allem dem Ziel, die Performance der einzelnen Sondervermögen umfassend und unter Berücksichtigung aller Vermögensgegenstände zu steuern. Zudem hilft das Programm dabei, Abweichungen der geplanten Wertentwicklung einzelner Vermögensgegenstände schon früh zu erkennen. „Beide digitalen Instrumente verbessern die Entscheidungsgrundlage für Investments, zudem sind sie wichtige Treiber, um Prozesse zu optimieren und effizienter zu machen. Kurz: Sie verbessern die Innovations- und damit die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens“, sagt Heiko Beck, Chief Operating Officer der Union Investment Real Estate GmbH. Voraussetzung für eine weitere Digitalisierung auch der Immo bilienwirtschaft – und einer der entscheidenden Engpässe auf dem Weg dorthin – sind aber qualifizierte Mitarbeiter. „Wir brauchen 3 „Spots“ hieß die Licht- und Medienfassaden-Installation, die 2005 ein leer stehendes Bürogebäude am Potsdamer Platz temporär ins rechte Licht rückte. Die digitale Leuchttechnik sorgte für Aufmerksamkeit auch bei potenziellen Mietinteressenten. Foto: © Bernd Hiepe by courtesy of realities:united D die dritte digitale Revolution gemeistert werden. RAUM & mehr 2 | 2015 25 KONZEPTE „Die Immobilienwirtschaft entwickelt sich von einer investitions- zu einer informationsgetriebenen Branche.“ Carsten Lausberg, Professor für Immobilienwirtschaft an der HfWU Nürtingen-Geislingen mehr IT-Spezialisten“, sagte zuletzt die Nummer zwei des globalen Gesundheitskonzerns Johnson & Johnson, Sandra Peterson. Entsprechend müssen Talente gefördert und gewonnen werden, auch aus Disziplinen, denen die Immobilienwirtschaft bislang fremd war. Die Universität von Cambridge bietet zum Beispiel schon Kurse für „Smart Cities and Urban Analytics“ an, heißt es in der neuesten Zukunftsstudie der Royal Institution of Chartered Surveyors, „Our Changing World“. Komplexität als größte Herausforderung Die Hürden bei der Planung und Gestaltung des digitalen Wandels, Anteil in Prozent Komplexität und Tempo der techn. Entwicklung 52 hoher Investitionsbedarf 52 49 Fehlen verlässlicher Standards 35 sinkende Produktivität in der Umstellungsphase 28 unklare Zuständigkeiten zwischen den Abteilungen 22 zu wenig Geschäftsverständnis bei IT-Spezialisten 21 Finanzierungsschwierigkeiten 15 0 Mehrfachnennungen möglich, n = 4.000 Vorbild Start-up-Unternehmen 42 unsichere Erfolgsaussichten, hohe Flop-Raten 10 20 30 40 50 60 Quelle: Commerzbank-Studie, Januar 2015 Die Chancen überwiegen Bedeutung digitaler Schlüsseltechnologien für Unternehmen, Anteil der Befragten in Prozent Chance Onlinemarketing 2 mobiles Internet 2 digitale Dienste 64 50 6 Social Media 5 Cloud-Computing 7 Internet der Dinge 47 42 31 2 Big Data 28 8 24 3-D-Drucker 1 Industrie 4.0 1 Crowdsourcing 1 Share Economy 20 19 16 2 10 15 0 10 Mehrfachnennungen möglich, n = 4.000 26 Bedrohung 61 4 E-Commerce RAUM & mehr 2 | 2015 20 30 40 50 60 Iluma heißt der Gebäudekomplex an der Victoria Street in Singapur. 2009 bekam er seine ornamentale Licht- und Medienfassade (oben links). Das künftige Klubhaus St. Pauli am Spielbudenplatz in Hamburg kombiniert Räume für Musik- und Kulturevents mit Büroflächen. Einzigartig soll seine Medienfassade sein (oben rechts). An der Ostseite des Grazer Kunsthauses schafft eine Matrix aus 930 Leuchtstofflampen die Möglichkeit, Bilder, Filme und Animationen zu zeigen. 70 Quelle: Commerzbank-Studie, Januar 2015 Schließlich müssen Unternehmen auch bereit und in der Lage sein, technisch Schritt zu halten. Die IT muss mitmachen, lautet eine wohlfeile Forderung. 52 Prozent der im Rahmen einer Commerzbank-Studie unter dem Titel „Management im Wandel. Digitaler, effizienter, flexibler!“ befragten Unternehmen räumten ein, das hohe Tempo der Entwicklung sei eine Herausforderung – auch finanziell. Da verwundert es nicht, dass 63 Prozent angaben, dass der Mittelstand das Thema Digitalisierung derzeit eher noch vernachlässige. Carsten Lausberg, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU), der sich in einer neuen Studie mit der Digitalisierung von Geschäftsmodellen befasst, warnt allerdings davor, den Megatrend zu überfrachten: „Digitalisierung geht nicht immer automatisch mit Innovation einher.“ Unbestritten sei jedoch, dass sich „die Immobilienwirtschaft von einer investitionsgetriebenen zu einer informationsgetriebenen Branche“ entwickeln werde. Stefan Groß- Selbeck, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Online-Jobnetzwerks Xing und Mitautor der Commerzbank-Studie, macht Firmen der Old Economy Mut, sich an Start-up-Unternehmen zu orientieren: „Sie setzen neue Technologien nicht nur ein, um Produktivitätsfortschritte zu erzielen. Sie probieren auch Möglichkeiten aus, neue Kundengruppen und Vertriebswege zu erschließen und neue Angebote zu schaffen.“ Wie eine solche Start-up-Mentalität auch in einem Konzern funktioniert, zeigt der Internetgigant Google. Er stieg unlängst bei einem Hersteller von Heizungsthermostaten ein. Für Stephan Rohloff, Marketingdirektor des Softwareentwicklers Aareon, steht deshalb fest: „In die Wohnungswirtschaft streckt das Silicon Valley bereits die Fühler aus.“ • Fotos: © Jan Edler by courtesy of realities:united, akyol kamps: bbp/moka studio, Schapowalow/Gabriele Croppi/SIME Sicherheitsrisiken und Probleme beim Datenschutz Zudem sind rechtliche Probleme nicht zu unterschätzen – allen v oran die des Datenschutzes. Ein Beispiel: Im Auto liefern elektronische Steuergeräte längst eine Vielzahl von Daten über das Fahrverhalten desjenigen, der hinterm Steuer sitzt. Kfz-Versicherer würden dies gern nutzen, um individuell dem Fahrstil des Kunden angepasste Tarife anzubieten. Defensive Fahrer würden finanziell profitieren. Ähnliches ist auch in der Immobilienwirtschaft denkbar: Sensoren, die das Energieverbrauchsverhalten von Büromietern messen, könnten diese zwar auf mögliche Schwachstellen aufmerksam machen und so die Nebenkosten optimieren. Technisch wäre dies kein Problem. Nur – auch rechtlich? Schließlich bedeutete dies – wie auch im Fall des Autofahrers – mehr Überwachung, die nicht jedem gefallen dürfte. Denn Daten können immer auch missbraucht werden. RAUM & mehr 2 | 2015 27 KONZEPTE MÄRKTE „Es ist Zeit für einen mentalen Wandel“ Martin Brühl, Präsident der Royal Institution of Chartered Surveyors, über den Umgang mit neuen Technologien Herr Brühl, wie technikbegeistert ist die Immobilienwirtschaft? Die Immobilienprofession in westlichen Industrienationen ist tendenziell eher konservativ und technologieskeptisch. Die zunehmende Digitalisierung unserer Wirtschaftsstrukturen aber erfordert, dass sich unsere Branche bewusst wird, welche Auswirkungen dies hat. Es ist deshalb an der Zeit für einen grundlegenden mentalen Wandel, eine neue Sicht auf das Thema Technologie. Es gilt, eine Kultur zu schaffen, die Technologie nicht fürchtet, sondern als Chance begreift und annimmt. Genügen solche brancheninternen Initiativen? Gewiss nicht. Deshalb fördert die RICS die Zusammenarbeit zwischen der Immobi lien- und der Technologiebranche. Wir sind branchenübergreifend engagiert, bauen neue Netzwerke und neue Kooperationen auf. So haben wir vor geraumer Zeit ein technisches Onlineforum eingerichtet und sind im Dialog mit neuen Partnern jenseits der Gruppe der „üblichen Verdächtigen“ der Immobilienbranche, insbesondere mit Technologieunternehmen und deren Branchenverbänden. Wie steht die Industrie dem Thema Building Information Modeling (BIM) gegenüber? BIM, also der digitale 3-D-Modell-basierte Prozess für Planung, Entwurf, Ausführung und Verwaltung von Gebäuden ist zwar ein kleines, aber ein sehr wichtiges Zahnrad in der Digitalisierungsmaschinerie. Jedenfalls wird für den Grundstücks- und Immobiliensektor ein hoher Zuwachs an Foto: Union Investment Sie sind neuer Präsident der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS). Wie wollen Sie den Wandel praktisch angehen – etwa bei der Nutzung von Big Data? Dort sind wir bereits auf der praktischen Ebene: Von der RICS regulierte Disziplinen wie Geomatik, Städte- und Bauleitplanung sowie Infrastrukturentwicklung nutzen Big Data im Tagesgeschäft. Ganz konkret erarbeitet die RICS aktuell eine ganze Reihe internationaler Standards zur Harmonisierung und Klassifizierung wichtiger Daten – etwa zur Flächenberechnung. Solche ge- meinsamen und verbindlichen Standards sind eine der entscheidenden Voraussetzungen für den Erfolg von Big Data. Martin Brühl ist neuer Präsident der RICS und Abteilungsleiter Investment Management International bei der Union Investment Real Estate GmbH. BIM in den nächsten Jahren prognostiziert: Forschungsinstitute sagen Jahreswachstumsraten von fast 17 Prozent bis 2020 voraus. Marktteilnehmer erwarten, dass der Marktanteil von 2,6 Milliarden US-Dollar im Jahr 2013 auf 8,6 Milliarden im Jahr 2020 steigen könnte. Auch die RICS hat bereits eine Menge getan, um das Thema voranzubringen: So wurde eine BIM-Manager-Zertifizierung geschaffen, BIM-Konferenzen durchgeführt, wir arbeiten mit Architekten, Bauingenieuren und auch Regulatoren zusammen, um neue Standards zu etablieren, die in diesem Feld notwendig sind. Denkt man das Thema Big Data weiter, landet man bei Open Source: Wird RICS sich für diese Form der Transparenz einsetzen? Der Begriff Open Source steht im weiteren Sinne für frei verfügbares Wissen und Information. Es geht hier also wieder um das Thema, das auch die Immobilienbranche umtreibt: Es kommt in Zukunft weniger darauf an, was man weiß, sondern darauf, was man aus dem Wissen tatsächlich macht. Wertschöpfung entsteht durch Ableitung von geeigneten Handlungsempfehlungen! Und ja, ich bin überzeugt, dass Open-Source-Initiativen und OpenData-Standards die Zukunft sein werden. Die Öffentlichkeit erwartet offene, freie, leicht zugängliche und transparente Daten. Ein Berufsstand, der wie die RICS dem Gemeinwohl verpflichtet ist, muss diese gesellschaftlichen Erwartungen mit der Arbeit unserer regulierten und qualitätsgesicherten Mitglieder verknüpfen. Allerdings sind noch wesentliche Fragen offen, insbesondere im Zusammenhang mit Eigentumsrechten, Datenschutz und Cybersicherheit. Das Interview führte Arne Gottschalck. Gute Chancen für Verkäufe Investitionsklima Die Niedrigzinsphase in Europa wird noch einige Jahre anhalten Freundliches Klima für Immobilieninvestments Investitionsklimaindex* in Punkten und die Immobilienrenditen weiterhin unter 75 RAUM & mehr 2 | 2015 Großbritannien Druck setzen. Dies erwartet eine Mehrheit der 165 von Union Investment im Halbjahres turnus befragten professionellen Anleger in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. So gaben 51 Prozent der deutschen Anleger 70 65 an, die eigenen Renditeziele auf Fünfjahres sicht wohl nicht zu erreichen. 52 Prozent der 60 französischen und 50 Prozent der britischen Anleger sind derselben Ansicht. Angesichts 55 des hohen Preisniveaus auf den gewerblichen * Erhebung im Frühjahr und im Herbst 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quelle: Union Investment, Investitionsklimastudie, August 2015 Immobilienmärkten in Europa sehen vor allem britische, aber auch deutsche Asset-Manager die Waage. Folgerichtig will nur eine (knappe) wird es spannend sein zu erfahren, wie Anleger in der gegenwärtigen Situation gute Chancen Minderheit von ihnen künftig außerhalb des die Situation zur Jahreswende 2015/16 für Objektverkäufe. 84 Prozent der Befragten Core-Bereichs investieren; als Beimischung zum einschätzen werden. in Großbritannien und 72 Prozent in Deutsch Portfolio kommen für eine (kleine) Mehrheit Von aktuellen geopolitischen und konjunktu land gaben an, das Zeitfenster für Veräuße aber auch Objekte in Sekundarstädten infrage. rellen Themen abgesehen, bleibt die globale rungen nutzen zu wollen. Dem Einfluss von Den Turbulenzen auf Europas Finanzmärkten Urbanisierung der wichtigste Megatrend für Kapital aus Asien und Nordamerika auf die zum Trotz fürchten Investoren weder einen die Branche – gleich gefolgt von der Digitali heimischen Märkte messen deutsche Inves Grexit – den Ausstieg Griechenlands aus der sierung. Letztere jedoch wird nach Ansicht der toren dabei eine nur geringe Bedeutung bei. Euro-Zone – noch den Brexit – einen Rückzug Mehrheit der Befragten in allen drei Ländern Bei Anlageentscheidungen dominiert einzig Großbritanniens aus der EU. Als größtes Risiko die stärkste Veränderung mit sich bringen. im Vereinigten Königreich der Renditeaspekt für Immobilieninvestments wurde bei der im Insgesamt zeigt sich das Immobilieninvesti mit 56 Prozent klar vor dem der Sicherheit Juni und Juli 2015 durchgeführten B efragung tionsklima freundlich. Besonders in Frankreich (18 Prozent).Bei deutschen Investoren hal die Ukraine-Krise identifiziert. Angesichts der haben sich Lage und Erwartung der Investoren ten sich Rendite- und Sicherheitsorientierung seitdem zutage getretenen Probleme in China erfreulich verbessert. • IMPRESSUM KONTAKT RAUM & mehr Das Immobilienmagazin von Union Investment Union Investment Real Estate GmbH Valentinskamp 70/EMPORIO, D-20355 Hamburg Telefon: +49 (40) 349 19-0, Fax: -4191 E-Mail: service@union-investment.de Herausgeber Union Investment Real Estate GmbH Valentinskamp 70/EMPORIO D-20355 Hamburg Verantwortlich für den Inhalt Fabian Hellbusch (Leiter Marketing, Kommunikation bei der Union Investment Real Estate GmbH). Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder. Chefredaktion Elke Hildebrandt (für Union Investment) Anne Wiktorin (für G+J Corporate Editors) Art-Direktion Frauke Backer/backerdesign.com Publishing Management Birte Kleinebenne Bildredaktion Angelika Rosenquist Infografik Jens Storkan Lektorat Christiane Barth Litho Frank Eberle Geschäftsführer Soheil Dastyari, Sandra Harzer-Kux Verlag G+J Corporate Editors GmbH Stubbenhuk 10 D-20459 Hamburg Druck optimal media GmbH Glienholzweg 7 D-17207 Röbel RAUM & mehr erscheint halbjährlich im 20. Jahrgang in deutscher und englischer Sprache. Aktuelle Auflage: 24.000 Exemplare E-Mail an die Redaktion fabian.hellbusch@union-investment.de 28 Frankreich Deutschland - Investment Management - Europa Tel.: -4127 - International Tel.: -4401 - Hotel Tel.: -4121 - Shopping Center Tel.: -4183 - Asset Management - Deutschland Tel.: -4990 - Europa Tel.: -4227 - International Tel.: -4439 - Shopping Center/Hotel Tel.: -4176 - Projektmanagement Tel.: -4208 - Marketing Kommunikation Tel.: -4160 Papier und Druck dieses Magazins sind nach FSC® zertifiziert. Die Druckerei optimal media garantiert eine umweltgerechte Produktionskette. www.union-investment.de/realestate RAUM & mehr 2 | 2015 29 Wenn Industriehallen, Bürotürme oder KaufKONZEPTE häuser keine Nutzer mehr finden, muss das keine Katastrophe sein. Denn Leerstand ist Leben nach dem „Umnutzungen sind kein typisch niederländisches oder britisches, sondern ein überregionales Phänomen.“ kein Naturgesetz. Umnutzungen rechnen sich, sind machbar und inzwischen auch politisch Thomas Beyerle, Managing Director bei Catella Property Valuation gewollt. Von Miriam Beul-Ramacher E Fotos: Ferox Projektentwicklung GmbH & Co. KG (Simulaion), privat Leerstand s darf gesprungen werden: Im Leskanpark im Kölner Stadtteil Dellbrück hat Jump Management eine alte Produktionshalle zu einem Indoor-Trampolinpark umgebaut. Einst wurden in der Halle Feuerlöscher beschichtet. Ab Herbst 2015 lädt die Halle Eventsportler zur Erprobung der kurzzeitigen Schwerelosigkeit ein. Im September soll der Umbau der 2.700 Quadratmeter großen Halle abgeschlossen sein und das einstige Produktionsareal der Firma Total Walther um einen Publikumsmagneten mit 40 Trampolinen reicher. Neben Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen h aben sich auf dem Gelände bereits eine Ballettakademie, ein Sportverein sowie eine Kletterhalle angesiedelt. „Die Revitalisierung ist ohne Zweifel ein Gewinn für den Stadtteil“, sagt Stefan Altmann vom Kölner Immobilienmakler Greif & Contzen. Und liegt außerdem voll im Trend. Europaweit verwandeln sich einstige Industrie- und Produktionsstandorte, aufgegebene Kaufhäuser oder leere Bürotürme in Wohnhäuser, Hotels oder gemischt genutzte Quartiere. Ein regelrechtes Umbaufieber ist beispielsweise auf dem holländischen Büromarkt zu beobachten. Infolge der 2008 begonnenen Wirtschafts- und Finanzkrise waren 2014 landesweit noch immer mehr als sieben Millionen Quadratmeter Bürofläche ungenutzt, mehr als 15 Prozent des Gesamtbestands. In Großstädten wie Rotterdam lag die Quote gar bei mehr als 18 Prozent. Umwidmungsvorhaben sind in Anbetracht der Flächenressourcen, die der niederländische Büromarkt bietet, bei Städten und Kommunen willkommen, wie die Vielzahl der laufenden und abgeschlossenen Projekte zeigt. Auch Großbritannien setzt auf Erneuerung, wobei die spektakulärsten Umnutzungsprojekte in London zu finden sind. Auch hier weichen Büros, kommen Wohnungen. Anfang 2015 haben die Umbauarbeiten am Centre Point Tower begonnen, einem der bekanntesten Wolkenkratzer der britischen Hauptstadt. Das 1963 errichtete Gebäude umfasst 33 Stockwerke und befindet sich in der Oxford Street, direkt über der U-Bahn-Station Tottenham Court Road. Entwickler und Inves tor Almacantar etabliert in dem 117 Meter hohen Turm 82 exklusive München und Berlin vorn Anteil von Umnutzungen am Projektentwicklungsvolumen in ausgewählten deutschen Städten in Prozent München 36 Berlin 34 Stuttgart 21 Hamburg Die Ferox Immobiliengruppe widmete den zuvor gemischt genutzten und anschließend lange Zeit teilweise leer stehenden Turm White Max im Businessquartier Seestern in ein Wohnhochhaus mit 305 Wohnungen, 2.600 Quadratmeter großem Fitnesscenter und Kita um. 30 RAUM & mehr 2 | 2015 19 Frankfurt/M. 17 0 10 Quelle: Catella Real Estate, Dezember 2014 20 30 40 Wohnungen, Restaurants und 4.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche. „Das Projekt wird der Landmark-Immobilie neues Leben einhauchen und eine zentrale Rolle bei der Neupositionierung dieses wichtigen Standortes in Central London sein“, sagt die Leiterin Development bei Almacantar, Kathrin Hersel. Auch der als hässlichster Büroturm Londons verschriene Archway Tower sieht einer neuen Zukunft als Wohngebäude entgegen. Wohnungsentwickler Essential Living wird den 1963 fertiggestellten und seit 2012 leer stehenden 80.000-Quadratmeter-Koloss in einen Mietwohnungsturm mit Dachterrasse und Wintergarten umbauen. Dabei ist der Turm, der wie der Centre Point Tower über einer U-Bahn-Station steht, Teil eines Wohnungsbauprogramms, mit dem Essential Living in den nächsten Jahren 5.000 Mietwohnungen in und rund um London entwickeln will. „Umnutzungen und Revitalisierungen sind kein typisch niederländisches oder britisches, sondern ein überregionales Phänomen“, sagt Thomas Beyerle, Managing Director beim Immobiliendienstleister Catella Property Valuation. Insbesondere wirtschaftliche Boomregionen mit hohen Einwohnerzuwächsen seien von einem Revitalisierungshype erfasst, weil Baugrundstücke für Neubauten aller Nutzungsarten fehlten und das Flächenangebot mit der Nachfrage nicht Schritt halte. „Die Erneuerung bestehender Substanz ist an vielen Standorten die einzige Möglichkeit, um neuen Raum für Wohn-, Gewerbe- oder Freizeitnutzungen zu schaffen“, erläutert Beyerle. Insbesondere innerstädtische oder stadtnah gelegene Immobilien haben nach Ansicht des Experten gute Aussichten auf ein zweites oder auch drittes Leben in neuer Funktion. Viele Nutzungen sind möglich Die ehemalige Malzfabrik in Berlin in der Nähe des Szeneviertels Tempelhof ist ein Beispiel von vielen. Sie gilt heute als pulsierende Insel im großstädtischen Gewerbegebiet und bietet in den gründerzeitlichen Gebäuden reichlich Raum für neue Impulse und kreative Ideen. Zwischen den Backsteinmauern des Industriegeländes wurde im März 2015 die nach eigenen Angaben größte Innenstadtfarm Europas eröffnet. Das Unternehmen ECF Farmsystems will auf 1.800 Quadratmetern Fische züchten und Gemüse produzieren (siehe auch den Beitrag „Die essbare Stadt“ ab Seite 36). „Der Zeitpunkt, um nach Immobilien oder Brachen für Revitalisierungsvorhaben Ausschau zu halten, ist ideal“, findet auch Stefan Wiegand, Geschäftsführer der Region Süd bei Aurelis Real Estate. Der bundesweit aktive Quartiersentwickler muss es wissen. Nur wenige K ilometer südwestlich der Münchner Innenstadt widmet Aurelis derzeit ein ehemaliges Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn um. Mit 400.000 Quadratmetern zählt die Entwicklungsfläche zu 3 RAUM & mehr 2 | 2015 31 KONZEPTE „Der Zeitpunkt für Revitalisierungsvorhaben ist ideal.“ Mieter“,berichtet Firmenchef Hubert Haupt. Das war 2010, eine Zeit, die für Bürovermieter bundesweit nicht einfach war. Der Mangel an Wohnungen dagegen begann sich auch in München zu verschärfen. Was lag näher, als das Hochhaus in ein Wohngebäude umzuwandeln? „Bei der Stadt München liefen wir mit dieser Idee zum Glück offene Türen ein“, berichtet Haupt. So entwickelt Investor Patrizia auf einer benachbarten, ehemals gewerblichen Fläche von 90.000 Quadratmetern ebenfalls rund 1.000 Wohnungen. „Obersendling war ein reiner Gewerbestandort, der seinen Charakter durch Umnutzungen und Neubauten komplett verändert“, sagt Haupt. Für die Vermarktung seines Wohnturms stellen die städtebaulichen Aufwertungen im Umfeld allerbeste Voraussetzungen, wie er findet. Der Turm wird entkernt und nach Entwürfen des Stefan Wiegand, Geschäftsführer Region Süd bei Aurelis Real Estate den größeren Umnutzungsprojekten in der bayerischen Landeshauptstadt. Aus Gleisanlagen und Werkshallen formt Aurelis ein urbanes, gemischt genutztes Quartier mit Schwerpunkt auf Gewerbe und Logis tik:40.000 Quadratmeter Fläche sind für den Bau von rund 500 Wohnungen vorgesehen. Der Löwenanteil mit 140.000 Quadratmetern Fläche gehört zum entstehenden Gewerbe-, Logistik- und Freizeitstandort namens Triebwerk. Rund ein Dutzend denkmalgeschützter Backsteinbauten mit zumeist ebenerdigen Flächen von 1.000 bis 10.000 Quadratmetern sollen behutsam saniert und durch Neubauten ergänzt Umwidmungsprojekten – darin, eine Balance zwischen Ausgaben und Einnahmen zu erreichen. Allein die Vorbereitung des späteren Baufelds stelle keinen unerheblichen Kostenfaktor dar. Bodenverunreinigungen, Altlasten und Gebäudeschadstoffe müssten beseitigt werden. Hinzu kämen die Erschließungskosten sowie bei den Sanierungen der Bestandsgebäudedie Anforderungen durch den Denkmalschutz. Auf der Habenseite kann Wiegand neben schon laufenden Mieteinnahmen auch einen Verkauf verbuchen. 2014 hat Aurelis das Gebäude inklusive 15-Jahres-Mietvertrag mit dem Nutzer Deutsche Post/DHL an eine e rleben die Turmmetamorphosen nicht nur aus demografischen Gründen. Auch städtebauliche und wirtschaftliche Gründe sprechen für Nutzungsänderungen dieser Art. Entwickler würden an diesen Standorten heute weder die entsprechenden Grundstücke bekommen noch das Recht, so viele Stockwerke zu bauen. „Bei Turmumwidmungen generiert man durch den Erhalt der vorhandenen Bausubstanz mehr Bruttogeschossfläche als bei Neubauten“, sagt Matthias Pink, Head of Research Germany bei Savills. Nach heutigem Recht könnten die Bauherren bei der Abriss- Neubau-Variante in der Regel nur die Hälfte der Flächen realisieren. Außerdem schlummern in den Immobilien interessante Wertpotenziale. Etwa wenn einstige Technikräume, zumeist in der Gebäudemitte oder den oberen Geschossen angesiedelt, aufgelöst und in reguläre Wohn- Umnutzungen zweier Bürotürme in London: Der 80.000 Quadratmeter große Archway Tower im Stadtteil Islington wird zum Wohnhaus umgebaut (links). Im Centre Point Tower in der Oxford Street entstehen 82 Wohnungen und 4.000 Quadratmeter Ladenfläche. werden. Die ersten überzeugten „Triebwerkler“ sind schon da. In der denkmalgeschützten Werkhalle 5 hat der Kletterhallenbetreiber Boulder welt seine zweite Münchner Adresse etabliert und das zweigeschossige revitalisierte Gebäude für zwölf Jahre gemietet. Für mindestens 20 Jahre hat sich DB Fahrwegdienste, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn, auf dem Areal einquartiert. Sie wird eine Bürofläche von rund 850 Quadratmetern in einem Neubau nutzen. Die Deutsche Post hat Lage und Potenzial des Areals ebenfalls erkannt und gab beim Eigentümer und Entwickler Aurelis den Bau einer neuen DHL-Paketzustellbasis in Auftrag. Das Logistikzentrum entstand auf einer 25.000 Quadratmeter großen Teilfläche und ist seit Sommer 2014 in Betrieb. Der Mietvertrag mit dem Zustelldienst läuft über 15 Jahre. „Wir wollen schrittweise weitere Gebäude revitalisieren und auch Neubauten entwickeln“, sagt Wiegand. Allerdings bestehe die Kunst – wie bei allen Büros Meili, Peter Architekten mit Sitz in München und Zürich in ein Wohnhochhaus mit 1,5 bis 5 Zimmer großen Wohnungen umgebaut. In anderen deutschen Großstädten reagieren Politik und Verwaltung ähnlich auf die Wohnungsnot und unterstützen Entwickler, die leergefallene Bürotürme in Wohnungen verwandeln. Ein prominentes Beispiel aus Düsseldorf ist das White Max. Die Ferox Immobiliengruppe widmete den zuvor gemischt genutzten und anschließend lange Zeit teilweise leer stehenden Turm im Businessquartier Seestern in ein Wohnhochhaus mit 305 Wohnungen und 2.600 Quadratmeter gro ßem Fitnesscenter um. Auch Investoren wie die KGAL Gruppe glauben daran, dass Wohnungen im Büroquartier Seestern auf Dauer g efragt sein werden. Der Asset-Manager aus Grünwald übernahm im Jahr 2014 das White Max von Ferox für eine ungenannte Kaufsumme (siehe auch „Von der Bürostadt zum Stadtquartier“ ab Seite 10). Einen Boom 32 RAUM & mehr 2 | 2015 Pensionskasseveräußert und damit für ein Großprojekt auf dem Triebwerk-Areal einen Exit gefunden. Doch ist dies nur eine Möglichkeit. Zur Strategie des Entwicklers gehört es auch, Objekte in das eigene Mietportfolio zu übernehmen. Während Eigentümer Aurelis Umnutzungen plant und auch selbst realisiert, überlässt die Hubert Haupt Immobilien Holding das Bauen in der Regel lieber anderen. Wenige Kilometer vom Triebwerk-Gelände entfernt hat die Münchner Unternehmensgruppe bereits 2006 den Siemens-Turm an der Baierbrunner Straße erworben. Das 23.000 Quadratmeter große und 75 Meter hohe Gebäude stand damals bereits leer und wies aus Entwicklersicht drei große Makel auf. Die Fassade stand unter Denkmalschutz, im Innern schlummerte viel Asbest, und draußen fehlten Stellplätze. „Alle Probleme haben wir in den Griff bekommen. Trotzdem fanden wir für die Büroflächen einfach keine Fotos: Marcus Schlaf, Lingotto Vastgoed, Essential Living, TA images / Almay Die denkmalgeschützten Backsteinbauten im Triebwerk München, einem ehemaligen Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn, werden behutsam saniert (links). In einer früheren Kaugummifabrik in Amsterdam arbeiten heute Unternehmen der Kreativbranche. flächen umgewandelt werden. „Es handelt sich oft um große Flächen, die locker 10 Prozent des gesamten Gebäudes ausmachen“, weiß Green-Building-Experte Michael Bauer, Partner bei Drees & Sommer und in etliche Turmprojekte involviert. Von einem besonders erfreulichen Rechenexempel dürfe man sprechen, wenn sich diese Raumressourcen auf dem Dach befinden und somit aus einer einfachen Technikfläche ein teures Penthouse wird. Trotzdem müssen sich Büros als Wohnungen erst beweisen. Wohnhäuser benötigen andere Grundrisse, separierte Zugänge, viele Bäder, Küchen und auch offene, von zwei Seiten belichtete Räume. In vielen Fällen müssen daher neue Treppenhäuser eingebaut werden, was die Kosten in die Höhe treibt. „Umnutzungen rechnen sich oft nur dort, wo sich die Wohnungen auch entsprechend teuer verkaufen oder vermieten lassen“, sagt CatellaExperte Beyerle. In Großstädten dürfte das wahrlich kein Problem sein. • RAUM & mehr 2 | 2015 33 PORTFOLIO „Das aktuelle Zinsniveau spiegelt die tatsächlichen Marktrisiken nur noch bedingt wider.“ Risiko minimieren Sven Bienert, Professor an der Irebs International Real Estate Business School Chancen suchen Um rasch und flexibel auf Zinsänderungen reagieren zu können, empfiehlt es sich, die Barreserven des Fonds eher kurzfristig anzulegen. Kreditpositionen werden ständig überwacht; mithilfe von Szenario analysen lässt sich ermitteln, bei welcher Zinshöhe die Ablösung eines Kredits wirtschaftlich Sinn macht. „Die größte Herausforderung ist es, über Szenarien für die kurz- und mittelfristige Zinsentwicklung in den relevanten Märkten zu verfügen und auf dieser Basis die Auswirkungen auf die einzelnen Vermögenspositionen im Portfolio zu ermitteln“, erläutert COO Heiko Beck und warnt: „Bei guter Früherkennung hat man relativ viel Zeit, um Steuerungsmaßnahmen einzuleiten; lässt man die Zeit aber verstreichen, gibt es keine schnellen Lösungen!“ Die Niedrigzinspolitik hat den europäischen Immobilien investoren lange in die Hände gespielt. Doch nun mehren sich die Zeichen für einen leichtenZinsanstieg. Wie bereiten sich institutionelle Anleger Komplexe Steuerungsaufgabe auf dieseund die wachsende A ls die Lehman-Pleite 2008 die Stimmung an den internatio nalen Immobilienmärkten ins Bodenlose stürzen ließ, hatten Investoren selten Grund, mit Champagner ihre Erfolge zu feiern. Seit drei, vier Jahren wird der edle Tropfen wieder häufiger ausgeschenkt. Politisch gewollte niedrige Zinsen, stabile Vermietungsmärkte und auskömmliche Renditen im Vergleich zu anderen Anlageklassen haben einen regelrechten Investmentboom ausgelöst. Doch ein Ende der paradiesischen Zustände ist absehbar. Vor allem das Thema Zinsen verbreitet Katerstimmung. „Das aktuelle Zinsniveau erschwert es Investoren, noch adäquate Renditen zu erwirtschaften. Gleichzeitig „Am Ende wird definiert, bis zu welcher Grenze einzelne Risiken toleriert werden.“ Heiko Beck, COO und Mitglied der Geschäftsführung der Union Investment Real Estate GmbH 34 RAUM & mehr 2 | 2015 Anzahl weiterer Risiken vor? Von Miriam Beul-Ramacher spiegelt es die tatsächlichen Marktrisiken nur noch bedingt wider“, sagt Sven Bienert, Professor an der Irebs International Real Estate Business School der Universität Regensburg. Die Gefahr wachsender Diskrepanzen zwischen Miet- und Investmentmärkten steige und damit auch die Möglichkeit von Preisblasen. „Die Immobilienwirtschaft muss jetzt ihre Hausaufgaben angehen und darf diese nicht aufschieben. Die Party wird wie immer nicht ewig andauern.“ Bienert, der auch Leiter der Kommission Immobilien bei der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) ist, rät dazu, Zinsänderungsrisiken intensiv zu beobachten und proaktiv mit ihnen umzugehen. Das gilt auch für das Management Offener Immobilienfonds. Denn Zinsänderungen beeinflussen die Assets in einem Fonds sowohl direkt wie auch indirekt. „Unmittelbar wirkt sich das Zinsniveau auf Liquidität und auslaufende Kredite aus“, sagt Heiko Beck, COO und Mitglied der Geschäftsführung der Union Investment Real Estate GmbH. Zeitverzögert und nur mittelbar habe es Einfluss auf Mieterträge und die von unabhängigen Sachverständigen ermittelten Verkehrswerte. Entsprechend unterschiedlich werden die jeweiligen Risiken gesteuert. Fotos: Fletcher Priest Architects, Union Investment /Michael Lange Im Mai 2015, kurz vor den britischen Parlamentswahlen, beteiligte sich Union Investment am Londoner Büroobjekt Watermark Place. Und das gilt nicht nur für Zins-, sondern auch für alle anderen Risiken, auf die Fondsmanager ein Auge haben müssen. Dazu zählen endogene Risiken, die sich etwa aus der technischen und strukturellen Qualität des Portfolios selbst oder auch der Problematik der sogenannten Fris tentransformation ergeben. Offene Immobilienfonds nämlich transformieren vergleichsweise kurzfristig angelegtes Kapital ihrer Kunden in ein langfristiges Immobilieninvestment. Kapitalzu- und -abflüsse müssen daher so gesteuert werden, dass weder eine zu hohe noch eine zu geringe Liquidität zum Problem wird. Schließlich spielen exogene Risiken eine wichtige Rolle: Markteinflüsse wie aktuell das niedrige Zinsniveau etwa, aber auch politische und regulatorische Unwägbarkeiten. „Die genannten Risiken müssen sowohl einzeln als auch im Gesamtkontext des Portfolios gesteuert werden“, erläutert Union Investment-Manager Beck. Ohne Kenntnis der Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen den Einfluss größen sei dies schlicht unmöglich. „Bei einem großen Publikumsfonds wie dem UniImmo: Europa hat man vereinfacht gesagt die Komplexität und Risiken eines Wertpapierfonds ergänzt um die Risiken des Immobilienportfolios“, bringt Beck die Herausforderung auf den Punkt. Grundsätzlich treffe dies sowohl auf die großen Publikumsfonds als auch auf kleinere Spezialfonds für institutionelle Anleger zu. „Doch ist die Komplexität der Risikomanagementaufgabe bei einem großen Flaggschifffonds, der in verschiedenen Währungsräumen mit Beteiligungs- und Finanzierungsstrukturen unterwegs ist, natürlich deutlich höher als bei einem Hotelspezialfonds, der schwerpunktmäßig im Euro-Raum investiert“, sagt Beck. Umgekehrt sei die Risikotragfähigkeit eines großen Publikumsfonds aufgrund seiner breiteren Diversifikation und der schieren Größe ausgeprägter als die des Spezialfonds. Bei institutionellen Produkten sei daher häufig die Konzentration von Risiken höher und der Fonds entsprechend risikoempfindlicher als die Dickschiffe der Branche. Zudem seien bei institutionellen Produkten neben den regulatorischen Anforderungen auch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben der Kunden zu berücksichtigen, insbesondere wenn es sich um Banken und Versicherungen handele. „Institutionelle Kunden akzeptieren in Offenen Immobilienfonds aber durchaus Klumpen- oder Währungsrisiken. Diese gleichen sie dann im Gesamtzusammenhang ihrer Anlagen aus“, erläutert Beck. Sowohl bei institutionellen als auch bei Publikumsfonds aber gehe es am Ende darum zu definieren, bis zu welcher Grenze einzelne Risiken toleriert und ab wann Gegenmaßnahmen eingeleitet werden müssten, beschreibt Heiko Beck das Vorgehen. Dabei gilt: Risikomodelle können nur so gut sein wie die Annahmen, auf denen sie basieren. Und Prognosen sind fehleranfällig, vor allem wenn es um die Einschätzung exogener Risiken geht. Martin Brühl, Leiter der Abteilung International im Ressort Investment Management bei der Union Investment Real Estate GmbH, ist daher überzeugt: „Man muss sich immer die Frage stellen, ob man ein Investment vor exogenen Einflüssen schützen kann, und falls ja, wie.“ Der gleichen Frage gehen die Immobilienexperten der DVFA nach und kommen zu dem Schluss, dass bei vorhandenen Preisblasen oder geopolitischen Risiken naturgemäß kein Schutz zu erwarten ist. Dennoch sei selbst in einem deflationären Umfeld reelle Vermögenssicherung möglich. Auch politische Umbruchphasen verdammen Immobilienanleger nicht zur Untätigkeit, wie ein Beispiel von Union Investment zeigt. Im Mai dieses Jahres hat sich der Hamburger Fondsinitiator in einem Joint Venture mit der kanadischen Oxford Properties Group eine 50-Prozent-Beteiligung am Londoner Büroobjekt Watermark Place gesichert. Die Fundamentaldaten für das Class-A-Gebäude mit mehr als 50.000 Quadratmetern Mietfläche überzeugten. Nur fiel der Erwerb zeitlich mit der britischen Parlamentswahl zusammen. „Wir waren erleichtert über die klare Regierungsbildung, und letztendlich hat die Wahlentscheidung unser Business positiv beeinflusst“, sagt Union Investment-Experte Brühl. Selbst ein Brexit, einen Austritt Großbritanniens aus der EU, über den die Briten 2016 abstimmen, wäre „für uns ein Szenario, das wir managen können“. Denn es sei zu kurz gesprungen, nur die Risiken zu sehen. Die Chancen, die sich in einem komplexeren Marktumfeld böten, seien mindestens genauso groß. Brühl: „Ein Immobiliengeschäft ohne Risiken gibt es nicht. Aber es ist unsere Aufgabe, mit dem uns anvertrauten Kapital verantwortungsbewusst umzugehen.“ Heiko Beck von Union Investment nennt deshalb die drei Todsünden des Risikomanagers: „Erstens, ausschließlich auf historische Daten zu vertrauen; zweitens, nur mit geglätteten Durchschnittswerten zu arbeiten; drittens, aktuelle politische, wirtschaftliche und marktspezifische Entwicklungen auszublenden und ausschließlich den eigenen Mikrokosmos zu betrachten.“ • RAUM & mehr 2 | 2015 35 KONZEPTE Die Eagle Street Rooftop Farm begrünt seit 2008 die Skyline von Midtown Manhattan und gilt als erste kommerzielle Dachfarm von New York City. Auf rund 560 Quadratmetern Dachfläche werden heimische Gemüse und Kräuter angebaut. Die essbare Gärtnern in Obst- und Gemüsebeeten macht Stadtbewohner glücklich und hat Foto: Randy Duchaine / Alamy viele positive Effekte auf die nachhaltige Stadtentwicklung. Wie urbane Landwirtschaft weltweit unsere Städte verändert. Stadt Von Elke Hildebrandt 36 RAUM & mehr 2 | 2015 RAUM & mehr 2 | 2015 37 3 KONZEPTE Fotos: Metro Baptist Church, plainpicture T omaten ziehen, Feldsalat säen, Erdbeeren ernten und Grünkohlbeete jäten. Den Unterschied zwischen Bio- und konventionell angebautem Gemüse schmecken. In der Erde wühlen, nach getaner Arbeit die Füße hochlegen und den Honigbienen zuschauen. Der Gemeinschaftsgarten Neuland bringt Gartenglück und Landleben in die Kölner City. Hier kann jeder lernen, wie Anbau und Selbstversorgung funktionieren – mitten in der Stadt. Urban Gardening, so wird dieser Trend auch in Deutschland genannt. Was aber fasziniert die Menschen daran? In Köln störten sich die Bewohner jahrelang am Anblick eines riesigen Brachlandes, das zunehmend verfiel und als toter, ungenutzter Raum bloß noch Tristesse ausstrahlte. Das Blatt wendete sich erst, als im Sommer 2011 etwa 170 Menschen zusammenkamen, um das Areal in einem „Smartmob“ erst zu erobern – gewaltfrei – und dann zu bepflanzen. Wenig später gründeten die neuen Gemeinschaftsgärtner den Verein Kölner Neuland. Der versteht sich als ökologisches Landwirtschaftsprojekt in der Stadt. Gepflanzt wird in bewegliche Kästen, Kübel oder Säcke. Sollte das Gelände einmal bebaut werden, zieht der Garten einfach weiter. Was wie der Spleen einer lokalen grünen Stadtguerilla klingt, hat längst auch anderswo Wurzeln geschlagen. Im vergangenen Jahr wurde unter dem Titel „Die Stadt ist unser Garten“ das Urban-GardeningManifest veröffentlicht – 120 deutsche Gemeinschaftsgärten haben es bereits unterzeichnet. Die öffentliche Erklärung der Ziele und Absichten ist mit Blick auf die fast 500 Gemeinschaftsgärten im Bundesgebiet „Ausdruck einer kollektiven Bewegung, die mit neuen Impulsen für die Zukunft der Städte auf sich aufmerksam macht“, erklärt die Münchner Soziologin Christa Müller. Die Geschäftsführerin der Forschungsgesellschaft Anstiftung ist die Herausgeberin des Buches „Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Stadt“. Tatsächlich erlebt die Landwirtschaft in vielen Städten auf der ganzen Welt einen ungeahnten Zuspruch. An allen möglichen und unmöglichen Orten wird gebuddelt, gepflanzt und geerntet. Gesunde Lebensmittel anzubauen, Natur wieder hautnah zu erfahren, interkulturelle Begegnungen zu pflegen, all das bedeutet Teilhabe und sinnvolle Beschäftigung. Es scheint, als suchten die Menschen neue Wurzeln im urbanen Mutterboden. Neu ist die Idee der urbanen Lebensmittelproduktion keineswegs. Stadtbürger waren bereits zu früheren Zeiten Ackerbürger und der Nutzgarten ein fester Bestandteil des Stadtbildes. In Deutschland w aren Klein- und Schrebergärten an den Stadträndern und in Kleingartenkolonien schon im 19. Jahrhundert üblich. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern ist urbaner Ackerbau heute vor allem ein Mittel zur Armutsbekämpfung. In Buenos Aires gebe es beispielsweise mehr als 2.000 Gemeinschaftsgärten, berichtet Indra Jungblut für die gemeinnützige Gesellschaft Reset. Seit einigen 38 RAUM & mehr 2 | 2015 Jahren setzt auch die Welthungerhilfe auf städtische Äcker und unterstützt diverse Projekte, etwa in Kuba. Die Keimzelle der seit den 1990er-Jahren stetig wachsenden UrbanGardening-Bewegung aber liegt wohl in den New Yorker CommunityGarden-Projekten. Auf Niemandsland, zwischen Asphalt und Beton und ohne Rücksicht auf Eigentumsverhältnisse wurden dort schon in den frühen 1970er-Jahren gärtnerische, ernährungspolitische, ökonomische, soziale, künstlerische und stadtgestalterische Fragen verknüpft und in den neuen Gemeinschaftsgärten zu einem alternativen Lebensmodell entwickelt. Das New Yorker Programm Green Thumb ist mit 600 Gärten dabei nicht nur das älteste, sondern auch das größte Gemeinschaftsgartenprogramm weltweit. Viele Städte wie Toronto, Paris oder London haben nach diesem Vorbild eigene Programme entwickelt, berichtet die Stadtplanerin Ella von der Haide in ihrer 2014 erschienenen Studie „Die neuen Gartenstädte“. Viele Ideen für urbane Mutterböden Zunächst in Nordamerika, dann zunehmend auch in Europa verbreitete sich die Idee der interkulturellen Gärten, City Farms, Nachbarschaftsgärten, Kinderbauernhöfe, Schulgärten. Auch das sogenannte Guerilla Gardening trat seinen Siegeszug an. Die Initiative Toronto Public Space in Kanada wirbt zum Beispiel provozierend: „Join us as we vandalise the city with nature!” (Macht mit, wenn wir die Stadt mit Natur zerstören). Zürichs dienstältester Guerillagärtner flaniert bereits seit 1984 mit einem Säckchen Blumensamen bewaffnet durch die Straßen. Maurice Maggi ist ein Urgestein der Bewegung und hat in 30 Jahren das Stadtbild von Zürich verwildert und verschönert. Blumengraffiti sind die Früchte seiner Arbeit. Im vergangenen Jahr brachte der passionierte Kräutersammler ein Kochbuch heraus. Er nannte es schlicht „Essbare Stadt“. Im rheinland-pfälzischen Andernach ist ein Gartenprojekt mit ebendiesem Titel, „Die essbare Stadt“, so erfolgreich in die Tat umgesetzt worden, dass die Stadtverwaltung dafür viele Auszeichnungen erhielt. „Andernach zeigt auf außergewöhnliche Art und Weise, wie in einer modernen Stadt Landwirtschaft betrieben werden kann. Gleichzeitig fördert das Projekt den Gemeinschaftssinn und macht die Stadt lebensund liebenswerter“, heißt es in einer Laudatio. Die 30.000-EinwohnerGemeinde hatte eine einfache und brillante Idee: Sie machte aus ihren Parkanlagen begehbare Gärten. Statt „Betreten verboten“ heißt es jetzt hier: „Pflücken erlaubt“. Denn die typische Bepflanzung wurde durch Gemüse ergänzt, das der Bevölkerung kostenlos zur Verfügung steht. Bei der Beetpflege packen die Bewohner selbst mit an und ernten gemeinsam Zucchini, Mangold und andere Gemüsesorten. Ein weiterer Pluspunkt: Andernach konnte auch Langzeitarbeitslosen eine neue 3 Perspektive geben. Hell’s Kitchen, ein Farmprojekt in New York City, ist der Metro Baptist Church 2014 regelrecht aufs Dach gestiegen. Verantwortlich ist eine Nachbarschaftsinitiative mit freiwilligen Helfern (oben). Deutlich größer ist der Dakakker (Dachacker) mit rund 1.000 Quadratmetern Anbaufläche auf dem Gebäudekomplex Schieblock im Zentrum von Rotterdam. RAUM & mehr 2 | 2015 39 KONZEPTE 80% aller insektenblütigen Pflanzen werden von Bienen bestäubt. Stadtimker sagen: Der optimale Flugradius einer Biene liegt bei weniger als 1 Kilometer. Locavore Fotos: ddp images, ARTHUR EDWARDS, Getty Images Kohlernte vor der Burg in Andernach: Auf den Grünflächen der „essbaren Stadt“ ist das Pflücken ausdrücklich erlaubt (oben). D ie Kleinstadt Todmorden in West Yorkshire ist durch den Eigenanbau von Lebensmitteln sogar zum Selbstversorger geworden (unten). Deutsche Gemeinschaftsgärten veröffentlichten 2014 das berühmte Urban-Gardening-Manifest „Die Stadt ist unser Garten“. 40 RAUM & mehr 2 | 2015 185 Organisationensei Detroit natioFür weltweites Aufsehen sorgte naler Vorreiter, berichtete Lu Yen Rodie Aktion der britischen Gartenakti Der amerikanische Ernährungstrend ist eine Wortschöpfung loff im Wirtschaftsmagazin „Enorm“. vistin Pam Warhurst: Sie grub ihren aus local (regional) und vorare (verschlingen). Ob im Gegensatz zu Detroit auch Heimatort Todmorden in West YorkBevorzugt werden Produkte, die innerhalb der umliegenden shire buchstäblich um. Mit dem Proeine rasant wachsende Stadt ihre 100 Meilen gezüchtet, angebaut oder hergestellt wurden. gramm „Incredible Edible“ (UnglaubBewohner selbst ernähren kann oder lich essbar) bewies Warhurst, dass es sogar muss, ist eine völlig andere Framöglich ist, einen ganzen Ort durch den Eigenanbau von Lebensmitteln ge. Eine ganze Reihe von Zukunftsforschern und Landwirtschafts selbst zu versorgen. Todmorden machte sich damit unabhängig von der experten glaubt zumindest, dass der Obst- und Gemüseanbau inmitLebensmittelindustrie, verbesserte das Sozialverhalten und minderte ten der Stadt der einzige Lösungsweg für die künftige Welternährung die Kriminalitätsrate. Ein neues Gefühl der Wertschätzung von Lebensist. Nach dem Datenreport der Stiftung Weltbevölkerung lebten Mitte mitteln und deren Anbau ist entstanden und findet weltweit Bewun2014 rund 7,2 Milliarden Menschen auf der Erde, 2050 werden es derer und Nachahmer. „Wir nennen es Propaganda-Gärtnern“, sagt über 9,6 Milliarden sein. Riesenstädte sollen entstehen, vor allem in Pam Warhurst über ihre Urban-Food-Strategie. Entwicklungs- und Schwellenländern. Wie sollen sich die StadtmenKein Wunder, dass Urban Gardening mittlerweile von Städten geschen in Zukunft ernähren? fördert wird. So unterstützt Wien beispielsweise seit 2010 die NachAls Hoffnungsträger für eine effektive, gesunde und nachhaltige barschafts- und Gemeinschaftsgärten im dicht bebauten Stadtgebiet. Selbstversorgung gelten schon heute moderne Stadtfarmen. Sie versu2008 wurde der erste Nachbarschaftsgarten gegründet; 2015 gibt es chen, ihre ökologischen Ziele auf kommerzielle Weise regional umzusetbereits rund 60 solcher Community Gardens. Neben „Grätzelinitia zen. Auch neue Gesetze verbessern die Möglichkeiten der urbanen Landtiven“ entstanden Vereine, die gemeinschaftliches Gärtnern mit sozia wirtschaft: In San Francisco beispielsweise werden seit Kurzem durch len, integrativen oder pädagogischen Aspekten verbinden. Das Motto den Urban Agriculture Incentive Zones Act Grundstückseigentümern „Gemeinsam garteln verbindet“ wurde jüngst vom Wiener Immobisteuerliche Vorteile gewährt, wenn sie auf ihrem städtischen Land die lienunternehmen Buwog aufgegriffen. Der Investor errichtete einen Lebensmittelproduktion gestatten. Caitlyn Galloway, Mitbegründerin Dachgarten mit Hochbeeten und Gewächshaus für Wohnungsmieter. von Little City Gardens in San Francisco, sieht darin große Chancen. Auch Klimaschutzziele treiben Dachprojekte in vielen Städten voSie experimentiert in kleinem Maßstab mit dem wirtschaftlichen Anbau ran. Seit 2015 sind in Frankreich bei Neubauten in Gewerbegebieten von Marktgemüse und sagt: „Die Aussicht auf deutlich längerfristige unter anderem Dachgärten vorgeschrieben, und in Hamburg werden Vereinbarungen mit den Grundstückseigentümern würde uns ganz sie auf Wohn- und Gewerbebauten finanziell gefördert. Als spektaandere Möglichkeiten eröffnen.“ kuläres Planungsbeispiel im Zentrum der norddeutschen Hansestadt gilt das Projekt Hilldegarden, eine Wortschöpfung aus „hill“ und Kommt der Salat bald aus dem 15. Stock? „garden“. Das Dach eines alten, 39 Meter hohen Bunkers soll zu Auch Innovationen wie Aquaponic werden bereits in einigen Ländern einem 8.000 Quadratmeter großen Stadtgarten entwickelt werden. kommerziell erprobt – ein Hybridverfahren, das Fischzucht in Aqua Die Traglast der fünf Meter dicken Decken dürfte der gärtnerischen kultur und Kultivierung von Nutzpflanzen in einem automatisierten Kreativität viel Freiraum lassen. und geschlossenen Wasser- und Nährstoffkreislauf verbindet. Ebenso werden die unglaublichen Möglichkeiten des Vertical Farming erforscht, Städte profitieren vom Obst- und Gemüseanbau einer Zukunftstechnologie, die eine erwerbsmäßige Massenproduktion Vor allem aber für schrumpfende Städte kann die neue urbane Garpflanzlicher und tierischer Erzeugnisse in Hochhäusern, sogenannten tenkultur ein Segen sein. Seit dem Niedergang der Autoindustrie muss Farmscrapers, im Ballungsgebiet der Städte ermöglichen soll. Ob die urbane Landwirtschaft tatsächlich in den Himmel wächst, beispielsweise das US-amerikanische Detroit einen Bevölkerungswird sich zeigen. In einem jedoch sind sich viele Experten einig: „ Die schwund von rund 60 Prozent verkraften und hat in der Folge mit extrem hohem Leerstand zu kämpfen. Zahlreiche große und kleineLandwirtschaft muss die Städte erobern“, wie kürzlich Tilla Künzre innenstadtnahe Grundstücke sind verwaist und dem Niedergang li forderte, Gartenaktivistin und Sprachrohr von Urban Agriculture preisgegeben. Frische Ideen wie Urban Gardening können helfen, das Basel. Ihr geht es nicht um Freizeitgärtnerei, sondern darum, die städtische Landwirtschaft als Lösungsansatz für eine Menge anstehender Problem zu lösen: Überall in Detroit haben Privatpersonen, Kirchen, Schulen und Organisationen Brachland in Gemüsebeete und GemeinZukunftsaufgaben zu nutzen – allen voran Bevölkerungswachstum, schaftsgärten verwandelt. Mit geschätzten 1.500 Anbauflächen und Ressourcenknappheit und Klimawandel. • RAUM & mehr 2 | 2015 41 NEU IM PORTFOLIO WEITWINKEL Watermark Place, London In luftiger Höhe In einem Joint Venture mit der kanadischen Oxford Properties Group erwarb Union Investment im Sommer 2015 eine 50-prozen tige Beteiligung am Bürogebäude Watermark Place. Das in prominenter Lage innerhalb der City of London gelegene Objekt ist bis 2029 an die japanische Investmentbank Nomura vermietet und gehört zum Portfolio des UniImmo: Europa. Dachflächen bieten faszinierende Freiräume. Es gibt vieles zu entdecken und zu erleben – der grandiose Ausblick ist immer garantiert. Von Elke Hildebrandt BMX-Parcours für Könner Three-Sixty heißt die 360-Grad-Drehung in der Luft um die eigene Achse. Wenn BMX-Sportler Vasya Lukyanenko das Kunststück vollbringt, muss er schwindelfrei sein. Seine anspruchsvolle „Vert Ramp“ befindet sich auf einer 100 Meter hoch gelegenen Dachfläche in Kiew in der Ukraine. Andel´s, Berlin Open Air im 63. Stock Wohnen auf dem Flachdach Das Restaurant Sirocco im Nobelhotel L ebua at State Tower hat eine exzellente Küche und einender spektakulärsten Ausblicke in Bangkok. Außerdem spart das Rooftop nicht mit besonderem Design und bietet unter anderem eine Lichtbrücke zum Restaurant (Foto) sowie eine goldene Kuppel für den 360-Grad-Rundblick. Mit dem transportablen Loftcube entwickel te der international renommierte Designer Werner Aisslinger eine mobile Wohneinheit für das Flachdach. 36 Quadratmeter misst die serienreife Wohnung, die auch als Office container einsetzbar ist. Eine Idee dahinter: leere Grundstücke in luftiger Höhe besser nutzen. Das im Jahr 2009 fertiggestellte, 557 Zimmer umfassende Kongresshotel liegt im Bezirk Prenzlauer Berg direkt gegenüber der Sportarena Velodrom. Im Juli 2015 sicherte sich Union Investment das VierSterne-Hotel zum Kaufpreis von 105 Millionen Euro. Das Objekt ergänzt das Portfolio des Offenen Immobilienfonds UniImmo: Deutschland. Riviera, Gdynia Begehrte Hochzeitslocation Übers Dach paddeln Spektakuläre Poollandschaft Nach dem Einkauf lockt der Londoner Selfridges Department Store seine Kunden aufs Dach in den Pleasure Garden. In dem historischen Erholungsbereich können Besucher sogar mit kleinen Booten herumfahren. Die Aussicht vom Skypark des Marina Bay Sands Hotel in Singapur ist einzigartig. Bei schönem Wetter kann man bis Indonesien sehen. Unvergesslich ist der Ausblick von der berühmten Poolkante – bei Tag und bei Nacht. In der 250.000 Einwohner zählenden polnischen Hafen stadt sicherte sich Union Investment im Sommer 2015 das Shoppingcenter Riviera. Das 2011 fertiggestellte und kürzlich erweiterte Objekt bietet 70.540 Quadratmeter Verkaufsfläche in rund 230 Shops. Ankermieter ist die Supermarktkette Auchan. Das Objekt ergänzt das Portfolio des UniInstitutional EuropeanReal Estate. Fotos: Sergey Illin, Steffen Jänicke/Agentur Focus, Frank Heuer/laif, Roey Yohai, Getty Images, Corbis, Union Investment (3) Bei Sonnenschein geben sich Hochzeitspaare das Jawort auf der grandiosen Terrasse des 620 Loft & Garden auf dem Dach des Rockefeller Center. Wer mit Blick auf die St.-Patrick’sKathedrale und auf die Dächer von New York City heiraten will, sollte sich rechtzeitig anmelden – die Termine sind sehr gefragt. +++ Die nächste RAUM & mehr erscheint im April 2016 +++ 42 RAUM & mehr 2 | 2015 RAUM & mehr 2 | 2015 43 Gemeinsam Meilensteine setzen. Exzellente Immobilieninvestments – seit 50 Jahren. Sich in einem dynamischen Umfeld sicher zu bewegen, erfordert mehr als langjährige Markterfahrung. Worauf es ankommt, sind die Fähigkeit und Kraft zur Veränderung – und die Verlässlichkeit von Partnerschaften. Diesem Prinzip folgen wir weltweit in 25 Ländermärkten. In Europa, Amerika, Asien und Australien. Und wir denken weiter voraus. Für unsere Mieter, Anleger und Investmentpartner. Mit klaren Investitionsstrategien, Best-in-Class-Prozessen und aktivem Asset Management für ein Immobilienportfolio von heute schon 27 Milliarden Euro. Union Investment – setzen Sie mit uns Meilensteine. Treffen Sie uns in der Halle B2 am Stand 142.