Ausgabe herunterladen - Ärztekammer Schleswig

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Bad Segeberg, 63. Jahrgang
NR. 12 | Dezember 2010
Schleswig-Holsteinisches
Ärzteblatt
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
 Gesundheit an der Grenze
Dänen und Deutsche
versorgen im Duett
Seite 14
 weitere themen in diesem heft
Ein Gesundheitskonto mit Solidargutschrift Seite 24 Chirurgen werben um
Nachwuchs Seite 28 Zwangssterilisationen in der NS-Zeit Seite 64
(Foto: ©iStockphoto.com)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Mitglieder der Ärztekammer Schleswig-Holstein,
zusammen mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle, der
Akademie für Fort- und Weiterbildung und des Edmund-Christiani-Seminars
wünschen wir Ihnen und Ihren Lieben eine schöne Adventszeit, fröhliche Weihnachten und einen guten Start in das neue Jahr.
Mit den besten Grüßen aus Bad Segeberg
Ihre
Dr. med. Carsten Leffmann
Hauptgeschäftsführer
2 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Karsten Brandstetter
Kaufmännischer Geschäftsführer
SEITE 3
Und das nicht nur zur Weihnachtszeit
Wenn der Postbote von Tag zu Tag immer später seine tägliche Runde beendet, ist das meist ein untrügliches
Zeichen dafür, dass Weihnachten naht. Zu keiner Zeit des Jahres wird soviel Post versendet wie zu Weihnachten und zum Jahreswechsel. Der Absender signalisiert damit Aufmerksamkeit und Zuwendung. Mancher Empfänger nimmt sich dann jedes Jahr aufs Neue vor, spätestens im nächsten Jahr den Versender in die Liste der
obligat zu Bedenkenden aufzunehmen.
Die Zeiten allerdings, in denen ausbleibende Weihnachtspost als Zeichen eines bewussten Affronts, ja als Signal zur drohenden Enterbung gedeutet werden konnte, scheinen passée. Dies hat wohl nicht zuletzt damit zu
tun, dass individuelle Weihnachtsgrüße in der Flut kommerziell motivierter und industriell vorgefertigter Standardpost unterzugehen drohen.
Ähnliches gilt für die zunehmende Zahl an Postwurfsendungen, in denen selbst ernannte oder tatsächliche
Hilfsorganisationen zu Spenden aufrufen. Leider leiden darunter vor allem die ganzjährig aktiven Organisationen, die bisher mit dem „Weihnachtsgeschäft“ einen gehörigen Teil ihres Jahresetats abdecken konnten und
mussten, wie beispielsweise die Kinderhilfsorganisation Unicef.
Einen wahren Boom dagegen erleben in den letzten Jahren regionale Aktivitäten von Tageszeitungen, Unternehmen oder zum Beispiel Tafeln, die mit Sach- und Geldspenden denjenigen zu Weihnachten ein Symbol der
Solidarität zukommen lassen, die solches für den Rest des Jahres meist bitter vermissen.
Not gemeinsam und nachhaltig lindern erfordert jedoch ein Engagement über die emotional aufgeladene
Weihnachtszeit hinaus. Freiwillig und nicht nur durch staatliche Umverteilung andere am eigenen Wohlstand
teilhaben zu lassen ist das höchste Maß und ein höchster Maßstab für gelebte Solidarität.
Wir haben in der Vergangenheit bereits mehrfach über das Modell „Praxis ohne Grenzen“ berichtet, bei dem in
Bad Segeberg nicht versicherte hilfsbedürftige Patienten unentgeltlich behandelt werden können. Zwischenzeitlich sind landes- und bundesweit ähnlich arbeitende Initiativen bekannt geworden (S. 34). Einerseits ist
dies natürlich eine gute Sache, andererseits bedeutet es aber auch, dass die Schmidtschen Lobgesänge angesichts ihrer letzten Jahrhundertreform - „... endlich kein Mensch mehr in Deutschland ohne Krankenversicherung ...“ - nichts waren als ein schönes (Weihnachts-)Märchen.
Genauso unwahrscheinlich ist auch das Eintreten einer von Sozialvisionären immer wieder propagierten gerechten Lastenverteilung bei der Finanzierung unseres Gesundheitssystems. Diese hat es nie wirklich gegeben und wird es in der Zukunft erst recht nicht geben können.
Aber wenn schon nicht gerecht, dann wenigstens transparent und damit für jeden nachvollziehbar.
Ob das jetzt von der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein gemeinsam mit dem Institut für Mikrodaten-Analyse vorgestellte Projekt „Gesundheitskonto mit Solidargutschrift“ (S. 24) diesem Anspruch gerecht
werden könnte, ist ohne praktische Erfahrung schwer zu beurteilen. Der bekannte Teufel steckt dann manchmal wirklich erst im Detail. Den Versuch im Rahmen eines Modellprojektes ist es in jedem Fall wert.
Ihnen, Ihrer Familie und allen Anvertrauten wünsche ich ein
gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Ihr
Dr. med. Franz-Joseph Bartmann
Präsident
Ausgabe 12 | Dezember 2010
3
Inhalt
38
Kiel: Wolfgang Zöller
auf dem Parlamentarischen Abend der KV.
79
Greifswald: Eine Tumorpatientin nach PDT-Therapie in der Uniklinik.
seite 3
nachrichten in kürze 06
Ärzteblatt früher im Internet lesen........................... 06
Begabtenförderung berufliche Bildung.................. 06
Dithmarscher Ärzte bei Rösler................................. 06
Sieben Zentren in Heide.......................................... 07
AOZ in Schleswig..................................................... 07
Arzt und Schriftsteller zugleich............................... 08
Center for Healthcare Management........................ 08
Klinikum spendet Betten für Chile........................... 08
Neues Entgeltsystem für die Psychiatrie................ 09
Krankenpfleger zu Unrecht fristlos entlassen......... 09
Neue Rettungsfahrzeuge für Schleswig-Holstein...10
Großer Andrang bei Kardiologentagung................ 11
Beschäftigtenzahl in den Kliniken steigt kaum noch.11
Heilmittel in Milliardenhöhe verordnet.................... 11
Dialog
12
Waack: Ärztesuizide und Depressionen................. 12
Leinz: Ambulantes System ohne Lobby................. 13
Titelthema
14
Cross-Border-Projekte zwischen Deutschland und
Dänemark................................................................. 14
Schleswig-Holstein 18
Eingetragene Lebenspartner sollen gleichgestellt
werden...................................................................... 18
4 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
32
Bad Segeberg: Prof.
Nelson Annunciato zum
Thema Frühförderung.
Rückblick auf das Gesundheitsjahr im Norden...... 22
Ein Gesundheitskonto für jeden Versicherten
mit Solidargutschrift................................................. 24
Warum ein Stau in der Lieferkette Übergewicht
auslösen kann.......................................................... 26
Chirurgen werben um Nachwuchs.......................... 28
Pflegekräfte als gleichwertige Partner.................... 29
Engagement für Organspenden in Reinbek........... 30
Das WKK Heide bemüht sich um mexikanische
Ärzte für das PJ........................................................ 31
Frühförderung stößt auf großes fachüber­greifendes Interesse................................................ 32
Hilfsprojekt mit hoher Resonanz............................. 34
Gesundheitsberufe im Norden sollen künftig
besser kooperieren.................................................. 36
Das WKK Brunsbüttel setzt auf einen vierbeinigen
Azubi......................................................................... 37
Ohne Repressalien über Fehler sprechen dürfen... 38
Lange Fahrtstrecken erschweren die Versorgung
auf dem Land............................................................ 39
„Wir sollten wieder ein kleines gallisches Dorf
werden“..................................................................... 40
Manche Landärzte erreicht das Honorarplus
noch immer nicht..................................................... 42
Verdienstvolle Bürgerkonferenz, aber auch
Risiken in der Debatte.............................................. 44
Der Trend zu großen Verbünden bei den Orthopäden hält an............................................................ 45
Inhalt
„Wir brauchen sofort eine gezielte
Zuwanderung von Ärzten aus NichtEU-Ländern. Wenn sich an der Situation nichts ändert, werden Krankenhäuser im Land geschlossen.“
WKK-Chef Harald Stender zur
Personalsituation in den Krankenhäusern
31
Die Chirurgen werben um den ärztlichen Nachwuchs. Mit einer Veranstaltung in Lübeck sprach
der Berufsverband Medizinstudenten an.
28
Personalia 46
Geburtstage und Verstorbene................................. 46
NAV-Virchow-Bund ordnet Bundesspitze neu........ 47
Ärztlicher Direktor in Kiel bestätigt.......................... 47
Journalist als Ehrenpräsident.................................. 47
Katholischer Seelsorger hat Arbeit aufgenommen... 48
Dr. Hellmut Koch ist tot............................................ 48
Neuer Präsident der Geriater................................... 48
Ärztetrio statt Chefarzt............................................. 49
Wechsel am Asklepios Westklinikum Hamburg..... 49
Mitteilungen des ECS 50
Medizin und Wissenschaft 51
Eingriffe ohne Schädigung von Muskulatur und
Nerven...................................................................... 51
Eine Herausforderung für die interdisziplinäre
Zusammenarbeit...................................................... 52
Endoprothesenregister soll zu höherer Sicherheit
beitragen................................................................... 58
Update zum Impfschutz bei Erwachsenen............. 60
Fortbildungen
62
GEsundheits- und Sozialpolitik
64
„Der Schwachsinn überhaupt (muß) ausgemerzt
werden“..................................................................... 64
Wie sind sie so geworden? Über den Film
„Wenn Ärzte töten“................................................... 70
Kassen wollen Patienten steuern............................ 71
Kontroverse um Bachelor und Master in der
Medizin........................................................................... 72
Private Krankenversicherungen mit einem
„robusten Wachstum“.............................................. 73
Mitteilungen der Akademie
74
Unsere Nachbarn
75
Akutkrankenhaus richtet sich auf steigende Zahl
alter Patienten ein..................................................... 75
Forschung im Wissenschaftsjahr 2011................... 76
Schnell verfügbar und wirksam:
Das „Therapeutikum Sport“..................................... 77
Viele Patienten kennen das Risiko nach einem
Herzinfarkt nicht....................................................... 78
Uni Greifswald bekämpft Tumore im Gallengang...79
Misshandlungen werden auch ohne Anzeige
dokumentiert............................................................ 80
Die Integrationsversorgung hat sich fest etabliert... 81
Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung
82
Anzeigen
86
telefonverzeichnis
97
(Titelbild: ©iStockphoto.com)
(Fotos: Wilder/UKG/SH/BDC)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 5
Nachrichten in Kürze
Ärzteblatt früher im Internet lesen
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt bietet
seinen Lesern im Internet unter www.aeksh.de
den kompletten Umfang des Heftes schon
vor Veröffentlichung der Printausgabe. In der Regel
können Ärzte das Heft plus einige Zusatzinformationen rund fünf Tage vor Erscheinen des Ärzteblattes
zur Monatsmitte auf der Homepage der Ärztekammer
Schleswig-Holstein einsehen. Viele Leser nutzen diesen Service, um sich etwa über die Fortbildungen,
die uns erst nach Redaktionsschluss gemeldet wurden, zu informieren. Ein weiterer Pluspunkt der On-
line-Version sind zusätzliche Quellenangaben und ein
zum Teil umfangreicherer Tabellenteil zu Artikeln, die
in diesem Umfang in der Printversion des Ärzteblattes nicht abgebildet werden können. Beliebt ist die
Online-Version u.a. bei stellensuchenden Ärzten, da
auch der Anzeigenteil auf der Homepage schon vor
Auslieferung der Printausgabe enthalten ist. Wer sich
für ältere Ausgaben interessiert, kann die Ärzteblätter
bis zum Jahr 2000 digitalisiert nachverfolgen und sich
über eine Stichwortsuche gezielt über einzelne Themen informieren. (Red)
Begabtenförderung berufliche Bildung
Das Förderprogramm der Bundesregierung
„Begabtenförderung berufliche Bildung“ richtet sich an junge Menschen aus Betrieben,
Praxen und Krankenhäusern, die ihre Abschlussprüfung mit der Note 1,9 oder besser bestanden haben.
Interessierte können sich bei der „Zuständigen Stelle MFA/OTA“ für ein Weiterbildungsstipendium bewerben. Bei Aufnahme in das Förderprogramm erhalten
die Stipendiaten innerhalb von drei Jahren eine maximale Fördersumme von 5.100 Euro, wobei der Ei-
genanteil höchstens 180 Euro pro Jahr beträgt. Das
Weiterbildungsstipendium kann für fachbezogene
und fachübergreifende Kurse und Lehrgänge, berufsbegleitende Studiengänge oder für persönlichkeitsbildende Seminare verwendet werden. Die Bewerbungsfrist endet am 28. Februar 2011.
Kontakt: Ärztekammer Schleswig-Holstein, Zuständige Stelle MFA/OTA, Bismarckallee 8-12, 23795 Bad
Segeberg, Tel. 04551/803-135, Fax 04551/803-234,
E-Mail medizinischeassistenzberufe@aeksh.org
Dithmarscher Ärzte bei Rösler
Der Praxisverbund der Haus- und Fachärzte in Schleswig-Holstein war zu einem Informationsgespräch bei
Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler in Berlin. Rösler nahm sich über eine Stunde Zeit, um mit
dem Albersdorfer Allgemeinmediziner Dr. Thomas
Klink und dem Kinder- und Jugendarzt Dr. Bernd
Grunwald aus Heide über die Aktivitäten des Praxisverbundes zu sprechen. Dieser engagiert sich etwa
gegen die drohende Beeinträchtigung der Patientenversorgung in ländlichen Gebieten wie Dithmarschen
und für den Erhalt der ambulanten Versorgungsstruktur durch niedergelassene Ärzte. Die Ärzte berichteten anschließend von einer freundlichen und entspannten Gesprächsatmosphäre. „Der Minister zeigte ein deutliches Interesse, sich außer von den Berufsverbänden auch bei den Ärzten der sogenannten Basisversorgung über die Probleme im ambulanten Versorgungsbereich zu informieren. So wurden nicht nur
6 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Themen der Budgetierung der Patientenversorgung,
des drohenden Ärztemangels und Probleme bei der
Versorgung im ambulanten sowie stationären Bereich, gerade auch in Flächenländern, erörtert, sondern auch Finanzierungsmöglichkeiten und Kooperationsmodelle für eine bessere und gerechtere Patientenversorgung diskutiert“, teilte der Praxisverbund
anschließend mit. Als besonderes Anliegen schilderte
Rösler die medizinische Prävention, weil die Zunahme
ernährungsbedingter und psychischer Erkrankungen
der Bevölkerung erhebliche Kosten verursacht. Die
Ärzte konnten dem Minister auch regionale Besonderheiten der Versorgungslandschaft schildern. Sie
machten einen „Konsens der wesentlichen gesundheitspolitischen Themen“ mit Rösler aus. Es sei angeregt worden, weitere Gespräche des Bundesgesundheitsministers mit den Ärzten der Basisversorgung zu
pflegen. (PM/Red)
Nachrichten in Kürze
(Foto: WKK)
Sieben Zentren in Heide
In der jüngsten Krankenhausplanung des Landes ist
dem Westküstenklinikum in allen sieben möglichen
Schwerpunkten der Status eines „Zentrums“ zugesprochen worden. Das WKK ist damit neben dem
UK S-H das nach eigenen Angaben einzige Schwerpunktkrankenhaus in Schleswig-Holstein, das entsprechend häufig mit diesem Status benannt wurde.
„Die Landesregierung hat die qualitativ hochwertige
Arbeit unserer Zentren nun auch offiziell anerkannt.
Damit wurde dem Westküstenklinikum die hohe Kompetenz und Eignung zur überregionalen Schwerpunktversorgung der Bevölkerung im gesamten Land
Schleswig-Holstein bestätigt“, sagte WKK-Geschäftsführer Harald Stender. Im Einzelnen erhielt das Klinikum in folgenden Fachbereichen die Zuordnung
als Zentrum: Perinatalzentrum Level I (Versorgung
von für Früh- und Neugeborene besonders bei Risikoschwangerschaften), Regionales Traumazentrum
(Versorgung von Schwerverletzten), Onkologische
Zentren (Versorgung von Krebspatienten), Palliativmedizinisches Zentrum (Versorgung von unheilbar
kranken Patienten), Diabetologisches Zentrum (zur
Behandlung von Diabetes Typ 1 und Typ 2), Dialysezentrum für die ambulante und stationäre/teilstationäre Versorgung. Im Bereich der Onkologischen Zentren arbeiten am Westküstenklinikum insgesamt drei
Organzentren: das Holsteinische Brustzentrum, das
Darmzentrum und in Kürze das Holsteinische Gynäkologische Krebszentrum. Im Krankenhausplan sind
sieben Schwerpunkte bzw. Fachzentren bestimmt
worden, die den Krankenhäusern zuge­ordnet werden können. Die dazu notwendigen Spezialisten und
Techniken können und sollen jedoch nicht an allen
Klinikstandorten im Land vorgehalten werden. Die Anerkennung der jeweiligen Krankenhäuser als Schwerpunkt oder Zentrum erfolgt durch eine Ausweisung im
Krankenhausplan des Landes. (PM/Red)
AOZ in Schleswig
Das SCHLEI-Klinikum Schleswig MLK hat im November ein ambulantes Operationszentrum eröffnet. Die
Klinik und die Kooperationspartner aus dem Anästhesie-Team Nord wollen Patienten, die ambulant operiert werden, lange Wartezeiten ersparen. Ärzte und
Zahnärzte, die keinen eigenen Operationssaal in der
Praxis haben, können ihre Patienten im ambulanten
Operationszentrum operieren und die Narkosedienstleistung des Anästhesie-Teams Nord in Anspruch
nehmen. Bislang arbeiten sieben Ärzte verschiedener
Fachrichtungen im ambulanten Operationszentrum.
Jens Möller, Facharzt für Anästhesie, organisiert den
reibungslosen Ablauf gemeinsam mit Horst Zingler,
OP-Manager des SCHLEI-Klinikums. (PM/Red)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 7
Nachrichten in Kürze
Arzt und Schriftsteller zugleich
Wenn Ärzte zu Schriftstellern werden, ist ihr beruflicher Hintergrund meist in ihren Werken deutlich zu
erkennen. Vielfach ergibt sich ein gutes Miteinander
beider an sich so verschiedenen Gebiete, und der Leser profitiert von der genauen Erfahrung des Autors,
aber auch vom menschlichen, ethischen Geist in einer Welt des Werteverlustes. Ein aktuelles Beispiel ist
Jens Petersen aus Pinneberg (geb. 1976), heute als
Assistenzarzt in der neurologischen Uni-Klinik Zürich
tätig. Er las – neben dem österreichischen Psychiater
und Romancier Dr. Paulus Hochgatterer – am 16. November im Hamburger Literaturhaus aus seinem noch
nicht abgeschlossenen Roman „Bis dass der Tod“
und stand dem Literaturwissenschaftler Prof. Marc
Föcking (Universität Hamburg) und dem NDRkulturModerator Stephan Lohr Rede und Antwort.
Petersen hatte im Vorjahr in Österreich überraschend
mit einem Kapitel aus seinem Romanmanuskript den
Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen. Er las in Hamburg eindringlich von einem kranken, hustenden
Mann Alex, dessen Frau Nana gestorben war. Auf
die Frage, ob ein Schriftsteller Mediziner sein müsse,
wenn medizinische Themen behandelt würden, sagte er etwa: „Nein, aber es ist nützlich: Wichtig ist die
narrative Kompetenz, die ein guter Arzt schon im Pati­
entengespräch – beginnend mit genauem Zuhören –
entwickeln kann.“ Die schriftlichen Arztbriefe seien
dagegen mehr und mehr schematisiert und weniger
geeignet, Schreibkompetenz zu fördern. Auch zwischen ärztlicher Tätigkeit und gesellschaftskritischer
Meinungsäußerung bestehe hierzulande ein Spannungsverhältnis, bedingt durch die eher konservative, autoritätsbezogene Sozialisation der Medizinstudenten und jungen Ärzte, sagte Petersen, der in Argentinien sozialrevolutionäre Ärzte gesehen hatte. Er
selbst sucht spannende Themen durch Rückgriff auf
seine Klinikerfahrungen. Denn in der gesellschaftlichen Wirklichkeit der Bundesrepublik nach 1968 habe
er bis jetzt, da das Sozialsystem ins Wanken gerate,
aufregende Entwicklungen nicht gefunden. Sein Roman, so verriet er dem Ärzteblatt, soll im Herbst 2011
erscheinen. (hk)
Center for Healthcare Management
Das UK S-H und die Fachhochschule Flensburg haben ein Center for Healthcare Management in Lübeck gegründet. Zugleich wurde das mit der Ecorium
GmbH und der Dresden International University ins
Leben gerufene „MVZ Markt-Barometer“, eine jährlich
folgende Studie zum Markt der Medizinischen Versorgungszentren in Deutschland, vorgestellt. Direktoren des neuen Zentrums sind Dr. Christian Elsner
und Prof. Roland Trill. Die Arbeitsfelder liegen nach
eigenen Angaben neben dem Krankenhausmanagement und der Versorgungsforschung auch in den
Bereichen eHealth und Rating von Krankenhäusern,
Krankenkassen und Versorgungsansätzen. Das MVZ
Markt-Barometer wird als dynamische Datensammlung mit Softwarewerkzeugen geliefert, mit der eigene Auswertungen möglich sind. (PM/Red)
Klinikum spendet Betten für Chile
Das Klinikum Bad Bramstedt hat jüngst umfangreiches Material für Chile gespendet. 30 Krankenhausbetten, 19 Nachtschränke, Stühle und Matratzen wurden für ein Krankenhaus in Chile per Schiff auf die
Reise geschickt. „Die Betten sind frei geworden, weil
wir im Rahmen unserer Modernisierungsmaßnahmen
neue Betten angeschafft haben“, sagte Pflegedirektorin Sabine Schmidt. Dies ist bereits der zweite Container mit Betten, der in das südamerikanische Land
verschickt wurde. Mit der Spende soll ein Kranken8 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
haus in der Stadt Temuco in der 9. Region im Süden
Chiles ausgestattet und eröffnet werden. Temuco
zählt zu den neuesten Städten Chiles und zieht zahlreiche arme Familien aus ländlichen Gebieten an, die
auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen
sind. Während den ersten Container noch das chilenische Konsulat finanziert hat, wurde der zweite Container durch die finanzielle Unterstützung des Rotary
Club Bad Bramstedt möglich. (PM/Red)
Nachrichten in Kürze
Neues Entgeltsystem für die Psychiatrie
Ein gemeinsames Projekt der Landeskrankenhausgesellschaften unterstützt die psychiatrischen Kliniken und Abteilungen bei der Vorbereitung auf das
neue Entgeltsystem, das ab 2013 bundesweit eingeführt werden soll. Mit einer Informationsveranstaltung
bot die Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein
(KGSH) Klinikvertretern aus Schleswig-Holstein und
Hamburg die Möglichkeit, sich auf das neue System
vorzubereiten und sich untereinander zu vergleichen.
Während im Bereich der somatischen Erkrankungen schon 2003 diagnosebezogene Fallpauschalen
eingeführt wurden, rechnen psychiatrische und psychotherapeutische Krankenhäuser und Abteilungen
noch nach „hergebrachten“ tagesgleichen Pflegesätzen ab. Nach der Vorgabe des Gesetzgebers soll jetzt
auch in der Psychiatrie ein pauschaliertes tagesbezogenes Vergütungssystem entwickelt und ab 2013 eingeführt werden. Damit sind höhere Anforderungen
an die Dokumentation und das Rechnungswesen der
Krankenhäuser verbunden. Eine gemeinsame Gesellschaft der Deutschen Krankenhausgesellschaft und
der Landeskrankenhausgesellschaften bietet den Mitgliedskrankenhäusern die Teilnahme an einem bundesweiten Benchmarking-Projekt für psychiatrische
und psychosomatische Einrichtungen an. Partner des
Kooperationsangebotes ist das Berliner BeratungsInstitut IMC IGES. Das Institut hatte bereits die Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen (GDRGs) durch ein bundesweites Benchmarking-Projekt begleitet. (PM/Red)
Krankenpfleger zu Unrecht fristlos entlassen
Verzehrt ein in einem Krankenhaus langjährig beschäftigter und bislang unbescholtener Arbeitnehmer ein Stück einer vom Patienten nicht vollständig
gegessenen Pizza sowie einen vom Patienten nicht
verbrauchten Rest einer Portion Gulasch, rechtfertigt
dies in aller Regel nicht dessen fristlose Kündigung
ohne vorherige Abmahnung. Dies, so der Kieler Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens Klarmann, Vizepräsident
des Verbandes deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.
(VdAA) mit Sitz in Stuttgart, hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in einem am 16.11.2010 veröffentlichten Urteil (Az.: 3 Sa 233/10) entschieden und
deshalb nicht mehr aufgeklärt, ob die Vorwürfe überhaupt zutreffen. Zum konkreten Fall: Der 56-jährige
Kläger ist in der von der Beklagten betriebenen psychiatrischen Fachklinik seit 1991 als Krankenpflegehelfer beschäftigt. Der Kläger genießt tariflichen Kündigungsschutz. Die Beklagte bezichtigte den Kläger,
eine Ecke Pizza abgerissen und gegessen sowie einen Rest Gulasch verzehrt zu haben, welches beides
den Patienten zugestanden hätte. Er habe zulasten
der Patienten Vermögensdelikte begangen und deren
besondere Schutzbedürftigkeit ausgenutzt. Der Kläger bestritt die Vorwürfe. Ohne vorherige Abmahnung
kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats fristlos. Der daraufhin vom
Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das
Arbeitsgericht Lübeck statt. Die Berufung der Beklag-
ten vor dem Landesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg,
betonte Klarmann. Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, dass es für die Prüfung eines
wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung nicht auf die strafrechtliche Würdigung des
Fehlverhaltens ankomme. Zweck der fristlosen Kündigung dürfe nicht die Sanktion einer Vertragsverletzung sein, vielmehr diene sie der Vermeidung des Risikos weiterer arbeitsvertraglicher Verstöße. Bei den
Vorwürfen des unerlaubten Verzehrs von Essensresten handele es sich allenfalls um ein geringfügiges Eigentumsdelikt. Bei einem steuerbaren Verhalten diene eine vorherige Abmahnung der Objektivierung einer negativen Zukunftsprognose. Sie sei nur dann
entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung trotz Abmahnung nicht zu erwarten sei oder es sich um eine
schwere Pflichtverletzung handele, aufgrund derer
die Hinnahme durch den Arbeitgeber erkennbar ausgeschlossen sei. Vorliegend stelle jedoch die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine unverhältnismäßige Reaktion auf die behaupteten Pflichtverletzungen dar. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, des langjährigen ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses und des äußerst geringen Wertes
der Speisen, die verzehrt worden sein sollen, habe jedenfalls auf eine Abmahnung nicht verzichtet werden
können. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision
nicht zugelassen. (PM/Red)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 9
Nachrichten in Kürze
Neue Rettungsfahrzeuge für Schleswig-Holstein
(Foto: Dieter Kienitz)
In der Rettungsdienst-Akademie in Heide ist vergangenen Monat das erste standardisierte Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) der neuesten Generation an die
Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein
(RKiSH) übergeben worden. Es wird in der Rettungswache Pinneberg eingesetzt. Ohne medizinische
Ausstattung beträgt der Gesamtwert des Fahrzeugs
rund 55.000 Euro. In den kommenden Jahren sollen
viele Rettungswachen im Land mit Fahrzeugen dieses
Typs ausgestattet werden. Landesweit werden etwa
30 neue NEF zum Einsatz kommen. Koordiniert wird
die Anschaffung vom Landkreistag.
Notarzteinsatzfahrzeuge sind in Schleswig-Holstein
durchgängig mit einem Notarzt und einem Rettungs­
assistenten besetzt. Bei schwerwiegenden Notfällen
werden sie zusätzlich zum Rettungswagen an den
Einsatzort gerufen. Beide Fahrzeugtypen sind so ausgestattet, dass sie autark arbeiten können. Ein Notarzteinsatzfahrzeug kann Patienten nicht transportieren, verfügt aber über die gleichen medizinischen
Gerätschaften und Versorgungsmöglichkeiten für die
Patienten. Ausgestattet ist der VW-Bus mit einem 180
PS Turbodiesel-Motor, Allradantrieb, vier Sitzplätzen,
einem kleinen Arbeitstisch im Innenraum sowie Entnahmemöglichkeiten für die Notfallausrüstung am
Heck. Damit sich die Kosten trotz steigender Anforderungen und verbesserter Technik in Grenzen halten, werden in Schleswig-Holstein alle Rettungswa10 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
gen und Notarzteinsatzfahrzeuge seit einigen Jahren standardisiert und einheitlich beschafft. Um die
unterschiedlichen Interessen der Rettungsdienste in
den 15 Kreisen und kreisfreien Städten zu bündeln,
gibt es beim Landkreistag einen „Koordinator Rettungsdienst“, der die Ausschreibung im Auftrag aller Träger des Rettungsdienstes in Schleswig Holstein vornimmt. Die Rettungsfahrzeuge werden über
einen Rahmenvertrag alle zwei Jahre öffentlich ausgeschrieben. Durch die große Abnahmemenge können Sonderkonditionen realisiert werden. Außerdem
wird damit der Beschaffungsaufwand für die einzelnen Rettungsdienste minimiert. Daneben wird durch
die einheitliche Fahrzeugtechnik eine hohe Bediensicherheit im Rettungsdienst ermöglicht. Die Fahrzeuge verfügen über Automatik, eine Freisprecheinrichtung für Funk und Telefon sowie einen Fußschalter für die Warnanlage. Um die Lärmbeeinträchtigung
für das Personal im Innenraum möglichst gering zu
halten, wurde das akustische Sondersignal im Frontbereich des Fahrzeuges verbaut. Der Warnbalken ist
komplett in energiesparender LED-Technik ausgeführt, um eine bestmögliche Sichtbarkeit im Straßenverkehr zu gewährleisten. Am Heck des Fahrzeugs
befindet sich auf der rechten Seite ein fernbedienbarer Suchscheinwerfer, der zur Arbeitsstellenbeleuch­
tung verwendet werden kann und zudem bei der Suche nach Hausnummern hilfreich ist. (PM/Red)
Nachrichten in Kürze
Großer Andrang bei Kardiologentagung
Mehr als 2.300 Personen nahmen an der DGK-Herbsttagung und Jahrestagung der Arbeitsgruppe Herzschrittmacher und Arrhythmie in Nürnberg teil, die
u.a. Prof. Dr. Andreas Schuchert aus Neumünster als
Tagungspräsident leitete. Das Programm umfasste
569 Vorträge und Poster, Akademiekurse und erstmals sechs Live-Case-Sitzungen mit Übertragungen
aus neun Zentren. Einen Besucherrekord erzielte das
Patientenseminar mit mehr als 400 Teilnehmern. Vorgestellt wurde im Rahmen der Tagung das neue Format „Cardio Live“, ein Aus- und Weiterbildungsprogramm für junge Kardiologen, aber auch für Erfahrene, die sich weiterentwickeln wollen. Ziel ist es, den
Teilnehmern einen Eindruck von den neuen Technologien zu vermitteln. Auch die neuen Synkopen-Be-
handlungsrichtlinien der DGK wurden vorgestellt, bei
denen implantierbare Ereignis (Event)- oder Loop-Rekorder in der Diagnose eine zunehmend wichtige Rolle spielen. „Der frühe Einsatz eines implantierbaren
Ereignis (Event)-Rekorders bei häufig wiederkehrenden oder traumatischen Synkopen unklarer Herkunft
ist nun eine auf wissenschaftlichen Studien basierende (1B) Empfehlung“, sagte Schuchert. Ein Ereignisoder Loop-Rekorder kann bis zu drei Jahre lang ein
Dauer-EKG aufzeichnen. Nach jeder Bewusstlosigkeit markieren die Patienten deren Zeitpunkt. Schuchert: „Die Auswertung der Daten zeigt, ob zur Vermeidung weiterer Kollapse ein Schrittmacher eingesetzt werden sollte und wie dieser programmiert werden muss.“ (PM/Red)
Beschäftigtenzahl in den Kliniken steigt kaum noch
In den Krankenhäusern des Landes waren am Jahresende 2009 nach Angaben des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein insgesamt
32.959 Personen tätig – dies waren nur geringfügig
mehr als im Vorjahr. Im mittelfristigen Vergleich ist der
Personalbestand damit um 5,3 Prozent gewachsen.
Der Zahl der hauptamtlichen Ärzte erhöhte sich dabei überdurchschnittlich, nämlich um 10,8 Prozent.
Bei den Beschäftigten des nichtärztlichen Dienstes
fiel die Steigerung mit 4,5 Prozent geringer aus. Dabei
stieg die Zahl der im Pflegedienst Tätigen lediglich um
2,6 Prozent gegenüber plus 5,9 Prozent in den ande-
ren Bereichen. Das jährliche Arbeitsvolumen in den
Krankenhäusern kletterte zwischen 2005 und 2009
um 7,2 Prozent auf 26.189 rechnerische Vollzeitkräfte. Der ärztliche Dienst verzeichnete einen Zuwachs
von 13,8 Prozent, der nichtärztliche Dienst einen von
sechs Prozent. Nicht nur der Personalbestand der
Krankenhäuser hat sich in Schleswig-Holstein erhöht,
auch die erbrachten Leistungen haben zugenommen:
Die Zahl der vollstationären Behandlungsfälle erhöhte sich seit 2005 um 5,6 Prozent, bei den dafür aufgewandten Pflegetagen gab es ein Plus von 0,9 Prozent.
(PM/Red)
Heilmittel in Milliardenhöhe verordnet
Die niedergelassenen Ärzte haben im ersten Halbjahr dieses Jahres Heilmittel wie zum Beispiel Krankengymnastik und Ergotherapie im Wert von rund 2,2
Milliarden Euro verordnet. Das sind rund acht Prozent
mehr als in den ersten beiden Quartalen des vergangenen Jahres. Dies teilte die Techniker Krankenkasse (TK) unter Berufung auf die aktuelle Statistik des
GKV-Spitzenverbandes mit. Im Durchschnitt bekam
jeder gesetzlich Versicherte Heilmittel für rund 31
Euro verschrieben. Die regionalen Unterschiede sind
groß: Mit jeweils rund 40 Euro verordneten die Ärz-
te in Berlin und Hamburg sowie in Sachsen rund 28
Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. In Westfalen-Lippe hingegen lag der Pro-Kopf-Wert mit 23 Euro
rund 27 Prozent unter dem Durchschnitt. Der Wert je
verordnetem Heilmittel betrug statistisch gesehen 107
Euro. Das umsatzstärkste Heilmittel war in den ersten
beiden Quartalen des Jahres die Krankengymnastik
(632 Millionen Euro). Es folgen Ergotherapie (198 Millionen Euro) und Sprachtherapie (171 Millionen Euro).
Die Statistiken sind im Internet unter www.gkv-his.de
zu finden. (PM/Red)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 11
Dialog
Ärztesuizide und Depressionen
Matthias Waack, Schwentinental, zum SHÄ 11, S. 14
Kommentare zu diesem Artikel scheinen nach dem eigenen Ableben ungefährlicher, ich versuch es trotzdem heute. Ich trage einige Gedanken zusammen, nachdem ich zwei Psychotherapien mitgemacht habe.
Man macht es sich sicher zu leicht, das Problem auf eines des Depressiven (Suizidalen) allein einzuengen.
Im Ausland geboren, in mindestens drei Kulturen aufgewachsen, dabei eine Fülle von Idealen internalisiert,
habe ich mich nur schwer in das deutsche Medizin-Denken mit seinen sicher auch zerstörerischen Hierarchie-Vorstellungen einfügen können.
Wenn ich von der Fähigkeit zu Partnerschaft, Teamfähigkeit, Fairness, Verantwortungsgefühl, Einfühlungsvermögen und Engagement von Kollegen und Vorgesetzten ausging, lag ich doch einfach allzu oft schlicht
schief (insbesondere ein Problem der Führung, wie mir noch heute in der Begegnung mit den Menschen von
damals deutlich wird).
Wie sehr habe ich meine gesamte Energie darauf verwandt, zwei alten Männern das jahrzehntelange Schieben einer ruhigen Kugel mit zu ermöglichen. Genutzt hat es nichts, insbesondere notwendige Fortbildung für
mich war kein Anliegen. Wie häufig fragte mich eine Kollegin: „Warum machst du das, keiner wird dir Danke
sagen“ – wie recht sie behielt! Mein Selbstwertgefühl wurde lustvoll systematisch untergraben („Gefühle von
Wertlosigkeit und Kleinheit“).
Hinterher, nach einem Hörsturz und bei einem permanenten Tinnitus, habe ich meine gesammelten Erinnerungen einmal einem international tätigen Personalberater präsentiert. Und er fasste seine Gedanken in zwei
Sätzen zusammen: „Warum haben Sie nicht aktiv an einer Veränderung gearbeitet? – Aber mir ist dieses Verhalten aus der Beschäftigung mit den Pflegeberufen durchaus vertraut.“ Und ich gab meine Erinnerungen
einem Mitglied des Personalrates, der mir darauf sagte: „Wir sahen, dass es Probleme gab; aber wir wollten
es nicht so genau wissen.“
Geholfen hat mir letztlich meine Frau. Wir arbeiteten an unserer Partnerschaft und sie führte uns in eine
Gruppe mit weitem Horizont, außerhalb der Medizin, die zu Freunden geworden sind. Hier werden Ideale gelebt. Ziele erreichen wir nur miteinander, nicht gegeneinander. Auch der egozentrische Fachmann, der omnipotente Einzelkämpfer, der an seine „Exzellenz“ glaubt und seine Ellenbogen einzusetzen weiß, hat hier die
Chance, zum gruppenfähigen Spezialisten zu mutieren (erwachsen zu werden), ohne die Angst, das „Gesicht zu verlieren“(und das ist auch Arbeit!).
Wir machen uns klar, dass nur das tätige Vorbild, in jedem Alter, Kommunikations- und Teamfähigkeit erzeugt. Das offene und herzliche Wort, dem auch Taten folgen, auch im großen Rahmen, erinnert mich immer
wieder an die aufbauenden Gespräche in den Therapien. Wenn jeder seine Stärken einbringt und die Anerkennung der Leistungen des Einzelnen eine zentrale Rolle spielt, kann ein Ablösungs-, ein Gesundungsprozess erfolgen, wie ich es erlebt habe. Mit dieser inneren Reifung gelang es mir wieder, die unvermeidlichen
Härten des Medizinerberufes als lohnende Herausforderung zu betrachten, die Patienten danken es täglich –
und die eigenen Kinder, die in die Unabhängigkeit zu führen, eine schöne, dankbare, erfüllende und spannende Aufgabe wird.
Jetzt habe ich die Diagnose „Dysthymia“ akzeptieren gelernt. In einer Gruppe von authentischen Menschen
kann ich auch den zentralen Satz akzeptieren: „You are responsible“. Ich kann mir Träume und lebenswerte
Ziele eingestehen, zugestehen und in Erfüllung gehen sehen (statt der Sackgasse eines Suizids).
12 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Dialog
Ambulantes System ohne Lobby
Gerhard Leinz, Kiel
Die Öffentlichkeitsarbeit von Krankenhausträgern ist oft omnipräsent und glanzvoll. Hier wird Bezug genommen auf das Leistungsangebot des Zentrums für Integrative Psychiatrie in Kiel (ZIP) für Traumatisierte. Das beschriebene Leistungsangebot wirkt beeindruckend. Das Beispiel zeigt allerdings auch, woran es
in Deutschland weniger mangelt: an der spezialisierten Versorgung in Krankenhäusern für diejenigen, die
sich durchkämpfen können. In Deutschland gibt es, statistisch gesehen, die meisten psychotherapeutischen
Krankenhausbehandlungsplätze verglichen mit dem Rest der Welt. Trotzdem können von Krankenhausträgern immer wieder Defizite aufgezeigt werden. Die wahren Mängel liegen aber im ambulanten System: Im
„Psycho-Bereich“ gilt das Gleiche wie bei Diabetikern, Hypertonikern, Herzinfarktgefährdeten: Was nicht
frühzeitig ambulant aufgefangen wird, landet oft genug chronifiziert, mit Komplikationen, Sekundärschäden
und schwer (und teuer) behandelbar im Krankenhaus. Der besondere Behandlungsbedarf in Krankenhäusern für psychisch Kranke wird durch den Therapeutenmangel im ambulanten System geschaffen, von dem
immer mehr betroffen sind. Das Burnout-Fieber wird immer mehr zur Pandemie; wer kann ausschließen,
nicht auch mal in ein Burnout zu geraten?
Das ambulante System der Behandlung psychisch Kranker und die psychisch Kranken haben bisher keine
Lobby. Krankenhäuser und Pharmaindustrie schon. Wann liegt zudem Unredlichkeit oder Bestechung beim
Einsatz von Geld vor? Bei finanziell verlockenden Übernahmeangeboten für Arztpraxen, bei Zuweisungsprämien für Einweisungen in Krankenhäusern oder Netzwerken integrierter Versorgung, bei Bezahlung für die
Verordnung bestimmter Arzneimittel? Das System der Behandlung psychisch Kranker ist vor allem unzureichend: Arbeitsunfähigskeitszeiten, Erwerbsunfähigkeit, Krankenhausbehandlungskosten steigen. Die zahlreichen eher stillen psychisch Kranken, die oft schon eine Scheu vor dem Anrufbeantworter haben, scheitern
an den Wartezeiten bei den Psychotherapeuten. Krankenhausträger tragen ihr Schärflein dazu bei, die Defizite in der ambulanten Versorgung und Therapie zu verschärfen. Ich halte den Aufkauf von Vertragsarztsitzen
bei bestehendem Facharztmangel in einer Klinik für hinterfragungswürdig, empfinde das sogar als unärztlich. Psychisch Kranke, die Probleme haben, sich für sich selbst einzusetzen, sollten, wie andere Kranke
auch, das Recht auf eine Behandlung durch Fachärzte und Fachpsychotherapeuten haben. Jeder Arzt sollte
sich vergewissern, ob der institutionelle Träger, an den er seine Praxis abgibt, nicht schon Personalmangel
hat. Es wäre schön, wenn es bei der Praxisabgabe nicht nur um Geld ginge.

Heilberufler feiern den SÄTAZ
Ärzte, Tierärzte, Apotheker und Zahnärzte sind mit Freunden und Angehörigen auch im kommenden Jahr
zum Ball in Bad Segeberg eingeladen. Der SÄTAZ findet am 19. Februar 2011 ab 19:30 Uhr bereits zum 10.
Mal statt. Veranstaltungsort ist der Festsaal im Vitalia-Seehotel.
Das aus Mitgliedern aller vier Berufsgruppen bestehende Festkomitee kündigt Tanzvergnügen, Unterhaltung
mit Showeinlagen an. Die Partyband „LifeStyle“ sorgt für die Musik. Festliche Abendgarderobe wird erbeten.
Anmeldung per Fax 04551/963615 oder per E-Mail dr.henning.achilles@alice-dsl.net (bitte bis spätestens
30. Januar 2011). Bei der Bestellung der Karten (30 Euro pro Person, 15 Euro für Jugendliche) sollten die
Personen namentlich in Druckschrift angegeben werden. Außerdem sollte vermerkt sein, dass der Gesamtbetrag in Höhe des entsprechenden Betrages auf das Konto „Ärzteball“ Kto-Nr. 0402436825 (APO-Bank Lübeck, BLZ 230 926 20) überwiesen wurde.
Die Reservierung der Plätze erfolgt in der Reihenfolge des Zahlungseinganges. Ein Kartenversand erfolgt
nicht. Die Besucher können angeben, mit welchen Personen sie zusammen an einem Tisch sitzen möchten.
Die Anmeldung muss den Namen (mit Stempel oder in Druckschrift) sowie die Unterschrift enthalten.
Ausgabe 12 | Dezember 2010 13
Titelthema
Kooperation
Cross-Border-Projekte zwischen
Deutschland und Dänemark
Schleswig-Holsteins Grenzregion als Chance für Medizin und Wissenschaft: Es
gibt eine Reihe von Beispielen für grenzüberschreitende Gesundheitsprojekte.
Beide Länder profitieren von Wissenstransfer und regionaler Aufwertung. Das dänische Gesundheitswesen erweitert zudem seine Behandlungsmöglichkeiten – und das deutsche seine budgetunabhängigen
Einnahmen.
Die aktuelle Kooperationsvereinbarung zwischen
dem Bundesland Schleswig-Holstein und der Region Syddanmark listet im Kapitel „Gesundheit“ eine
stattliche Reihe länderübergreifender Projekte auf.
Einige davon sind weit älter als die genannte Vereinbarung aus dem Jahr 2007 oder sogar älter als die
„Partnerschaftserklärung“ von 2001 und haben sich
längst etabliert.
„Es ist schön zu sehen, dass Zusammenarbeit auch
ohne Richtlinien so einfach ist“, sagte Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler, als er im August
das Malteser Krankenhaus in Flensburg besuchte.
Während sich andere Länder der Europäischen Union seit Jahren über Richtlinien zur Patientenmobilität
stritten, werde sie im Norden durch einen Kooperationsvertrag einfach praktiziert, so Rösler. Und tatsächlich hat die bereits seit über zehn Jahren funktionierende Kooperation in der Versorgung onkologischer Patienten der Region Sønderjylland Schleswig etwas bestechend Einfaches: Das grenznahe
deutsche St. Franziskus-Hospital mit seinem onkologischen Schwerpunkt ist als offizieller Standort im
dänischen Gesundheitssystem aufgeführt. Das vereinfacht den verwaltungstechnischen Ablauf ungemein, denn für die Patienten aus Syddanmark hat
die Behandlung in Flensburg den Status einer Inlandsbehandlung. Dies ist unter anderem auch deshalb möglich, weil in Flensburg bei dänischen Patienten nach dänischen Standards therapiert wird.
Zudem sind dänische Gelder in die Anschaffung eines weiteren Linearbeschleunigers geflossen, der
auch deutschen Patienten zugutekommt. Seit ein
paar Jahren ist neben der strahlentherapeutischen
auch die chemotherapeutische Behandlung dänischer Patienten möglich. Einer der Gründe für das
14 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Gelingen dieser wegweisenden medizinischen Kooperation ist der regelmäßige und praxisorientierte Austausch der Experten, weiß Dr. Hans-Jürgen
Brodersen, Chefarzt der Flensburger Strahlentherapie und einer der Mitbegründer der Kooperation.
Den dänischen Patienten wird es freigestellt, ob sie
eine Behandlung in Velje, Odense oder in Flensburg
bevorzugen. Inzwischen haben sich über 2.000 Dänen für Flensburg entschieden. Die Zuweisung erfolgt über die onkologischen Abteilungen der dänischen Krankenhäuser in Sønderburg, Esbjerg, Vejle und Odense, wobei das Kriterium der geringsten Wartezeit – neben medizinischen Belangen und
möglichst kurzen Wegen – eine entscheidende Rolle
spielt. Heute werden in fast allen Kliniken des nördlichen Schleswig-Holstein Dänen behandelt. Im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UK S-H) sind
es rund 100 vorwiegend onkologische Patienten; die
Ostseeklinik Damp versorgt Dänen mit Endoprothesen. Mit der Aufgabe der Entbindungsstation in Tønder 2003 hatten vor allem die Frauen im dänischen
Südwesten ein Problem: Die nächste dänische Klinik
mit Geburtshilfe liegt gute 70 Kilometer weiter östlich
in Sønderborg. Seitdem erblicken im Schnitt jedes
Jahr 20 dänische Staatsbürger das Licht der Welt im
Niebüller Krankenhaus.
Der in Niebüll stationierte DRF-Rettungshubschrauber Christoph Europa 5 ist wahrscheinlich das augenfälligste deutsch-dänische Kooperationsvehikel. Die Verlegung des Helikopters Anfang April
2005 von Itzehoe an die Landesgrenze war gleichzeitig der Startschuss für die grenzüberschreitende Luftrettung zwischen dem nördlichen SchleswigHolstein und Süddänemark. Die Notfallversorgung
verbesserte sich seitdem dort vor allem für die Landbevölkerung, die Bewohner der Nordfriesischen Inseln sowie des Westküstenbereichs des dänischen
Verwaltungsbezirks Syddanmark. In den Sommermonaten profitieren zusätzlich viele Tausend Touristen von der Sicherheit einer möglichen zeitna-
Titelthema
Alltag in der Kooperation: Notarzteinsätze in der Grenzregion.
(Fotos: Sebastian Schildger, Kreis Nordfriesland, Fachbereich II, Recht, Sicherheit, Kultur und Gesundheit)
hen Luftrettung (s.a. www.crossborderairrescue.net,
www.falckmagasinet.dk/lagehelikopter).
Anders als in Deutschland, wo die Luftrettung zum
nationalen Standard des Rettungswesens gehört,
wird in Dänemark erst seit vergleichsweise wenigen
Jahren über eine landesweite Einführung diskutiert.
Im Inselstaat werden die Hubschrauber des Militärs
primär für SAR-Missionen oder Patiententransporte über weite Strecken eingesetzt. Im Vordergrund
steht der schnelle Transport: Die medizinische und
personelle Ausstattung sind daher nicht mit der eines deutschen Rettungshubschraubers zu vergleichen. Die Schließung von Klinikstandorten in weniger besiedelten Gegenden, die mit dem Trend zu
großen Schwerpunktkrankenhäusern einhergeht,
hat die Luftrettung auf den dänischen Gesundheitsplan gebracht. Ab März kommenden Jahres soll eine
landesweite Abdeckung mit Rettungshelikoptern
umgesetzt werden. Die Einsatzstatistik von Christoph Europa 5:
1. Halbjahr 2010: 664 (davon 90 Einsätze nach Dänemark)
Gesamteinsätze 2009: 981 (davon 111 nach Dänemark)
Gesamteinsätze 2008: 1.058 (davon 89 nach Dänemark)
Gesamteinsätze 2007: 910 (davon 97 nach Dänemark)
Vier (Haupt-)Kooperationspartner haben damals das
über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Interreg III A) mit 925.000 Euro geförderte Projekt vorangebracht: die gemeinnützige Luftrettungsorganisation DRF (Deutsche Rettungsflugwacht
e.V.), der dänische Rettungsdienstbetreiber Falck,
der Landkreis Nordfriesland und der damalige dänische Verwaltungsbezirk Sønderjyllands Amt. Um
Ausgabe 12 | Dezember 2010 15
Titelthema
den Hubschrauber in das dänische Rettungssystem
einzubinden, wurde er mit einer zusätzlichen digitalen Kommunikationstechnik ausgestattet, mit der
Falck seine dänischen Rettungsfahrzeuge disponiert. Das System zeigt u.a. auch die Aufnahmebereitschaft bzw. Belegung der dänischen Kliniken an.
Der Rettungsdienst der Flensburger Feuerwehr und
das in Niebüll stationierte Notarzteinsatzfahrzeug
haben diese Zusatzausstattung ebenfalls an Bord.
An der Niebüller Station sind drei Piloten der DRF
Luftrettung, acht Rettungsassistenten und 17 Notärzte tätig. Jeweils fünf Mitarbeiter der beiden letztgenannten Berufsgruppen kommen aus Dänemark.
Die Kommunikation im internationalen Team und die
logistischen Aspekte grenzüberschreitender Einsätze werden regelmäßig in Simulationsübungen trainiert. „Die im gemeinsamen Training gesammelten
Erfahrungen kommen den Patienten in Deutschland und Dänemark zugute. Die Schwierigkeiten der
Deutschen mit der dänischen Sprache machen die
Kollegen aus Dänemark wett: Sie sprechen und verstehen alle sicher Deutsch. Aber auch wir arbeiten
daran, uns zu verbessern“, sagt Schildger vom Rettungsdienst Nordfriesland. Er leitet das Projektmanagement der deutsch-dänischen Zusammenarbeit
für den Rettungsdienst und die Katastrophenabwehr
seines Kreises. Seine Ansprechpartner auf der dänischen Seite sind u.a. die süddänische Leitstelle in
Odense und die dänische Katastrophenabwehr. Gemeinsame Katastrophenschutzübungen in Esbjerg,
Husum, Kiel, Niebüll und auf Sylt stehen aktuell auf
seinem Terminplan. 164 Rettungseinsätze mit dem
Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) fanden 2009 auf dänischem Boden statt (von insgesamt 4.421). Dänische Retter werden von Deutschland aus so gut wie
nicht angefordert, denn die der Grenze nächstgelegene Rettungsstation in Tinglev ist weiter weg als
jede Deutsche. Für einen deutschen Notarzteinsatz
in Dänemark muss eine dänische Genehmigung eingeholt werden: Kostenpunkt 145 Euro.
Im Tønderaner Klinikum findet sich heute das Privatsygehus Danmark. Marcel Newerla – seit Juni
2010 Eigentümer desselben – weiß, dass in Dänemark ohne gute Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand kein Platz für private Anbieter ist. Zumal,
wenn es sich um deutsche Anbieter handelt. Newerla war bis Anfang des Jahres Geschäftsführer desselben Hauses, damals noch unter der Damper-Ägide (das Ärzteblatt berichtete). Inzwischen ist die orthopädisch ausgerichtete Privatklinik mit 25 Betten
16 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
rein dänisch und offizielles Partnerkrankenhaus der
Region Syddanmark. Newerla ist der einzige Deutsche in seinem Unternehmen. Im Gegensatz zum
Damp-Management glaubt er an einen wachsenden
Markt für private Krankenhäuser in Dänemark. In den
Sommermonaten, wenn die öffentlichen Kliniken
zum Teil ihre Tore schließen, haben privat geführte
ihre Stoßzeiten. Lange Wartezeiten sind seit jeher ein
Dauerproblem des dänischen Gesundheitswesens.
Unter www.venteinfo.dk kann dies nach Indikationen
gegliedert offiziell eingesehen werden. Es wurden
Obergrenzen für Wartezeiten eingeführt: vier Wochen für einen Gelenkersatz beispielsweise. Können
die öffentlichen dänischen Kliniken innerhalb dieser
Frist keine Behandlung anbieten, darf der Patient
aus einer Reihe von privaten Krankenhäusern oder
kooperierenden Kliniken im Ausland wählen. Die
Kosten werden voll übernommen. Gegenwärtig gibt
es 53 öffentliche Krankenhäuser und 173 privat geführte Einrichtungen in Dänemark, davon allerdings
laut Newerla nur knapp 15 mit mehr als zehn Betten.
Die Europäische Union unterstützt die Regionen
Syddanmark, Schleswig und K.E.R.N. mit 44,3 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (Periode 2007-2013). Mit dieser
Summe lässt sich einiges anfangen. Aktuelle Berichte der Landesregierung führen eine Reihe grenzübergreifender Projekte im Sinne des proklamierten
„Gesundheitslandes Schleswig-Holstein“ auf – die
Mehrzahl davon sind INTERREG-Projekte. Drei Themen seien genannt: Patientensicherheit, Osteoporose und Brustgesundheit (s.a. www.interreg4a.eu).
Von den Universitäten, Fachhochschulen und Universitätskliniken in Kiel, Flensburg und Odense wurde ein Büro zur Koordinierung einer gemeinsamen
„Wissensregion“ gegründet – Standort Odense. Zu
dessen Aufgaben im Bereich Life Science & Health
gehört u.a. die „Unterstützung von Forschungsbereichen wie gesundheitliche Vorbeugung, Behandlung
von Krebserkrankungen und deren Vorbeugung“
(www.wissensregion.eu).
Seit Mai 2006 besteht ein Kooperationsvertrag zwischen den Universitätskliniken in Kiel und Odense
mit dem Schwerpunkt Onkologie einschließlich Partikeltherapie. Weitere Bereiche der Zusammenarbeit
werden genannt: Stammzellforschung, Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes, Pädiatrie, Operative Gynäkologie und Klinische Psychologie. Wissenschaftliche Projekte, Ausbildung und Krankenversorgung
sollen ebenso vorangetrieben werden wie der ad-
Titelthema
Auch Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp
Rösler (rechts) informierte sich in diesem
Jahr in Flensburg über
die grenzüberschreitende Zusammenarbeit
zwischen SchleswigHolstein und Dänemark. Links Chefarzt Dr.
Hans-Jürgen Brodersen, der Rösler die Kooperation vorstellte.
(Foto: di)
ministrative Austausch, Ausbildungsprogramme für
Mitarbeiter und Post-Graduate Trainings. Das noch
im Bau befindliche Nordeuropäische Radioonkologische Centrum Kiel (NRoCK) biete schon jetzt ein
breites Feld für nationale und internationale Kooperationen: Die Universitätskliniken Rostock, Greifswald, Hannover, Oslo (Norwegen), Kaunas (Litauen),
Kopenhagen und Odense (Dänemark) werden in
diesem Zusammenhang genannt (siehe Bericht der
Landesregierung, Grenzüberschreitende Kooperation mit der Region Syddanmark, 24.08.2010, S. 7375).
Beim INTERREG-Projekt „Grenzüberschreitende
Zusammenarbeit für die Brustgesundheit: Prävention, Untersuchung, Behandlung und Nachsorge von
Brustkrebs in Süddänemark und Schleswig-Holstein“ (Cross-Border Breast Health) ist es den Projektpartnern gelungen, die notwendige technische
Infrastruktur zu implementieren, um Mammographieaufnahmen vom Universitätsklinikum in Odense/Syddanmark zur Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein in Bad Segeberg zu senden. In
einem Pilotlauf wurden im Oktober 100 anonymisierte Untersuchungsbilder verschickt. Ihren anfänglichen Projektzielen sind die 16 Partner aus beiden
Ländern damit einen Schritt näher gekommen:
 Ein deutsch-dänisches Netzwerk von medizinischen, technischen und administrativen Fachleuten, Patientenorganisationen und weiteren Stakeholdern zu etablieren
 gegenseitiges Verständnis der Brustkrebsprogramme in Süddänemark und Schleswig-Holstein
zu schaffen und deren Effektivität und Qualität zu
vergleichen;
 ein Konzept für ein „Grenzüberschreitendes
Brustkrebszentrum“ sowie für ein langfristiges
Benchmarking zu entwickeln;
 die Machbarkeit des grenzüberschreitenden Austausches medizinischer Dienstleistungen von Radiologen im Bereich der kurativen Mamma-Diagnostik in einem Pilotlauf zu verifizieren;
 die flächendeckende Implementierung des
„Grenzüberschreitenden
Brustkrebszentrums“
vorzubereiten.
Projektdauer: 2009/2010; Finanzvolumen: 1,3 Millionen Euro (s.a. www.crossborderbreasthealth.net)
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat
aber noch weitere Facetten. Eine davon ist die Arbeit deutscher Ärzte im Ausland. Im Jahre 2009 verlegten insgesamt 2.486 deutsche Ärzte ihre Arbeit
in das Ausland. Die beliebtesten Auswanderungsländer sind – wie in den vergangenen Jahren – die
Schweiz (701), Österreich (262), die USA (179) sowie Großbritannien (96). Dänemark ist eines der am
wenigsten beliebten Abwanderungsländer (87) und
wird nach Daten der Bundesärztekammer nur von
Finnland (65) unterboten. Schleswig-Holstein verließen dieses Jahr rund 50 Ärzte, um im Ausland zu arbeiten. Wie viele davon nach Dänemark gingen, wurde nicht erfasst. Dass die Cross-Border-Bewegungen aber auch im Hinblick auf den Patientenfluss in
Zukunft keine Einbahnstraße bleiben darf, wird vor
allem von dänischer Seite immer wieder betont.
Judith Eick
Ausgabe 12 | Dezember 2010 17
Schleswig-Holstein
Kammerversammlung
Eingetragene Lebenspartner
sollen gleichgestellt werden
Ziel ist es, sich die Ausgestaltung nicht durch den Gesetzgeber aus der Hand
nehmen zu lassen. Gute Perspektiven für die Akademie, Vorbereitung auf Ärztetag.
Ein ungewöhnliches Thema für die Kammerversammlung: Wie erreicht man die Gleichstellung von
eingetragenen Lebenspartnerschaften? Was in der
Gesellschaft und in der Politik inzwischen weitgehend Konsens ist, wird auch von einer großen Mehrheit der Ärzteschaft befürwortet. Dies zeigte die Diskussion in der Kammerversammlung am 24. November in Bad Segeberg.
Konkreter Anlass ist eine bevorstehende Novelle
des Heilberufekammergesetzes auf Landesebene.
Bei der Vorbereitung hierauf muss die Rechtsaufsicht wissen, inwieweit die Kammern diese Gleichstellung ermöglichen. Im Fokus steht dabei die Versorgung von Hinterbliebenen. Inzwischen drängt die
Politik darauf, dass die Hinterbliebenen eingetragener Lebenspartnerschaften einer Witwe oder einem
Witwer gleichgestellt werden. Bei Gründung der
Versorgungswerke stand dieses Thema noch nicht
auf der Agenda. Für Hinterbliebene einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft heißt das bislang, dass sie keine Ansprüche auf Leistungen des
Versorgungswerkes haben. „Es ist politischer Wille
des Landes, dies zu regeln“, fasste Kammer-Justizi-
ar Hans-Peter Bayer die Diskussion auf politischer
Ebene zusammen. Unter den Kammerabgeordneten herrschte weit gehend Einigkeit darüber, dass
die gesellschaftliche Entwicklung auch in der Satzung des Versorgungswerkes Berücksichtigung finden sollte. „Wir sollten die gesamtgesellschaftliche
Entwicklung akzeptieren“, sagte etwa Dr. Michael
Schroeder. Wer aber soll in welchem Umfang von einer Hinterbliebenenrente profitieren? Die Diskussion
zeigte, dass die Kammerdelegierten hier Prioritäten
setzten möchten. Dr. Norbert Jaeger machte deutlich, dass nach seiner Ansicht Schutzbedürftige wie
Kinder bei der Ausgestaltung einer Regelung besonders berücksichtigt werden sollten. Als nicht schutzbedürftig, dies zeigte die Diskussion ebenfalls, sehen viele Abgeordnete dagegen den gut verdienenden Hinterbliebenen einer Lebenspartnerschaft
ohne Kinder an.
Um die Ausgestaltung einer entsprechenden Regelung wird sich auf Antrag der Kammerversammlung das Versorgungswerk kümmern und einen Vorschlag für eine Satzungsänderung erarbeiten. Damit
gaben die Kammerabgeordneten zugleich ein Sig-
Dr. Henrik Herrmann
Bertram Bartel
18 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Schleswig-Holstein
nal an die Rechtsaufsicht. Ohne dieses Signal wäre
die Aufsicht gezwungen gewesen, das Heilberufekammergesetz Schleswig-Holstein an die Vorgaben
der Politik anzupassen. Nach Überzeugung von Dr.
Sven Henrik Stübinger, Mitglied des Versorgungsausschusses, besteht bei der Arbeit an einer Satzungsänderung aber kein Zeitdruck. „Die Richtung
ist klar, aber wir haben Spielraum“, sagte Stübinger.
Neues Thema: die Akademie für medizinische Fortund Weiterbildung. Akademieleiter Dr. Henrik Herrmann gab einen Sachstandsbericht zur Arbeit der
Akademie ab und wagte einen Ausblick. Seine Vision: Der Fortbildungsausschuss fungiert als Akademiebeirat, die Akademie etabliert sich als Kompetenzzentrum Fortbildung und entwickelt sich mittelfristig zu einem Bildungszentrum der Ärztekammer. Um diese Ziele zu erreichen, strebt die Akademie u.a. weitere Kooperationen mit Veranstaltern
von Fort- und Weiterbildungsangeboten an. Um Ärzten in der Fläche weite Fahrten zu ersparen, sollen
e-Learning-Angebote etabliert werden. Bereits auf
den Weg gebracht wurde die Integration der Fortbildungsabteilung der Kammer in die Akademie. Die
Zahlen zeigen, dass die Akademie sich auf einen
treuen Kundenstamm stützen kann. In diesem Jahr
wird es insgesamt 250 Veranstaltungen geben, davon rund 90 Prozent gebührenpflichtig. Die Teilnehmerzahl bewegt sich seit Jahren bei rund 6.000. 55
Prozent der Veranstaltungen sind Fortbildungen, 45
Prozent Weiterbildungen.
Das gesundheitspolitische Großereignis des kommenden Jahres im Norden beschäftigt die Kammer hinter den Kulissen schon seit längerer Zeit: der
Deutsche Ärztetag in Kiel (31. Mai bis 3. Juni). Hauptgeschäftsführer Dr. Carsten Leffmann gab dazu erste organisatorische Hinweise. Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt wird die Leser im kommenden
Jahr rechtzeitig darüber informieren. Wie groß das
Interesse der Kammer-Abgeordneten an diesem
Thema ist, zeigte die hohe Beteiligung an der Wahl
der Delegierten des 114. Deutschen Ärztetages. Der
Tradition folgend wurden neben den Vorstandsmitgliedern schließlich zwei niedergelassene Ärzte (Dr.
Bettina Schultz, Dr. Frank Niebuhr) und zwei angestellte Ärzte (Dr. Gisa Andresen, Prof. Peter Dohrmann) gewählt. Traditionell nahmen auch die Finanzangelegenheiten in der letzten Kammerversammlung des Jahres breiten Raum ein. Der Finanzausschuss-Vorsitzende Bertram Bartel erläuterte mit Unterstützung des Kaufmännischen Geschäftsführers
Karsten Brandstetter die Jahresabschlüsse 2009
und stellte den Haushaltsplan für das kommende
Jahr vor. Ziel ist, das Zahlenwerk künftig noch transparenter für die Abgeordneten darzustellen.
Ein Dauerthema in der Gesundheitspolitik bleibt die
Telematik. Kammerpräsident Dr. Franz Bartmann
stellte klar, dass das KV-SafeNet, ein Sicherheitskonzept in der elektronischen Kommunikation zwischen
Ärzten, kein Ersatz, sondern Baustein der TelematikInfrastruktur sein kann. Christian Götze von der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein schilderte den Abgeordneten, wie das KV-SafeNet funktioniert. Noch arbeiten vergleichsweise wenig Ärzte
mit dem SafeNet: Auf Götzes Frage meldete sich nur
rund eine Handvoll Ärzte.
Dirk Schnack
Christian Götze
Hans-Peter Bayer
(Fotos: di)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 19
Schleswig-Holstein
Bericht des Präsidenten
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
… ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf ein Detail lenken, welches in der Öffentlichkeit nur wenig wahrgenommen worden ist. Und damit breche ich aus gegebenem Anlass mit einer lange auferlegten Abstinenz
im Hinblick auf ein vor Jahren gegebenes Versprechen, Sie aus meiner privilegierten Informationslage
heraus zeitnah am Entwicklungsprozess der elektronischen Gesundheitskarte teilnehmen zu lassen.
Einige altgediente Versammlungsmitglieder erinnern
sich möglicherweise noch, dass ein ehemaliges Mitglied dieses hohen Hauses mit Leidenschaft dafür
plädiert hatte, Ihnen Detailwissen in diesem Kontext
zu ersparen. Andere sahen das wohl anders. Es gibt
kaum eine Ärztekammer in Deutschland, vor der ich
nicht auf deren ausdrücklichen Wunsch hin, teilweise
sogar mehrfach, über den jeweiligen Sachstand vorgetragen hätte. Das angesprochene Detail ist ein auf
den allerletzten Drücker ins GKV-Finanzierungsgesetz eingebrachter und verabschiedeter Änderungsantrag, der unter empfindlicher Strafandrohung,
nämlich zwei Prozent Verwaltungskostenabzug für
2012, die Krankenkassen verpflichtet, bis Ende 2011
Gesundheitskarten an mindestens zehn Prozent aller Versicherten ausgegeben zu haben. Seitdem ist
eine merkwürdige Bewegung in die Szene gekommen. Am vergangenen Mittwoch saß ich gemeinsam
mit dem Vorstandsvorsitzenden der AOK Rheinland –
Hamburg, Herrn Jacobs, auf einem Podium auf der
MedicaMedia. Noch im vergangenen Jahr hatten wir
uns ein Fernduell geliefert im Hinblick auf die Freiwilligkeit des Online-Anschlusses für Ärzte an die
Praxis EDV. Herr Jacobs hatte geäußert, dass unter
diesen Vorraussetzungen die Ausgabe von Gesundheitskarten an Versicherte sofort gestoppt würde, da
das Ganze dann keinen Sinn mehr mache. Allen war
klar, dass es gar nichts zu stoppen gab, weil die AOK
zum damaligen Zeitpunkt auf eine Ausgabe in größerem Stil noch gar nicht vorbereitet war. Mittlerweile
hat er offenbar seine Hausaufgaben gemacht. Denn
er hat am Mittwoch offiziell verkündet, dass er Drohungen und Zwangsmaßnahmen des Staates zwar
grundsätzlich ablehne, dieser in diesem Falle aber
ausnahmsweise mal Recht habe. Es müsse endlich
etwas geschehen und selbstverständlich werde er
gesetzeskonform handeln.
Damit stellt er sich gegen die Vorsitzende des Spitzenverbandes Bund, Doris Pfeiffer, die unmittelbar
20 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
nach Bekanntwerden des Änderungsantrages einen öffentlichen Brandbrief an Herrn Rösler gerichtet hatte. Auf die Veröffentlichung der Antwort hat sie
dann wohlweislich verzichtet.
Fast zeitgleich fand ebenfalls in Düsseldorf die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein statt,
der Hochburg der freien Ärzteschaft schlechthin.
Herr Grauduszus sitzt ja dort nicht nur im Kammervorstand, sondern ist auch Abgeordneter in der in
der Vergangenheit heftigst bekämpften Kassenärztlichen Vereinigung. Und wie immer, wenn in Düsseldorf Telematik auf der Tagesordnung steht, war der
Dezernent aus Berlin, Herr Butz, auf Bitten von Prof.
Hoppe eingeflogen. Und Herr Butz berichtete mir
danach über durchaus moderate Töne und eine fast
konstruktive Grundhaltung im Hinblick auf den bevorstehenden Einführungsprozess seitens der Vertreter der freien Ärzteschaft.
An der Sinnhaftigkeit der elektronischen Gesundheitskarte als Verwaltungsinstrument gibt es ohnehin keinen berechtigten Zweifel. Der politisch gewollte Wettbewerb zwischen den Kassen mit variablen Vertragsbestandteilen und dem logischerweise erleichterten Kassenwechsel ist mit einem hohen
bürokratischen und Kostenaufwand verbunden, da
bei jedem Statuswechsel eine neue KVK hätte ausgegeben werden müssen, mit Übergangslösungen
in händischer Form während der Herstellungs- und
Ausgabeprozedur. Und selbst dieses Verfahren wäre
am Datenschutz gescheitert, da die KVK mit jedem
handelsüblichen Lesegerät ausgelesen werden
kann und Daten zum Versicherungsstatus unzulässige Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand und
die finanzielle Situation des Karteninhabers zulassen. Um den Gedankengang zu möglichen Nutzanwendungen fortzuspinnen: das von unserer KV letztens in Berlin vorgestellte Modell eines Gesundheitskontos mit Solidargutschrift verlangt förmlich nach
technischer Unterstützung im EDV–Bereich. Aber
auch die Zukunft der Praxisgebühr ist durchaus kein
statisches Verfahren, nur händelbar mit Barzahlung
am Anmeldungstresen.
Für die notwendigen neuen Lesegeräte hat es kürzlich eine Einigung zwischen dem Spitzenverband
Bund und der KBV gegeben. Die Zahlen sind noch
nicht offiziell bestätigt, aber ich weiß aus gewöhnlich gut unterrichteter Quelle, dass es 355 Euro für
stationäre und 280 Euro für mobile Lesegeräte sein
werden. Hinzu kommen Installationskosten in Höhe
von 215 Euro, die von den Kostenträgern übernom-
Schleswig-Holstein
Dr. Franz Bartmann
men werden. Wenn Sie einverstanden sind, würde
ich es heute zunächst einmal dabei belassen und in
der nächsten Kammerversammlung einen eigenen
Tagesordnungspunkt vorbereiten. Wir hätten dann
auch die Gelegenheit, Ihnen den von unserem Dezernat in Berlin entwickelten neuen Notfalldatensatz
vorzustellen, der jetzt nicht nur in der präklinischen
Notfallversorgung, sondern auch bei Krankenhausaufnahmen und bei der Akutbehandlung unbekannter Patienten in der ambulanten Praxisversorgung
eingesetzt werden kann. Vor allem aber konnten wir
beim BSI erreichen, dass die Zustimmung des Patienten zur Anlage eines derartigen Datensatzes barrierefrei, also ohne mehrfache Eingabe einer sechsstelligen PIN durch einfache Unterschrift erfolgen
kann. Das BMG war in dieser Sache ohnehin spätestens auf unserer Seite, nachdem der damalige
Staatssekretär Klaus Theo Schröder sich hier persönlich über den Testverlauf in Flensburg informiert
hatte. Das hat also Zeit, denn zehn Prozent Ende
2011 bedeutet, dass außerhalb des Einzugsgebietes
der KV-Nordrhein frühestens 2012, möglicherweise
noch später ein Abdeckungsgrad erreicht ist, der
den Regelbetrieb mit elektronischer Gesundheitskarte im Ersatz der jetzigen Krankenversicherungskarte erwarten lässt. Etwas dringlicher gestaltet
sich momentan die Situation um den elektronischen
Arztausweis. Für Viele besteht eine enge unmittelbare Verknüpfung des Arztausweises mit der Gesundheitskarte. Dies ist auch nicht ganz falsch, trifft
aber den Sachverhalt gleichwohl nur sehr unvollständig. Als ich im September 2001 in den Vorstand
(Foto: di)
der Bundesärztekammer kam, war der Prototyp eines elektronischen Arztausweises bereits ausgabebereit. Und dies war lange vor der Diskussion über
die elektronische Gesundheitskarte. Dass es damals
nicht nur Ausgabe kam, war ein reines Kostenproblem. Es gab schlicht und ergreifend keine Nutzanwendung für die Möglichkeiten über die Nutzung als
reinen Sichtausweis im Scheckkartenformat hinaus,
über die die Herstellungs- und Bereitstellungskosten eines Zertifizierungsdiensteanbieters hätten gegengerechnet oder gesponsert werde können. Die
Nutzung in Verbindung mit elektronischen Gesundheitskarte als Card to Card Authentifikation schien
die Lösung zu sein. Und folgerichtig baut die Spezifikation der Gesundheitskarte auf der des Arztausweises auf und nicht umgekehrt. Und seitdem befinden sich beide Karten in einem permanenten Abstimmungs- und Angleichungsprozess. Jetzt stehen
wir aktuell vor der Situation, dass der elektronische
Heilberufeausweis nach der offiziellen Sprachregelung der KBV und vieler KVen im Lande im elektronischen Abrechnungsprozess als Signaturkarte in
erster Präferenz zum Einsatz kommen soll. Letzteres
trifft im Übrigen auch auf die KVSH zu. Die derzeitig
vorliegende G0-Kartengeneration ist hierzu auch in
der Lage ...
Ausgabe 12 | Dezember 2010 21
Schleswig-Holstein
Rückblick
Ein ereignisreiches Jahr für das
Gesundheitswesen im Norden
Viele tausend Menschen gingen im Sommer auf die
Straßen Lübecks und Kiels, um für den Erhalt des
Medizinstudiums in der Hansestadt zu protestieren
(Foto oben rechts). Mit Erfolg, wie inzwischen bekannt ist. Die wochenlangen Protestaktionen waren der Höhepunkt eines ereignisreichen Jahres in
der Gesundheitspolitik Schleswig-Holsteins. Gleich
zu Jahresbeginn stattete Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler Kiel einen Besuch ab und skizzierte dabei seine gesundheitspolitischen Pläne. Der
22 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
zwischenzeitlich arg unter Beschuss geratene Minister kam im August erneut in den Norden, um sich
über grenzüberschreitende Kooperationen zu informieren. Der Augenarzt stellte bei seinen Besuchen
in Schleswig-Holstein unter Beweis, dass er für funktionierende Modelle an der Basis aufgeschlossen ist.
Ebenfalls zum Jahresanfang fand der erste schleswig-holsteinische Gesundheitskongress zur Vernetzung statt. Die Veranstaltung in der Kieler Halle 400
lockte zahlreiche Experten an und sorgte für einen
Schleswig-Holstein
hohen Bekanntheitsgrad der Gesundheitsregion –
aber auch für Misstöne wegen der Finanzierung.
Ein Grund dafür waren die hohen Kosten für einen
schwach besuchten Publikumsteil, bei dem es nicht
immer bierernst zuging (Foto links oben). Bei der
zweiten Auflage des Kongresses verzichtet das Land
auf den Publikumsteil. Für rauchende Köpfe sorgte eine Bürgerkonferenz in Lübeck, die Prof. Heiner
Raspe (unten) initiierte. Die bundesweit beachtete
Konferenz war bemerkenswert, weil sich erstmals
Laien mit der Priorisierung in der medizinischen Versorgung auseinandersetzten – und sich dafür aufgeschlossen zeigten. Wichtige Veränderungen gab
es auch in der Ärztekammer: Hauptgeschäftsführerin Dr. Cordelia Andreßen musste nach ihrer Berufung zur Staatssekretärin im Wissenschaftsministerium ersetzt werden. Die Kammer wird seitdem von Dr.
Carsten Leffmann (unten links) geleitet. Für den verstorbenen kaufmännischen Geschäftsführer HansWerner Buchholz kam Karsten Brandstetter. (di)
(Fotos: di)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 23
Schleswig-Holstein
Finanzierung
Ein Gesundheitskonto für jeden
Versicherten mit Solidargutschrift
Ein neues Modell zur Sicherung der ambulanten medizinischen Versorgung stellten Gesundheitsökonom Dr. Thomas Drabinski und die KVSH in Berlin vor.
Transparenz, Kostenkontrolle und mehr Eigenverantwortung: Das sind die Eckpfeiler eines neuen Modells zur nachhaltigen Sicherung der ambulanten
medizinischen Versorgung, das die KV SchleswigHolstein und der Kieler Gesundheitsökonom Thomas Drabinski Ende November in Berlin vorstellten.
Das Versorgungsmodell soll einen uneingeschränkten Zugang zu allen medizinischen Leistungen in der
Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) garantieren. Entwickelt wurde es vom Institut für MikrodatenAnalyse (IfMDA) in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH)
und dem Verband der Privatärztlichen Verrechnungsstellen (PVS-Verband). Das „Versorgungsmodell Gesundheitskonto mit Solidargutschrift (VGS)“
verknüpft ökonomische und politische Forderungen
nach einem nachhaltigeren und einfacheren Vergütungssystem für Ärzte, hieß es nach der Präsentation
in der Hauptstadt.
Für den PVS-Verband ist das Modell einer impliziten
Kostenerstattung in Verbindung mit einer sozialverträglichen Eigenbeteiligung ein geeignetes und unabdingbares Mittel, um das Kostenbewusstsein der
Versicherten zu stärken: „Die Patienten müssen wissen, was ihre Behandlung wert ist, damit sie verantwortungsvoller mit den Ressourcen des Gesundheitswesens umgehen“, sagte Dr. Jochen-Michael
Schäfer, Vorsitzender des PVS-Verbands. Nur durch
einen solchen Lernprozess erscheinen weitere Freiheitsrechte hin zu einer expliziten Kostenerstattung
realistisch.
Altersklasse
Gesundheitskonto
[Guthaben im Jahr]
bis 44 Jahre
50 Euro
45-64 Jahre
60 Euro
65-74 Jahre
70 Euro
ab 75 Jahre
80 Euro
24 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Aus Sicht von Dr. Ingeborg Kreuz, Vorstandsvorsitzende der KVSH, sorgt das neue Versorgungsmodell
dafür, dass der niedergelassene Arzt wieder mehr
Zeit für die Patientenbehandlung hat. „Mit der Einzelleistungsvergütung erfüllt das Modell auch unsere
langjährigen Forderungen nach einer transparenten
und leistungsgerechten Honorierung“, sagte Kreuz.
Es mache den Beruf des niedergelassenen Arztes
speziell für den medizinischen Nachwuchs wieder
attraktiver und trage dazu bei, die ambulante medizinische Versorgung auf dem Land sicherzustellen.
Das Versorgungsmodell gewährleiste, dass eine
qualitativ hochwertige Patientenversorgung auch in
Zukunft finanziert werden kann und dass Wartezeiten abgebaut werden. Außerdem setze es Anreize
für eine bewusste Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen, indem ein neuer Ansatz einer solidarisch finanzierten Eigenbeteiligung (= Solidargutschrift) an
den Behandlungskosten durch die Einführung eines
individuellen Gesundheitskontos umgesetzt wird. An
den hieraus resultierenden Einsparungen wird der
Versicherte beteiligt. Zudem entfällt die Praxisgebühr.
So sieht das neue Versorgungsmodell konkret aus:
Zunächst ermitteln Krankenkasse und Kassenärztliche Vereinigung für freiwillig teilnehmende Versicherte die durchschnittlichen ambulanten Behandlungskosten. Dann wird für Versicherte ein Gesundheitskonto eingerichtet. Auf dem Gesundheitskonto wird ein Guthaben in Höhe von zehn Prozent der
ambulanten Behandlungskosten gebildet, die sogenannte Solidargutschrift. Bei jedem Arztbesuch werden dem Versicherten zehn Prozent der Behandlungskosten von seinem Gesundheitskonto abgebucht. Die restlichen 90 Prozent werden über die
implizite Kostenerstattung durch seine Krankenkasse an die Kassenärztliche Vereinigung gezahlt. Der
Patient erhält von seiner Kassenärztlichen Vereinigung einen Beleg über erbrachte Leistungen und
Behandlungskosten zur Plausibilitätsprüfung. Erst
Schleswig-Holstein
wenn das Guthaben auf dem Gesundheitskonto aufgebraucht ist und der Versicherte weitere ambulante
Leistungen in Anspruch nimmt, greift die sogenannte Mehrleistungsbeteiligung, die eine echte Eigenbeteiligung in Höhe von zehn Prozent der Behandlungskosten ist. Um die Patienten vor einer finanziellen Überforderung zu schützen, wird die Mehrleistungsbeteiligung auf 1,0 Prozent bzw. bei chronisch
kranken Menschen auf 0,5 Prozent des Einkommens
begrenzt, analog zur derzeitigen Belastungsbegrenzung bei den Zuzahlungen. Wenn allerdings nach
Ablauf eines Jahres auf dem Gesundheitskonto ein
positives Guthaben übrig ist, dann kann sich der
Versicherte dieses Geld auszahlen lassen („Cashback“). Er kann es aber auch für das nächste Jahr
sparen oder es zum Beispiel für andere GKV-Zuzahlungen verwenden, z.B. für Arzneimittelzuzahlungen.
Ein sparsamer Umgang mit dem Gesundheitskonto
zahlt sich also für den Versicherten aus. „Im Versorgungsmodell VGS werden neue Strukturelemente

wie implizite Kostenerstattung, Solidargutschrift und
Gesundheitskonto zu einem stringenten Gesamtmodell zusammengefügt, das Solidarprinzip der
GKV bleibt gewahrt“, fasste Drabinski die Arbeiten
am Studienprojekt zusammen. Für niedergelassene
Ärzte bedeutet das Versorgungsmodell eine Abkehr
von der heutigen pauschalierten Vergütung hin zu
einer Einzelleistungsvergütung nach der Amtlichen
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Die Höhe der
GOÄ-Multiplikatoren wird im regionalen Kontext vertraglich zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und
Krankenkasse vereinbart, wobei das Versorgungsmodell von der Krankenkasse z.B. als Wahltarif den
Versicherten angeboten werden kann. Im überregionalen Kontext vereinbaren sich die Bundesorganisationen. (PM/Red)
Statement von Dr. Ingeborg Kreuz, Vorstandsvorsitzende der KVSH
„Gesundheit in Deutschland muss bezahlbar bleiben – für jeden Geldbeutel und für jedes Alter. Wir sind uns
einig: Das Solidarprinzip muss erhalten bleiben. Was aber auch klar sein muss, ist, dass wir den Spagat zwischen dem unbegrenzten Leistungsversprechen in der Gesetzlichen Krankenversicherung einerseits und einer begrenzten Geldmenge andererseits nicht mehr lange bewältigen können. Man könnte auch schlicht sagen, die GKV lebt über ihre Verhältnisse. Und das kann nicht mehr lange gutgehen. Um die Kosten und die
steigenden Gesundheitsausgaben in den Griff zu kriegen, brauchen wir eine sinnvolle Steuerung. Die Praxisgebühr hat als Steuerungsinstrument versagt – sie wirkt wie eine Flatrate: Wer einmal die zehn Euro gezahlt hat, will dann offenbar auch möglichst viel für sein Geld bekommen. Gefragt sind praxisorientierte und
innovative Lösungswege, um ambulante medizinische Leistungen nachhaltig finanzieren zu können. Darum
haben das Institut für Mikrodaten-Analyse, der PVS-Verband und die KVSH gemeinsam das Versorgungsmodell „Gesundheitskonto mit Solidargutschrift“ entwickelt, das Anreize für eine bewusste Inanspruchnahme
ärztlicher Leistungen setzt. Dies führt zwangsläufig zu kürzeren Wartezeiten und dazu, dass mehr Zeit für die
Behandlung pro Patient zur Verfügung steht. Das neue Versorgungsmodell bringt außerdem endlich Transparenz in die „Black Box GKV“: Der Patient erhält nach der Behandlung eine Rechnung und bekommt damit
nicht nur einen Überblick über jede einzelne Leistung, er sieht dann auch schwarz auf weiß, was die Behandlung gekostet hat. Außerdem belohnt das Versorgungsmodell den Patienten für einen bewussten Umgang
mit Arztbesuchen. Das Versorgungsmodell macht zudem endlich Schluss mit einer pauschalierten Vergütung ärztlicher Leistungen. Mit der Einzelleistungsvergütung erfüllt das Modell unsere langjährige Forderung
nach einer angemessenen Bezahlung. Dadurch macht es den Beruf des niedergelassenen Arztes speziell
für den medizinischen Nachwuchs attraktiv und trägt dazu bei, die ambulante medizinische Versorgung auf
dem Land auch in Zukunft sicherzustellen. Wenn wir also auch in Zukunft eine wohnortnahe, qualitativ hochwertige Patientenversorgung sichern wollen, dann müssen wir umdenken und das Gesundheitssystem an
entscheidenden Stellen ändern. Die KVSH ist davon überzeugt, dass das Versorgungsmodell „Gesundheitskonto mit Solidargutschrift“ einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann.“
Ausgabe 12 | Dezember 2010 25
Schleswig-Holstein
Adipositas-Forschung
Warum ein Stau in der Lieferkette
Übergewicht auslösen kann
Kommunikationsstörungen zwischen Gehirn und Körper und ihre Folgen –
dargestellt in einem einfachen Modell, das Lübecker Schüler gebaut haben.
Woher stammen Übergewicht und Adipositas? Liegt
es am Überangebot an Nahrung, die stets und überall zur Verfügung steht? Schuld sei vielmehr ein Versorgungsengpass, sagt Prof. Dr. Achim Peters. Der
Internist am Campus Lübeck des UK S-H forscht seit
Jahren an der Entstehung von Übergewicht. Seine
Theorie: Das Gehirn als Hauptverbraucher im Körper
steuert zugleich, wie die Energie verbraucht wird.
Kommt es hier zu einer Störung, nimmt der Körper
mehr auf, als er braucht.
„Bisherige Theorien zur Entstehung von Übergewicht waren lückenhaft oder widersprüchlich“, sagt
Peters. Die Frage, wieso jemand isst, obwohl sein
Füllstand gesättigt ist, beschäftigt den Lübecker Mediziner seit Jahren. Seit 1921 weiß man, dass das
Gehirn selbstsüchtig agiert. Untersuchungen an Leichen, die an Auszehrung gestorben waren, hatten
gezeigt, dass alle Organe 40 Prozent abgenommen
hatten, nur das Gehirn nicht. „In Notzeiten nimmt
das Gehirn dem Körper Energie weg, um das Überleben zu sichern“, so Peters. 1998 begründete er die
Selfish-Brain-Theorie, die das Gehirn in den Mittelpunkt von metabolischen Erkrankungen rückt. Seit
2004 forscht ein interdisziplinäres Team an der Uni
Lübeck und hat die Grundlagen der Theorie experimentell belegt.
Peters‘ Forschung ist von hoher Aktualität: 80 Prozent der Männer und 60 Prozent der Frauen in
Deutschland sind übergewichtig. Mittlerweile auch
jedes fünfte Kind. Die Folgen von Übergewicht sind
bekannt: unter anderem Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheiten. Schätzungen zufolge belasten die direkten
Folgen die Krankenkassen jährlich mit 216 Millionen
Euro.
Steckt hinter Adipositas ein Fehler in der Kommunikation zwischen Gehirn und Körper? Im Normalfall
zieht das Gehirn zwischen 60 und 70 Prozent der
Glukose, die dem Körper zur Verfügung steht, im
Stressfall bis zu 95 Prozent. Doch das Gehirn ver26 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
braucht nicht nur am meisten Energie, es entscheidet zudem, wie die Energie verteilt wird. Peters vergleicht die Energieversorgung des Gehirns mit einer Lieferkette – eine Lieferkette, in der der Endverbraucher bestimmt, wovon wie viel und wann geliefert wird. In diesem Fall ist der Endverbraucher das
Gehirn. „Wenn das Gehirn merkt, dass es zu wenig
Zucker hat, weist es den Körper an, den Zucker zu
ihm zu transportieren“, so Peters. „Brain-Pull“ nennt
Peters es, wenn das Gehirn aktiv Kraft aus dem Körper bestellt. Dahinter verbirgt sich ein Neuronennetzwerk, das sich vom Cortex bis zum Hirnstamm erstreckt.
Bei einem funktionierenden Brain-Pull gibt das Hirn
nur einen „Ess-Befehl“, wenn der Körper die notwendige Energie nicht in Reserve hat. Doch ist die Kommunikation zwischen Körper und Denkorgan gestört,
kommt es zu einem Stau in der Lieferkette: Energie
staut sich vor dem Gehirn im Blut – was zu Diabetes führt – oder im Fettgewebe – was zu Übergewicht
führt. Ein Stau in der Lieferkette als Ursache von Adipositas, besagt Peters‘ Theorie: „Übergewichtige haben ein egoistisches Gehirn, das nicht mehr richtig
bestellen kann.“
Peters vergleicht die Brain-Pull-Störungen mit Computerstörungen. „Verantwortlich sein können, wie
bei einem PC-Hardwarefehler, Softwarefehler oder
Falschsignale.“ Selten kommen „Hardwarefehler“
wie Tumore, Gendefekte oder Schädel-Hirn-Traumata vor. Mögliche Ursachen für Falschsignale seien
Antidepressiva, Drogen, Alkohol oder Viren.
Häufiger seien „Softwareprobleme“, eine Falschprogrammierung. Die Programmierung des Brain-Pull
gebe es schon im Mutterleib, so Peters, aber auch in
der Pubertät oder im Erwachsenenalter durch Stress,
Signale von außen, die zu einer Konditionierung führen. „Der häufigste Faktor ist chronischer Stress“,
sagt Peters. Durch den chronischen Stress brauche
das Gehirn ständig Energie und aktiviere den BrainPull. Daraus folge eine schlechte Stimmung. Ist der
Schleswig-Holstein
Ein komplexes Thema im Modell von Lübecker Schülern dargestellt.
Stress weg und der Brain-Pull beruhigt, hebt sich die
Stimmung. Bei chronischem Stress gebe es zwei Typen, so Peters. Beim einen passe sich der Brain-Pull
an, ein Gewöhnungseffekt trete ein, sodass dieser
Typus immer mehr essen muss, um sein Gehirn zu
versorgen. „Die Folge: Sie nehmen zu.“ Andere hingegen haben einen ständig hohen Brain-Pull, der
Energie aus dem Körper nimmt. „Diese Menschen
sind schlechter Laune und nehmen ab.“ Das könne
bis zur Depression führen.
Einen defekten Brain-Pull neu zu „erziehen“ sei ein
langer Weg, zu dem Verhaltenstherapie gehöre. In
Lübeck versuchten die Forscher ein einjähriges Training mit Gruppenschulung, Psychologen und zehn
Teilnehmern. Einige konnten ihr Leben umstellen,
andere nicht. „Am einfachsten ist es, Kinder und
Jugendliche zu beeinflussen, indem man ihnen einen gesunden Lebensstil vorlebt und zeigt, wie man
Konflikte löst und Stressfaktoren fernhält“, ist Peters
überzeugt. Je älter die Menschen, desto schwerer ist
es, die Verhaltenslernprozesse wieder umzukehren.
Deshalb entwickelte er gemeinsam mit sechs Schülern einer Lübecker Gesamtschule ein ohne Vorkenntnisse zu bedienendes Modell, das die Theo-
(Foto: Klüver)
rie auch für Laien verständlich macht. Vier mit Wasser gefüllte Säulen stellen das Blut, das Gehirn, das
Fettgewebe und den Kühlschrank dar. Mit einem Gewicht wird der Brain-Pull dargestellt. Der Betrachter
kann einstellen, ob das Modell „unter Stress“ steht
und somit mehr Energie an das Gehirn fließt – und
der Energiefluss an das Blut und das Fettgewebe
immer weniger wird. Mit einem einfachen Handgriff
kann der Betrachter den Brain-Pull außer Kontrolle
bringen und sieht dann, wie die Wassersäule im Fettgewebe bis in den roten Bereich steigt.
„Alle Mechanismen in diesem Modell gibt es auch in
der Realität“, so Peters. Für die Schüler war der Modellbau eine spannende Sache, erzählen sie. Am Anfang hätten sie sich nicht vorstellen können, die Theorie in ein Modell umzusetzen. Lina Marie Voß (16) ist
begeistert: „Dadurch, dass man etwas zum Anfassen hat, kann man das komplexe Thema besser verstehen.“ Mit dem Modell bewirbt sich Lübeck für das
Wissenschaftsschiff MS Wissenschaft. Außerdem
soll das Modell als Experimentierkoffer für den Einsatz im Unterricht weiterentwickelt werden, sodass
schon Kinder den Grundlagen des Übergewichts auf
die Spur kommen können. Nathalie Klüver
Ausgabe 12 | Dezember 2010 27
Schleswig-Holstein
Nachwuchsförderung
Chirurgen werben mit praxisnaher
Schulung um künftige Kollegen
Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen führt den ärztlichen Nachwuchs
mit Praktika an den Beruf heran. In Lübeck zeigten Studenten großes Interesse.
Aus Sorge um den Nachwuchs nehmen die Bemühungen der einzelnen Berufsgruppen zu, angehende Ärzte frühzeitig für das jeweilige Fach zu interessieren. Ein Beispiel dafür ist eine Schulungsreihe des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen,
der in verschiedenen Städten mit Unterstützung von
Kollegen vor Ort Medizinstudenten mit praktischen
Übungen an das Fach heranführt.
Das ist bemerkenswert, weil der Berufswunsch Chirurgie unter Medizinstudenten in den ersten Semestern noch immer ausgeprägt ist. Dieses Interesse
lässt während des Studiums nach. Besonders auffällig ist das nachlassende Interesse nach dem Praktischen Jahr, wie der BDC jüngst in einem Schwerpunkt zum Thema in seiner Verbandszeitschrift feststellte. Im Jahr 2008 startete der Berufsverband seine Nachwuchskampagne „Nur Mut! Kein Durchschnittsjob: ChirurgIn“. Im Rahmen dieser Kampagne wird der direkte persönliche Kontakt zu den Studenten gesucht – und er wurde u.a. in Lübeck auch
gefunden. Der Kurs in der Hansestadt bestand aus
zwei Stunden Theorie und vier Stunden Praxis. Teil-
genommen haben 48 Studenten aus dem gesamten
Bundesgebiet, vornehmlich aus Schleswig-Holstein,
Hamburg und Niedersachsen. Die Teilnehmerzahl
war begrenzt, weil in den Workshops auf einen Tutor
nicht mehr als drei Studenten kommen sollen – angemeldet hatten sich in Lübeck über 100 Teilnehmer.
Nach Angaben von Mitorganisator Dr. Jan Nolde haben die ausgewerteten Evaluationsbögen gezeigt,
dass praktisch alle Studenten (bei 97 Prozent Rücklaufquote) hoch zufrieden waren und als einzige Verbesserungsmöglichkeit die Erweiterung des Kurses
auf zwei Tage angeregt wurde. Die Resonanz in Lübeck ist kein Sonderfall. Der Präsident des Berufsverbandes, Prof. Dr. H.-P. Bruch, berichtet, dass die
auf der Kampagnenwebseite www.chirurg-werden.de
angekündigten Veranstaltungen schnell ausgebucht
waren. Mithilfe der Veranstaltungen hofft der Verband vermitteln zu können, dass die Faszination des
Faches größer ist als vermeintliche Nachteile – genannt werden vom Nachwuchs oft die hohe Arbeitsintensität und die schwierige Vereinbarkeit von Beruf
und Familie. Dirk Schnack
BDC-Präsident Prof. Dr. Hans-Peter Bruch
Laparoskopie-Training am Simulator
28 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
(Fotos: BDC)
Schleswig-Holstein
Pflege
Pflegekräfte als gleichwertige
Partner im Behandlungsteam
Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein setzt auf „primäre Verantwortung“
für Patienten in einem multiprofessionellen Behandlungsteam.
Im Spannungsfeld zwischen Medizin und Ökonomie
geht die Pflege am UK S-H nach eigenen Angaben
neue Wege und stellt die persönliche Beziehung zwischen Patient und Pflegekraft in den Vordergrund.
Das Konzept der „Primären Verantwortung in der
Pflege“ sieht vor, dass eine examinierte Pflegende
die gesamte Betreuung für ihre Patienten auf ihrer
Station übernimmt – von der Aufnahme bis zur Entlassung.
„Vorteil für unsere Patienten ist, dass sie eine feste Ansprechpartnerin oder einen festen Ansprechpartner auf der Station haben, die nicht nur über das
Krankheitsbild, sondern auch die Persönlichkeit informiert sind“, sagt Christa Meyer, Vorstand für Krankenpflege und Patientenservice am UK S-H. „Unsere
Pflegekräfte müssen mit der Übernahme von Verantwortung auch Entscheidungen treffen und gewinnen
so Gestaltungsmöglichkeiten.“ Erste Erfahrungen
am UK S-H zeigen nach ihren Angaben, dass sich
damit auch die Berufszufriedenheit deutlich erhöht.
Mit der „Primären Verantwortung in der Pflege“
(nach Marie Manthey) antwortet dass UK S-H auf die
Herausforderungen des demografischen Wandels.
„Dem Anstieg der Anzahl älterer und damit multimorbider Patienten muss eine sinnvolle und menschliche Lösung folgen, damit die stationäre Versorgung
die Zunahme an Komplexität in der individuellen Betreuung auffangen kann. Kern ist der Aufbau einer
professionellen persönlichen Beziehung der Pflegekraft zu ihren Patienten“, heißt es in einer Mitteilung
des Universitätsklinikums zum Thema.
Durch die Übernahme der Verantwortung für den gesamten Pflegeprozess des Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung werden die Tätigkeiten am
Patienten nicht mehr fragmentiert, sondern der Patient und seine Angehörigen in den Pflegeprozess
einbezogen. Die Umsetzung am UK S-H begann auf
„Starterstationen“ in jeder der 50 Kliniken in Kiel und
Lübeck. Initiiert wurde die Umsetzung durch den
Vorstand für Krankenpflege und Patientenservice,
Christa Meyer, und begleitet durch Regina Sälzer als
verantwortliche Projektleiterin.
„Wer plant, führt auch aus“ – nach diesem Motto ist
die primär verantwortliche Pflegekraft für den pflegerischen Gesamtprozess von der Planung über
den Prozess bis zur Dokumentation zuständig. Die
persönliche Verantwortung für das Treffen von Entscheidungen wird auf eine Pflegekraft (Primäre Pflegekraft) übertragen. Die Zuweisung der Patienten
orientiert sich dabei täglich an der Fallmethode (patientenorientiert, nicht tätigkeitsorientiert). Faktoren
sind also die Anzahl der Patienten, die Komplexität der Versorgungsbedarfe und die Kompetenz der
Pflegekräfte.
Die primäre Pflegekraft steuert die direkte Kommunikation mit Patienten, Angehörigen und allen am
Pflege- und Behandlungsprozess beteiligten Berufsgruppen. Die primäre Pflegekraft übernimmt dabei
auch die Verantwortung für die Qualität der am Patienten erbrachten Pflege für die gesamte Aufenthaltsdauer auf der Station. Unterstützt wird die primäre
Pflegekraft durch Pflegekräfte, die im Planungsrahmen stellvertretend betreuen.
Die Argumente dafür lauten: Perspektive, Spielräume, Transparenz und Qualifikation. Schon heute
steht fest, dass das System der primären Verantwortung die pflegerische Kompetenz stärkt. Es erfolgt
eine Ausrichtung an der prozessorientierten, interaktiven Patienten- und Angehörigenbeziehung.
Die Patienten profitieren durch die Verlässlichkeit
und verstärkte persönliche Präsenz der Pflegekraft,
haben eine feste Ansprech- und Bezugsperson. Diese Pflegeorganisation ermöglicht ein schnelleres Erkennen von Ressourcen, Risiken und Komplikationen und zielorientiertes Handeln sowie eine optimale Kommunikation im therapeutischen Team durch
bessere Kenntnis des Patienten. „Die Zufriedenheit sowohl von Patienten als auch von Mitarbeitern
steigt“, bilanzierte das UK S-H in seiner Mitteilung.
(PM/Red)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 29
Schleswig-Holstein
Organtransplantation
Engagement für Organspenden
im Reinbeker St. Adolf Stift
Reinbek ist eines von fünf norddeutschen Krankenhäusern, die in Hannover für
ihr Bemühen um Organspenden geehrt wurden.
Die Preisträger des Organspendepreises 2009 kommen außer aus Reinbek aus Hamburg, Niedersachsen und Bremen. Der Preis wird von den beteiligten
Gesundheitsministerien, der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und dem Fachbeirat der
DSO-Region Nord verliehen. Dieses Jahr überreichte ihn im Rahmen einer Festveranstaltung an der Medizinischen Hochschule Hannover der niedersächsische Staatssekretär im Sozialministerium, Heiner
Pott. „Wir danken allen Mitarbeitern auf den Stationen der Krankenhäuser, die sich für die Organspende stark gemacht und so den Menschen auf der Warteliste Hoffnung gegeben haben“, sagte Pott.
In Deutschland warten circa 12.000 Patienten auf
ein neues Organ. Im Jahr 2009 konnten 3.879 Transplantationen durchgeführt werden. Jedes Jahr sterben etwa 1.000 Menschen, weil nicht rechtzeitig
ein neues Organ für sie zur Verfügung steht. Or­
gantransplantationen sind in Deutschland etablierte
Behandlungen. Die davor stehende notwendige Organspende ist jedoch laut DSO für die meisten Krankenhäuser eine nicht alltägliche Aufgabe. Die 1.217
Organspender des Jahres 2009 wurden bundesweit
von 1.352 Krankenhäusern mit Intensivstationen gemeldet, darunter 38 Unikliniken.
Im Namen der Preisjury erläuterte PD Dr. Lutz Renders die Kriterien: „Die ausgezeichneten Kliniken haben vorbildliche strukturelle Voraussetzungen geschaffen, um potenzielle Organspender zu erkennen und der DSO zu melden. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Gemeinschaftsaufgabe
Organspende.“ Wichtige Kriterien waren die Unterstützung der Transplantationsbeauftragten durch
die Klinikleitungen, die Fortbildung des Klinikpersonals sowie die Erarbeitung von Richtlinien und Verfahrensschritten für den Akutfall einer Organspende.
Die Anzahl der Meldungen potenzieller Organspender sowie realisierter Organspenden floss in die Bewertung ebenfalls mit ein, war jedoch nicht das entscheidende Kriterium.
30 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
„Dadurch, dass wir im vergangenen Jahr unser ärztliches und pflegerisches Personal besonders intensiv geschult haben“, erklärte Dr. Christian Hillert, Transplantationsbeauftragter im Krankenhaus
Reinbek, „sind wir tatsächlich noch besser vorbereitet, den einen möglichen Organspender rechtzeitig zu erkennen und zu melden, sodass wir bis zu
acht Menschenleben retten können“ – denn einem
hirntoten Menschen können zwei Nieren, eine Leber,
die Lungen, das Herz, die Bauchspeicheldrüse und
der Dünndarm entnommen werden. Die Vermittlung
erfolgt nach dem Prinzip der Dringlichkeit und Erfolgsaussicht über Eurotransplant. Wichtige Voraussetzung für die Explantation: Der Verstorbene muss
einen Organspendeausweis ausgefüllt oder die Angehörigen einer Spende zugestimmt haben. Nils
Frühauf, Geschäftsführender Arzt der DSO-Nord:
„Wir müssen Menschen immer wieder dazu motivieren, über das Thema Organspende nachzudenken,
mit ihren Angehörigen zu sprechen und einen Ausweis auszufüllen: Die große Mehrheit der Deutschen
ist zwar für Organspende, aber nur 20 Prozent tragen einen Ausweis bei sich.“ PD Dr. Thorsten Krause, Chefarzt der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin im St. Adolf-Stift, appellierte: „Die Bereitschaft zur Organspende ist ein großartiger Beweis
der Nächstenliebe, im Fall des eigenen Todes einem
Anderem das Leben zu schenken.“ Pastor FlorianSebastian Ehlert ergänzte: „So kann selbst eine tragische persönliche Situation noch einen Sinn ergeben – durch die Dankbarkeit derjenigen, die ein Organ nach langer Krankheit und langem Warten erhalten.“ Christian Hillert bedankte sich für den Preis im
Namen des Teams: „Ich habe in meinem Leben als
Transplantationschirurg alle Höhen und Tiefen erlebt: Ich habe Menschen auf der Warteliste sterben
sehen, aber ich habe auch die Freude von transplantierten Patienten hautnah erlebt. Daraus ziehe ich die
Motivation für meine Arbeit als Transplantationsbeauftragter im Krankenhaus Reinbek.“ (PM/Red)
Schleswig-Holstein
Ärztemangel
Das WKK Heide bemüht sich um
mexikanische Ärzte für das PJ
Verwaltungschef Harald Stender fordert rasche Lösung für die Zuwanderung
von Ärzten aus Ländern außerhalb der EU. Mexiko bildet über Bedarf aus.
An der schlechten Ausstattung des Gesundheitssystems lässt Harald Stender kein gutes Haar. „Wir
steuern direkt auf eine Versorgungskatastrophe zu“,
machte der Geschäftsführer der Westküstenkliniken
(WKK) Heide und Brunsbüttel im Gespräch mit dem
Bundesvorsitzenden des Marburger Bundes, Rudolf
Henke, deutlich. Einen leichten Stand hatte er nicht.
Denn: Als CDU-Mitglied des Bundestages hat Henke
das kürzlich verabschiedete Krankenkassen-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG) mit zu verantworten. Als
Vertreter des Marburger Bundes hingegen fordert
er eine hundertprozentige Finanzierung aller Personalkosten der Krankenhäuser und stellt die bundesweit unterschiedlichen Basisfallwerte infrage. Henke
rechtfertigte die politische Entscheidung damit, dass
mit dem neuen Gesetz das Schlimmste noch abgewendet worden sei. „Immerhin haben wir dafür gesorgt, dass weitere acht Milliarden Euro ins Gesundheitswesen gelangen und die Krankenhäuser eine
Grundlohnsummenerhöhung von 0,9 Prozent statt
der ursprünglich angedachten 0,25 Prozent bekommen.“ Für den WKK-Geschäftsführer ist das nicht
mal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Er machte
Henke gegenüber deutlich: „Die Politik versagt hier
auf der ganzen Linie.“
„Die Krankenhausfinanzierung ist ein Dauerpatient“,
sagte Konzernbetriebsratsvorsitzender Joachim Luplow. Die versprochenen Verbesserungen nach der
großen Ärztedemonstration vor zwei Jahren vor dem
Brandenburger Tor in Berlin seien nicht eingehalten worden. Ärzte und Mitarbeiter seien frustriert
und wütend. Luplow macht deutlich: „Wir brauchen
eine Erhöhung des Gesamtbudgets um vier Prozent.“ Auch Stender kann nichts Positives am GKVFinG entdecken, weil Krankenhäuser in SchleswigHolstein immer noch schlechter als Kliniken in anderen Bundesländern vergütet werden. Hinzu kommt
der Ärztemangel. 230 Mediziner sind in Heide und
Brunsbüttel beschäftigt – zwölf werden händeringend gesucht. Landesweit fehlen nach Schätzun-
MB-Chef Rudolf Henke (links) und WKK-Geschäftsführer Harald Stender. (Foto: Schmid)
gen an den Kliniken rund 200 Mediziner. Die Forderung Henkes, bundesweit 1.000 neue Studienplätze
für Mediziner zu schaffen, reicht Stender nicht – er
fordert schnelle Lösungen, weil nach seinen Angaben auch in der ambulanten Versorgung immer größere Versorgungsprobleme entstehen – mit Folgen
für das WKK: Immer mehr Menschen lassen sich in
der Klinik behandeln. „Wir brauchen sofort eine gezielte Zuwanderung von Ärzten auch aus Nicht-EULändern“, fordert Stender, der bereits Kontakte zur
mexikanischen Universität von Puebla geknüpft hat.
Nach seiner Aussage wird dort nicht nur über Bedarf,
sondern auch hervorragend ausgebildet. Ob die angehenden Ärzte in Dithmarschen arbeiten dürfen, ist
fraglich. Mit Glück können sie am WKK ein praktisches Jahr absolvieren. Eine Festanstellung scheitert jedoch oft an der Anerkennung des Studienabschlusses und am Ausländerrecht. Für Stender steht
fest: „Wenn sich an der Situation nichts ändert, werden Kliniken im Land geschlossen.“
Angela Schmid
Ausgabe 12 | Dezember 2010 31
Schleswig-Holstein
Fortbildung
Frühförderung stößt auf großes
fachübergreifendes Interesse
350 Teilnehmer besuchten die siebte Fortbildungsreihe der Arbeitsgruppe
Frühförderung über auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen.
Das Zwillingspärchen ist knapp über drei Jahre alt,
bei beiden zeigt sich ein normales peripheres Hörvermögen und alle weiteren Entwicklungsdaten sind
altersgerecht. Sie sind insgesamt gut entwickelt,
nur: Niemand konnte die beiden verstehen, weil sie
fast ausschließlich in Vokalsprache kommunizierten.
Das Zwillingspärchen war in einem kurzen Video zu
sehen, das Christiane Christiansen, Landeskoordinatorin für Sprachheilpädagogik und Sprachförderung im vorschulischen Bereich, im Rahmen der
Fortbildung in Bad Segeberg zeigte. „Das Tolle war,
dass beide Kinder fröhlich und ungehemmt in ihrer
Vokalsprache sprachen und dabei keinerlei Hemmungen oder Scheu zeigten“, berichtete Christiansen. Sie betreute das Zwillingspärchen mehrmals
pro Woche. Deutlich wurde, dass die selektive Aufmerksamkeit im Spiel gegeben war, die Aufrechterhaltung aber schnell abnahm. Speicherung und Sequenz bereiteten Probleme, das Unterscheiden von
32 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Lauten gelang nur bei Vokalen. Im engen Austausch
mit der Kindertageseinrichtung begann Christiansen, den Zwillingen das Prinzip der Kommunikation
zu verdeutlichen, indem sie den Vokalen Bedeutungen zumaß. Weil das Erlernte in der Kita umgesetzt
wurde, gelang ein schneller Fortschritt, die Zwillinge
konnten zu den Konsonanten übergehen. Im weiteren Verlauf gelang der phonologische Prozess der
Stimmgebung immer besser, allmählich verstanden
auch andere Kinder die Zwillinge. Ein halbes Jahr vor
der Einschulung schließlich konnte die erfolgreiche
Therapie beendet werden, die Kinder sprachen, wie
Christiansen im Video vorführen konnte, völlig unauffällig.
Christiansen zeigte anhand dieses und weiterer Fälle, dass Kindern mit auditiven Verarbeitungsstörungen heute wirksam geholfen werden kann, wenn sie
früh genug in die Therapie kommen. Sprache – und
damit auch die anschließende Schullaufbahn – lie-
Schleswig-Holstein
ßen sich normalisieren. „Vielleicht ist es noch nicht
einmal vermessen zu sagen, dass ich das gesamte Leben dieser Kinder und eventuell auch der Eltern positiv beeinflussen konnte“, lautete das Fazit
der Referentin. Sie appellierte: „Derartige Störungen
sollten möglichst frühzeitig vor der Schule abgebaut
werden, denn dann kann das Beschriebene erreicht
werden.“
Das große Interesse der Teilnehmer, die den großen Saal in der Segeberger Fortbildungsakademie
bis zur Kapazitätsgrenze füllten, lässt hoffen, dass
Kinder mit auditiven Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen tatsächlich früh in die Therapie
kommen. Dabei sind zahlreiche Berufsgruppen gefragt: Kinderärzte, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden und Heilpädagogen, aus allen
diesen Gruppen waren auch Teilnehmer nach Bad
Segeberg gekommen. Sie erfuhren zunächst von
Prof. Nelson Annunciato vom Zentrum für integrative Förderung und Fortbildung (ZIFF) in Essen neurofunktionelle Hintergründe. Annunciato führte in die
Grundlagen seines Faches ein und berichtete über
das neuronale Netz des Zentralnervensystems und
dessen spezialisierte Zellen mit ihren vielen Tausend
Verknüpfungen. Diese Zellen bestimmen Sensibilität, Wahrnehmung, Gefühle und motorische Aktivitäten, die in Verhalten umgewandelt werden. Annunciato beschrieb anschaulich, wie sich das Nervensystem durch Reize entwickeln kann: durch Informationen aus der Umgebung – vergleichbar mit Blankoblättern, die beschrieben werden sollen. Annunciato
machte deutlich, dass sich die einstige Vorstellung
vom menschlichen Nervensystem als statisches, unveränderliches System zur Vorstellung eines dynamischen Systems gewandelt hat.
Nach dem Vortrag des aus Brasilien stammenden
Experten berichtete Prof. Rainer Schönweiler vom
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus
Lübeck, über den gegenwärtigen Stand der Forschung. Schönweiler stellte anhand eines Beispiels
dar, in welcher Reihenfolge bei Ärzten und Therapeuten das auditive Verhalten von Kindern getestet
werden sollte. Eine Schlüsselposition nehmen hierbei die Kinderärzte ein, um einzuschätzen, ab wann
ein in Schule oder Elternhaus wahrgenommenes
Verhalten des Kindes auffällig im Sinne einer Erkrankung ist und welche Maßnahmen in Angriff genommen werden sollten. Der Vortrag ist auf der Homepage des Referenten unter www.schoenweiler.de
eingestellt. Dirk Schnack
Prof. Nelson Annunciato
Prof. Rainer Schönweiler
Christiane Christiansen
(Fotos: SH)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 33
Schleswig-Holstein
Praxis ohne Grenzen
Hilfsprojekt mit hoher Resonanz
bekommt Zweigstellen im Land
Viele Ärzte sind bereit, bei der Praxis ohne Grenzen für hilfsbedürftige
Menschen mitzuarbeiten. Medikamentenversorgung bleibt ungelöstes Problem.
Als Dr. Uwe Denker die ersten Gespräche für die
Praxis ohne Grenzen führte, stieß er auf viel Verständnis ­– die Bereitschaft zur Mitarbeit aber blieb
überschaubar. Denker hatte damals den Eindruck,
dass viele Kollegen im Ruhestand nichts mehr mit
der Medizin zu tun haben wollten. Dieser Eindruck
war falsch. Nachdem Denkers Projekt in Bad Segeberg erst einmal angelaufen war, stieg die Bereitschaft zur Mitarbeit enorm.
Inzwischen wechseln sich sechs Hausärzte und eine
Internistin bei der ehrenamtlichen Arbeit in der wöchentlichen Sprechstunde (jeweils mittwochs von
15:00 bis 17:00 Uhr in Bad Segeberg am Kirch­platz 2) ab. Hinzu kommt ein Pool von elf Fachärzten,
an die sie sich wenden können, wenn eine fachärztliche Diagnostik erforderlich ist. Damit nicht genug:
„Ich habe auch Angebote von Kollegen aus Kiel und
von der Westküste. Die würden nach Bad Segeberg
kommen, wenn hier Not am Mann ist“, berichtet Denker im Gespräch mit dem Schleswig-Holsteinischen
Ärzteblatt.
Hinzu kommen zahlreiche medizinische Assistenzberufe, die unterstützend tätig sind. Auch ein Krankenhaus und ein Zentrallabor helfen bei Bedarf kostenlos. Außer in Bad Segeberg hat sich inzwischen
auch in Stockelsdorf eine Praxis ohne Grenzen etabliert, weitere in anderen Regionen des Landes sind
nicht ausgeschlossen, von Denker sogar erwünscht.
Voraussetzung ist aber, dass sich vor Ort eine Gruppe von Kollegen organisiert, die die Sprechstunden
ehrenamtlich übernehmen können. Der Segeberger Verein kann beim Aufbau beratend tätig werden
und mit seinen Erfahrungen in der Umsetzung der
Idee helfen. Entstanden ist die Idee der Praxis ohne
Grenzen, wie berichtet, aus der Beobachtung Denkers, dass immer mehr Menschen in Schleswig-Holstein den Weg in die Arztpraxis bzw. in die medizinische Versorgung scheuen, weil sie nicht ausreichend krankenversichert sind oder weil sie die Praxisgebühr nicht mehr zahlen können. Zuzahlungen
34 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
oder eine Versichertenkarte sind in der Praxis ohne
Grenzen nicht erforderlich. Die behandelnden Ärzte
arbeiten ohne Honorar. Dass sich dennoch so viele
Mediziner beteiligen, wertet Denker als Indiz dafür,
dass die Kollegen zwar die Bürokratie im ärztlichen
Alltag ablehnen, keineswegs aber ihre erlernte Tätigkeit. „Hier können sich die Ärzte frei von Dokumentationspflichten und Abrechnungsvorgaben nur um die
Medizin kümmern“, sagt Denker. Bei den Behandlungen sind die Ärzte auf die Basismedizin angewiesen,
teure Geräte stehen nicht zur Verfügung. Denker hält
das für keinen Nachteil: „Wir haben alle gelernt, uns
bei den Untersuchungen auf unsere Hände, Augen
und Ohren zu verlassen. Wenn doch einmal ein Gerät oder eine weitergehende fachärztliche Meinung
erforderlich ist, können wir darauf zurückgreifen“,
sagt Denker.
In jede Segeberger Sprechstunde kommen mittlerweile rund fünf Menschen im Durchschnitt. Das
Spektrum ist so breit wie in einer normalen Hausarztpraxis. Es kommen Frauen zur Schwangerschaftsvorbereitung, chronisch kranke Menschen mit Diabetes, Herzproblemen oder Hypertonie, aber auch
Menschen mit einer akuten Lungenentzündung. Der
Andrang nimmt nach Denkers Beobachtung zu, viele
müssen zunächst eine Hemmschwelle überwinden,
bevor sie die Praxis ohne Grenzen betreten. Es sind
Menschen, die sich die Behandlung im Krankenversicherungssystem aus unterschiedlichen Gründen
nicht leisten können. Als Beispiel nennt Denker etwa
früher selbstständige Handwerker, die die Prämien
für die private Krankenversicherung nach einer Insolvenz ihres Betriebes nicht mehr aufbringen können.
Menschen ohne Papiere zählen genauso zu den Patienten in der Praxis ohne Grenzen wie gesetzlich
Versicherte, die die Praxisgebühr nicht mehr zahlen
können. Denker weiß von einer Praxis in seinem Heimatort, die in einem Quartal 700 Euro abschreiben
musste, weil 70 Menschen die Praxisgebühr schuldig blieben. Die Gründe für die Mittellosigkeit wer-
Schleswig-Holstein
Dr. Uwe Denker, Organisator der Praxis ohne
Grenzen.
Der Verein Praxis ohne
Grenze - Region Bad Segeberg hat sein Spendenkonto bei der Volksbank Raiffeisenbank eG
Bankleitzahl 212 900 16
Kto-Nr. 56 800 000
Kontakt: Dr. Uwe Denker,
Tel. 04551/83677, E-Mail
dr.uwe.denker@t-online.de
(Foto: di)
den in der Praxis ohne Grenzen nicht hinterfragt. Jeder Patient, der hier Unterstützung sucht, bekommt
sie auch. „Keiner muss hier ein Armutszeugnis ablegen. Wir fragen auch nicht, weshalb jemand die Praxisgebühr nicht zahlen kann, aber noch ein Handy
in der Tasche hat“, stellt Denker immer wieder klar.
Er betont die christlichen, diakonischen Grundsätze,
nach denen Menschen in der Praxis ohne Grenzen
geholfen wird.
Wer über die rein medizinische Behandlung hinaus
Hilfe beim Weg in das Sozialversicherungssystem
benötigt und wünscht, bekommt diese. Die Praxis
ohne Grenzen arbeitet eng mit dem örtlichen Sozialamt und einem Behördenlotsen zusammen, der sich
um solche Fragen kümmert. Auch das MediBüro in
Kiel bekommt von der Praxis ohne Grenzen bei Bedarf ärztlichen Rat.
Denker könnte also zum Jahresende ein rundum positives Fazit ziehen – wenn nicht das ungelöste Problem der Medikamentenversorgung bliebe. Die Praxis
und die angeschlossenen Apotheken dürfen nämlich keine Medikamentensammlungen durchführen.
Bis zum Jahresende helfen ihnen die Apothekerkammer und der Apothekerverband Schleswig-Holstein
durch ein Sponsoring, das die Kosten für die Arzneiverordnungen trägt. Mittelfristig aber will Denker erreichen, dass die Politik Medikamentensammlungen
ermöglicht, damit Arzneimittel mit noch nicht abgelaufenem Verfallsdatum, die sonst im Müll landen, in
den Praxen ohne Grenzen sinnvoll am Patienten eingesetzt werden können.
„Hier gehen Millionenwerte verloren. Wir wollen das
Arzneimittelgesetz mithilfe von Gesundheitspolitikern aller Parteien ändern“, sagt Denker. Auch in anderen Fragen will er sich politisch einmischen. Der
gemeinnützige Verein Praxis ohne Grenzen fordert
die Abschaffung der Praxisgebühr und die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf rezeptpflichtige Medikamente. Der 72-jährige Allgemeinmediziner Denker
rechnet sich durchaus Chancen aus, diese Ziele zu
erreichen. Zum einen, weil seine Idee auf ein breites
Medienecho stößt – über das Projekt wird immer wieder in Zeitungen und im Fernsehen berichtet. Zum
anderen, weil er über das Projekt auf viel Verständnis bei Politikern stößt. So informierte sich bereits
Horst Köhler in seiner Zeit als Bundespräsident vor
Ort über die Praxis ohne Grenzen in Bad Segeberg.
Auch Termine mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen und mit
vielen anderen Entscheidungsträgern stehen oder
standen an.
Ein permanentes Problem bleibt die Finanzierung
der Vereinsarbeit „Wir sind auf Spenden angewiesen“, sagt Denker. Zwar arbeiten alle Mitarbeiter
ehrenamtlich und auch der Behandlungsraum am
Kirchplatz wird von der Diakonie noch bis Jahresende mietfrei zur Verfügung gestellt. Doch zum Jahresbeginn muss ein Mietvertrag ausgehandelt werden.
Die dafür benötigten Mittel hofft Denker aus dem
Spendenaufkommen decken zu können.
Dirk Schnack
Ausgabe 12 | Dezember 2010 35
Schleswig-Holstein
Vernetzung
Gesundheitsberufe im Norden
sollen künftig besser kooperieren
Gesundheitsminister Dr. rer. pol. Heiner Garg sieht keine Alternative, wenn die
gesundheitliche Versorgung künftig auf gleichem Niveau gehalten werden soll.
Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. rer.
pol. Heiner Garg erwartet von allen Gesundheitsberufen, dass sie künftig enger zusammenarbeiten.
Dies machte Garg auf einer Pressekonferenz in seinem Hause Ende November deutlich. Zugleich erwartet er, dass Pflegekräfte in Zukunft deutlich besser bezahlt werden, um mehr Menschen von der Arbeit in einem Pflegeberuf zu überzeugen.
„Wir müssen aus den Schützengräben ambulantstationär heraus kommen“, sagte Garg während der
Pressekonferenz in Kiel. Überwinden können die Gesundheitsberufe die Grenzen zwischen den Sektoren nach seiner Ansicht zum Beispiel durch ein besseres Entlassungsmanagement in den Krankenhäusern sowie durch einen Ausbau der Versorgungsketten. Sein Ministerium will in diesem Prozess eine Moderatorenrolle übernehmen, kündigte Garg an.
Der FDP-Politiker erwartet, dass die sich abzeichnenden Versorgungsprobleme sich nicht lösen lassen, wenn neben dem Ärztemangel nicht auch die
Personalengpässe in den anderen Gesundheitsberufen behoben werden. Als Beispiel nannte der Minister die Knappheit in den Pflegeberufen, die nach
seiner Beobachtung in den vergangenen Jahren unberechtigt ein Schattendasein geführt haben. „Wir
müssen junge Menschen und Rückkehrer dazu motivieren, sich für einen Beruf im Gesundheitswesen
zu entscheiden“, forderte Garg. Bezahlung sei hierbei nicht das einzige, aber ein entscheidendes Argument. Garg erwartet, dass insbesondere die Bezahlung von Pflegekräften in den kommenden Jahren
deutlich verbessert werden muss: „Ja, wir werden in
Zukunft mehr für Pflege bezahlen müssen. Und wir
werden auf Dauer die Gesundheitsversorgung nicht
sicherstellen können, wenn wir die Pflege nicht besser einbinden“, sagte Garg.
Ärzten riet Garg, den Nachwuchs nicht durch immer
weitere negative Diskussionen über die Rahmenbedingungen ihres Berufes abzuschrecken. „Ohne die
bestehenden Probleme verleugnen zu wollen, sollte
36 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
die öffentliche Kommunikation über den Beruf überdacht werden“, sagte Garg.
Zwei Bausteine, die für eine Tätigkeit in einem Gesundheitsberuf werben sollen, wurden auf der Pressekonferenz kurz vorgestellt. Zum einen das Jahrbuch 2010/2011 vom „Gesundheitsland SchleswigHolstein“, das in diesem Jahr unter dem Motto „Berufung Gesundheit“ steht und in zahlreichen Beiträgen deutlich macht, wie vielfältig die Beschäftigungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen im Norden sind. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein hat
zu dem Jahrbuch maßgeblich beigetragen. Die Evaluation der ärztlichen Weiterbildung wird im Jahrbuch genauso thematisiert wie die Ausbildung zur
Medizinischen Fachangestellten und das Modellprojekt HELVER. Das Jahrbuch erscheint in einer Auflage von 4.000 Stück und kann im Kieler Gesundheitsministerium angefordert werden.
Ein anderer wichtiger Baustein ist für Garg der zweite Kongress Vernetzte Gesundheit, der kommenden
Monat in der Kieler Halle 400 stattfindet. Auch hier
lautet das Thema: „Berufung Gesundheit“. Zwar richtet sich der Kongress nur an Fachleute, räumte Garg
ein. Von denen aber erwartet er, dass sie stärker für
das Thema sensibilisiert werden. Zur Erinnerung: In
diesem Jahr hatte Schleswig-Holstein erstmals den
bundesweit beachteten Kongress veranstaltet und
damit erhebliche Resonanz verzeichnet. Allerdings
hatte im Anschluss eine Diskussion über die damit
verbundenen Kosten für das Land für Aufsehen gesorgt. Garg setzt bei dem ersten unter seiner Regie
geplanten Gesundheitskongress auf Transparenz:
Die Landesmittel sind auf maximal 40.000 Euro begrenzt, das Gros der Mittel soll über Teilnahmegebühren (350 Euro Normaltarif, 220 Euro für Ärzte und
anderes Fachpersonal) und Sponsoren aufgebracht
werden. Das komplette Tagungsprogramm ist auf
der Kongress-Homepage online gestellt (www.vernetzte-gesundheit.de).
Dirk Schnack
Schleswig-Holstein
Therapiehund
Das WKK Brunsbüttel setzt auf
einen vierbeinigen Azubi
Mischlingshündin Clara ist in der Abteilung für Frührehabilitation und Geriatrie
im Einsatz. Tiergestützte Therapien gewinnen an Bedeutung.
Geduldig sitzt Clara auf ihrem Stuhl, während die
Menschen um sie herum miteinander reden. Clara
interessiert das nicht. Ihr ganzes Augenmerk gilt einer Dose mit Leckerli. Intensives Starren hilft dabei,
hin und wieder das Herz von Nina Mews (30) zu erweichen. Erst als alles Starren nichts mehr nützt und
die Dose verschlossen bleibt, legt Clara ihren Kopf
gelangweilt auf den Tisch.
Seit September ist die zweijährige Mischlingshündin im Westküstenklinikum (WKK) Brunsbüttel in der
Ausbildung zur Therapiehündin. Ihre Aufgabe in der
Abteilung für Frührehabilitation und Geriatrie scheint
leicht: Sie ist einfach sie selbst und lässt sich ununterbrochen mit Streicheleinheiten verwöhnen. Das
WKK hat in Heide bereits gute Erfahrungen mit drei
Therapiehunden in der Abteilung für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik gemacht. Ein
Einsatz in der Geriatrie ist allerdings Neuland und
bundesweit selten zu finden.
Die Idee hatte Hundeliebhaberin und Physiotherapeutin Nina Mews. Seit vielen Jahren setzt sie sich
ehrenamtlich für den Tierschutz auf Mallorca ein. Immer wieder hat sie Hunde aus dem Tierheim Ajuncan in Deutschland vermittelt. Auch Clara ist bei ihr
gelandet. In die ruhige Hündin hat sich Nina Mews
besonders verliebt. Mit ihrem Vorschlag, sie als Therapiehündin einzusetzen, stieß sie in der Klinik auf
offene Ohren. „Am Anfang war ich von der Idee ein
wenig irritiert“, gesteht Axel Schultz, kaufmännischer
Leiter des WKK. Doch nach einigen Recherchen war
ihm klar: „Die tiergestützte Therapie ist auf dem Vormarsch.“ Und mit der Hygiene in der Klinik gebe es
keine Probleme, betont Schultz.
Gemeinsam mit dem ärztlichen, pflegerischen und
therapeutischen Team hat die leitende Oberärztin
Christine Guzy ein Konzept entwickelt, das die tierische Hilfskraft in die Behandlung einbindet. Innerhalb kurzer Zeit hat Clara die Herzen der Mitarbeiter
und der Patienten erobert. Auch Ursula Schulz ist ein
Fan der Hündin. Die Augen der 90-Jährigen leuch-
Ursula Schulz (links) hat Clara und ihr Frauchen
Nina Mews in ihr Herz geschlossen. (Foto: Schmid)
ten, wenn Clara ihr den Kopf entgegenstreckt und
sich geduldig streicheln lässt. Allein durch das Berühren des Hundes würden die kognitiven Fähigkeiten der Patienten gesteigert, so Christine Guzy. Auch
die Psyche der Menschen werde durch den Hund
positiv beeinflusst. Und die Anwesenheit von Clara
hilft beim Abbau von Ängsten und bei der Steigerung
der Mobilität. Vor allem aber motiviere die Hündin die
oft hochbetagten Patienten, bei den Therapien engagiert mitzumachen, so die Oberärztin.
Einschränkungen für den Einsatz des vierbeinigen
Azubis gibt es kaum. Bei fast allen Krankheitsbildern –
von Demenz bis zu chronischen Schmerzen – wird
die Förderung körperlicher und geistiger Fähigkeiten
unterstützt. Zudem hilft die Anwesenheit des Tieres
bei Stressabbau und Blutdrucknormalisierung. Außerdem sorge sie für eine positive Atmosphäre, so
die Oberärztin. Doch Clara steht erst am Anfang ihrer Möglichkeiten. Bisher hat sie nur die Hundeschule
kennen gelernt. Für einen Therapiehund reicht das
nicht. Anfang kommenden Jahres besuchen Frauchen und Hund die „Akademie für Therapie- und Behindertenbegleithunde“ in der Nähe von Schleswig.
Die Kosten in Höhe von 1.000 Euro trägt der WKKFörderverein Brunsbüttel. Angela Schmid
Ausgabe 12 | Dezember 2010 37
Schleswig-Holstein
Parlamentarischer Abend
Ärzte sollen ohne Repressalien
über Fehler sprechen dürfen
Mehr Eigenverantwortung, stärkere Transparenz und die Patienten als Partner
betrachten: Forderungen auf dem Parlamentarischen Abend der KVSH.
„Patienten fühlen sich im Gesundheitssystem immer
häufiger ohnmächtig und hilflos“, sagte Wolfgang
Zöller von der CSU. Der Patientenbeauftragte der
Bundesregierung sprach sich auf dem Parlamentarischen Abend in Kiel dafür aus, die unabhängige
Beratung von Patienten auszubauen. Sie müssten
in die Lage versetzt werden, möglichst selbstständig ihre Rechte gegenüber Krankenkassen und Leistungserbringern wahrzunehmen. Es sei an der Zeit,
Patienten als Partner anzuerkennen und zu respektieren, mahnte Zöller.
„Es kann nicht sein, dass Patienten notwendige Leistungen wie Bittsteller einklagen müssen“, sagte Zöller. Von einem neuen Patientenrechtegesetz erwartet er, dass die Menschen das Deutsche Gesundheitssystem wieder als gerechter empfinden. Den
Begriff Patientenrechtegesetz favorisiert Zöller statt
des im Koalitionsvertrag verwendeten Begriffs Patientenschutzgesetz. „Wir müssen die Patienten nicht
vor dem Gesundheitswesen schützen. Wir müssen
Wolfgang Zöller setzte sich in Kiel für ein Patientenrechtegesetz ein. (Foto: Wilder)
38 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
dafür sorgen, dass sie als Partner wahrgenommen
werden“, sagte Zöller.
Eines der wichtigsten Ziele des von ihm geplanten
Gesetzes ist Klarheit darüber, welche Rechte und
Pflichten die Beteiligten im Behandlungsverhältnis
haben. Für unverzichtbar hält Zöller auch einen gerechten Ausgleich der Interessen der Beteiligten. Auf
den Prüfstand gehört nach seiner Ansicht die Frage, wie Behörden zu einer zeitnahen Entscheidung
veranlasst werden können. Als zentral betrachtet er
auch das Thema Behandlungsfehler in einem Patientenrechtegesetz. Vorrangiges Ziel müsse dabei
die Fehlerprävention haben. „Ich möchte flächendeckende Risikomanagement- und Fehlermeldesysteme im ambulanten und stationären Bereich implementieren. Man muss Fehler nicht selber machen,
um aus ihnen zu lernen. Wir brauchen aber mehr
Informationen über die Schwachstellen in Behandlungsabläufen“, sagte Zöller. Dabei ist es ihm wichtig, dass Ärzte ohne Angst vor Verunglimpfung und
Repressalien über Fehler und Beinahefehler sprechen können. Es gehe nicht darum, „Schuldige“ zu
finden, sondern Fehlerquellen für die Zukunft auszuschalten.
KV-Chefin Dr. Ingeborg Kreuz begrüßte Zöllers Überlegungen. Zugleich betonte sie, dass Patienten künftig stärker als bislang durch Eigenbeteiligungen Verantwortung übernehmen könnten. Davon verspricht
sie sich eine bessere Steuerung der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen. Um die Transparenz
zu erhöhen, forderte die KV außerdem erneut eine
Rechnungslegung durch den Arzt, damit der Patient nachvollziehen kann, welche Kosten durch den
Arztbesuch entstanden sind. Der zum dritten Mal
in der Kieler Kunsthalle veranstaltete Parlamentarische Abend verzeichnete rund 140 Gäste, darunter Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. rer.
pol. Heiner Garg, die Bundestagsabgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus (beide FDP) und Landtagspolitiker verschiedener Parteien. Dirk Schnack
Schleswig-Holstein
Palliativmedizin
Lange Fahrstrecken erschweren
die Versorgung auf dem Land
Das Lübecker Symposium zur Palliativmedizin in den Ostsee-Anrainerstaaten
zeigte Versorgungsprobleme in Nachbarstaaten, aber auch vor Ort auf.
„Der Bedarf an palliativmedizinischer Versorgung
wird in den kommenden Jahren weiter steigen“, sagt
KVSH-Chefin Dr. Ingeborg Kreuz. Beim Ostsee-Anrainerstaaten-Symposium der Palliativmedizin in
Lübeck führte sie dies am Beispiel des Flächenlandes Schleswig-Holstein aus: Während 2006 noch
750.000 Einwohner über 60 Jahre im nördlichsten
Bundesland lebten, gehen Prognosen von einer Million über 60-Jährige im Jahr 2025 aus. „Und das bei
Abnahme der Gesamtbevölkerung um 2,5 Prozent“,
warnte Kreuz.
Sie geht von einer 20 Prozent höheren Arbeitslast für
die Primärversorger bei einem gleichzeitigen Rückgang der Beitragszahler aus: „Das wird deutlich höhere Kosten verursachen.“ Alarmierend sei der sich
abzeichnende Mangel an Hausärzten. Mehr als jeder fünfte Hausarzt in Schleswig-Holstein ist älter als
60 Jahre: „Mehr als 900 Hausärzte gehen bei uns
in den kommenden fünf Jahren in den Ruhestand“ –
mit gravierenden Folgen für die ärztliche Versorgung
gerade im ländlichen Bereich und für die Palliativmedizin, so Kreuz: „Eine flächendeckende Versorgung
mit Haus- und Fachärzten ist die Voraussetzung für
eine funktionierende SAPV, die spezialisierte ambulante Palliativversorgung.“ Die ambulante Tätigkeit
müsse attraktiver werden, forderte sie. Dazu gehöre eine verlässliche und angemessene Honorierung,
keine Regressdrohungen, eine Stärkung der Allgemeinmedizin an den Universitäten und im Medizinstudium ein stärkerer Schwerpunkt auf das Fach
Palliativmedizin. Da junge Kollegen verstärkt nach
Festanstellungen suchten, müsse es mehr Anstellungsmöglichkeiten zum Beispiel über Zweigpraxen
geben: „Das ist gleichzeitig eine gute Lösung, um
eine wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten.“
Auch die Kommunen müssten sich stärker engagieren, beispielsweise, indem Bushaltestellen direkt vor
Arztpraxen gebaut werden. Ein Problem sei es, die
Allgemeinmediziner vor Ort für palliativmedizinische
Fortbildungen zu begeistern, so Kreuz. Die Fortbil-
dungen seien sehr zeitintensiv: „Es ist eine Herausforderung, das neben dem Praxisalltag zu meistern.“
Sie plädiert deshalb für ein konzentrierteres Angebot. Ein weiteres Problem seien die weiten Fahrwege. Kreuz kritisiert, dass in den Vergütungspauschalen die Fahrzeiten nicht genügend berücksichtigt
sind.
Eine Kritik, der sich die Krankenschwester Carola
Neugebohren und die Ärztin Isabel KriegeskottenThiede anschließen. Sie sind im Palliativnetz Travebogen tätig, dessen Einsatzgebiet sich über die
Landkreise Stormarn, Bad Segeberg und die Stadt
Lübeck erstreckt. 19 Pflegekräfte und 18 Ärzte arbeiten in dem Netz. Die Zahl der betreuten Patienten ist
von 131 im ersten Jahr auf 216 im Zeitraum von Januar bis Oktober 2010 gestiegen. „Diese wachsende
Zahl stellt uns vor große Herausforderungen, denn
die Zahl der Versorger wächst nicht im gleichen
Maße“, so Kriegeskotten-Thiede. Die meisten Patienten seien zwischen 61 und 70 Jahre alt.
Ein Problem, vor dem die Betreuer vom Travebogen
fast täglich stehen, ist die Abgrenzung von Teil- und
Vollversorgung, für die es keine Kriterien gebe. „Das
macht uns den Alltag schwer“, so Neugebohren. Die
Unterscheidung sei schwer, sie sei daher dafür, die
Unterscheidung abzuschaffen, wie es schon in einigen Bundesländern geschehen ist.
Travebogen hat einen von insgesamt acht Verträgen, die zurzeit in Schleswig-Holstein abgeschlossen sind. „Die Krankenkassen sind der Meinung,
Schleswig-Holstein sei mit diesen acht gut versorgt –
ich meine, es reicht nicht“, betonte Kreuz. Sie würde sich eine kleinteiligere Versorgung wünschen. Ein
Beispiel seien die Kreise Flensburg und Nordfriesland, die zu einem Vertrag zusammengefasst sind:
„Da fallen erhebliche Fahrstrecken an.“ Auch Neugebohren und Kriegeskotten-Thiede sprechen von einigen unterversorgten Gebieten in der Fläche: „Gerade im ländlichen Bereich sind wir noch unterversorgt“, mahnen sie. Nathalie Klüver
Ausgabe 12 | Dezember 2010 39
Schleswig-Holstein
KV-Abgeordnetenversammlung
„Wir sollten wieder ein kleines
gallisches Dorf werden“
Es bleibt dabei: Die Abgeordneten in Schleswig-Holstein finden sich mit Regelungen der Bundesebene nicht ab - jüngstes Beispiel sind die Kodierrichtlinien.
Kaum hatte sich die Honorarsituation etwas entspannt, stand den Vertragsärzten in diesem Herbst
die nächste Herausforderung bevor – die ambulanten Kodierrichtlinien. Die Vorstellungen der Bundesebene stießen wie berichtet in den Regionen auf
scharfe Ablehnung.
Es gibt wohl kaum eine zweite Aufgabe, die die
Selbstverwaltungsorgane der Ärzteschaft so sehr
beschäftigt wie der Abwehrkampf gegen Zumutungen der Gesundheitspolitik. Auf der jüngsten Abgeordnetenversammlung der KV Schleswig-Holstein
im November – die neu gewählte Abgeordnetenversammlung konstituiert sich im Januar 2011 – wurde
dies wieder einmal deutlich, vor allem im Lagebericht der Vorstandsvorsitzenden Dr. Ingeborg Kreuz.
Was nach dem Erkenntnisstand von Anfang November vom GKV-Finanzierungsgesetz zu erwarten ist, stellte Kreuz in den Mittelpunkt ihres Berichtes. Zunächst einmal eine Begrenzung des Honorarzuwachses der vertragsärztlichen Versorgung für
die Jahre 2011/2012. In der Diskussion um die verschiedenen Entwurfsfassungen des Gesetzes waren Zuwachsgrenzen zwischen 0,75 und 1,5 Prozent
zu hören; Kreuz kannte den aktuellen Diskussionsstand aus dem Bundestags-Gesundheitsausschuss:
1,25 Prozent. Außerdem: Festschreibung des Orientierungspunktwertes auf 3,5048 Cent; keine Berücksichtigung unvorhersehbarer Morbiditätsentwicklungen, keine Berücksichtigung von Praxiskostensteigerungen, keine Berücksichtigung von Verlagerungseffekten von stationär nach ambulant. Plus
eine gewisse Bestandssicherung für Verträge in der
Hausarztzentrierten Versorgung bis Mitte 2014 (ursprünglich nur bis Ende 2012 beabsichtigt). Kreuz
nannte den vermutlichen Grund hierfür: „In Bayern
stehen Anfang 2014 Landtagswahlen an. “
Begrenzt werden auch die Ausgaben für extrabudgetäre Leistungen, jeweils auf die Hälfte der Grundlohnsummensteigerung (aktuell also auf 0,9 Prozent). Ausgenommen davon sind Vorsorge- und
40 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Früherkennungsleistungen sowie 2009/2010 neu
eingeführte Leistungen. Bei „Vorliegen zwingender
Versorgungsgründe“ könne von der Ausgabenbegrenzung abgesehen werden – das lässt Definitionsstreitigkeiten erwarten.
Nicht ganz schlecht stehen für Schleswig-Holstein
die Aussichten beim „asymmetrischen Honorarzuwachs“ zum Ausgleich regional unterschiedlicher
Auswirkungen der letzten Honorarreform. 500 Millionen Euro sollen zu verteilen sein; für 2011 könnten 120 Millionen zu erwarten sein, wie aus dem Gesundheitsausschuss des Bundestages und dem Erweiterten Bewertungsausschuss zu hören ist. Speziell für Schleswig-Holstein rechnet die KV für 2011 mit
einem Zuwachs der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung um rund 4,5 Prozent (entspräche etwa 35
Millionen Euro) – dies verband Kreuz mit einem Dank
für das Verhandlungsgeschick ihres Vorstandskollegen Dr. Ralph Ennenbach, die Abgeordnetenversammlung schloss sich diesem Dank mit Beifall an.
Positiv bewertete die KV-Vorsitzende auch die Position des Erweiterten Bewertungsausschusses, Honorarverhandlungen ausschließlich regional zu führen
und die Ausgabenbegrenzung für extrabudge­täre
Leistungen nur für „medizinisch nicht begründbare“ Entwicklungen gelten zu lassen – was allerdings
Raum lässt für spitzfindige Einwände der Kassen­
seite.
Lebhaft diskutiert werden auf Bundesebene die Weiterentwicklung der Vergütungssystematik (mit unterschiedlichen Positionen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen) und die Neuordnung der Bedarfsplanung (zentral versus regional geregelt). Bei
letzterem Punkt sind unterschiedliche Ausgangslagen von Stadt- und Flächenland-KVen zu beachten;
einerseits versorgen Stadtstaaten wie Hamburg einen Teil des benachbarten Umlandes mit; andererseits gibt es vergleichbare Effekte innerhalb von Flächenbundesländern, hier zwischen Großstädten/
Universitätsstädten und Landkreisen.
Schleswig-Holstein
Dr. Rüdiger Marquardt (Foto: di)
Bundesweit diskutiert wurde zum Zeitpunkt der Abgeordnetenversammlung auch noch die ambulante Kodierrichtlinie (AKR), und die KV-Abgeordneten
nahmen sich dieser am 01.01.2011 in Kraft tretenden
Vorschrift sehr dezidiert an. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband Bund
der gesetzlichen Krankenkassen sind nach dem
SGB V zur Ausarbeitung dieser Richtlinien verpflichtet (bei Nichtzustandekommen droht eine Ersatzvornahme per Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums), und die Länder-KVen sind zur Umsetzung der Richtlinien verpflichtet. Die AKR sollen den
niedergelassenen Ärzten bei der richtigen – optimalen – Diagnoseverschlüsselung helfen. Die KBV will
damit die Grundlage dafür schaffen, dass das Honorar der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten nicht mehr an der Grundlohnsumme, sondern an der Morbidität orientiert ist. Absehbar war,
dass dem Richtlinienvorschlag der KBV erhebliche
Probleme immanent sein würden: „Praxistauglichkeit, Mehraufwand, Umsetzung in die Praxisverwaltungs-Software, generell die Eignung des ICD-10 für
Hausärzte“ – diese Knackpunkte nannte Kreuz. Das
deckte sich mit den Ergebnissen der Versuche, die
der Abgeordnete Dr. Rüdiger Marquardt aus Eckernförde mit der AKR unternommen hatte: „Zu kompliziert und nicht praxisgerecht; allein zu Hochdruck
und Schwangerschaft kommen 18 verschiedene Ziffern in Betracht“, kritisierte er. Er beließ es nicht bei
der Kritik, sondern empfahl, Schleswig-Holstein solle sich quer legen, notfalls allein („Wir sollten wieder ein kleines gallisches Dorf werden“). Vor einem
Dr. Ingeborg Kreuz (Foto: KVSH)
Staatskommissar brauche man keine Furcht zu haben – der hätte es auch nicht schlimmer gemacht. Die
Versammlung formulierte seinen Ablehnungsantrag
um in eine dann ohne Gegenstimmen beschlossene
Resolution: „Die Abgeordnetenversammlung lehnt
die ambulanten Kodierrichtlinien in der bestehenden
Form ab. Sie fordert die KBV auf, sie zu überarbeiten
und die Umsetzung so lange zu verschieben, bis die
Kodierrichtlinien den medizinischen Realitäten entsprechen, dass die Softwarehäuser in der Lage sind,
den zusätzlichen bürokratischen Aufwand vollständig aufzufangen.“ In dieser Form macht die Resolution die Ablehnung der AKR deutlich, ohne in eine
politische Sackgasse zu laufen. Unfug und unnötige
Hast bei der AKR-Einführung werden angeprangert,
ohne zum Rechtsbruch aufzurufen. Kreuz kündigte
Fortbildungen zum Umgang mit den AKR an. Eine
kluge Diagnoseverschlüsselung könne helfen, Honorareinbußen zu vermeiden; eine unsachkundige
Handhabung könne zu Honorarverlusten führen. Danach wurde bekannt, dass sich KBV und Kassen auf
eine Übergangsfrist von sechs Monaten bei der Einführung der neuen Vorschriften geeinigt haben. Dies
soll Ärzten ermöglichen, sich mit den Richtlinien vertraut zu machen, ohne dass Sanktionen drohen. Und
was gab es Positives zu vermelden? Zum Beispiel,
dass es „gelungen ist, das Vertrauen in den Vorstand
wieder zurückzugewinnen“, stellte Kreuz fest. Dazu
passt, dass die neu gewählten Mitglieder der nächsten AV der Einladung des Vorsitzenden Dr. JochenMichael Schäfer, „schon mal Witterung aufzunehmen“, in großer Zahl gefolgt waren. Jörg Feldner
Ausgabe 12 | Dezember 2010 41
Schleswig-Holstein
Honorarverteilung
Manche Landärzte erreicht das
Honorarplus noch immer nicht
Dr. Carsten Heinemeier und Ulrich Hackel verzeichnen trotz des landesweiten
Honoraraufschlags sinkende Fallwerte. KV fordert neues Vergütungssystem.
Im kommenden Jahr sollen Schleswig-Holsteins Ärzte rund 33 Millionen Euro mehr erhalten. Eine schöne Nachricht – über die sich die beiden Landärzte Dr.
Carsten Heinemeier und Ulrich Hackel aus Schafflund allerdings nur bedingt freuen. Denn die Erfahrung aus den vergangenen Jahren zeigt, dass sie
trotz der Honorarsteigerungen heute finanziell nicht
besser gestellt sind. Bei ihnen ist von den Aufschlägen, die bundesweit für Schlagzeilen gesorgt haben,
nichts angekommen.
Die Zahlen der Gemeinschaftspraxis: Der Fallwert im
zweiten Quartal 2006 betrug in der Praxis noch 75
Euro, im Vergleichsquartal des Jahres 2009 war dieser auf 69 Euro gesunken, obwohl Schleswig-Holstein im gleichen Zeitraum insgesamt ein deutliches
Plus für die ärztlichen Honorare erhalten hat. Ein weiteres Jahr später lag der Fallwert der Praxis nur noch
bei 60 Euro. Diesen Wert erreicht die Gemeinschaftspraxis nur noch mithilfe einer Stützung der KV und
damit der gesamten niedergelassenen Ärzteschaft
im Land. Das Kuriose daran: Selbst dieser Wert liegt
noch über dem Fachgruppendurchschnitt. „Wo ist
das Geld für die Landärzte geblieben? Oben wird
mehr Geld hineingesteckt und unten kommt weniger
an“, wundert sich Heinemeier.
Ein Grund für den Absturz ist das gesunkene Regelleistungsvolumen der Hausärzte. Zwei Zahlen zum
Vergleich: Im vierten Quartal 2009 betrug das RLV
der Hausärzte in Schleswig-Holstein 37,98 Euro,
im vierten Quartal 2010 liegt es nur noch bei 36,65
Euro. Die Praxis bekommt nach Angaben Heinemeiers Leistungen für rund 30.000 Euro im Quartal nicht
bezahlt, weil das RLV dies nicht abdeckt.
Ein weiterer Grund: Das Sondervolumen, mit dem
jede Praxis das Honorar über das RLV hinaus durch
Zusatzleistungen ausweiten kann, sieht auf dem Papier gut aus: Rund 40.000 Euro wären theoretisch
für Sonografie, Kleinchirurgie, Psychosomatik und
andere Zusatzleistungen abrechenbar. Doch in der
Praxis der Landärzte lässt sich dieses Volumen nur
42 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
im Ansatz ausschöpfen – im vierten Quartal 2009 betrug das Honorar aus diesen Leistungen rund 10.000
Euro. Und selbst diese Summe wird nach den Neuberechnungen ab dem dritten Quartal 2010 nicht
mehr zu erreichen sein; Heinemeier und Hackel kalkulieren mit Mindereinnahmen für Zusatzleistungen
von mehr als 6.000 Euro.
Dass die beiden Hausärzte bislang dennoch keine
Insolvenz anmelden mussten, verdanken sie einer
Reihe von Maßnahmen, die sie seit Einführung der
RLV umgesetzt haben, um die wirtschaftliche Situation der Landarztpraxis nicht eskalieren zu lassen.
Bei den Personalkosten werden rund 90.000 Euro im
Jahr eingespart: Zwei Vollzeitkräfte, eine Teilzeitkraft
und die Raumpflegerin wurden entlassen Die Präventionsleistungen wurden ausgeweitet. Hier lässt
sich nach Meinung der Ärzte nichts mehr optimieren: „Irgendwann sind alle durchgeimpft.“ Auch der
Anteil der Privatpatienten liegt inzwischen bei 12,5
Prozent, was sich kaum noch nennenswert steigern
lässt.
Das Besondere an der Praxis: Früher haben hier
drei Ärzte die Patienten versorgt. Die Patientenzahl
hat seitdem nicht abgenommen, wie ein Vergleich
zeigt. Die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe beträgt 814, die Doppelpraxis dagegen kommt
auf 2.371. Nur: Wenn drei neu niedergelassene Ärzte die Praxis führen würden, bekämen sie ein deutlich höheres Honorarvolumen von der KV zugestanden, als die beiden Ärzte, die nach eigenen Angaben
wöchentlich bis zu 70 Stunden arbeiten müssen, um
den hohen Patientenandrang bewältigen zu können.
Heinemeier und Hackel sind der Auffassung, dass
die Honorarverteilung zugunsten der Landärzte geändert werden muss, um die Versorgung sicherstellen zu können. Sie haben gegen die Honorarabrechnung Widerspruch eingelegt. Außerdem klagt Heinemeier vor dem Kieler Sozialgericht in der Hoffnung,
dass der Praxis nachträglich zusätzliches Geld zugestanden wird.
Schleswig-Holstein
Dr. Carsten Heinemeier
Ulrich Hackel
(Fotos: di)
Die KV Schleswig-Holstein sagt zum Problem der
Honorarverteilung: „Von einem Honorarplus sollten
alle niedergelassenen Ärzte gleichermaßen profitieren. Wegen bundeseinheitlicher Vorgaben können
wir als KVSH das Geld gar nicht bedarfsgerecht verteilen, weil uns der regionale Spielraum fehlt. Hier
sind uns die Hände gebunden.“
Nach ihrer Darstellung ist das derzeit geltende Honorarsystem nicht geeignet, die bestehenden Probleme zu lösen. Darauf hat die Körperschaft wiederholt hingewiesen – zum Ärger der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung hat die KV im Norden die Honorarreform aus dem Jahr 2009 für gescheitert erklärt.
„Wir brauchen ein anderes Vergütungssystem, das
transparent und gerecht ist. Dies könnte zum Beispiel die Einzelleistungsvergütung sein“, lautet der
Lösungsvorschlag der KVSH.
Zum speziellen Fall der Landärzte nimmt die Körperschaft so Stellung: „Klassische Landärzte haben in
der Regel einen großen Patientenstamm. Wenn kein
Facharzt in der Nähe ist, versorgen sie auch Patienten, die üblicherweise zum Facharzt gehen würden.
Da auf dem Land vergleichsweise viele ältere Patienten leben, besteht aufgrund altersbedingter Krankheiten auch ein erhöhter Behandlungsbedarf und es
müssen viele – auch teure – Medikamente verschrieben werden. Dies kann dazu führen, dass das zur
Verfügung gestellte Geld schon vor Quartalsende
aufgebraucht ist und die Landärzte ihre Leistungen
nicht mehr voll bzw. gar nicht vergütet bekommen.
Außerdem besteht eine erhöhte Regressgefahr.“
In der Beurteilung der Konsequenzen sind sich Heinemeier und Hackel mit der KVSH einig: Die Tätigkeit auf dem Land wird für die niedergelassenen Ärzte immer unattraktiver und der medizinische Nachwuchs wird davon abgehalten, sich in der Fläche niederzulassen – obwohl Nachwuchs wegen des drohenden Ärztemangels dringend benötigt wird.
Heinemeier und Hackel werden trotz der für sie nicht
nachvollziehbaren Honorarsituation nicht die Segel
streichen. Bestehende Alternativen zur Niederlassung, etwa durch eine Tätigkeit an einer Klinik, ziehen sie bislang nicht in Erwägung. „Solange man
noch sein Auskommen hat, macht man weiter“, sagt
Hackel. Auch für Heinemeier kommt Aufgeben nicht
in Betracht: „Wo sollen die Leute denn versorgt werden?“ fragt er. Denn auch die Praxen in der Umgebung verfügen in aller Regel kaum über ausreichende Kapazitäten, um die Patienten aus der Schafflunder Gemeinschaftspraxis noch aufnehmen zu können. Kürzer treten und damit den Patienten längere
Wartezeiten zumuten, ist für die beiden Ärzte auch
keine Alternative: „Die Patienten dürfen nicht für die
Honorarverteilung bestraft werden. Ich halte auch
nichts von Streiks, die Patienten sind schließlich unsere wichtigsten Verbündeten“, betont Heinemeier.
Also bleiben Arbeitsbelastung und die nicht zufriedenstellende wirtschaftliche Situation an den Ärzten
hängen. Heinemeier ist klar, dass er die hohe Belastung nicht auf Dauer durchhalten kann: „Da muss
sich in den nächsten Jahren etwas ändern.“
Dirk Schnack
Ausgabe 12 | Dezember 2010 43
Schleswig-Holstein
Priorisierung
Verdienstvolle Bürgerkonferenz,
aber auch Risiken in der Debatte
Wissenschaftliches Symposium zur Lübecker Konferenz über Priorisierung
brachte hohe Anerkennung, aber auch kritische Fragen zum Thema.
Nach der Bürgerkonferenz über Prioritätensetzungen in der medizinischen Versorgung folgte ein wissenschaftliches Symposium in den Lübecker Media
Docks. Ziel war es, die Ergebnisse „kritisch zu hinterfragen und den Stellenwert des Bürgervotums
herauszuarbeiten“. Eingeladene Referenten wie der
ehemalige IQWiG-Chef Prof. Peter Sawicki waren gekommen, um zugleich das wissenschaftliche Werk
von Prof. Heiner Raspe zu würdigen, der im September das Direktorat seines Instituts für Sozialmedizin
abgegeben hatte. Er bleibt aber noch für etwa drei
Jahre an der Spitze des Zentrums für Bevölkerungsmedizin im UK S-H, Campus Lübeck.
Besondere Aufmerksamkeit fand die kritische Sicht
des Gesundheitsökonomen Prof. Jürgen Wasem,
weil die öffentliche Priorisierungsdebatte ohne die
gesundheitsökonomischen Probleme der Knappheit und der beginnenden Rationierung kaum stattfinden würde: „Priorisierung und Rationierung sind
zwei Seiten derselben Medaille – die Diskussion
macht nur Sinn mit Blick auf die Rationierung.“ Offenbar aber sollte der ökonomische Einstieg („Die
Ökonomen gehen regelhaft von der Knappheit der
Mittel aus, anders jedenfalls explizit das Bürgervotum“) nicht etwa die begriffliche Unterschiedlichkeit
von Rationierung und Priorisierung infrage stellen,
wie sie gerade von Raspe stets betont wurde.
Wasem zeigte sich als Anhänger der breiten gesundheitsökonomischen Strömung, die Kosteneffektivität
nur als eines der Argumente im Entscheidungsprozess sieht. Das bedeute in diesem Zusammenhang,
flexibel in der Bestimmung des Leistungskatalogs zu
sein. Der Referent erkannte an, dass im Bürgervotum stehe, Prioritätenlisten sollten kein starres System sein und auch die langfristige Wirkung solle beobachtet werden. Allerdings betonte Wasem auch,
er vermisse im Votum mit seiner starken Betonung
der Solidarität die Berücksichtigung von „trade-offs“
(Ausgleich, Opportunitätskosten) zwischen Effizienz
und Gerechtigkeit.
44 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Die Münsteraner Bioethikerin Prof. Bettina SchöneSeifert lobte die Bürgerkonferenz als verdienstvoll,
weil sie ethische Fragen behandle, die gerade auch
für betroffene Laien verständlich sein müssten. Andererseits sei die Debatte gefährlich, weil sie die andere Diskussion um Wirtschaftlichkeitsreserven im
Gesundheitswesen vermeide. Beides sei aber wichtig.
Raspe nannte dies ein ernsthaftes Argument. Die
ersten internationalen Debatten um Priorisierung
im Gesundheitswesen seien aber von spektakulären Einzelfällen ausgegangen. Für ihn sei Priorisierung ein allgemeines Prinzip, das sich nicht nur auf
die Unter-, sondern auch auf die Überversorgung beziehen könne. In Schweden sei das Prinzip zu Zeiten
entwickelt worden, in denen keine Unterversorgung
geherrscht habe. Und die Politik könne Aspekte einer größeren Gerechtigkeit durchaus zu Prioritätsentscheidungen hinzufügen.
In seinem Schlusswort dankte der Moderator des
Wortwechsels, Prof. Eckhard Nagel, den am Bürgervotum beteiligten Bürgern. Über weitere Partizipation, über partnerschaftliche Kooperation zwischen
Experten und Bürgern werde zu reden sein. Den Anstoß zur Premiere habe das Lübecker Institut für Sozialmedizin mit Raspe an der Spitze gegeben: „Es
gehört seit seiner Gründung 1989 mit seinen Leistungen zu den führenden Instituten in Deutschland“.
Seine Arbeitsschwerpunkte sind Epidemiologie und
die Versorgung muskuloskelettaler Erkrankungen,
Rehabilitationsforschung, Evidenzbasierte Medizin
sowie sozialrechtliche und ethische Aspekte medizinischer Versorgung.
Raspe dankte den Teilnehmern des Symposiums
insbesondere auch für die ihm geltenden Worte der
Anerkennung und resümierte mit Blick nach vorn:
„Wir haben gute Argumente gehört, die aufgenommen werden müssen. Auch das Bürgerforum will
über Weiteres nachdenken.“
Horst Kreussler
Schleswig-Holstein
Neuer Praxisverbund
Der Trend zu großen Verbünden
bei den Orthopäden hält an
Jüngstes Beispiel ist die Orthopraxis, die in Kiel und Umgebung ambulante Leistungen erbringt - ein weiteres Wachstum ist nicht ausgeschlossen.
Neun Ärzte aus Kiel haben sich zu einer ortsübergreifenden Gemeinschaftspraxis unter dem Namen
Orthopraxis zusammengeschlossen. Bislang unterhielten die beteiligten Ärzte zwei Zweierpraxen sowie
eine größere Einheit in der Praxisklinik Wellingdorf.
Beide Zweierpraxen werden aufgegeben, um künftig im Einkaufszentrum Citti-Park für die Patienten
besser erreichbar zu sein. Dr. Christian Schwartz­
kopf und seine Praxispartner Dr. Christoph Helm und
Dr. Dieter Heimann werden künftig im Citti-Park tätig sein. Helms bisheriger Praxispartner Arnd Heyer
geht in die benachbarte Praxisklinik mit dann fünf
Kollegen. Dr. Jürgen-Hubertus Klees ist Praxispartner in Gettorf. Für die neue Struktur der Orthopraxis,
die rund 30 Angestellte beschäftigt, bilden die Ärzte
Ressorts, mit denen Verantwortung und Tätigkeitsbereiche aufgeteilt werden. Durch den Zusammenschluss erwarten die Ärzte Synergieeffekte etwa im
Einkauf oder im Personaleinsatz. Medizinisch sieht
Schwartz­kopf die Orthopraxis gut aufgestellt: Das
Spektrum reicht von der konservativen Versorgung
über Operationen bis zur Rehamedizin. Die Ortho­
praxis könnte damit Behandlungsketten übernehmen. So wie die Orthopäden siedeln sich immer
mehr Praxen in Einkaufszentren an. Diese betrachten Arztpraxen als wichtigen Baustein zur Abrundung ihres Dienstleistungsangebotes. Die norddeutsche Citti-Handelsgruppe plant, ihre Passagen in Lübeck und Flensburg zu erweitern, damit dort ebenfalls Ärzte einziehen können. Wie wichtig den Betreibern Arztpraxen sind, zeigt ein Vergleich der Mietpreise. Nach Angaben von Harald Rottes von Citti
orientieren sich die Mieten für Ärzte an den ortsüblichen Preisen für Praxisflächen. Damit zahlen Ärzte
in den Passagen nur rund ein Viertel der Quadratmetermiete wie der Handel. Laut Rottes rechnet sich die
Ansiedlung von Praxen für den Betreiber dennoch,
weil damit die Attraktivität des Standortes in den Augen der Kunden erhöht wird. Die Ärzte profitieren
nach seiner Ansicht, weil Patienten kostenlose Parkplätze und Kinderbetreuung erhalten und die Angebote des Zentrums während möglicher Wartezeiten
in Anspruch nehmen können. Für den Verbund sind
weitere Standorte nicht ausgeschlossen. Die beteiligten Ärzte haben sich die Namensrechte für die Bezeichnung „Orthopraxis“ in Zusammenhang mit einigen Städten im Umland gesichert.
Dirk Schnack
Partner der Orthopraxis: Arnd Heyer, Dr. Knud Schübeler, Dr. Lutz von Spreckelsen, Dr. Christian Schwartzkopf, Dr. Lucas-Rainer Backheuer, Dr. Winfried Brieske, Dr. Christoph Helm und Dr. Jürgen-Hubertus Klees.
Es fehlt Dr. Dieter Heimann. (von links, Foto: Orthopraxis)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 45
Personalia
Geburtstage
Dr. Hans-Erich Hefke, Mölln,
feiert am 15.01. seinen 70. Geburtstag.
Veröffentlicht sind nur die Namen der Jubilare, die
mit der Publikation einverstanden sind.
Dr. Dietrich Lauterbach, Kronshagen,
feiert am 15.01. seinen 80. Geburtstag.
Dr. Peter Rolf, Groß Wittensee,
feiert am 01.01. seinen 70. Geburtstag.
Dr. Onnen Schweers, Hennstedt/Dithm.,
feiert am 17.01. seinen 75. Geburtstag.
Dr. Jürgen Wesner, Geesthacht,
feiert am 02.01. seinen 75. Geburtstag.
Dr. Albert Thiel, Heikendorf,
feiert am 19.01. seinen 70. Geburtstag.
Dr. Ursula Völcker, Kiel,
feiert am 03.01. ihren 80. Geburtstag.
Ursula Fittkau, Reinfeld,
feiert am 20.01. ihren 75. Geburtstag.
Dr. Volker Ortmann, Rondeshagen,
feiert am 04.01. seinen 80. Geburtstag.
Dr. Hans Stopsack, Dersau,
feiert am 20.01. seinen 90. Geburtstag.
Dr. Daryoush Sharafat, Kiel,
feiert am 07.01. seinen 70. Geburtstag.
Dr. Kurt Glawatz, Bad Schwartau,
feiert am 22.01. seinen 85. Geburtstag.
Gustav Schulze, Böklund,
feiert am 09.01. seinen 75. Geburtstag.
Dr. Ulla Giertler, Neustadt/Holst.,
feiert am 23.01. ihren 70. Geburtstag.
Dr. Fritz-Eike Dommerich, Neumünster,
feiert am 10.01. seinen 75. Geburtstag.
Dr. Erhard Jenner, Lübeck,
feiert am 25.01. seinen 75. Geburtstag.
Dr. Carl-Jürgen Johann, Reinbek,
feiert am 11.01. seinen 70. Geburtstag.
Hildegard Schulten-Debock, Groß Rheide,
feiert am 25.01. ihren 75. Geburtstag.
Dr. Peter-Jörg Kraack, Lübeck,
feiert am 11.01. seinen 70. Geburtstag.
Dr. Milan Jung, Elmshorn,
feiert am 26.01. seinen 80. Geburtstag.
Dr. Jens-Christian Schacht, Mölln,
feiert am 11.01. seinen 80. Geburtstag.
Dr. Karsten Schümann, Lübeck,
feiert am 27.01. seinen 70. Geburtstag.
Fritz Höynck, Flensburg,
feiert am 12.01. seinen 75. Geburtstag.
Marianne Heermann, Geesthacht,
feiert am 29.01. ihren 70. Geburtstag.
Dr. Wolfgang Boriss, Norderstedt,
feiert am 13.01. seinen 75. Geburtstag.
Dr. Holger Peters, Elmshorn,
feiert am 29.01. seinen 70. Geburtstag.
Dr. Klaus-Peter Müller, Wentorf,
feiert am 13.01. seinen 70. Geburtstag.
Dr. Gerhard Bauer, Lübeck,
feiert am 30.01. seinen 90. Geburtstag.
Dr. Renate Schimmelpenning, Kiel,
feiert am 14.01. ihren 70. Geburtstag.
Dr. Jan Gerhard, Sylt, OT Morsum,
feiert am 30.01. seinen 70. Geburtstag.
Wir gedenken der Verstorbenen
Dr. Thomas Schmidt, Elmshorn,
geboren am 19.12.1953, verstarb am 23.10.2010.
Dr. Joachim Jankowski, Halstenbek,
geboren am 12.06.1921, verstarb am 13.08.2010.
Dr. Peter Gabriel-Jürgens, Bahrenhof,
geboren am 09.11.1942, verstarb am 29.10.2010.
Dr. Wolfgang Tacke, Sylt, OT Tinnum,
geboren am 12.01.1939, verstarb am 18.09.2010.
Dr. Erhard Kuhnke, Kirchbarkau,
geboren am 08.01.1923, verstarb am 29.10.2010.
Dr. Christa Rabenstein, Neumünster,
geboren am 20.11.1938, verstarb am 10.10.2010.
Dr. Dietrich Koreuber, Kampen/Sylt,
geboren am 04.05.1914, verstarb am 31.10.2010.
Karl Heinrich Kolbinger, Großhansdorf,
geboren am 22.11.1938, verstarb am 20.10.2010.
Dr. Gerhard Gruss, Krummesse,
geboren am 05.08.1918, verstarb am 11.11.2010.
46 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Personalia
NAV-Virchow-Bund ordnet Bundesspitze neu
Dr. Dirk Heinrich ist neuer Bundesvorsitzender des
NAV-Virchow-Bundes. Der 51-jährige niedergelassene HNO-Arzt wurde im November von den Delegierten der Bundesversammlung gewählt, nachdem
Dr. Klaus Bittmann im Frühjahr von diesem Amt zurückgetreten war. Als Interimsvorsitzende hatten Dr.
Klaus Bogner und Stephan Kraft den Verband geleitet. Heinrich ist seit 2008 Vorsitzender der Landesgruppe Hamburg des NAV-Virchow-Bundes und seit
zwei Jahren Präsident des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte. Heinrich studierte Medizin in Freiburg. Bevor er sich seinem Fach zuwandte, schloss
er eine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin ab. Er gehört der Delegiertenversammlung der
Ärztekammer Hamburg sowie der Vertreterversammlung der KV Hamburg an. „Die Zeit der Aufsplitterung
in immer kleinere Berufsverbände ist vorbei“, sagte
Heinrich zu seiner Wahl. Als neuer Bundesvorsitzender hat er sich das Ziel gesetzt, die Netzwerkidee voranzutreiben, Ideen gegen den Ärztemangel zu entwickeln und die Zukunftsfähigkeit der bestehenden
Versorgungsebenen und der Aufsplitterung in Hausund Fachärzte kritisch zu hinterfragen, teilte sein Verband nach der Wahl mit. Die Delegierten der Bundeshauptversammlung votierten mit 30 von 45 Stimmen
für Heinrich. Zu seinen Stellvertretern wurden der
Dr. Dirk Heinrich
(Foto: NAV-Virchow-Bund)
Kinderchirurg Stephan Kraft (44) und der Allgemeinmediziner Dr. Veit Wambach (53) gewählt. Den neuen Vorstand komplettieren die fünf Beisitzer Dr. Eike
Schurbohm (50, Fachärztin für Psychiatrie), Dr. Kerstin Jäger (52, Fachärztin für Gynäkologie), Fritz Stagge (56, Facharzt für Gefäßchirurgie), Dr. Olaf Boettcher (52, Facharzt für Allgemeinmedizin) und Dr. Dr.
Rainer Broicher (45, Facharzt für Hals-Nasen-OhrenHeilkunde). (PM/Red)
Ärztlicher Direktor in Kiel bestätigt
Dr. Andreas Hückstädt, Chefarzt der Anästhesie und
operativen Intensivmedizin im Städtischen Krankenhaus Kiel, ist von den Mitgliedern der Chefarztkonferenz einstimmig für weitere drei Jahre zum Ärztlichen
Direktor gewählt worden. Hückstädt ist in dieser Funktion seit Januar 2008 für das Städtische Krankenhaus
Kiel tätig. Zu seinem Stellvertreter wurde PD Dr. Andreas Claaß gewählt, Chefarzt der Klinik für Kinderund Jugendmedizin. Für weitere drei Jahre wurde Dr.
Heinz Riedel, Leiter der Kieler Krankenhausapotheke,
ins Direktorium gewählt. (PM/Red)
Journalist als Ehrenpräsident
NDR-Journalist Bernd Seguin war Ehrenpräsident
des diesjährigen ENDO CLUB NORD (ECN), der
nach eigenen Angaben weltweit größten Live-Veranstaltung in der Endoskopie. Damit würdigen die Veranstalter Seguins langes Engagement in der Sozialund Gesundheitsszene. „Kein anderer hat mit seinen
Beiträgen so oft für Aufregung in der Hansestadt gesorgt – wir haben insbesondere sein Engagement in
der Darmkrebsvorsorge stets sehr bewundert“, sagte ECN-Präsident Prof. Friedrich Hagenmüller. Seguin
kam 1985 als Reporter zum NDR. Seine berufliche
Tätigkeit hat der gebürtige Westfale aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Derzeit engagiert sich
Seguin, der vielen Ärzten als Moderator gesundheitspolitischer Diskussionen bekannt ist, ehrenamtlich in
der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. (PM/Red)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 47
Personalia
Katholischer Seelsorger hat Arbeit aufgenommen
Im Krankenhaus Reinbek wurde Bernhard Kassens in
sein Amt als katholischer Seelsorger eingeführt. Der
47-jährige Kassens ist Diplom-Religions- und Sozialpädagoge und hat eine Zusatzausbildung in der Krankenhausseelsorge absolviert. Vor seiner Tätigkeit in
Reinbek war er am Krankenhaus Altona als Seelsorger und 20 Jahre lang in der Gemeindearbeit tätig.
Zu seinen Aufgaben im St. Adolf Stift gehören die
seelsorgerische Begleitung von Patienten, Angehörigen und aller Mitarbeiter, die Gottesdienstgestaltung,
Krankenkommunion und die Mitarbeit in verschiedenen Gremien im Haus. Kassens Vorgänger Pater
Marek Sobkowiak war nach neunjähriger Tätigkeit in
Reinbek mit einer Heiligen Messe verabschiedet worden. Mit Pastor Florian-Sebastian Ehlert hat Reinbek
auch einen evangelischen Seelsorger. (PM/Red)
Dr. Hellmut Koch ist tot
Dr. Hellmut Koch ist nach schwerer Krankheit verstorben. Der Ehrenpräsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) wurde 66 Jahre alt. Dr. Max Kaplan,
Präsident der Bayerischen Landesärztekammer würdigte den Verstorbenen: „Mit seinem eindrucksvollen
Wirken und seiner Persönlichkeit hat er die Kollegen,
die Patienten sowie die Akteure der Gesundheitspolitik stets besonders beeindruckt: ruhig, unaufgeregt,
sachlich, mit einem klaren Blick auf die Menschen
und das Leben.“ Koch, Träger der Paracelsus-Me-
daille, habe sich große Verdienste um die ärztliche
Selbstverwaltung erworben. Sein besonderes Engagement galt der ärztlichen Weiter- und Fortbildung.
Der Internist und Endokrinologe aus Fürth war Chefarzt der Medizinischen Klinik 1 am Klinikum Nürnberg,
Vorsitzender der Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer, Vizepräsident (1995 bis 1999) und Präsident der Bayerischen Landesärztekammer von 1999
bis 2010. (PM/Red)
Präsident der Geriater kommt aus Schleswig-Holstein
Anlässlich des fünften deutsch-österreichischen Geriatrie-Kongresses wurde PD Dr. Werner Hofmann,
Chefarzt der Geriatrie am FEK in Neumünster und am
Klinikum Bad Bramstedt, für die Amtsperiode einstimmig zum nächsten Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) gewählt. Hofmann ist es gelungen, den 22. Deutschen Geriatrie-Kongress vom
22.–24. September 2011 nach Schleswig-Holstein zu
holen. Der Kongress wird im Klinikum Bad Bramstedt
stattfinden. Hier bestehen enge Verbindungen zur Lübecker Universität sowie zum UKE in Hamburg. Nicht
nur diese Verbindungen sollen genutzt werden, sondern auch enge Kooperationen zur Gerontopsychiatrie, Alterstraumatologie, geriatrischen Gastroenterologie und Neurogeriatrie. Unter dem Motto „Leben
ist bewegen!“ stehen Gerontotechnologie, robotergestützte Rehabilitation, Sport- und Bewegungstherapie, Geriatrisches Assessment, die Delegation ärztlicher Leistungen sowie vor allem erstmals in Kooperation mit der Akademie der Ärztekammer Schleswig-Holstein ein Kern-Curriculum Geriatrie speziell für
Hausärzte im Vordergrund der Vorbereitungen. Hof48 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
PD Dr. Werner Hofmann
(Foto: FEK)
mann will eine Kampagne für die Einrichtung eines
Facharztes Geriatrie vorantreiben. Auch existieren in
deutschen Geriatrien derzeit 15 Spezialstationen für
Demenz (u.a. am FEK). Als einen Schwerpunkt seiner
zweijährigen Amtsperiode nannte Hofmann die Versorgung Demenzkranker in Akuthäusern. (PM/Red)
Personalia
Ärztetrio statt Chefarzt
(Foto: di)
Statt eines neuen Chefarztes hat Damp für die Wirbelsäulenchirurgie in der Endo-Klinik ein Trio von leitenden Ärzten berufen. Orthopäde Dr. Hans-Wolfram
Ulrich (links) kommt aus der Kieler Uniklinik, sein Kollege Dr. Jörn Steinmann (Mitte) arbeitete zuletzt in der
Bad Bramstedter Rheumaklinik und Dr. Ralf Hempelmann in Dessau. Hempelmann ist Neurochirurg. Das
Trio setzt auf einen engen fachlichen Austausch in
täglichen Fallgesprächen. Die Dreier-Lösung empfinden sie als Vorteil, weil sie so „ohne Gesichtsverlust“
andere Meinungen akzeptieren könnten, verrieten die
drei in einem Pressegespräch. Die Ärzte sehen sich
als „teamerfahren“ an und erwarten keine Nachteile
durch die Arbeit im Trio. (di)
Wechsel am Asklepios Westklinikum Hamburg
Im Januar tritt PD Dr. Aglaja Valentina Stirn (48) die
Nachfolge von Prof. Stephan Ahrens als Leiterin der
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Asklepios Westklinikum Hamburg an. Die
Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin, Gruppentherapeutin, Notärztin und Sexualtherapeutin leitete zuletzt
den Bereich Psychosomatik der Klinik für Psychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Stirn
wurde in Wiesbaden geboren, studierte nach einem
Studium generale am Leibniz Kolleg Tübingen Humanmedizin an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz. Nach dem Studium arbeitete sie in der
Inneren Medizin des St. Josef Hospitals Wiesbaden,
anschließend leitete sie zwei Jahre die Psychotherapiestation der Landesnervenklinik Andernach. 1993
arbeitete sie unter Prof. Otto Kernberg auf der Bor-
derline-Station des Cornell Medical Center, New York,
sowie bei Prof. Lester Luborsky in Philadelphia. Stirns
klinische Tätigkeit begann an der Johann Wolfgang
Goethe-Universität unter Prof. Gerd Overbeck, dessen Nachfolge sie 2005 antrat. 1996 promovierte Stirn
zum Thema „Veränderung des Selbst- und Objekterlebens unter stationärer Psychotherapie – eine sprach­
inhaltsanalytische Untersuchung mit der ZBKT-Methode nach Luborsky an drei ess-gestörten Patientinnen“; 2006 folgte die Habilitation für das Fach Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit dem
Titel „Psychosoziale und psychodynamische Hintergründe von Körpermodifikationen“ über den Körper
in Medizin und Gesellschaft. Im Asklepios Westklinikum Hamburg plant Stirn den Ausbau des psychosomatisch-psychotherapeutischen Angebotes und eine
stärkere Vernetzung zwischen Somatik und Psychosomatik. (PM/Red)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 49
Edmund-Christiani-Seminar
Esmarchstr. 4-6
23795 Bad Segeberg
Tel.: 04551/8813-292
Fax: 04551/8813-228
E-Mail ecs@aeksh.org
EDMUND-CHRISTIANI-SEMINAR
Berufsbildungstätte der
Ärztekammer Schleswig-Holstein
Betriebswirtin für Management im
Gesundheitswesen
15. Seminarreihe
Die Betriebswirtin ist ausgerichtet auf das besondere Anforderungsprofil für leitende Mitarbeiterinnen in
großen medizinischen Organisationseinheiten.
Die Teilnehmerinnen sollen eine berufliche Qualifikation erwerben, die sie befähigen, die betriebswirtschaftlichen Ziele des „Unternehmens MVZ/Arztpraxis“ in enger Abstimmung mit der ärztlichen Entscheidungsebene zu realisieren, sowie eigenverantwortlich Führungs- und Managementaufgaben zu erfüllen.
Die Qualifikation der „Betriebswirtin“ baut auf Fertigkeiten und Kenntnissen von Berufen im Gesundheitswesen mit anschließender Praxiserfahrung auf und
ist eine staatlich anerkannte Aufstiegsfortbildung.
Der Abschluss ermöglicht den Übergang in den
fach­hochschulischen Bereich.
Die Fortbildung umfasst insgesamt 800 Weiterbildungsstunden, von denen 160 Stunden durch ein
Praktikum und die Erstellung einer Projektarbeit abgedeckt werden. Die Absolvierung der Weiterbildung erfolgt berufsbegleitend über ca. zwei Jahre.
Die Seminare finden an Wochenenden sowie in zwei
Wochenblöcken statt.
Beginn: März 2011
Gebühr: 3.490 Euro
(Keine Gebührenermäßigung möglich.)
Fördermöglichkeiten
 Aufstiegsfortbildungsförderung (Meister-BAföG)
 Bildungsfreistellung nach BFQG
Januar 2011
12.01. 16.01. 17.01. 22.01. 31.01. Sprechstundenbedarfsvereinbarung
Sachkunde gem. § 4 der Medizinproduktebetreiberverordnung
Strahlenschutzkurs für med. Assistenzpersonal
EBM/Grundkurs
Erweiterte Aktualisierung der Kenntnisse/
Fachkunde im Strahlenschutz
Februar 2011
02.02. 02.02. 04.02. 04.02. 04.02. 09.02. 11.02. 11.02. 12.02. 14.02. 16.02. 19.02. 19.02. 19.02. 23.02. 25.02. 26.02. 26.02. 28.02. GOÄ/Grundkurs
Palliativmedizinische Versorgung
Grundlagen der Kommunikation und
Wahrnehmung
Fachzertifikat Ambulantes Operieren
Besser telefonieren/Aufbaukurs
Berufsgenossenschaftliche
Heilbehandlung
QM-Werkstatt
Spitzen, na und...?/Kompakt
Notfallsituationen in der ärztlichen Praxis
Strahlenschutzkurs für med. Assistenzpersonal
Welche Arzneimittel sind Kassenleistung
Konfliktmanagement
Körpersprache und Umgangsformen
Tapen/Grundkurs
Zuzahlungsbefreiung und
Fahrtkostenregelungen
Coaching für die rechte Hand des
leitenden Arztes
Besser telefonieren/Grundkurs
Diabetes und Ernährung
Vorbereitung auf die externe Prüfung
zur MFA
Ansprechpartnerin
Gabriele Schröder
Tel. 04551/8813-292
Unser gesamtes Fortbildungsprogramm finden Sie unter: www.aeksh.de/ecs
50 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Medizin und Wissenschaft
Femurfraktur
Eingriffe ohne Schädigung von
Muskulatur und Nerven
Weniger Schmerzen und schneller mobil nach einer minimal-invasiven Schenkelhals-Operation: Lübecker Chirurgen haben gute Erfahrungen gesammelt.
Jährlich erleiden in Deutschland rund 100.000 vorwiegend ältere Patienten eine Femurfraktur – mit
stark steigender Tendenz. Weltweit wird ein ähnlicher Trend beobachtet: Wurden 1990 noch 1,6 Millionen Verletzungen dieser Art versorgt, wird die Zahl
Expertenschätzungen zufolge bis zum Jahr 2030 auf
6,2 Millionen jährlich ansteigen.
„Ziel einer operativen Therapie und der anschließenden Nachsorge und Rehabilitation ist es, den Patienten wieder in sein soziales Umfeld zu integrieren –
im besten Falle also wieder in die Selbstständigkeit“,
erklärte PD Dr. Andreas Paech, Chefarzt der Sektion für Unfallchirurgie im UK S-H bei einem Gesundheitsforum am Campus Lübeck. Angesichts des
Durchschnittsalters (84 Jahre) der Patienten und der
hohen Inzidenz internistischer Erkrankungen kein
leichtes Unterfangen. „Das Zusammentreffen von
Trauma und Morbidität hat oft weitreichende Konsequenzen. Etwa 30 Prozent aller Patienten überleben
das erste Jahr nach dem Bruch nicht.“
Um die Belastung des Eingriffs für den Patienten, der
in aller Regel mit einer Endoprothese versorgt wird,
so gering wie möglich zu halten, haben die Lübecker
Operateure vor vier Jahren ihr bevorzugtes Verfahren geändert: Statt einer „offenen“ Operation mit langem Hautschnitt wird ein minimal-invasiver Zugang
über die Vorderseite des Oberschenkels (Direct Anterior Approach) gewählt. So kann eine Schädigung
von Muskulatur und Nerven vermieden werden.
In einer prospektiven, randomisierten Studie haben die Lübecker Chirurgen altes und neues Verfahren bei 60 Patienten verglichen. „Die minimal-invasiv operierten Patienten hatten signifikant weniger
Schmerzen und waren deutlich schneller wieder auf
den Beinen“, sagte Paech. Für die Operateure sei
dies mittlerweile Routine, auch Adipositas sei kein
Ausschlusskriterium. Insgesamt wurden in Lübeck
bislang 500 Schenkelhalsfrakturen „durchs Schlüsselloch“ operiert. Die durchschnittliche OP-Zeit betrug bei einer Duokopf-Prothese 72 Minuten, bei ei-
ner Totalendoprothese (TEP) 100 Minuten – inklusive Zementaushärtungszeit. „Im Vergleich zum herkömmlichen Operationsverfahren haben wir keine erhöhten Komplikationsraten festgestellt“, erklärte der
Unfallchirurg. In 0,3 Prozent der Fälle lockerte sich
die Prothese, bei einem Prozent kam es zu Infektionen, Hämatome entwickelten sich bei zwei Prozent
der Patienten. Ein wesentlicher Einflussfaktor für das
Behandlungsergebnis ist der Operationszeitpunkt.
Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU)
sieht in ihrer Leitlinie eine operative Versorgung innerhalb von 24 Stunden vor. Werden Patienten erst
verzögert operiert, gibt es vermehrt Komplikationen
sowie eine Zunahme von Pneumonien, Thrombosen
und Dekubiti – die kritische Grenze liegt bei 48 Stunden. Die Vorgabe der Externen Qualitätssicherung
sieht vor, dass nicht mehr als 15 Prozent der Patienten länger als zwei Tage auf einen Eingriff warten
dürfen. „Eine ganze Reihe von Krankenhäusern halten diese präoperativen Verweildauern jedoch nicht
ein“, bemängelte Prof. Rüdiger Smektala aus Bochum beim Orthopädiekongress in Berlin. Bundesweit sind im vergangenen Jahr 10,7 Prozent der Patienten später, als es die Leitlinien vorsehen, operiert
worden. Insbesondere in den Flächenländern lasse
die Versorgung aufgrund fehlenden Fachpersonals
zu wünschen übrig, so Smektala: „Patienten, die Freitagnachmittag aufgenommen werden, können dann
erst am Montag operiert werden.“ So etwas passiere
in Lübeck nicht, erläuterte Paech auf Nachfrage. „Wir
sind als Uniklinik personell besser ausgestattet und
können auch nachts operieren.“ Gleichwohl werde
auch hier die 48-Stunden-Frist nicht immer eingehalten. Der Grund für die Verzögerung liegt in der Regel jedoch nicht bei den Chirurgen: Viele Patienten
haben wegen ihrer internistischen Vorerkrankungen
eine medikamentös bedingte Störung der Blutgerinnung, die zunächst unter Kontrolle gebracht werden
muss.
Uwe Groenewold
Ausgabe 12 | Dezember 2010 51
Medizin und Wissenschaft
Neuroendokrine Tumoren
Eine Herausforderung für die
interdisziplinäre Zusammenarbeit
Grundzüge der Diagnostik und Therapie neuroendokriner Tumoren. Die
Erkrankungshäufigkeit nimmt deutlich zu – Folge erhöhter Aufmerksamkeit?
Vor mehr als hundert Jahren schlug Siegfried Oberndorfer den Begriff „Karzinoid“ für eine spezielle Tumorentität vor, die er im Dünndarm beobachtet hatte und die er auch „Geschwülstchen“ nannte1,2. Er
wollte damit den Unterschied dieser Tumoren zu den
„echten“ Karzinomen ausdrücken. „Neuroendokrin“
werden die Tumoren genannt, weil sie sich von Zellen ableiten, welche einerseits die morphologischen
und funktionellen Charakteristika von endokrinem
Gewebe zeigen, gleichzeitig aber Antigene exprimieren, die in Nervenzellen vorkommen, wie z.B. Synaptophysin, Chromogranin A, B und C und neuronspezifische Enolase3.
Der Begriff „neuroendokrine Tumoren“ umfasst ein
breites Spektrum hochkomplexer Erkrankungen; im
vorliegenden Artikel sollen die Besonderheiten dieser Tumorentität herausgearbeitet und die Grundzüge der Diagnostik und Therapie dargestellt werden.
Die einzelnen Erkrankungen zu diskutieren würde allerdings den vorgegebenen Rahmen sprengen, sodass wir für diese Einzelheiten auf die einschlägige
Literatur, insbesondere auf die Leitlinien der European Society for Neuroendocrine Tumors (ENETS)
verweisen (s.u.).
Von der Erstbeschreibung neuroendokriner Tumoren bis zu unserer heutigen Auffassung dieser Tumorentität lassen sich die folgenden Meilensteine
benennen:
1930 Beschreibung des Karzinoid-Syndroms durch
Cassidy4
1952-Isolierung einer die Blutgefäße kontrahierenden
1955 Substanz als „Serotonin“5
1955 Beschreibung des Zollinger-Ellison-Syndroms6
1958 Beschreibung des Verner-Morrison-Syndroms7
1963 Erste Klassifikation von Carcinoid-Tumoren
nach der Lokalisation durch Williams und
Sandler8
2000 Überarbeitete WHO-Klassifikation9
2006, 2007 Vorschläge für ein Staging neuroendokriner Tumoren nach dem TNM-System10,11
52 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
2006, 2009 Konsensus-Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie neuroendokriner Tumoren12-23
2010 Aktualisierte WHO-Klassifikation neuroendokriner Tumoren40
Häufigkeit
Neuroendokrine Tumoren (NET) sind selten. In
Deutschland werden ein bis zwei Neuerkrankungen
auf 100.000 Menschen pro Jahr beobachtet, was einer Zahl von 800 Neuerkrankungen/Jahr entspricht.
Für Schleswig-Holstein ist demnach bei ca. 2,8 Millionen Einwohnern mit einer Inzidenz von ca. 25-55
Fällen pro Jahr zu rechnen. Die Erkrankungshäufigkeit zeigt aber eine deutlich zunehmende Tendenz,
was möglicherweise an der gesteigerten Aufmerksamkeit für diese Tumorentität liegt.
Systematik
Einteilung nach der Lokalisation: Neuroendokrine Tumoren können, entsprechend dem ubiquitären Vorkommen des neuroendokrinen Zellsystems,
überall im Körper entstehen. Die am häufigsten angetroffenen Lokalisationen sind mit ca. 67 Prozent
der Magen-Darm-Trakt und das Pankreas (gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumoren, GEPNET) sowie mit ca. 25 Prozent das bronchopulmonale System3. Neuroendokrine Tumoren können auch
an sehr ungewöhnlichen Lokalisationen entstehen,
so z.B. im präsakralen retrorektalen Kompartiment.
Eine auch prognostisch relevante Einteilung legt das
embryologische Herkunftsgewebe zugrunde:
Ki-67-Index (%) Mitosen/HPF Gradeinteilung
<2
<2
G1
2-20
2-20
G2
>20
>20
G3
Tab. 1: Gradeinteilung (Grading) von GEP-NET
(mod. nach11)
Medizin und Wissenschaft
 Vorderdarm (foregut): Lunge, Ösophagus, Magen, Pankreas und Duodenum bis zum Treitzschen Band
 Mitteldarm (midgut): Jejunum, Ileum, Appendix,
Coecum, Colon ascendens
 Hinterdarm (hindgut): Restdickdarm ab rechter
Flexur.
Zu den neuroendokrinen Tumoren zählen auch das
medulläre Schilddrüsenkarzinom, das Phäochromozytom und der Merkelzell-Tumor (ein hochaggressiver, seltener Hauttumor). Darüber hinaus kennt man
gemischte
neuroendokrine/nicht-neuroendokrine
Tumoren, wie zum Beispiel das goblet-cell-Karzinoid, einen schleimbildenden Tumor der Appendix,
oder das gemischt medullär/follikuläre Schilddrüsenkarzinom24,25. In dieser Übersicht sollen jedoch
schwerpunktmäßig die GEP-NET diskutiert werden.
Einteilung nach pathologisch-anatomischen Kriterien
Die bis vor Kurzem gültige WHO-Klassifikation von
2000 9 traf folgende Unterteilung:
 hoch differenzierter neuroendokriner Tumor (1a)
 hoch differenziertes neuroendokrines Karzinom
(1b)
 niedrig differenziertes neuroendokrines Karzinom
(2).
Die aktualisierte WHO-Klassifikation aus 2010 wurde kürzlich anlässlich des 5. interdisziplinären NETSymposiums in Düsseldorf durch Herrn Prof. Klöppel
vorgestellt und diskutiert. Sie führt nunmehr den Terminus „Neuroendokrine Neoplasie (NEN)“ als Oberbegriff ein. Die weitere Aufteilung erfolgt dann in
 gut differenzierter neuroendokriner Tumor (G1)
 gut differenzierter neuroendokriner Tumor (G2)
 Schlecht differenziertes neuroendokrines Karzinom (G3)
- kleinzellig
- großzellig
 Gemischtes adenoneuroendokrines Karzinom
(mixed adenoneuroendocrine carcinoma, MANEC)
Problematisch und etwas verwirrend ist der Gebrauch des Begriffs „„Karzinoid“. Nach der WHOKlassifikation von 2000 sollte dieser Ausdruck für die
pathologisch-anatomische Zuordnung nicht mehr
verwendet werden; er wurde und wird im Zusammenhang mit dem „Karzinoid-Syndrom“, einem Serotonin-Hypersekretionssyndrom (s.u.) jedoch auch
weiterhin benutzt. Im angloamerikanischen Raum
wird der Begriff „carcinoid“ derzeit noch synonym
mit „neuroendokriner Tumor“, also für die (gut differenzierten) G1- und G2-Tumoren gebraucht.
Wie für andere Malignome wurde inzwischen auch
für die GEP-NET ein TNM-Staging- und ein Grading-System entwickelt10,11. Auf die Einzelheiten der
TNM-Klassifikation kann im Rahmen dieses Artikels
nicht eingegangen werden; es sollte jedoch erwähnt
werden, dass derzeit zwei TNM-Klassifikationsvorschläge nebeneinander existieren (ENETS 2007 und
UICC 2009), die bei neuroendokrinen Neoplasien
der Appendix und des Pankreas nicht übereinstimmen; sie sollten also im Einzelfall beide angegeben
werden (Klöppel, 5. interdisziplinäres NET-Symposium in Düsseldorf, 13.11.2010).
Das Grading-System soll wegen seiner unmittelbaren Relevanz für die Einteilung (s.o.) und somit auch
für Therapieentscheidungen hier kurz dargestellt
NET
Leitsymptome
Biochemische Diagnostik
Insulinom
Nüchtern-Hypoglykämie
Nüchtern-Glukose, Insulin, Fastentest,
verlängerter OGTT
Karzinoid-Syndrom
Diarrhoe, Flush, Bronchospasmus
5-OH-Indolessigsäure im 24-Std.-Urin
WDHH-Syndrom (VIPom) Wässrige Diarrhoe, Hypokaliämie
VIP-Konzentration im Plasma
Gastrinom
Rezidivierende Ulcera, Diarrhoe
Gastrin, Säuresekretionsanalyse, Sekretintest
Glucagonom
Nekrolytisches migratorisches Erythem, Glucagon-Konz. im Plasma, AminoGewichtsverlust, diabetogene Soffwech- säuren im Plasma (Hypoaminoacidäsellage
mie, vor allem Glycin und Alanin)
Somatostatinom
Hyperglykämie, Cholelithiasis,
rhoe, Steatorrhoe
Diar- Somatostatin i. Plasma
Tab. 2: Funktionell aktive GEP-NET und ihre Leitsymptome
Ausgabe 12 | Dezember 2010 53
Medizin und Wissenschaft
werden. Es wird dabei die Proliferationsrate in Prozent (Auszählung der Mitosen pro high power field
[HPF] und/oder der immunhistochemische Nachweis des Proliferationsmarkers Ki76/MIB1 herangezogen (Tab. 1). G1- und G2-Tumoren gelten als gut
differenziert, G3-Tumoren als schlecht differenziert.
Neuroendokrine Tumoren können extrem hohe Proliferationsraten aufweisen und erfordern dann eine rasche Entscheidung zur Chemotherapie, analog etwa
zur Behandlung des kleinzelligen Bronchialkarzinoms. Auch G2-Tumoren können klinisch aggressiv
verlaufen und sollten nicht starr nach den Schemata für gut differenzierte Tumoren behandelt werden;
hier ist immer der Einzelfall genau zu prüfen.
Einteilung nach funktioneller Aktivität
NET können hormonelle Hypersekretionssyndrome mit typischer Symptomatik verursachen; diese
Subgruppe wird „funktionell aktiv“ genannt. Der immunhistochemische Nachweis einer Hormonsynthese, z.B. Gastrin, reicht dafür nicht aus. Tab. 2 zeigt
die funktionell aktiven GEP-NET, ihre Leitsymptome
und die Möglichkeiten der biochemischen Diagnostik. Gelegentlich zeigen GEP-NET eine paraneoplastische Hormonproduktion, z.B. adrenocorticotropes
Hormon (ACTH) oder growth hormone releasing
hormone (GHRH), was zum klinischen Bild eines
Cushing-Syndroms bzw. einer Akromegalie führt.
Um den Einzelfall möglichst genau charakterisieren
zu können, sollten mindestens die folgenden Informationen vorliegen:
 Lokalisation
 TNM-Stadium
 Gradeinteilung
 Funktionalität
Diagnostik
GEP-NET bleiben oft über Jahre unerkannt, weil die
Beschwerden zunächst unspezifisch sind und als
funktionelle Störung fehlgedeutet werden. Für Serotonin produzierende Tumoren, die ein KarzinoidSyndrom verursachen, wird der in Abb. 1 dargestellte zeitliche Ablauf angenommen26. Wenn die korrekte Diagnose gestellt wird, liegt häufig bereits ein metastasiertes Stadium vor. Dies gilt vor allem für die
funktionell inaktiven GEP-NET.
Funktionell aktive NET, die ca. 1/3 der NET ausmachen, können wegen ihrer sehr typischen Symptomatik und der Möglichkeit, das exzessiv produzierte Markerhormon im Blut oder im Urin zu messen,
leichter erkannt werden (Tab. 2).
An die klinische und biochemische Diagnostik schließen sich die bildgebenden Verfahren an, die neben
den konventionellen radiologischen Schnittbild-Methoden immer auch die Anfertigung einer Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie einschließen sollte27.
Hierbei stehen für die nuklearmedizinische, funktionelle Bildgebung die bekannte In-111-Octreotidszintigraphie sowie die Tc-99m markierte Tectrotydszintigraphie zur Darstellung des Somatostatinrezeptorbesatzes zur Verfügung. Neben den planaren Szintigraphien werden vor allem die SPECT-Auswertun-
Abb. 1: Mutmaßlicher
zeitlicher Verlauf eines
funktionell aktiven NET
am Beispiel des Carcinoid-Syndroms (mod.
nach26)
54 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Medizin und Wissenschaft
Abb. 2: Ga-68 DOTATATE PET/CT einer 19-jährigen jungen Frau mit einem hepatisch und lymphogen metastasiertem malignen Phäochromozytom der linken Nebenniere.
Bild 1: 3D MIP Ga-68 DOTATATE PET-Untersuchung
Bild 2: Coronare Schnittebene Ga-68 DOTATATE PET/CT-Untersuchung mit semiquatitaver Auswertung
(SUV = standardised uptake value)
gen für die Diagnostik verwendet. Die Aussagekraft
der oben genannten Untersuchungen wird durch
eine zusätzliche Bildfusion mit morphologischen
Bildern, beispielsweise in Form von CT- oder MRTUntersuchungen, weiter erhöht. Neue bildgebende
Systeme wie die SPECT/CT ermöglichen heute eine
primäre Koregistrierung von anatomischer und funktioneller Bildgebung in einem Untersuchungsschritt.
Sie verkürzen auf diese Weise die Lokalisationsdiagnostik und erlauben darüber hinaus eine Aussage
über mögliche Therapieoptionen wie beispielsweise
die systemische Peptidrezeptor-Radionuklidtherapie
(PRRT) mit Y-90- bzw. Lu-177- (ß-Strahler) markiertem DOTATATE.
Die sensitivste bildgebende Methode zum Nachweis
Somatostatinrezeptor (SSTR)-exprimierenden Gewebes scheint derzeit die 68-Ga-DOTA-NOC-PET/CT mit
Hybridscannern zu sein28 (Abb. 2). Leider wird diese
Methodik derzeit nur an wenigen Zentren vorgehalten.
Zur Lokalisation des Primärherdes bei metastasierten GEP-NET erfolgt zusätzlich eine Hohlraumdiag-
nostik mit Endoskopie, ggf. MR-Sellink, Kapselendoskopie, ggf. Doppelballon-Enteroskopie (Push-andPull-Enteroskopie).
Falls mithilfe dieser Methoden keine sichere Zuordnung der Erkrankung oder Identifikation eines Primärherdes möglich ist, bietet sich an, über eine Leberbiopsie zur Diagnose zu gelangen. So deutet
z.B. der positive Nachweis von Serotonin mit hoher
Wahrscheinlichkeit auf einen Primärherd im terminalen Ileum, wohingegen der Nachweis von Gastrin für
einen Primarius in Duodenum oder Pankreas und die
Expression von Glucagon und/oder pankreatischem
Polypeptid für eine Primärlokalisation im Pankreas
spricht 23,29.
Therapie
Allgemeines: GEP-NET unterscheiden sich bezüglich Therapienotwendigkeit und -möglichkeit deutlich von anderen gastrointestinalen Neoplasien.
Zum einen handelt es sich bei den gut differenzierten GEP-NET of um langsam wachsende TumoAusgabe 12 | Dezember 2010 55
Medizin und Wissenschaft
ren, die auch ohne Therapie über Jahre kaum progredient sind. Zum anderen liegen wegen der vergleichsweise kleinen Fallzahlen nur wenige prospektive randomisierte placebokontrollierte Studien vor.
Dennoch sind in den vergangenen Jahren im Rahmen von Konsensuskonferenzen Empfehlungen erarbeitet worden, die für die praktische Arbeit äußerst
hilfreich sind10-23,27.
Von großer Bedeutung ist die Diskussion jedes Einzelfalles in einem interdisziplinär zusammengesetzten (NET)-Tumorboard. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass für die bei Diagnosestellung oft fortgeschrittenen Tumore zahlreiche Therapiemodalitäten
zur Verfügung stehen, deren Stellenwert für jeden
Einzelfall diskutiert werden muss. Ein solches Tumorboard sollte folgende Disziplinen umfassen:
 Innere Medizin/Endokrinologie
 Innere Medizin/Internistische Onkologie
 Nuklearmedizin
 Chirurgie
 Pathologie
 Diagnostische und interventionelle Radiologie
 Strahlentherapie.
Das Tumorboard legt anhand von SOPs (standard
operating procedures), die ihrerseits die aktuellen
Leitlinienempfehlungen widerspiegeln sollten, das
Vorgehen im Einzelfall fest und dokumentiert dieses.
Die neueren Entwicklungen auf diesem Gebiet haben wir kürzlich an anderer Stelle dargestellt und
nehmen im Folgenden darauf Bezug30.
Die wesentlichen Therapieziele, über die man sich
Klarheit verschaffen muss, sind in Abb. 3 dargestellt.
Eine Heilung kann bei neuroendokrinen Tumoren
nur durch eine Operation, inklusive der operativen
Entfernung von Metastasen, in Einzelfällen ergänzt
Operation, Re-Operation
Metastasenchirurgie
Lebertransplantation in
Einzelfällen
Biotherapie (Somatostatin-Analoga, INF- ∂)
Radiorezeptortherapie
Chemotherapie
Perkutane Ethanol-Injektion (PEI)
Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
Selektive Interne RadioTherapie (SIRT)

Heilung

Symptomkontrolle
Verbesserung
der Lebensqualität
Verlangsamung des Tumorwachstums
Abb. 3: Therapieziele bei der Behandlung von GEPNET
56 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
durch eine Lebertransplantation, erzielt werden.
Auch bei einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium sind die chirurgischen Therapieoptionen stets
sehr sorgfältig zu prüfen, da sich die Prognose in
bestimmten Fällen durch chirurgische Maßnahmen
(Debulking) verbessern lässt. Für die Linderung von
Hormonexzess-Symptomen und die Verbesserung
der Lebensqualität stehen mit den sog. Biotherapeutika (Octreotid, Lanreotid, Interferon-∂ wirksame Medikamente zur Verfügung. Meistens ist ein multimodaler Therapieansatz erforderlich, der auch die Optionen der modernen interventionellen Radiologie
umfasst (Abb. 3).
Kürzlich konnte in einer großen multizentrischen randomisierten placebokontrollierten Studie zum Einsatz von Octreotid als Depot-Präparat erstmals gezeigt werden, dass die Substanz zumindest bei Midgut-Tumoren auch einen antiproliferativen Effekt hat.
Eine Interimsanalyse der sog. PROMID-Studie führte
zu dem Ergebnis, dass Octreotid LAR das progressionsfreie Überleben signifikant von sechs Monaten
auf im Median 14,3 Monate verlängert31. Dies galt für
funktionell aktive, aber auch für inaktive GEP-NET
und war insbesondere für Patienten mit niedriger hepatischer Tumorlast nachweisbar, was für einen frühzeitigen Einsatz der Substanz spricht.
Unter den neuen pharmakologischen Entwicklungen auf dem Sektor Biotherapeutika ist Pasireotide
(SOM230) zu nennen, ein Somatostatin-Analogon
mit hoher Affinität zu den Somatostatin-Rezeptoren
1, 2, 3 und 5. Die Substanz könnte eine Option für Patienten mit Karzinoid-Syndrom sein, deren Symptomatik auf Ocreotid nicht ausreichend anspricht 32. Interessant ist auch die Gruppe der sog. Dopastatine,
bei denen es sich um chimäre Substanzen handelt,
die sowohl Dopamin- als auch Somatostatin-Rezeptoren ansprechen33.
Eine Chemotherapie für neuroendokrine Tumoren
nutzt nach wie vor vor allem die langjährig eingesetzten Kombinationen von Streptozotozin (STZ) mit Doxorubicin und/oder 5-Fluoruracil (5-FU)34. Hauptindikation sind inoperable maligne Pankreas-NET mit
niedriger bis moderater Proliferationsaktivität, wenn
eine Biotherapie nicht mehr greift35.
Die Kombination Cisplatin+Etoposid wird für niedrig
differenzierte NET angewandt35. Dacarbazin (DTIC)
hat eine mögliche Indikation bei inoperablen malignen Pankreas-NET, wenn Biotherapeutika sowie die
Kombinationstherapien mit STZ nicht mehr effektiv
sind. Neuere Chemotherapeutika, die ebenfalls bei
Medizin und Wissenschaft
GEP-NET eingesetzt wurden, sind Temozolomid,
Oxaliplatin und Capezitabine.
Eine weitere neue Möglichkeit ergibt sich durch die
Kombination des mTOR-Inhibitors RAD001 (Everolimus) mit Octreotid LAR bei fortgeschrittenen niedrig- und mittelgradig differenzierten neuroendokrinen Tumoren unterschiedlicher Lokalisation. Dabei
lagen die 1-, 2- und 3-Jahres-Überlebensraten bei 83
bzw. 81 bzw. 78 Prozent 36.
Nuklearmedizin
Die Peptidrezeptor-Radionuklidtherapie (PRRT)
macht sich die Tatsache zunutze, dass neuroendokrine Tumoren in ca. 90 Prozent der Fälle Somatostatin-Rezeptoren überexprimieren, im Wesentlichen
den Subtyp 2 (sst2). Somit kann durch Applikation
von Somatostatin-Analoga, an die ein Radionuklid
gekoppelt ist (z.B. Yttrium-90- oder Lutetium-177-DOTATATE) über die emittierte Betastrahlung ein therapeutischer Effekt erzielt werden. Dabei ist besonders
vorteilhaft, dass die Rezeptordichte im Tumor sehr
viel höher ist als im gesunden Gewebe und dass der
Rezeptor-Ligand-Komplex nach Bindung in die Zelle
internalisiert wird und dort für lange Zeit verbleibt 37.
Diese Behandlung stellt eine vielversprechende Option für Patienten mit inoperablen und/oder metastasierten hoch differenzierten GEP-NET dar27. Die systemische PRRT kann je nach klinischer Notwendigkeit und unter Berücksichtigung der Nierenfunktion
und des Blutbildes wiederholt werden (maximal drei
bis vier Radionuklidtherapien). Im Vergleich zu historischen Kontrollen erreicht man eine Tumorregression bei einem beachtlichen Teil der Patienten (38).
Ob die PRRT, insbesondere mit Lutetium-177-DOTATATE, im Vergleich mit anderen modernen Behandlungsverfahren (Chemotherapie, „kalte“ Somatostatin-Analoga-Therapie, Interferon) wirksamer ist, müssen randomisierte Vergleichsstudien zeigen37.
Die Radiorezeptortherapie wird nach entsprechenden Voruntersuchungen (u.a. Nieren-Szintigraphie)
stationär durchgeführt. Durch Verabreichung von
Aminosäure-Infusionen kann die Nephrotoxizität gering gehalten werden. Nach der Therapie müssen
die Nierenwerte und das Blutbild engmaschig kontrolliert werden.
Ein weiteres nuklearmedizinisches Therapieverfahren, das interdisziplinär mit den interventionell tätigen Radiologen durchgeführt wird, ist die Selektive
Interne Radio-Therapie [SIRT]. Hierbei werden Mikrosphären mit dem ß-Strahler Y-90 beladen und über
Kathetersysteme selektiv in die tumor- bzw. metastasenversorgenden Arterien der Leber appliziert.
Interventionelle Radiologie
Die weiteren in Abb. 3 aufgelisteten interventionellradiologischen Verfahren (perkutane Ethanol-Injektion [PEI], transarterielle Chemoembolisation [TACE],
Radiofrequenzablation [RFA]) kommen im Wesentlichen bei der Therapie von Lebermetastasen zum
Einsatz und haben hier das Arsenal der therapeutischen Möglichkeiten deutlich erweitert, wenn chi­
rurgische Optionen nicht zur Verfügung stehen. Sie
können auch in Kombination mit operativen Maßnahmen zur Anwendung kommen.
Lebertransplantation
Bei diffuser Lebermetastasierung mit über 50 Prozent Tumorvolumen in der Leber kann in Einzelfällen
die orthotope Lebertransplantation in Betracht gezogen werden, ggf. sogar als multiviszerale Transplantation39.
Symptomorientierte Therapie
Schließlich sollte noch erwähnt werden, dass trotz
des beschriebenen breiten therapeutischen Arsenals auch eine symptomorientierte Therapie (z.B.
Protonenpumpenhemmer beim Gastrinom oder Diazoxid beim Insulinom) einen hohen Stellenwert hat.
Literatur bei den Verfassern oder im Internet unter
www.aeksh.de
Prof. Dr. Heiner Mönig (Klinik für Innere Medizin I,
UK S-H Kiel), Dr. Christian Hubold (Medizinische Klinik I, UK S-H Lübeck), Dr. Ulf Lützen (Klinik für Nu­
klearmedizin, UK S-H Kiel), Prof. Dr. Jörg T. Hartmann
(Klinik für Innere Medizin II, UK S-H Kiel), Prof. Dr.
Dieter C. Bröring (Klinik für Allgemeine Chirurgie und
Thoraxchirurgie, UK S-H Kiel) PD Dr. Carsten Schrader (Klinik für Innere Medizin II, UK S-H Kiel), Prof.
Dr. Stefan Schreiber (Klinik für Innere Medizin I, UK
S-H Kiel)
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Heiner Mönig, Klinik
für Innere Medizin I, UK S-H Kiel, E-Mail heiner.moenig@uk-sh.de
Ausgabe 12 | Dezember 2010 57
Medizin und Wissenschaft
Orthopädie und Unfallchirurgie
Endoprothesenregister soll zu
höherer Sicherheit beitragen
Bericht vom Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin.
Risikominimierung bleibt Herausforderung, Nachwuchs wird dringend gesucht.
„Mehr Sicherheit für Patienten“ lautete ein zentrales
Motto des Deutschen Kongresses für Orthopädie
und Unfallchirurgie, an dem Ende Oktober in Berlin
mehrere Tausend Fachärzte teilgenommen haben.
Neun der zehn häufigsten Diagnosen, die Patienten
veranlassen, einen Antrag auf ärztlichen Behandlungsfehler zu stellen, sind aus dem orthopädischunfallchirurgischen Bereich. Die Fachärzte arbeiten
deshalb seit Jahren intensiv daran, Risiken für Patienten zu minimieren und deren Zufriedenheit mit Behandlungsverfahren zu optimieren.
Ein weiterer Schritt in diese Richtung soll die Implementierung eines Endoprothesenregisters sein, erklärte Prof. Norbert Hassenpflug, leitender Orthopäde am UK S-H, Campus Kiel. Daten zur Häufigkeit
von Gelenkoperationen werden schon heute erfasst.
Um jedoch den Langzeitverlauf einer Endoprothesenimplantation beurteilen zu können, ist eine umfangreiche Datenbank nötig, so Hassenpflug: „Diese muss neben Routinedaten der Kliniken auch Informationen über den Patienten sowie Produktdaten
der Hersteller enthalten.“
Etwa 390.000 künstliche Hüft- und Kniegelenke werden derzeit jährlich in Deutschland eingesetzt. „Wir
registrieren schon seit Jahren eine erhebliche Zunahme von Hüft- und Kniegelenksoperationen, die
sowohl medizinischen Altlasten vergangener Jahre als auch dem demografischen Wandel geschuldet sind“, sagte Kongresspräsident Dr. Daniel Frank.
Immer mehr ältere Patienten mit Spätfolgen unbehandelter Gelenkfehlstellungen aus vergangenen
Jahren gewinnen mit diesen Eingriffen ihre verlorene Lebensqualität zurück. Dies sei insgesamt zu begrüßen, führe jedoch zu immensen Kosten, so Frank.
„Die Implantation einer neuen Hüfte kostet die Krankenkassen im Schnitt 7.626 Euro, was zu jährlichen
Ausgaben von bis zu 1,6 Milliarden Euro führt.“ Addiert man die Behandlungskosten für die Knieendoprothetik, komme man auf einen Betrag von etwa 3,5
Milliarden Euro. Frank: „Um diese Kosten zu redu58 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
zieren und Patienten eine bessere Versorgungsqualität zu bieten, ist es notwendig, die klinische Struktur- und Prozessqualität zu verbessern. Ein Endoprothesenregister soll dies möglich machen.“ Bereits seit einigen Jahren werden klinische Daten zur
Hüft- und Kniegelenkendoprothetik über die Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS) erfasst, deren Aufgaben inzwischen das AQUA-Institut übernommen hat. Diese beziehen sich jedoch
ausschließlich auf die stationäre Versorgung, Langzeitverläufe werden bislang nicht erfasst. Gemeldete produktbezogene Fehler an den Implantaten verursachen bis zu 300 Revisionsoperationen im Jahr.
Da es jedoch keine Daten zu patientenbezogenem
Implantatversagen gebe, das etwa durch Fehlbelastungen verursacht wird, ist die Dunkelziffer solcher
Wiederholungseingriffe deutlich höher, vermuten die
Experten.
Im kommenden Jahr soll das gemeinsam von Ärzten, Krankenkassen und Implantatherstellern initiierte „Deutsche Endoprothesenregister“ auf den Weg
gebracht werden. In anderen Ländern wie Schweden, Kanada und Australien hat es bereits zu einer
deutlichen Abnahme von Nachoperationen und Gesundheitsausgaben geführt. Mit dem Register können auffällige Krankenhäuser besser identifiziert und
einer genaueren Analyse unterzogen werden; auch
lässt sich die Qualität von Prothesen direkt miteinander vergleichen. Zudem wird es möglich sein, gezielt fehlerhafte Produkte vom Markt zu nehmen.
„Der Mehrwert für Krankenkassen, Patienten und
Krankenhäuser liegt auf der Hand“, erläuterte Frank.
„Einerseits führt dies zu einer erheblichen Kostenreduktion – wovon das Gesundheitssystem profitiert:
Hochrechnungen ergeben, dass bis zu 40 Millionen
Euro eingespart werden könnten. Andererseits wird
ein hoher Standard der orthopädisch-unfallchirurgischen Versorgung in Deutschland gesichert. Kliniken
gelangen zu höherem Ansehen und Patienten zu einer zufriedenstellenden Behandlung.“ In Schweden,
Medizin und Wissenschaft
bilanzierte Hassenpflug, habe sich die Datensammlung für alle Beteiligten bezahlt gemacht: Die Revisionsrate konnte seit Einführung des Endoprothesenregisters um die Hälfte reduziert werden. Doch auch
von anderer Seite wird auf die Vermeidung ärztlicher
Behandlungsfehler gepocht: Haftpflichtversicherer
haben ökonomisches Interesse daran, dass die Zahl
der Anspruchsberechtigten nicht weiter steigt. Zwischen 1997 und 2007 ist es zu einer Verdoppelung
der gemeldeten Schadensfälle gekommen, erklärte
Dr. Carsten Wingenfeld aus Leverkusen. Laut Auskunft der in diesem Bereich marktführenden Versicherung beziffern sich die in diesem Zeitraum erfassten 83.000 Schäden auf eine Gesamtsumme
von 355 Millionen Euro. „Es liegt also ein erheblicher wirtschaftlicher Druck der Versicherungen vor,
die Fehlerquote zu vermeiden, welcher unmittelbar
an die Kliniken weitergegeben wird.“ Mit dem Critical
Incident Reporting System, das kritische Zwischenfälle im Nachhinein analysiert, und der Checkliste
Team Time Out, die vor einer Operation sicherheitsrelevante Parameter abfragt, stehen neue Methoden
zur Fehlervermeidung und -analyse zur Verfügung.
Kliniken, die ein solches Risikomanagement eingeführt haben, berichten von positiven Rückmeldungen von Patienten und von Wettbewerbsvorteilen.
„Einige Patienten haben sich, nachdem sie von dem
bei uns eingeführten Sicherheitssystem erfahren haben, bewusst für eine Behandlung in unserer Klinik
entschieden“, sagte Wingenfeld.
Ein weiteres Kongressthema waren der Fachärztemangel und damit verbundene Versorgungslücken, die der Berufsverband Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) befürchtet. Immer weniger spezialisiert ausgebildete Ärzte stünden einer aufgrund
der demografischen Entwicklung stetig größer werdenden Patientenschar gegenüber, beklagte BVOUPräsident Helmut Mälzer. Mit einer besseren Nachwuchsförderung, familienfreundlicheren Arbeitsbedingungen und der Forderung nach angemessener Vergütung will der BVOU dem Trend entgegenwirken. Im vergangenen Jahr haben bundesweit nur
noch 1.339 Orthopäden und Unfallchirurgen ihre
Facharztprüfung abgelegt – dies waren 228 weniger
als noch 2007. Insgesamt praktizierten Ende 2009 in
Deutschland 3.693 Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie, darunter lediglich 329 Ärztinnen. Und
die berufliche Attraktivität scheint weiter zu schwinden: Lediglich fünf Prozent der Medizinstudenten
von heute möchten noch Chirurg werden. „Gleich-
Prof. Norbert Hassenpflug
(Foto: privat)
zeitig wissen wir, dass im Jahre 2030 etwa ein Drittel der Deutschen älter als 65 Jahre ist; von diesen
leiden viele unter behandlungsbedürftigen Erkrankungen der Haltungs- und Bewegungsorgane“, erklärte Mälzer. Umfragen zeigten, dass nicht die Fachrichtung an sich, sondern die äußeren Umstände wie
lange Arbeitszeiten, schlechte Fortbildungsmöglichkeiten und geringe Honorare abschreckend wirken.
Um den Beruf für den ärztlichen Nachwuchs attraktiver zu machen, strebt der Verband u.a. an:
 die Schaffung familienfreundlicher Arbeitsplätze,
die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, insbesondere für Ärztinnen,
 finanzielle Förderung der fachärztlichen Weiterbildung,
 attraktive, gut strukturierte Fortbildungsangebote,
 neue Lehrmodelle (Simulatortraining, webbasiertes Lernen) für den Nachwuchs,
 transparente Vergütungssysteme.
Niedergelassene Orthopäden und Unfallchirurgen
benötigen eine bessere Honorierung. Das „nicht
mehr nachvollziehbare Verteilungssystem“ habe
dazu geführt, dass bei dieser Berufsgruppe 2009
weniger Geld angekommen ist.
Der BVOU setzt sich mit gezielten Maßnahmen in
der Nachwuchsförderung und Weiterbildung für eine
Verbesserung der Situation ein und fordert hierbei
Unterstützung von der Politik. Den Medizinstudenten
von heute, die sich für eine Chirurgenlaufbahn entscheiden, versprach der BVOU-Präsident glänzende Karrieremöglichkeiten: „Die Aussichten auf eine
Oberarzt- oder Chefarztposition sind in den letzten
Jahren rapide gestiegen.“
Uwe Groenewold
Ausgabe 12 | Dezember 2010 59
Medizin und Wissenschaft
Impfschutz
Update zum Impfschutz bei
Erwachsenen im Norden
Die Initiatoren in Schleswig-Holstein hoffen auf eine ähnlich hohe Resonanz wie
im Jahr 2003, als es 12.000 Rückläufer gab.
(Foto: ©iStockphoto.com)
60 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Die Impfkampagne in Schleswig-Holstein hat von
Feb­ruar bis Dezember 2003 erstmals den Impfschutz
von Erwachsenen in der Arbeitswelt in den Mittelpunkt gestellt. In den routinemäßigen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen wurden der Impfschutz gegen Diphtherie, Tetanus, Polio, Masern,
Mumps, Röteln, Hepatitis A und Hepatitis B (Vorlage
des Impfpasses) und die Impfungen vor Ort (aktive
Leistung) dokumentiert. Es wurden 12.720 anonyme
Dokumentationsbögen ausgewertet, darunter von
4.167 Tätigen im Gesundheitsdienst (mit Impfpass:
11.260 bzw. 3.776). Die Kampagne hatte einen multifaktoriellen Nutzen und soll ab Ende 2010 bis Ende
2011 nach sieben Jahren wiederholt werden.
Ergebnisse: 1. Es gibt erstmals Erkenntnisse zum
Impfstatus der arbeitenden Bevölkerung in diesem
Bundesland in zwei Messperioden. 2. Die Akzeptanz der Mitarbeiter zur Impfung wird durch die Beratungsgespräche erhöht und wirkt auch auf Familienangehörige weiter. 3. Betriebsärzte können eine
wichtige Lücke in der Impfprävention gezielt füllen.
Die damaligen Ergebnisse 2003/04 waren: 1. Besser geimpft sind Frauen, jüngere Altersgruppen und
Tätige in Bereichen des Gesundheitsdienstes. 2. Erwachsene haben mit zunehmendem Alter einen ungenügenden Impfschutz gegen Diphtherie (55 Prozent der 50-59-Jährigen) und Tetanus (67 Prozent).
Die zehnjährigen Auffrischungen werden unzureichend wahrgenommen. 3. Wenn Impfstoff vorhanden ist, ist auch Akzeptanz vorhanden. 4. Arbeitsmedizinische Untersuchungen stellen eine wertvolle
Datenquelle für die Impfstatusüberprüfung und Impfintervention von Erwachsenen dar.
Die damaligen Ergebnisse wurden 2004 veröffentlicht1. Die Nacherhebung (Update) 2010/11.
Das geplante Projekt wird wieder getragen durch die
Arbeitsmedizinischen Dienste, einige Gesundheitsämter (Berufsschulen) und bei der jetzigen Nacherhebung mit Unterstützung der Gesetzlichen Krankenversicherungen und gemeinsam durch die Fir-
Medizin und Wissenschaft
men GlaxoSmithKline und Sanofi Pasteur MSD (Unterstützung der Auswertung). Die Nacherhebung ist
Teil der Impfkampagne SH „Gut behütet durch Impfen“ der Arbeitsgruppe Impfungen am Landesgesundheitsministerium SH (MASG). Start der Vorbereitungen war der 25. Juni 2010. Die Organisation
steht inzwischen: Erfassung durch den Landesverband der Betriebs- und Werksärzte Schleswig-Holstein und Auswertung durch Mitglieder der AG Impfungen am Landesgesundheitsministerium SH. Die
anonyme Erfassung des Impfschutzes durch die Arbeitsmedizinischen Dienste nach vorgelegtem Impfpass erfolgt jetzt über ein elektronisches Dokumentationsformular (PC-Maske mit fast unveränderten
Grundabfragen wie 2003/04, jedoch wird neu die
Impfung gegen Pertussis aufgenommen) zur Weiterleitung an die zentrale Auswertung unter www.impfkampagne.de. Dabei werden auch die durchgeführten Impfungen (freiwilliges Angebot an die Mitarbeiter) dokumentiert (entsprechend der aktuellen STIKO-Empfehlung).
Nach Abschluss des Vertrages, der zum Redaktionsschluss zu erwarten war, wird der Verband der Deutschen Betriebs- und Werksärzte (VDBW) alle Betriebsärzte anschreiben, die Prozedur erläutern und
das Passwort bekannt geben. Wer das Schreiben
nicht erhält, kann per Mail das Passwort anfordern
unter d.kersten@arbmed.de. Auf der Homepage ist
nicht nur das Online-Formular zur Erhebung zu finden, sondern auch alle weiteren Dokumente und Informationen. Ziele des Projektes sind:
1. Überprüfung des Impfschutzes im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen der
Mitarbeiter, die regelmäßig nach rechtlichen Vorgaben stattfinden: Hat sich der Impfschutz im
Vergleich zur Ersterhebung 2003/04 verbessert?

Ist ein Effekt der zwischenzeitlichen zahlreichen
Fortbildungen erkennbar?
2. Aktives Impfangebot zur Schließung von Impflücken (Kombinationsimpfstoffe Tetanus-Diphtherie-Keuchhusten (Pertussis) [Td-ap] bzw. Tetanus-Diphtherie-Keuchhusten-Polio [Td-ap-IPV])
im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen. Damit soll zugleich der jüngsten
Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO, Juli 2009) gefolgt werden.
3. Erreichen von Zielgruppen, die sonst nicht den
Hausarzt aufsuchen und entsprechende vektorielle Wirkung auf Familienangehörige.
Neben diesen impfpräventiven Aspekten könnte die
statistische Erhebung ein wichtiges gesundheitspolitisches Ziel fördern: Erhöhung der Impfakzeptanz
und Schließung einer Impflücke bei den gesunden
Altersgruppen zwischen 18 und 65 (oder bald 67?)
Jahren. Vielleicht kann diese Aktion dazu beitragen,
durch entsprechende Impfvereinbarungen abrechnungs- und verwaltungstechnische Hindernisse für
Haus-, Fach- und Betriebsärzte zu minimieren.
Im Jahr 2003 hatten wir 12.000 Rückläufer bei der
Aktion. Dies scheint einmalig in Europa gewesen zu
sein, denn selbst das RKI stützt sich noch auf Zahlen dieser Erhebung. Wir hoffen daher auch diesmal
auf rege Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen.
Die gesamte Aktion wird unterstützt nicht nur durch
den VDBW und das MAGS, die Landesvereinigung
für Gesundheitsförderung, sondern auch durch die
Ärztekammer Schleswig-Holstein.
Literatur bei den Verfassern oder im Internet unter
www.aeksh.de
Dr. Peter Egler, Reinbek und Dr. Hans-Martin Bader,
Flensburg
Tanzfreudige Herzpatienten suchen Arzt
Mit einem Tanzkreis für Herzpatienten und Menschen mit entsprechenden Risikofaktoren möchte die Landesarbeitsgemeinschaft Herz und Kreislauf in Schleswig-Holstein e.V. das Angebot „Herzgruppe“ auch für
die Patienten interessant machen, die mit traditionellen Bewegungsangeboten nicht erreicht werden. Voraussetzung ist die medizinische Betreuung durch einen Arzt, der insbesondere zur Beratung der Teilnehmer
hinsichtlich Lebensstil zur Verfügung stehen soll. Im März 2011 soll ein Pilotprojekt in Kiel starten, vorgesehen ist anfangs eine Gruppe, die jeden Donnerstag ab 19:00 Uhr von einem Tanzlehrer und einer Herzgruppen-Übungsleiterin betreut wird. Die vielen positiven Effekte des Tanzens könnten auch für den betreuenden Arzt Argumente sein, eine Herz-Tanz-Gruppe medizinisch zu betreuen. Weitere Informationen: Landesarbeitsgemeinschaft Herz und Kreislauf in Schleswig-Holstein e.V., Heidemarie Berke, Tel. 0431/5303136,
Fax 0431/5303138, E-Mail berke@herzintakt.net, Internet www.herzintakt.net
Ausgabe 12 | Dezember 2010 61
Fortbildungen
Arbeitsmedizin
Thema
Crashkurs „Lungenfunktionsprüfung“
27. Januar 2011, 20:00 Uhr
ConventGarten, Rendsburg
VERANSTALTER/KONTAKT
25./26. Februar 2011
VERANSTALTER/Veranstaltungsort/KONTAKT
Veranstaltungsort
Termin
Termin
Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und
Maritime Medizin, Prof. Dr. Xaver Baur, Seewartenstr. 10, Haus 1, 20459 Hamburg, Tel. 040/428894-501, Fax -514,
E-Mail xaver.baur@bsg.hamburg.de,
Internet www.uke.uni-hamburg.de/institute/
arbeitsmedizin
Fachübergreifend/Sonstige
Ärzteverein Rendsburg, Dr. Achim
Diestelkamp, Eiderstr. 55, 24768 Rendsburg, Tel. 04331/6639-66, Fax -29,
E-Mail aerzteverein-rd@web.de,
Internet www.aev-rd.de
Thema
Berliner Dopplerkurs nach DEGUM-,
DGKN- und KBV-Richtlinien - Aufbaukurs Doppler- und Duplexsonographie der
extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße
Termin
Thema
Neues in der ICD und CRT-Therapie COPD - Endosonographie - Pankreaskarzinom - Behandlung bei Wirbelsäulenerkrankungen
Termin
11. Januar 2011, 18:30 Uhr, 2 Punkte
04.-06. Februar 2011
VERANSTALTER/Veranstaltungsort/KONTAKT
Berliner Dopplerkurs, Christa Kaindlbauer,
Holsteinische Str. 26, 10717 Berlin,
Tel./Fax 030/86207565,
E-Mail info@dopplerkurs.de,
Internet www.dopplerkurs.de
VERANSTALTER/Veranstaltungsort/KONTAKT
Sana Kliniken Lübeck GmbH, Kronsforder
Allee 71-73, 23560 Lübeck, Sibylle Beringer,
E-Mail s.beringer@sana-luebeck.de
Thema
Termin
19. Januar 2011, 18:00 Uhr
Anästhesiologische Besonderheiten beim Schlaf-Apnoe Syndrom
Termin
Interdisziplinärer Kurs zur Diagnostik und
Therapie schlafbezogener Atmungsstörungen nach den BUB-Richtlinien (BUB-Kurs)
12./13. und 25.- 27. Februar 2011
Veranstaltungsort
Thema
Termin
Der Patient mit Koronarstent
Thema
23. Februar 2011, 18:00 Uhr
Asklepios Klinik Wandsbek,
Alphonsstraße 14, 22043 Hamburg,
Kleiner Speisesaal
VERANSTALTER
Norddeutsche Vereinigung für Schlafmedizin e.V., www.nvsm.de
VERANSTALTER/Veranstaltungsort/KONTAKT
KONTAKT
UK S-H, Campus Kiel, Klinik für
Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Schwanenweg 21, 24105 Kiel,
Prof. Dr. Steinfath, Tel. 0431/597-2991,
Fax -3002, E-Mail anaesthesie@uk-sh.de
Thema
Nord Service Projects GmbH,
Kongressdienst, Krögerskoppel 1,
24558 Henstedt-Ulzburg,
Tel. 04193/7576-610 oder -612, Fax -689
E-Mail info@nordserviceprojects.de
Thema
Diabetes- Update
Dementia Fair Congress 2011 (DFC)
Fortbildungen die nach Redaktionsschluss eingereicht worden, finden Sie im Internet www.aeksh.de
Alle Angaben ohne Gewähr
62 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Fortbildungen
Termin
22./23. Februar 2011
physikalische Therapie bei Kindern
Termin
VERANSTALTER/Veranstaltungsort/KONTAKT
Thema
FairCongress, Tim Siggelkow, Koldinger Str. 62, 27755 Delmenhorst,
E-Mail faircongress@gmx.de,
Internet www.dementia-fair.de
26. Januar 2011, 16:30 Uhr
299. Klinisches Kolloquium „Benötigen wir
neue Konzepte für die Prävention und
Therapie des Asthma bronchiale?“
Termin
Thema
Veranstaltungsort
25./26. Februar 2011
VERANSTALTER/KONTAKT
Termin
VERANSTALTER/Veranstaltungsort/KONTAKT
Hörsaal des Anatomischen Instituts
(Geb. N61), Birgitt Storbeck, Sekretariat/
Office Prof. Dr. A. E. Goetz, Zentrum für
Anästhesiologie und Intensivmedizin,
Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie,
Martinistr. 52, 20246 Hamburg,
Tel. 040/7410-54477, Fax -40048,
E-Mail b.storbeck@uke.de
Notfallmedizin
UK S-H, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Campus Kiel, Haus 9, Arnold-Heller-Str. 3,
24105 Kiel, Dr. Tobias Ankermann,
Tel. 0431/597-1822, Fax -1831,
Internet www.paediatrie-kiel.uk-sh.de
Psychiatrie und Psychotherapie
Thema
Patientenautonomie - Paradoxien einer
dialogischen Haltung in der Psychotherapie
Termin
15. Januar 2011
06./07. Februar 2011
VERANSTALTER/KONTAKT
Atlantic Hotel Kiel, Raiffeisenstraße 2,
24103 Kiel
VERANSTALTER/KONTAKT
Veranstaltungsort
Veranstaltungsort
Hörsaal der Universitäts-Kinderklinik,
Schwanenwerg 20, 24105 Kiel
7. WATN = Wissenschaftliches Arbeitstreffen Notfallmedizin
Termin
Thema
02. Februar 2011, 16:30 Uhr
Workshop 2011 Nervenblockaden an der
oberen und unteren Extremität
UK S-H, Campus Kiel, Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin,
Arnold-Heller-Straße 3, Haus 12, 24105 Kiel
A. Lauerwald, Kliniksekretariat Prof. Dr. M.
Steinfath, Tel. 0431/597-2991, Fax -3002,
E-Mail lauerwald@anaesthesie.uni-kiel.de
Curtius-Klinik, Neue Kampstr. 2, 23714 Bad Malente-Gremsmühlen
Norddeutsche Gesellschaft für angewandte
Tiefenpsychologie (NGaT),
Tel. 04381/409796 oder 04381/65-33,
Fax -01, E-Mail wadelssen@t-online.de,
Internet www.ngat.de
Thema
Ohne Nest keine Flügel
Termin
12. Januar 2011
Veranstaltungsort
Pädiatrie
Thema
Institut für Pädagogik, Ohlshausenstr. 75,
Hörsaal 4
VERANSTALTER/KONTAKT
298. Klinisches Kolloquium- Diagnostisches
Vorgehen bei Nahrungsmittelallergien
Termin
19. Januar 2011, 16:30 Uhr
Sekretariat des John-Rittmeister-Instituts,
Lorentzendamm 16, 24103 Kiel,
Tel. 0431/888629-5, Fax -6,
E-Mail sekretariat@john-rittmeister-institut.de
Thema
Curriculum Pädiatrie „Physiotherapie und
Ausgabe 12 | Dezember 2010 63
Gesundheits- und Sozialpolitik
Nationalsozialismus
„Der Schwachsinn überhaupt
(muß) ausgemerzt werden“
Die Rolle schleswig-holsteinischer Ärzte bei der Zwangssterilisation im Nationalsozialismus
Das ideologische Gedankengut und die Vorgeschichte der nationalsozialistischen Rassenhygiene können hier nur angedeutet werden. Arbeiten
von Charles Darwin (1809-1882),1 Ernst Haeckel
(1834-1919), Francis Galton (1822-1911) u.a. legten
die Grundlagen. Der Münchener Psychiater Emil
Kraepelin (1856-1926) verband die psychischen
Krankheiten mit der Entartungstheorie: Soziale Untauglichkeit und anlagebedingte psychopathische
Minderwertigkeit seien identisch und führten zur Entartung des Volkes.2 Alfred Ploetz (1860-1940) und
Wilhelm Schallmayer (1857-1919) prägten 1895 den
Begriff der Rassenhygiene. Das Interesse von Ploetz
war es, Deutschland zur Reinheit der Rasse zurückzuführen. Ohne „rücksichtslose Rassenhygiene“
werde man um die Zukunft „unserer Rasse“ fürchten müssen. Deswegen sei Rassenhygiene eine unbedingte Notwendigkeit; sie sei „die Lehre von den
Bedingungen der optimalen Erhaltung und Vervollkommnung“ der menschlichen Rasse. Rassenhygiene meint nach Ploetz das „Bestreben, die Gattung gesund zu erhalten und ihre Anlagen zu vervollkommnen.“3
Wenige Jahre vor Ausbruch des 1. Weltkrieges begann in Deutschland eine intensiver werdende Diskussion über die Gründe der ständigen Abnahme
der Geburtenzahlen. Als Ursachen wurden die „um
sich greifende materialistische Lebensauffassung
und die Rationalisierung des Sexuallebens“ sowie
die Verbreitung und Anpreisung empfängnisverhütender Mittel festgestellt.4 Die politische Diskussion
der Bevölkerungsfrage bewegte sich in den Folgejahren zwischen zwei Extremen. Auf der einen Seite sollten die Geburtenzahlen um jeden Preis erhöht
werden (vertreten durch die 1915 gegründete „Deutsche Gesellschaft für Bevölkerungspolitik“), auf der
anderen Seite wurde die Wahrung und Mehrung der
„wertvollen“ Erbanlagen als oberste Aufgabe gesehen (vertreten durch die Rassenhygieniker mit ihrer „Gesellschaft für Rassenhygiene“ u.a.); es ging
64 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
also im Kern um die Grundsatzdiskussion zwischen
quantitativer und qualitativer Bevölkerungspolitik.5
Der 1923 gegründete, zunächst an einer quantitativen Bevölkerungspolitik orientierte „Reichsbund der
Kinderreichen Deutschlands zum Schutze der Familie“ näherte sich Anfang der dreißiger Jahre den Rassehygienikern mehr und mehr an.
Lösung sozialer und finanzieller
Probleme durch Zwangssterilisation
Deren Vorstellungen von künstlicher Zuchtwahl,
Ausmerzung des Minderwertigen und Auslese hatten sich bald weit verbreitet und wurden bei einer
großen Zahl deutscher Ärzte konsensfähig. Für die
Lösung der sozialen Probleme bot sich die gerade
auch unter dem Aspekt der Kostenersparnis diskutierte „Sterilisierung aus eugenischer Indikation“ an.6
Noch vor der NS-Zeit kam es anhand einer im Januar 1932 erarbeiteten Stellungnahme zur Eugenik zu
Vorgaben im Preußischen Staatsrat mit der Maßgabe, dass „mit möglichster Beschleunigung die [...] für
die Pflege und Förderung der geistig und körperlich
Minderwertigen anzuwendenden Kosten auf dasjenige Maß herabgesenkt werden, das von einem völlig verarmten Volk noch getragen werden kann“.7 Humanitäre Aspekte waren gegenüber ökonomischen
Überlegungen völlig in den Hintergrund getreten.
Der Preußische Landesgesundheitsbeirat stellte am
2. Juli 1932 die Weichen für eine rassenhygienische
Sozial- und Bevölkerungspolitik.8 Dies alles geschah
noch im sozialdemokratisch regierten Preußen vor
dem „Preußenschlag“ am 20. Juli 1932, mit dem die
preußische Regierung durch einen Reichskommissar des rechtskonservativen Reichskanzlers von Papen ersetzt wurde. Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN) lag also bereits als
preußisches Schubladengesetz noch vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten vor, ohne
dass jedoch eine rechtlich fragwürdige Sterilisation
gegen den Willen der Betroffenen vorgesehen war.
Gesundheits- und Sozialpolitik
Auch in der schleswig-holsteinischen Ärzteschaft
fand eine Diskussion um die Bevölkerungspolitik
statt. Besonders die Kieler Medizinalräte, Kreisarzt
Robert Engelsmann und der Leiter des Kieler Gesundheitsamtes, Stadtmedizinalrat Franz Klose, wie
auch die Vertreter der Kieler Medizinischen Fakultät,
Georg Stertz (Psychiatrie), Alfred Schittenhelm (Innere Medizin), Willy Anschütz (Chirurgie) und Robert
Schröder (Frauenheilkunde), hatten sich bereits verschiedentlich in die Diskussion eingebracht.9 Strittig blieb bei ansonsten weitgehendem Konsens die
Frage, ob eine Sterilisation „Minderwertiger“ nur auf
freiwilliger Basis oder auch unter Anwendung von
staatlichem Zwang erfolgen sollte. Klose hatte übrigens in Kiel in den Jahren 1929 bis 1932 bereits
ohne gesetzliche Grundlage 21 Sterilisierungen mit
- wie auch immer erwirkter - Einwilligung der Frauen durch den Direktor der Kieler Universitätsfrauenklinik, Schröder, vornehmen lassen, offenbar ohne
dass dieser in der Illegitimität des Vorgehens Probleme gesehen hätte. Die Indikationsstellung erfolgte
nicht nach ärztlichen Gesichtspunkten, sondern aus
der Sicht des Sozial- und Rassehygienikers. Bei den
Frauen soll es sich um „dem Pflegeamt oder dem Jugendamt als asoziale Elemente“ bekannt gewordene Personen gehandelt haben, „die, unfähig für ihre
Kinder zu sorgen, immer neue Kinder zu Lasten der
Allgemeinheit in die Welt setzten“.10
Im Kieler Ärzteverein war am 10. Februar 1933 die
Vorlage des preußischen Landesgesundheitsbeirates beraten und ein Änderungsvorschlag von Engelsmann angenommen worden, mit dem abweichend vom Entwurf des Landesgesundheitsbeirates
die Zwangssterilisation gefordert wurde.11 Die Ärztekammer-Versammlung schloss sich in ihrer letzten
freien Sitzung am 8. März 1933 im Beisein von Vertretern der Medizinischen Fakultät Kiel an, sie folgte
dem Ärzteverein in der Forderung nach Verankerung
der Zwangssterilisation im Entwurf des preußischen
Sterilisationsgesetzes.12,13 Vereinzelt gab es jedoch
auch Stimmen, die anzweifelten, dass der Stand der
Wissenschaft schon ausreiche, um derart weitgehend in die Persönlichkeit eingreifende Maßnahmen
wie die Sterilisationen mit gutem Gewissen vornehmen zu können.14
Das Gesetz zur Verhinderung
erbkranken Nachwuchses (GzVeN)
Das am 14. Juli 1933 verabschiedete GzVeN ermöglichte die Zwangssterilisation bei „angeborenem
Robert Schröder (Quelle: Kästner, Ingrid, Thom,
Achim, 575 Jahre Medizinische Fakultät der Universität Leipzig, Leipzig 1990, Seite 236)
Schwachsinn, Schizophrenie, manisch-depressivem
Irresein, erblicher Fallsucht, erblichem Veitstanz,
erblicher Blindheit bzw. Taubheit, schwerer körperlicher Missbildung und schweren Alkoholismus“. Antragsberechtigt sollte das Opfer, also derjenige, der
unfruchtbar gemacht werden sollte, bzw. in gegebenen Fällen der gesetzliche Vertreter oder der beamtete Arzt sein. War die infrage kommende Person
Insasse einer Kranken-, Heil-, Pflege- oder Strafanstalt, konnte der Antrag auch vom Anstaltsleiter gestellt werden. Entschieden wurde von einem bei einem Amtsgericht angesiedelten Erbgesundheitsgericht, besetzt mit dem Amtsrichter als Vorsitzendem,
einem beamteten Arzt und einem weiteren „mit der
Erbgesundheitslehre besonders vertrauten Arzt“.
Als Beschwerdeinstanz war für Schleswig-Holstein
ein Erbgesundheitsobergericht in Kiel vorgesehen.
Das Verfahren vor dem Erbgesundheitsgericht war
nicht öffentlich, die als Zeugen oder Sachverständige geladenen Ärzte waren ohne Rücksicht auf ihre
Ausgabe 12 | Dezember 2010 65
Gesundheits- und Sozialpolitik
Schweigepflicht zur Aussage verpflichtet. In § 12
waren auch die Grundlagen für die Ausübung von
Zwang festgelegt: „Hat das Gericht die Unfruchtbarmachung endgültig beschlossen, so ist sie auch gegen den Willen des Unfruchtbarzumachenden auszuführen, sofern nicht dieser allein den Antrag gestellt hat. Der beamtete Arzt hat bei der Polizeibehörde die erforderlichen Maßnahmen zu beantragen. Soweit andere Maßnahmen nicht ausreichen,
ist die Anwendung unmittelbaren Zwanges zulässig.“ Das GzVeN schloss Personen als Richter oder
ärztliche Beisitzer im Erbgesundheitsverfahren aus,
wenn sie in einer früheren Phase des Verfahrens bereits beteiligt gewesen waren. So war z.B. ein beamteter Arzt, der den Antrag gestellt hatte, von der Mitwirkung an der Entscheidung ausgeschlossen. Der
Eingriff durfte auch nicht von einem Arzt vorgenommen werden, der den Antrag gestellt oder in dem
Verfahren als Beisitzer mitgewirkt hatte.15 Erweckt
das Gesetz oberflächlich betrachtet noch den Eindruck, dass auch bei den Betroffenen noch einige
Rechte, wie z.B. das Recht zur Antragstellung oder
das Widerspruchsrecht bestanden und dass ein
geordnetes Gerichtsverfahren möglich sein könnte, sieht das im Lichte der Ausführungsverordnung
zum GzVeN vom 5. Dezember 1933 schon deutlich
anders aus: Den Ärzten wurde zur Pflicht gemacht,
„erbkranke“ oder an schwerem Alkoholismus leidende Personen bei Androhung einer Geldstrafe im Unterlassungsfall beim zuständigen Amtsarzt zu melden. War der Eingriff nach Ablauf der Frist von zwei
Wochen nach der Entscheidung nicht erfolgt, sollte die betroffene Person mithilfe der Polizeibehörde,
nötigenfalls unter Anwendung unmittelbaren Zwanges vorgeführt werden. Mit der Ausführungsbestimmung wurde der Anschein der Freiwilligkeit, den das
Gesetz auf den ersten Blick noch vermittelte, aufgehoben. In Artikel 3 Absatz 4 der Ausführungsbestimmungen hieß es: „Hält der beamtete Arzt die Unfruchtbarmachung für geboten, so soll er dahin wirken, daß der Unfruchtbarzumachende selbst oder
sein gesetzlicher Vertreter einen Antrag stellt. Unterbleibt dies, so hat er selbst den Antrag zu stellen.“16
Das hieß im Klartext: Ließ sich der vom Amtsarzt als
erbkrank Erkannte nicht zum Antrag auf Sterilisation
überreden, stellte der Amtsarzt den Antrag. Von Freiwilligkeit konnte also schon nach den gesetzlichen
Bestimmungen keine Rede sein. Ähnlich war es mit
dem Widerspruchsrecht: Klose berichtet von einer
Beschleunigung des Verfahrens dadurch, dass vom
66 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Antragsteller bereits dem Antrag eine Verzichtserklärung auf das ihm gesetzlich zustehende Rechtsmittel der Beschwerde beigefügt wird, geht in diesem Zusammenhang auch auf die rechtliche Fragwürdigkeit einer solchen Erklärung ein, hält sie zur
Beschleunigung des Verfahrens jedoch für „unendlich wichtig“.17 Die 3. Verordnung zur Durchführung
der GzVeN vom 25. Februar 193518 stellte dann auch
noch den ohnehin großen Einfluss der NS-Administration auf die Benennung der ärztlichen Beisitzer sicher. Die Ärzte durften nur noch auf Vorschlag der
höheren Verwaltungsbehörden berufen werden. Damit wurde sichergestellt, dass nur Ärzte, die die Ziele
der NS-Rassenhygiene bejahten, in Erbgesundheitsgerichten tätig werden konnten.
Die Arbeit des Erbgesundheitsgerichtes Kiel
Auf das Antragsverfahren soll hier nicht eingegangen werden.19 Schaltstellen waren die Kreisgesundheitsämter. Meldungen erfolgten von angestellten
und beamteten Ärzten der Gesundheitsfürsorge, der
Gesundheitsämter, der Wehrmacht, der Krankenhäuser sowie durch niedergelassene Ärzte. 20 Obwohl eine hohe Bindung niedergelassener Ärzte an
die NSDAP und ihre Untergliederungen vorhanden
war, bestand in dieser Arztgruppe keine große Neigung, eigene Patienten dem Amtsarzt zu melden,
wobei die Allgemeinärzte sich noch zurückhaltender
zeigten als die Spezialisten. Ideologische Momente
traten gegenüber gesellschaftlichen, ökonomischen
und berufsethischen Faktoren zurück. Das gemeinsame Lebensumfeld, die finanzielle Abhängigkeit
wie auch das in der Regel enge Vertrauensverhältnis
zu den Patienten standen dem entgegen. 21
Das Erbgesundheitsgericht Kiel nahm seine Tätigkeit
am 5. März 1934 auf. Unter dem Vorsitz von Amtsrichter Dr. Franzen war mit dem beamteten Arzt Klose (seine Vertreter waren der Gerichtsmediziner Prof.
Dr. Ziemke bzw. Kloses Kollege Engelsmann) sowie
dem „anderen approbierten Arzt“ der Anthropologe
PD Dr. Löffler (mit den Vertretern Stadtarzt Dr. Weise bzw. dem niedergelassenen Arzt Dr. Hadenfeldt)
beauftragt. Löffler, habilitierter Assistent im Anthropologischen Institut der Universität, war nur kurz
im Erbgesundheitsgericht Kiel tätig, da er einen Ruf
auf den Lehrstuhl für Rassenhygiene nach Königsberg erhielt. Er war im Herbst 1932 aus tiefer Überzeugung Mitglied der NSDAP geworden, war NS-Dozentenführer der Universität, zusammen mit den Stu-
Gesundheits- und Sozialpolitik
denten und anderen Assistenten wesentlicher Motor
der „nationalen Revolution“ im Frühjahr und Sommer
1933 an der Universität und glühender Verfechter der
Rassehygiene und der Zwangssterilisation. Ähnlich
wie Klose drängte es ihn, seine ersten Erfahrungen
der Öffentlichkeit mitzuteilen. 22 Von den zwischen 5.
und 27. März beschlossenen 55 „Unfruchtbarkeitsmachungen“ erging die Entscheidung in 30 „Fällen“
wegen „angeborenen Schwachsinns“, in elf „Fällen“
wegen Schizophrenie, in zehn wegen Epilepsie sowie in vier Fällen wegen schwerem Alkoholismus. Die
mitgeteilte Kasuistik zu den Patienten lässt selbst in
dieser Anfangsphase der Durchführung des GzVeN
schon erhebliche Zweifel an der Einstufung der Indikationen zur Sterilisation als „Erbkrankheit“ zu. Klose setzt sich in seinem Beitrag im „Erbarzt“ anhand
von Zahlen (5. März bis 22. Juni 1934: 244 Anträge
sowie 244 Entscheidungen auf Sterilisierung, keine
Ablehnung!) inhaltlich mit der Frage der Freiwilligkeit auseinander und versucht bei einigen Betroffenen, den Beweis der Erblichkeit des Schwachsinns
zu führen. Er begrüßt die mit 72,5 Prozent hohe Zahl
der „freiwilligen“ Anträge, hinterfragt aber nicht das
Zustandekommen der Freiwilligkeit bei den 53,7 Prozent, die selbst einen Antrag gestellt hatten (immerhin handelte es sich hier um teilweise leicht beeinflussbare, in der Intelligenz geminderte, sozial diskriminierte Personen sowie um psychisch Kranke)
sowie bei den 18,8 Prozent, für die ein Antrag vom
Vormund, Pfleger etc. gestellt wurde. Schon das Zusammenziehen beider Zahlen zur Kategorie „freiwillige Anträge“ lässt die Absicht erkennen, die offenkundigen Schwächen des GzVeN herunterzuspielen.23 Bei Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen wurden zwar regelmäßig Gutachten von der Universitätsnervenklinik eingeholt, was bei der großen
Zahl zu einer großen Belastung der (wenigen) Assistenten der Kieler Nervenklinik führte. Auch wurde
die Krankenakte erbeten.24 Die Zeit für jede einzelne
Entscheidung war aber mit 15 Minuten unangemessen angesichts der Fülle des zu prüfenden Materials
pro vermeintlich „Erbkrankem“ und angesichts der
Folgen der Entscheidung für die Betroffenen; auch
waren die Beisitzer, die ihre Tätigkeit ehrenamtlich
neben ihrem eigentlichen Beruf ausübten, schlichtweg durch die schiere Masse in ihrer Leistungsfähigkeit überfordert. 25 Die hohe Zahl der entschiedenen
Anträge wie auch die geringe Zahl der Ablehnungen
lässt vermuten, dass die Entscheidungen in der Regel mehr mit dem Ziel einer schnellen Entscheidung
im Zweifel für die Durchführung einer Sterilisation
als patientenbezogen ergangen sind. Dies mag der
Grund dafür sein, dass sowohl Löffler als auch Klose sich bemühten, die Qualität der Entscheidungsfindung des Erbgesundheitsgerichtes herauszustellen. Die Statistik des Erbgesundheitsgerichtes Kiel
(drei weitere Gerichte gab es noch nördlich der Elbe
in Lübeck, Flensburg und Altona 26) für 1934 berichtet von insgesamt 908 Anträgen, davon 426 Männer
und 482 Frauen. Abgelehnt wurden 27, eine sonstige
Erledigung ergab sich bei 13 Fällen. Für 758 Personen, 353 Männer und 405 Frauen, wurde eine Sterilisierung angeordnet, die fehlende Zahl wurde nicht
erklärt, es dürfte sich um schwebende Verfahren gehandelt haben.27 Für die ca. 1.000 Anträge, die vom
1. März 1934 bis zum 14. März 1935 verhandelt wurden, wurden 45 Sitzungen des Erbgesundheitsgerichtetes benötigt, d.h. pro Sitzung wurden ca. 20
Anträge entschieden.28 Für 1935 berichtete der Vorsitzende des Erbgesundheitsgerichtes Kiel an den
Kieler Landgerichtspräsidenten, dass bis zum Zeitpunkt seines Schreibens, dem 14. November 1935,
892 Anträge gestellt und 572 Beschlüsse gefasst
worden waren. In 45 Fällen war es zu Beschwerden
beim Erbgesundheitsobergericht gekommen, 28
wurden zurückgewiesen, fünf abgeändert, zwölf waren noch schwebend.29
Die Durchführung der Eingriffe zur
(Zwangs-)Sterilisation in Kiel
Für die Durchführung der Eingriffe hatte die Ärztekammer Schleswig-Holstein 1935 ein Verzeichnis
sämtlicher Krankenhäuser, die für Sterilisationen infrage kamen erstellt. In Kiel waren es neben den beiden Universitätskliniken das DRK-Anscharkrankenhaus sowie die Privatkliniken Dr. Lubinus (Chirurgie),
Dr. Rehr (Chirurgie), Dr. Demme (Frauen), Dr. Koreuber (Frauen) und Dr. Robert (Frauen).30 Die Sterilisationen erfolgten fast immer operativ. Während
bei den Männern nur ein kleiner Eingriff, die Durchtrennung des Samenstranges nach einem Leistenschnitt, erforderlich war, erfolgte bei den Frauen
eine Quetschung, Durchtrennung oder teilweise Resektion des Eileiters. Der operative Eingriff, bei dem
der Zugang meist durch einen Bauchdeckenschnitt,
über den Leistenkanal oder selten die Scheide erfolgte, war deutlich größer und beinhaltete nicht selten Risiken und unerwünschte Folgen. Folgende
Zahlen geben ein Beispiel für die Größenordnungen:
Im Jahr 1937 wurden in Schleswig-Holstein 1.193
Ausgabe 12 | Dezember 2010 67
Gesundheits- und Sozialpolitik
Patienten, davon 613 Männer und 580 Frauen sterilisiert, 13 Prozent der Sterilisierungen31, also etwa
155, wurden in Kiel, davon 97 in der Universitätsfrauenklinik durchgeführt.32
Im Kieler Raum war die Universitätsfrauenklinik dominierend. Eine Kieler medizinische Dissertation
von Jana Piechatzek aus dem Jahr 2009 hat sich
mit der statistischen Auswertung der in der Universitätsfrauenklinik noch vorliegenden Krankenunterlagen von 536 sterilisierten Frauen von 1932 bis
1940 mit Schwerpunkt von 1934-1938 befasst.33
Das Durchschnittsalter der Patientinnen war knapp
26 Jahre, die jüngste war elf und die älteste 48 Jahre alt.34 Die führende Diagnose, die eine Sterilisation zur Folge hatte, war mit etwa 65 Prozent „angeborener Schwachsinn“, gefolgt von Schizophrenie mit 11,2 Prozent und „erblicher Fallsucht“ mit elf
Prozent. Nur bei einer Frau erfolgte nach dieser Arbeit die Sterilisation wegen schweren Alkoholismus.
Knapp neun Prozent der Sterilisationen erfolgten jedoch, ohne dass in den Unterlagen der Klinik hierfür
eine dem GzVeN zuzuordnende Diagnose genannt
war.35 Insgesamt sieben Patientinnen wurden durch
Röntgenstrahlen sterilisiert, möglicherweise sogar
kastriert.36 Die Operationen dauerten durchschnittlich eine halbe Stunde.37 Die Verweildauer der Patientinnen belief sich durchschnittlich auf 14 Tage,
das Maximum nach Komplikationen auf 66 Tage.38
Operationsbedingte Todesfälle gab es zwei, möglicherweise drei.39 Der o.g. Dissertation sind nähere
Angaben zu einer etwas nebulösen, aber schon eindeutig interpretierbaren Aussage im Jubiläumsband
zum 200-jährigen Bestehen der Universitätsfrauenklinik leider nicht zu entnehmen. Zitat: „[...] Bei den
Frauen wurde auch das soziale und sexuelle Verhalten bewertet. Betroffen waren Frauen, die häufig den
Arbeitsplatz wechselten, die ihre Kinder ohne Mann
erzogen, die durch individuellen Lebensstil auffielen, die sich nicht der nationalsozialistischen Norm
entsprechend verhielten und deren ‚sexuelles Verhalten auffällig’ war. Entsprechend dieser Einstellung wurden sie zwangssterilisiert. Wie in vielen anderen Universitätskliniken wurden auch in Kiel diese furchtbaren gesetzlichen Vorgaben umgesetzt.“40
Es waren aber nicht die gesetzlichen Vorgaben, die
zu diesen vom Erbgesundheitsgericht angeordneten, auch nach dem GzVeN nicht rechtmäßigen Sterilisationen führten, sondern das besonders bei Klose und Engelsmann, aber auch vielen anderen Ärzten vorliegende Verständnis, dass das GzVeN auch
68 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
dazu dienen sollte, „minderwertige“, d.h. sozial benachteiligte Personen zu sterilisieren, die in ihrem
gesellschaftlichen Verhalten den damaligen Vorstellungen nicht entsprachen und deren Sozialisierung
Mühe und Kosten zulasten der „Volksgemeinschaft“
zur Folge gehabt hätten. Diese Einstellung ebnete
wenige Jahre später unter dem irreführenden Begriff
„Euthanasie“ den Weg in einen vieltausendfachen
Krankenmord.
Die ärztlich-ethische Zulässigkeit der
Operation
Unter ideologiefreier wissenschaftlicher Sichtweise wäre auch kein wirklich seriöser Wissenschaftler damals in der Lage gewesen, bei den meisten im
GzVeN genannten Indikationen von einer sicheren
Erblichkeit zu sprechen. In einem mutigen Beitrag
hatte sich Otto Aichels41 Schüler Karl Saller, Göttingen, 1933 in der Klinischen Wochenschrift kritisch
über Feststellungen eines der damaligen Protagonisten der Rassenhygiene, Fritz Lenz, geäußert.42 Er,
der eigentlich die Rassenhygiene und die Ziele des
Nationalsozialismus befürwortende Anthropologe,
schrieb, dass praktisch tätige Ärzte den Lenzschen
Ausführungen verständnislos gegenüberstünden,
einige seiner Äußerungen seien Auswüchse der Erblichkeits- und Bevölkerungslehre, die „keine sachliche Wissenschaft“ mehr seien und über die Vererbung bestimmter Merkmale wie Hässlichkeit und
Schönheit, Mut, Dummheit, Familienzank, unglückliche Ehe u.a.m. sei entgegen den Mutmaßungen
von Lenz nichts Verlässliches bekannt. Und wörtlich:
„Was hier geboten wird, ist keine sachliche Wissenschaft mehr, und ich glaube, es ist ein einfaches Gebot der wissenschaftlichen Selbsterhaltung für die
Eugeniker, auch ihrerseits von solchen Auswüchsen abzurücken und ganz eindeutig zu erklären, daß
sie mit der Eugenik, die verwirklicht werden soll und
muss, nichts zu tun haben.“43 Die Antwort von Lenz
auf den Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit ließ an
Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: “[...] Es ist (...)
für die dringenden praktischen Aufgaben der Rassenhygiene gar nicht entscheidend, zu wissen, wie
der spezielle ERB-Gang der einzelnen Anomalien
und sonstiger Merkmale ist. Ob z.B. der Schwachsinn dominant oder recessiv, geschlechtsgebunden oder nicht, monomer oder polymer erblich ist,
ist an sich wissenswert, aber es ändert nichts daran,
dass der Schwachsinn überhaupt ausgemerzt werden muß.“44
Gesundheits- und Sozialpolitik
Es war schon anhand des Kieler Zahlenmaterials der
Jahre 1934/35 darauf hingewiesen worden, dass unter der Diagnose des „angeborenen Schwachsinns“
Sterilisationen aus einer im GzVeN nicht vorgesehenen sozialhygienischen Indikation vorgenommen
wurden. Zitat Gunter Link, Freiburg, aus dem Jahr
2002: „Die in der Anwendung des GzVeN gebräuchlichen Erbkrankheitsbezeichnungen sind nur bedingt
mit diesen Begriffen im heutigen Verständnis kompatibel. Sie sind ausschließlich vor dem Hintergrund
der zeitgenössischen Weltanschauung und Rechtsauffassung angemessen zu interpretieren. Das Erstellen einer eugenischen Sterilisationsindikation
kann keinesfalls als eine medizinische Diagnosestellung im heutigen Sinne begriffen werden. Vielmehr
handelt es sich um eine ‚sozialbiologische‘ Bewertung der Persönlichkeit, welche die ‚Brauchbarkeit‘
und den ‚Nutzen‘ des Betroffenen für die ‚Volksgemeinschaft‘ zu messen hat.“45 Dies könnte die von
Piechatzek dargestellte Zunahme der Zahl der sterilisierten „schwachsinnigen Frauen“ in den Jahren von
1935 (55,5 Prozent) über 1936 (56,8) auf 78,4 im Jahr
1937 und 73,1 im Jahr 1938 erklären.
Bei den Sterilisationen nach dem GzVeN handelte
es sich oft um vom Erbgesundheitsgericht den Patienten aufgezwungene Operationen, die von den
Patienten nicht gewollt waren, widerwillig ertragen
oder aufgrund begrenzter intellektueller Fähigkeiten
gar nicht verstanden wurden. Die Ärzte konnten eine
formale rechtliche Legitimierung für die Durchführung der Sterilisation im GzVeN sehen, die Operation durfte nach ärztlicher Berufsethik aber nur bei einem auch für den Patienten zu erkennenden Nutzen
und einem zu vernachlässigendem Risiko durchgeführt werden. Trotz aller Einschränkungen bezüglich
der Qualität der genutzten Materialien sowie auch
bezüglich der bei ihnen vorgenommenen manipulativen Eingriffe bzw. Lücken besteht kein Zweifel,
dass die Ärzte der Universitätsfrauenklinik und mit
einigen Einschränkungen bezüglich der Beweislage
auch die Ärzte der Universitätschirurgie und anderer Kieler Kliniken die Sterilisationen der nationalsozialistischen Ideologie folgend nicht im Interesse der
Patienten, sondern in der Regel gegen deren Interesse und häufig auch noch gegen deren Willen vorgenommen haben. Sie unterwarfen sich den Forderungen der Nationalsozialisten, die Gesundheit des
Einzelnen zugunsten des Wohls der „Volksgemeinschaft“ zu gefährden, wenn sie nicht sogar selbst als
„stramme Nationalsozialisten“ von der Richtigkeit
des nationalsozialistischen Paradigmenwechsels
überzeugt waren. Damit sind sie auch hier wissentlich oder unwissentlich Werkzeug der Täter geworden und haben gegen die ärztliche Berufsethik verstoßen. In den Kieler Universitätskliniken sind Hunderte von ohnehin schon stigmatisierten Patienten
körperlich geschädigt und mithilfe der rigiden Bestimmungen des Erbgesundheitsgesetzes 46 um ihre
durchaus erreichbare bürgerliche Zukunft in geordneten Familienverhältnissen gebracht worden. Zweifellos machten sich die in Zwangssterilisationen eingebundenen Ärzte einer ernsten Verletzung ihrer
ärztlichen Berufspflichten schuldig.47 Darüber hi­
naus hat es von den NS-Machthabern wohlwollend
tolerierte Verstöße selbst gegen die damaligen Gesetze durch Inanspruchnahme unzulässig weiter Interpretationsspielräume gegeben, da die Handhabung des GzVeN durch Amtsärzte und Erbgesundheitsgerichte zunehmend willkürlicher erfolgte. Dies
kann den die Sterilisation durchführenden Ärzten
nicht verborgen geblieben sein.
Die Zahl der Zwangssterilisierungen ging in Schleswig-Holstein in den Jahren 1938 (739) und 1939
(498) und mehr noch in den Kriegsjahren kontinuierlich zurück,48 jedoch wohl kaum wegen der Einsicht
in die Unrechtmäßigkeit, sondern fraglos wegen der
durch den Krieg bedingten Notwendigkeiten. In der
Nachkriegszeit hatten es die Geschädigten schwer,
Wiedergutmachung zu erlangen. Es sollte über 50
Jahre dauern, bis der Deutsche Bundestag bereit
war, 1998 in einem Gesetz die eine Unfruchtbarkeitsmachung anordnenden Beschlüsse nach dem
GzVeN aufzuheben.49
Quellen und Literatur beim Verfasser oder im Internet
unter www.aeksh.de
Dr. med. Karl-Werner Ratschko, MA, Havkamp 23,
23795 Bad Segeberg
Ausgabe 12 | Dezember 2010 69
Gesundheits- und Sozialpolitik
Dokumentarfilm
Wie sind sie so geworden? Über
den Film „Wenn Ärzte töten“
Keine Schuldeingeständnisse, nur Rechtfertigungen und Verharmlosungen: Wie
Ärzte zu erklären versuchen, warum sie der NS-Ideologie gefolgt sind.
Ein Dokumentarfilm mit dem Arzt und Gewaltforscher Robert Jay Lifton sucht nach den Bedingungen, die Ärzte im Dritten Reich zu Mördern werden
ließen.
Nach landläufiger, gut begründeter Auffassung und
schon seit der Antike verstehen sich Mediziner als
Heiler. Trotzdem waren viele Ärzte – mehr als viele
andere Akademikergruppen – von der biologischmedizinischen Vision der Nazis angetan, dass eine
Bevölkerung am ehesten zu einem gesunden Volk
werde, wenn sie ihre weniger dem Idealbild entsprechenden Mitglieder und Nachbarn auslösche. Ärzte
in Euthanasiezentren und Konzentrationslagern sind
im Dienste dieser Vision zu Mördern geworden. Was
hat sie zu ihren Taten fähig gemacht?
Dieser Frage ist der durch seine Arbeiten über die
Haft in Konzentrationslagern und Extremtraumatisierung international bekannt gewordene amerikanische Psychiater Robert Jay Lifton (84) in zahlreichen
Interviews mit ehemaligen KZ-Ärzten nachgegangen. Über Liftons Ergebnisse haben Hannes Karnick
und Wolfgang Richter nun einen Dokumentarfilm gedreht; „Wenn Ärzte töten“ (Originaltitel: „Killing Jews
for German Health“) läuft seit einem Jahr in den Programmkinos.
In Kiel hat das John-Rittmeister-Institut (JRI) den
Film in seiner Reihe „Psychoanalyse und Film“ gezeigt. Der Film über Liftons Interviewergebnisse
ist selbst ein Interview, ein gefilmtes, 90-minütiges
Lehrgespräch. „Wenn Ärzte töten“ hat weder eine
Handlung im üblichen Sinne noch zeigt er eine Kette
historischer Bilder. „Das Grauen muss der Zuschauer selbst imaginieren“, sagte Dr. Mechthild Klingenburg-Vogel vom JRI einleitend. Ein Film, der vorwiegend spricht und Vertreter der sprechenden Medizin sicher packender ansprechen dürfte als den gewöhnlichen Kinogänger.
Zum Film: Gutsituierte ältere Ärzte in vielleicht etwas dunkler, aber behaglicher Wohnsituation – so
schildert Lifton seine Interviewpartner; auffallend
70 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
häufig übrigens mit Werken von Konrad Lorenz im
Bücherregal. Liftons Interpretation dazu lautet: So,
wie Lorenz es geschafft hatte, sich vom Nazi-Ideologen zum geachteten Wissenschaftler zu wandeln, so
wollten auch die ehemaligen NS-Ärzte ihre Biographie verstanden wissen. Offene Schuldeingeständnisse sind ihm nicht begegnet, stattdessen gab es
immer wieder Verharmlosungen („Die Fotos zeigen
Luftwaffenärzte, keine Nazi-Ärzte“) und Rechtfertigungen („Bin als junger Arzt Autoritäten gefolgt“).
Den Positionswechsel vom Heiler zum Mörder – und
nach der Nazi-Herrschaft wieder zurück zum Heiler – erklärt Lifton mit einer Doppelung oder Teilung
des Selbst, dem Selbstbetrug vergleichbar. Erleichtert worden sei dieser Positionswechsel durch das
überlieferte Elitebewusstsein der Ärzteschaft, das
mit der Eliteideologie der Nazis koalieren konnte.
Die ebenfalls traditionelle Loyalität großer Teile der
Ärzteschaft (gegenüber ihrer Klinik, ihren Lehrern,
ihrer Alma Mater), verbunden mit einer an Obrigkeiten wie Staat und Militär orientierten Erziehung, habe
das Verstummen des Gewissens – zumindest während des Dienstes, denn im Urlaub war man wieder
Bürger und Familienvater – ebenfalls begünstigt. Die
Aussicht, der Wissenschaft zu dienen, wenn auch
mit grauenvollen Experimenten an Häftlingen, mag
das ihre dazu getan haben.
Klingenburg-Vogel hoffte, der Film möge für aktuelle politische Entwicklungen sensibilisieren. Das Elite-Geklingel von Finanzmanagern, Privat-Unis und
Geldadel hört sich jedoch schon wieder verdächtig
nach der Rechtfertigung von Sonderkonditionen für
besondere Menschen an. Was auf der anderen Seite
die Aufweichung der Solidarität mit den anderen –
zum Beispiel Armen, zum Beispiel teuren Kranken –
erleichtern würde.
Jörg Feldner
Gesundheits- und Sozialpolitik
Kostenmanagement
Kassen wollen nicht von der
Patientensteuerung lassen
Viele Ideen der Krankenkassen zum Fall- und Krankheitsmanagement ließen
sich nicht realisieren. Dennoch halten sie Patientensteuerung für unverzichtbar.
Zahlreiche Krankenkassen sehen trotz vieler ernüchternder Erfahrungen weiterhin Rationalisierungschancen durch Patienten- und auch die Möglichkeit einer sogenannten Providersteuerung
(„Optimierung ärztlicher Therapie“). Diesen Eindruck vermittelte die Tagung des Hamburger Beratungsunternehmens Gaia AG zum Thema „Neue
Ansätze im GKV-Kostenmanagement“ in der Hansestadt.
Neben der AOK Hessen räumte auch die Techniker
Krankenkasse (TK) – sie wurde durch Karen Walkenhorst für den verhinderten Vorstandsvorsitzenden Prof. Norbert Klusen vertreten – ein, dass sich
manche Vorstellungen zum Fall- und Krankheitsmanagement (Case-, Disease-Management DMP)
nicht realisiert hätten. Einer Studie zufolge habe
nur ein Achtel der Patienten eines DMP sein Gesundheitsverhalten positiv geändert. „Ich habe bisher nur einen einzigen (DMP-)Vertrag gesehen, der
mich wirklich überzeugt hat“, meinte AOK-Manager
Karlheinz Löw.
Patientensteuerung sei aber wichtig und Erfolg versprechend, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien, etwa ausreichende Informationstransparenz für Patienten, Ärzte und Krankenkassen. Ferner müssten „die richtigen“ Patienten in die Gruppe
eingeschlossen und die richtigen Anreize für Patienten und Ärzte gesetzt werden, so die TK.
Wie das Versorgungsmanagement durch Evidence
Based Medicine beeinflusst werde, versuchte Pharmakologe Prof. Bernd Mühlbauer vom Klinikum Bremen Mitte zu klären. Mühlbauer, Nachfolger des bekannten Pharmakritikers Prof. Schönhöfer, sagte,
über 80 Prozent aller sogenannten Innovationen der
Industrie seien fragwürdig, weil sie keinerlei zusätzlichen Nutzen böten: „Sie scheitern also schon an
der Nutzenfrage, die Kosten- bzw. Wirtschaftlichkeitsfrage kommt noch gar nicht ins Spiel.“
Eine rationale, auf möglichst hohe wissenschaftliche Evidenz (unter Einbeziehung des konkreten
Falles) gestützte Medizin fordere den Verzicht auf
eine Flut von Pseudoinnovationen. Aber auch die
Versorgungsforschung müsse mehr bieten, forderte Mühlbauer in Hamburg.
Die Rahmenbedingungen des Versorgungsmanagements und künftige Neuerungen skizzierte Dr.
jur. Rainer Hess, der allseits anerkannte unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), kurz vor seinem 70. Geburtstag.
Vier Elemente seien auf normativer Ebene für die
immer noch flächendeckende, gleichmäßige Versorgung in Deutschland wichtig:
Geregelte Kassenbeiträge, normierte Qualitätsanforderungen, die Vergütungssysteme EBM für den
ambulanten Sektor und DRG für den stationären
Bereich sowie die Konkretisierung des Leistungskatalogs durch den Gemeinsamen Bundesausschuss.
Dagegen gebe es Wettbewerbselemente bei Zusatzbeiträgen, Wahltarifen, Einzelverträgen mit Kliniken usw., eine Organisationsvielfalt für Niedergelassene (wie Berufsausübungsgemeinschaften)
und Kliniken sowie Rabattverträge mit Pharmaherstellern, machte Hess in Hamburg deutlich.
Künftige Veränderungen sieht der G-BA-Vorsitzende etwa bei sektorenübergreifenden Innovationsregelungen, bei Zuschussregelungen für Hilfsmittel
oder bei der Bildung von Kompetenzzentren. Der
gemeinsame Bundesausschuss werde, statt nur
Einzelprüfungen etwa von Arzneimitteln vorzunehmen, künftig analytisch auch ganze Versorgungskonzepte prüfen, also beim ersten Mal die gesamte
Versorgung Depressiver. Das umfasse das komplexe Gebiet, angefangen bei Bedarf und Zugang über
Organisation der Leistungsanbieter, Arzneimittel,
Therapien, Qualitätsdefizite, Effizienz bis hin zu Versorgungsdefiziten. Im Januar soll dem Plenum des
gemeinsamen Bundesausschusses ein Bericht seiner Arbeitsgruppe vorgelegt werden (siehe Deutsches Ärzteblatt Nr. 43, S. C 1796).
Horst Kreussler
Ausgabe 12 | Dezember 2010 71
Gesundheits- und Sozialpolitik
Medizinstudium
Kontroverse um Bachelor und
Master in der Medizin
Ein neues Modell in Oldenburg-Groningen bietet erstmals in Deutschland die
Möglichkeit, einen Bachelor/Master-Abschluss zu erlangen - die BÄK warnt.
„Gerade in Zeiten des Ärztemangels brauchen wir
mehr denn je gut ausgebildete Mediziner. Absolventen eines drei- bis vierjährigen Bachelor-Medizinstudiums würden dem Arbeitsmarkt zwar als vergleichsweise billige Mediziner zur Verfügung stehen, die
Versorgungsqualität der Bürger würde aber erheblich reduziert und die Probleme in der Patientenversorgung um ein Vielfaches potenziert.“
Mit diesen Worten reagierte die Prof. Jörg-Dietrich
Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, auf die
im vergangenen Monat neu aufgeflammte Diskussion um den Bachelor/Master-Studiengang in der Medizin. Anlass war eine Mitteilung des Wissenschaftsrates, mit der das Beratungsgremium von Bund und
Ländern dem deutsch-niederländischen Gemeinschaftsprojekt der European Medical School Oldenburg-Groningen zugestimmt hatte. Das Modell sieht
erstmals in Deutschland eine grenzüberschreitende
Medizinerausbildung mit Bachelor- und Masterabschluss in den Niederlanden (Groningen) und medizinischem Staatsexamen in Deutschland (Oldenburg) vor.
„Den hohen Qualitätsstandard, den die Gesellschaft
zurecht vom Studium der Medizin erwartet, kann
eine Schnellausbildung zum Bachelor-Arzt nicht erreichen“, warnte Hoppe. „Eine modulare Ausbildung
Bachelor/Master ebnet den Weg zu Medizinschulen, die der bisherigen Qualität der deutschen Hochschulausbildung nicht entsprechen können“, kritisierte der Präsident der Bundesärztekammer. Die
Aufteilung in ein zweistufiges Studiensystem fuße
auf dem Verständnis, dass man ein berufsfeldbezogenes und ein wissenschaftliches Studium nacheinander absolvieren könne. Dies konterkariere aber
die deutsche Approbationsordnung, deren Ziel es
aus gutem Grunde sei, vom ersten bis zum letzten
Semester eine tief greifende Verzahnung von theoretischen Grundlagen und klinischer Anwendung zu
erreichen. Zudem lege die Richtlinie 2005/36/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates ausdrück72 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
lich fest, dass die ärztliche Grundausbildung mindestens sechs Jahre und 5.500 Stunden theoretischen und praktischen Unterricht an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität umfasst.
Das einheitliche und hochwertige Medizinstudium
mit dem Abschluss Staatsexamen müsse deshalb
erhalten bleiben. „Unterhalb des Status der ärztlichen Approbation darf es keine Arztzulassung geben, auch und gerade nicht in Zeiten des Ärztemangels“, stellte Hoppe klar. In diesem Zusammenhang
wies er darauf hin, dass die ohnehin schon knappen
Studienplätze möglicherweise in größerer Zahl von
Bachelor-Studierenden belegt werden könnten, die
ohnehin nicht vorhätten, den Arztberuf zu ergreifen.
„Dies kann bei sich abzeichnendem Ärztemangel
sowohl im hausärztlichen wie fachärztlichen Bereich
doch nicht gewünscht sein“, sagte Hoppe.
Der niedersächsische Ministerpräsident David Mc
Allister lobte den Weg Oldenburgs dagegen als „einzigartig“. Ziel sei eine zusätzliche hochwertige medizinische Ausbildung. „Das ist aktive Vorsorge gegen
Ärztemangel und eine vorausschauende Investition
in unsere künftige Gesundheitsversorgung“, sagte
der CDU-Politiker.
Zuvor hatte das Land Niedersachsen dem Wissenschaftsrat das Konzept der geplanten Einrichtung
der European Medical School zur Begutachtung vorgelegt und eine positive Empfehlung erhalten. Auch
Niedersachsens Wissenschaftsministerin Prof. Johanna Wanka lobte: „Die Idee, einen neuen strukturellen Ansatz bei der Ausbildung von Medizinern
zu erproben, fiel nicht von Beginn an auf fruchtbaren Boden. Aufklärung und Engagement waren nötig. Heute zeigt sich: Es hat sich gelohnt. Der Weg
für eine weitere medizinische Ausbildung neben der
Universitätsmedizin ist damit eingeschlagen“, sagte Wanka. Oldenburgs Universitätspräsidentin Prof.
Babette Simon sprach von einer „historischen Chance für die Universität und die Region“. (PM/Red)
Gesundheits- und Sozialpolitik
PKV-Bilanz
Private Krankenversicherungen
mit einem „robusten Wachstum“
Die Mitgliedsunternehmen der PKV haben ihr Ergebnis für 2009 vorgestellt und
für 2010 prognostiziert. Die wichtigsten Daten im Wortlaut der PKV.
Krankheitsvollversicherung: Die private Krankenversicherung hat 2009 bewiesen, dass sie sich auch
unter erschwerten Bedingungen im Wettbewerb behaupten kann: Zum 31. Dezember stieg die Zahl der
Vollversicherten auf 8,81 Millionen Menschen. Der
Nettoneuzugang belief sich 2009 auf 171.600 Personen, damit erreichte das Neugeschäft fast das Doppelte des Vorjahreswertes (2008: 90.300 Personen).
Dieses starke Neugeschäft ist jedoch vor allem auf
den Einmaleffekt der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Pflicht zur Versicherung zurückzuführen:
Tausende vormals Unversicherte haben aus diesem
Grund eine private Kranken- und Pflegeversicherung
abgeschlossen – darunter viele Beamte, die sich für
den Anteil der Kosten, den die Beihilfe offen lässt, bis
dahin nicht versichern mussten.
Ungeachtet dieses Einmaleffekts hat sich die DreiJahres-Wartefrist für Arbeitnehmer, die in die PKV
wechseln wollen, nach wie vor negativ ausgewirkt.
Im ersten Halbjahr 2010 betrug der Neuzugang in die
Vollversicherung 44.500 Personen, ein Zuwachs auf
insgesamt 8,86 Millionen zum 30. Juni 2010. Dieser
Neuzugang entspricht nur der Hälfte des Vorjahreswertes (1. Halbjahr 2009: 98.800 Personen). Umso
erfreulicher ist es daher, dass die schwarz-gelbe
Bundesregierung einen Schritt zu mehr Wahlfreiheit und Wettbewerb im Gesundheitswesen gegangen ist und die Drei-Jahres-Regelung wieder abgeschafft hat. Dies und die seit Jahresbeginn 2010 geltende erleichterte Absetzbarkeit der Versicherungsbeiträge von der Steuer dürften das Neugeschäft
künftig stärker beleben. Im Basistarif befanden sich
Ende Juni 2010 insgesamt 18.200 Versicherte.
Private Zusatzversicherungen: Die Zahl der privaten Zusatzversicherungen stieg im Jahr 2009 um
fast eine halbe Million Versicherungen auf 21,48 Millionen. Davon boten 16,12 Millionen eine Ergänzung
zum Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung.
Dies umfasst drei Tarifarten, die in der Regel von gesetzlich Versicherten abgeschlossen werden: ambu-
lante Tarife, Tarife für Wahlleistungen im Krankenhaus
und Zahntarife. Ihre Zahl nahm im Jahr 2009 um fast
fünf Prozent zu. Einen besonders starken Anstieg um
14 Prozent gab es 2009 bei Pflegezusatzversicherungen. Die Zahl dieser Versicherungen, die für gesetzlich wie privat Versicherte interessant sind, erhöhte
sich auf 1,5 Millionen. Im ersten Halbjahr 2010 erhöhte sich der Bestand der privaten Zusatzversicherungen um weitere 77.000 auf 21,56 Millionen.
Beitragseinnahmen und Versicherungsleistungen:
Die Beitragseinnahmen in der privaten Kranken- und
Pflegeversicherung stiegen im Jahr 2009 um 3,8
Prozent auf 31,47 Milliarden Euro. Auf die Krankenversicherung entfielen dabei 29,39 Milliarden Euro
(plus 3,6 Prozent), in der Pflegeversicherung stiegen
die Beitragseinnahmen um 5,3 Prozent auf 2,07 Milliarden Euro. Für das Jahr 2010 ist mit Beitragseinnahmen in Höhe von insgesamt 33,36 Milliarden Euro zu
rechnen – davon 31,24 Milliarden Euro für die Krankenversicherung und 2,12 Milliarden Euro für die Pflegeversicherung. Die Versicherungsleistungen nahmen 2009 um 4,7 Prozent zu und stiegen auf 21,12
Milliarden Euro. In der Krankenversicherung gab es
einen Anstieg um 4,6 Prozent auf 20,45 Milliarden
Euro, in der Pflegeversicherung um 8,1 Prozent auf
667,7 Millionen. Euro. Diese Kostensteigerung liegt
deutlich über der allgemeinen Preissteigerung von
0,38 Prozent. Die PKV setzt sich im Interesse ihrer
Versicherten auch deshalb für eine Vertragskompetenz mit allen Leistungserbringern ein, um künftig
stärker Einfluss auf die Qualität und die damit verbundenen Mengen und Preise von Gesundheitsleistungen zu nehmen. 2010 werden die Versicherungsleistungen voraussichtlich eine Höhe von 22,07 Milliarden Euro erreichen, davon 21,33 Milliarden Euro
für die Kranken- und 0,74 Milliarden Euro für die Pflegeversicherung. Zukunftsvorsorge in der PKV: Den
Alterungsrückstellungen wurden 2009 insgesamt
10,95 Milliarden Euro zugeführt, davon 9,73 Milliarden Euro in der Krankenversicherung. (PM/Red)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 73
Mitteilungen der Akademie
Akademie für medizinische Fortund Weiterbildung
Esmarchstr. 4-6
23795 Bad Segeberg
Geschäftsführerin: Helga Pecnik M. A.
Büroleiterin: Petra Petersen
Tel. 04551/803-166
Fax 04551/803-194
www.aeksh.de/akademie
E-Mail akademie@aeksh.de
Überwachungsaudit im Dezember
Nachdem die Akademie am 13.01.2010 nach DIN
EN ISO 9001:2008 zertifiziert worden war, muss nun
nach spätestens einem Jahr ein Überwachungsaudit erfolgen. Firma DIOcert GmbH übernimmt am
16.12.2010 das erste Überwachungsaudit in der Akademie. Während des Audits wird mit jedem Mitarbeiter ein Gespräch geführt, ob er/sie die nach dem
QM-System bestehenden Verfahrensanweisungen
und Prozesse anwendet. Hierbei wird darauf geachtet, dass die Qualitätspolitik gelebt und die Qualitätsziele verfolgt werden.
der Betreuung der Kurse Ernährungsmedizin, Naturheilverfahren, Atem- und Stimmtherapie, Qualifikation Transfusionsverantwortlicher/Transfusionsbeauftragter sehr dankbar und wünscht ihm alles Gute.
Jahresveranstaltung - Thema steht fest
11. Januar, 9:00-12:15 Uhr
Erwerb der Kenntnisse im Strahlenschutz nach
RöV - Theoretischer Teil -
Nach vielen Diskussionen steht nunmehr das Thema der Jahresveranstaltung 2011 fest: Aus Aktualitätsgründen soll „Suchterkrankungen“ unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Hans-Christian Hansen und Prof. Arno Deister die Teilnehmer am 3. September 2011 zur kostenfreien Veranstaltung in die
Räumlichkeiten der Akademie locken. Interessierte sind wie immer herzlich eingeladen. Anmeldungen nimmt die Akademie schon jetzt sehr gern entgegen, per E-Mail akademie@aeksh.org oder Fax
04551/803-194, gerichtet an Rabea Brunke, erreicht
uns Ihre Anmeldung ganz formlos.
Termin: Samstag, 3. September 2011
Wilfried Druba geht nach 20 Jahren
Akademie
Zum 30.11.2010 scheidet unser langjähriger Mitarbeiter Wilfried Druba nach 20 Dienstjahren bei der Akademie der Ärztekammer durch Beginn einer
Freistellungsphase der
Altersteilzeit aus dem
Dienst aus. Die Akademie ist Wilfried Druba für sein besonderes
Engagement speziell in
Wilfried Druba (Foto: SH)
74 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Veranstaltungen im Januar 2011
7. Januar bis 27. Februar
Warteliste
Palliativmedizin - Basiskurs, 40 Stunden
11.-15. Januar, Beginn: 9:00 Uhr
Fachkunde Strahlenschutz - RöV/Medizin
11.-13. Januar, Beginn: 10:45 Uhr
Grundkurs im Strahlenschutz nach RöV
13.-15. Januar, Beginn: 14:00 Uhr
Spezialkurs im Strahlenschutz nach RöV
14. Januar, Beginn: 14:00-17:30 Uhr
Spezialkurs im Strahlenschutz nach RöV
„Computertomographie“
19. Januar, Beginn: 13:00-16:15 Uhr
Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 und seine Folgen
21.-23. Januar, Beginn: 15:00 Uhr
Akupunktur - Block A
22. Januar, 9:00-12:15 Uhr
Ernährungsbedingte Allergien und Hautkrankheiten
28. Januar bis 20. Februar, Beginn: 17:00 Uhr
Naturheilverfahren Kurs I - 40 Stunden
28./29. Januar, Beginn: 15:00 Uhr
Block 18 Kursweiterbildung Allgemeinmedizin
Allgemeinärztliche Besonderheiten der Arzneibehandlung
29. Januar, 9:15-12:00 Uhr
Diagnostik und Therapie von Paraphilien
Vorlesung Psychotherapie
Unsere Nachbarn
Geriatrie
Akutkrankenhaus richtet sich auf
steigende Zahl alter Patienten ein
Das Marienkrankenhaus Hamburg verzeichnet eine starke Zunahme. Ein neue
Station soll gezielt für demente Patienten eingerichtet werden.
Das Katholische Marienkrankenhaus in Hamburg
stellt sich stärker auf ältere und auf demenzkranke
Patienten ein. Im neuen Jahr soll sogar eine eigene
Station für demente Patienten eingerichtet werden,
vergleichbar etwa mit der Station des FEK in Neumünster.
Warum dies aus Sicht der Klinikverantwortlichen
sinnvoll ist, zeigt eine Episode, die der leitende Arzt
der Zentralen Notaufnahme im Katholischen Marienkrankenhaus, Michael Wünning, im Rahmen eines
Pressegesprächs erzählte. Er traf auf dem Klinikgelände auf eine gut gekleidete ältere Dame, die ihn
nach der nächsten U-Bahn-Station fragte. Wünning
entdeckte zufällig ein unauffälliges rotes Armband
an ihrem Handgelenk – nur daran erkannte er, dass
es sich um eine demente Patientin aus seinem Hause handelte. Er begleitete sie zurück in das Krankenhaus. Wünning verdeutlichte an dem Beispiel, wie
schwer Demenz manchmal zu erkennen ist. Dies gilt
auch im Klinikalltag. Von den rund 23.000 Patienten,
die pro Jahr im Marienkrankenhaus behandelt werden, leiden nach Schätzungen des Krankenhauses
rund 3.000 an Demenz. Erkannt wird die Erkrankung
bislang aber nur bei rund 1.000 Patienten. Um Patienten mit einer Demenz künftig frühzeitig zu erkennen, führt die Zentrale Notaufnahme nun ein Assessmentverfahren ein, damit die Betroffenen schneller
zielgerichtete Therapien erhalten und zugleich die
anderen Abteilungen des Hauses entlastet werden.
Im kommenden Jahr will das Marienkrankenhaus
eine neue Abteilung mit 12-14 Betten ausschließlich
für Patienten mit Demenz einrichten. „Die Abteilung
muss klein, überschaubar und interdisziplinär geführt sein“, sagte Dr. Heinrich Bünemann, Chefarzt
der Geriatrischen Klinik und Tagesklinik im Marienkrankenhaus. Er verwies zugleich auf die stark zunehmende Zahl geriatrischer Patienten in seinem
Haus. Vor zwölf Jahren hielt das Marienkrankenhaus 15 Plätze in der Geriatrie vor, heute sind es 85
plus 15 Plätze in der Tagesklinik. Damit beansprucht
Eine grüne Schwester kümmert sich als Demenzlotsin um einen Patienten. (Foto: Marienkrankenhaus)
die Geriatrie heute rund 25 Prozent der Gesamtkapazität des Krankenhauses. „Der Bedarf wird immer
größer“, sagte Bünemann. Um das Verständnis und
den Umgang mit dementen Patienten zu verbessern,
hat das Marienkrankenhaus das Projekt Demenzlotsen ins Leben gerufen. Hierfür werden ehrenamtlich
tätige sogenannte grüne Schwestern speziell für den
Umgang mit Demenzkranken geschult. Von den insgesamt 60 grünen Schwestern im Haus haben sich
bereits 30 schulen lassen. Auch von den professionellen Beschäftigten im Haus erfordern Demenzpatienten erhöhte Aufmerksamkeit. Dennoch strebt
das Marienkrankenhaus an, den Patienten feste Bezugspersonen für die Dauer ihres Aufenthaltes zuzuweisen. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der neuen
Schwerpunktsetzung des Hauses ist das oft wechselnde oder nicht vorhandene Schmerzempfinden
der Demenzpatienten. Deshalb arbeitet ein interdisziplinär besetztes Palliativ Care Team im Haus an einer optimalen Betreuung.
Dirk Schnack
Ausgabe 12 | Dezember 2010 75
Unsere Nachbarn
Kongress „Wissenswerte“
Forschung für die Gesundheit das Wissenschaftsjahr 2011
Es geht um zentrale Themen der Bevölkerungsmedizin: Volkskrankheiten, demografischer Wandel, neue Diagnoseverfahren, sichere Früherkennung.
Im kommenden Jahr wird die medizinische Forschung Inhalt des Wissenschaftsjahres sein, das
das Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) und die großen Wissenschaftsorganisationen gemeinsam propagieren wollen. Auf einer Pressekonferenz zu Beginn der 7. „Wissenswerte“ (Bremer Forum für Wissenschaftsjournalismus) sagte
die neue Referatsleiterin Gesundheitsforschung und
Projektleiterin für das Wissenschaftsjahr im BMBF,
Dr. Angela Lindner, Gesundheit sei zum Thema des
zwölften Forschungsjahres gewählt worden. Denn
es gehe darum, ein Zukunftsthema unserer Gesellschaft wie Gesundheit im umfassenden (WHO-)Sinn
über Fachgrenzen hinweg zu diskutieren und mit der
Bevölkerung auf vielfältigen Ebenen bis hin zu WebForen zu kommunizieren (vgl. www.forschung-fuerunsere-gesundheit.de).
Ziel sei nicht zuletzt, Jugendliche für einen späteren
Einstieg in die Forschung zu interessieren, hieß es
in Bremen. Dazu wird nicht nur Wissensvermittlung
betrieben, sondern auf Bürgerforen und Online-Austausch gesetzt, wo Fragen und Wünsche thematisiert werden können. Inhaltlich geht es vor allem
um zentrale Themen der Bevölkerungsmedizin wie
Volkskrankheiten und demografischer Wandel: Welche neuen Diagnoseverfahren können zu sicherer
Früherkennung führen? Wie können Forschungsergebnisse der Hightech-Medizin schneller in die medizinische Versorgung gelangen (Translationsproblem)? Wie kann Forschung bewirken, dass „auch
im hohen Alter gesundes Leben und gesundes Arbeiten“ möglich sein werden? Weitere zentrale Themen sind die individualisierte Medizin etwa in der
Krebstherapie oder die Prävention – hier könnte es
beispielsweise um die Frage gehen, wie eine wirksame Prävention endlich bei den richtigen Zielgruppen ankommt und vor allem von ihnen auch angenommen wird.
Der zweite Träger des Wissenschaftsjahres ist die Initiative Wissenschaft im Dialog (WiD), die 1999 auf
76 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Anregung des Stifterverbandes für die deutsche
Wissenschaft von führenden Wissenschaftsorganisationen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft gegründet
wurde. Höhepunkte der vielfältigen Aktivitäten sind,
so WiD-Geschäftsführer Dr. Herbert Münder, die
deutschlandweite Tour des schwimmenden Science
Centers MS Wissenschaft, das voraussichtlich im
Spätsommer in Kiel festmachen wird, und der Wissenschaftssommer 2011, der diesmal in Mainz stattfinden wird.
Ein weiteres für die Medizin interessantes Thema in
Bremen war die Diskussion über die Berichterstattung zu gesundheitsökonomischen Fragen. Ärzte
halten der Gesundheitsökonomie bzw. bestimmten
Vertretern wie dem SPD-Bundestagsabgeordenten
Prof. Karl Lauterbach zum Teil ja vor, sie ließen sich
für eine reglementierende Sparpolitik und für die
Einschränkung von Therapiefreiheit instrumentalisieren.
In einer Diskussion mit Journalisten vom Hessischen
Rundfunk und von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie einem schwedischen Wissenschaftler
sagte der aus München neu an die Universität Hamburg berufene Betriebswirtschaftler („Management
im Gesundheitswesen“) Prof. Jonas Schreyögg, das
Fach Gesundheitsökonomie spiele oftmals nicht nur
in den Redaktionen, sondern auch allgemein, etwa
im Verhältnis zur Medizin, nur eine Nebenrolle. Dabei sei die Disziplin international sichtbar, wenn etwa
zu einem weltweiten Kongress 6.000 Kollegen zusammenkämen.
In Deutschland, so räumte Schreyögg auf eine Frage
während des Bremer Kongresses ein, sei allerdings
die Datenlage für Forschung und Berichterstattung
schlecht: „An sich gibt es schon gute Daten, gerade
bei den Krankenkassen, aber es hapert an der Verfügbarkeit, nur wenige haben die erforderlichen guten Beziehungen.“
Horst Kreussler
Unsere Nachbarn
Sportmedizin
Schnell verfügbar und wirksam:
Das „Therapeutikum Sport“
Experten schlagen vor, Sport und Bewegung als Reha-Maßnahme zu verordnen.
Ein Bericht vom Internationalen Hamburger Sport-Kongress.
Auch der nunmehr 5. Internationale Hamburger
Sport-Kongress hatte eine ganze Reihe von Berührungspunkten mit Gesundheitswissenschaften und
Medizin. Eingangs skizzierte der Altmeister der norddeutschen Zukunftsforscher, Prof. Horst Opaschowski (Börnsen/Elbe), die neuen Zukunftstrends, die
tendenziell wohl eher als gesundheitsfördernd zu
bewerten seien: mehr Leistungsfreude in der jüngeren Generation, eher Wohlergehen als Wohlstand
angestrebt, eine Renaissance der Familie (Trendwende bei der bisherigen Zunahme Alleinstehender), Stärkung der Gruppen- und Genossenschaftsidee bis hin zu Senioren, die aus einem Altenheim
im Kreis Herzogtum Lauenburg in eine gemeinsame
Villa umzogen. Die Zahl der Pflegebedürftigen werde
nicht exponentiell steigen.
Passend zum Veranstaltungsmonat November erläuterte Dr. Herbert Mück (Köln), warum Sport bei
Angst und Depression wirksam helfen kann. Die Epidemiologie sei beachtlich: 14 Prozent der Deutschen
entwickelten in einem Jahr eine Angststörung, etwa
elf Prozent eine depressive Störung, sagte der niedergelassene Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit Sportmedizin. Eine
(leichte) depressive Verstimmung kenne heutzutage
praktisch jeder, und im Alter sei eine Dysthymie, eine
leichte, langfristige depressive Verstimmung, häufig
zu beobachten.
Welche Art Bewegung hilfreich ist, sei nicht klar abzugrenzen. 144 Studien zum Thema Sport und Depression seien ihm bekannt, davon 23 kontrollierte Studien, aber nur etwa drei wissenschaftlich anspruchsvolle. Die Ergebnisse legten einen deutlich positiven
Effekt nahe, der aber nicht mit der Medikation (Antidepressiva) oder etwa der kognitiven Verhaltenstherapie vergleichbar sei. Es zeige sich immerhin, dass
sehr verschiedene Bewegungsarten hilfreich seien, auch Dehnübungen, rhythmische Übungen und
sogar Krafttraining, besonders wohl bei intensiver
Selbstbeobachtung (ähnlich auch ein weiterer Refe-
rent, Dr. Stefan Ueing aus Bayern). Beim klassischen
Walking oder Joggen in der Gruppe sei bereits das
Verlassen des Hauses bzw. der Gruppeneffekt positiv. Zentral sei die Überwindung von Hilflosigkeitsgefühlen durch selbst gewählte Bewegung. Wie der
Sport biochemisch wirke, sei nicht abschließend geklärt; ein Rolle spielten hierbei stärkere Hirndurchblutung, die Stimulierung von Botenstoffen, die Freisetzung von Endorphin und Serotonin bei Dämpfung
von Stresshormonen wie Cortisol, das Wachstum
von Nervenzellen und viele andere Faktoren.
Sport sei jedoch kein kausales Allheilmittel bei psychischen Beeinträchtigungen: „Einen gravierenden
Beziehungskonflikt kann man nicht „wegjoggen“.
Umgekehrt sei aber nicht bekannt, dass (viel) Sport
depressiv machen könne – die bekannt gewordenen
Spitzensportler seien nicht durch den Sport selbst,
sondern durch ungünstige Umstände krank geworden. Vorteil des Therapeutikums „Sport“ sei die
schnelle Verfügbarkeit und Wirkung, während Psychotherapie nicht so schnell wirke. Daher hoffe er,
so der Referent abschließend, dass Sport als RehaMaßnahme generell verschrieben werden dürfe.
Zu vielen praktischen Demonstrationen ein Beispiel:
Dozent Volker Nagel vom Hamburger Universitätsinstitut für Bewegungswissenschaften zeigte, dass
Ballspiele, Gleichgewichts- und Geschicklichkeitsübungen alternde Menschen umfassend reaktionsschneller machen und einen hohen gesundheitlichen Präventionswert nicht nur im Sinne der Sturzprophylaxe haben können. Professionelle Seniorensportkurse seien grundsätzlich empfehlenswert.
Stichworte: Jonglierübungen mit Tennisbällen, Bewegen im weichen Sand (am Strand), nicht gegen
die, sondern mit der Schwerkraft arbeiten; Umsicht
im Straßenverkehr simulieren (Raumblick und konzentrierter Blick), Tanzen, Skilanglauf für Ausdauer
und Gleichgewicht, bei (Sturz-)Gefahr nachgiebig
agieren, Schwerpunkt vorher nach unten verlagern.
Horst Kreussler
Ausgabe 12 | Dezember 2010 77
Unsere Nachbarn
Kardiologie
Viele Patienten kennen das Risiko
nach einem Herzinfarkt nicht
Eine neue Initiative will die Menschen in Deutschland für die Gefahren nach einem Vorfall sensibilisieren. Auftakt der Kampagne war in Hamburg.
Die „Initiative Herzbewusst – Leben nach dem Herzinfarkt“ macht bundesweit auf hohe Mortalitätsraten
nach Herzinfarkt aufmerksam. Die Initiatoren wollen damit sowohl Laien als auch Fachkreise ansprechen.
„Wir sind in der Akutversorgung von Patienten mit
Herzinfarkt in Deutschland gut aufgestellt“, steht für
Dr. Franz Goss fest. Doch der stellvertretende Bundesvorsitzende des Berufsverbandes Niedergelassener Kardiologen (BNK) weiß auch: „In der Nachsorge bleibt vieles dem Zufall überlassen.“ Deshalb
hat sich der BNK zusammen mit dem Unternehmen
AstraZeneca und der DAK zur Initiative Herzbewusst
entschieden, die in Hamburg der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Kooperationspartner wollen auf
die hohen Mortalitätsraten nach Herzinfarkt aufmerksam machen, die Sensibilität für das Thema erhöhen und erreichen, dass mehr Betroffene Herzinfarkt nicht als einzigartiges Ereignis begreifen, sondern langfristig ihren Lebensstil umstellen. Dazu gehören für Goos neben einer abgestimmten Begleitung durch Haus- und Fachärzte die medikamentöse
Nachbehandlung, eine gesunde und ausgewogene
Ernährung, Raucherentwöhnung sowie regelmäßige
Bewegung.
Wer ein akutes Koronarsyndrom überlebt hat, ist weiterhin gefährdet – denn innerhalb des ersten Jahres
stirbt einer von acht Patienten. „Dass immer noch so
viele Menschen im ersten Jahr nach dem Infarkt sterben, zeigt auch, wie viele sich der Gefährdung nicht
bewusst sind“, sagte Dr. Kai Richter, medizinischer
Direktor des Unternehmens AstraZeneca. Er betonte in Hamburg, dass die Initiative sich als Ergänzung
zu bestehenden Angeboten der Patienteninformation versteht und auf diese auch hinweisen will.
Prof. Herbert Rebscher, Chef der DAK, hofft durch
die Kampagne auch auf die Behebung von Koordinations- und Kommunikationsmängeln in der Versorgungskette für Herzinfarktpatienten. Die Kasse
hat in rund 25 Integrationsverträgen mit rund 20.000
78 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Versicherten die Erfahrung gesammelt, dass solche
Mängel zu Brüchen in der Versorgungskette führen
können. Rebscher verspricht sich viel von der Kampagne, weil diese sich nicht mit erhobenem Zeigefinger an die Betroffenen wendet, sondern zu einem
positiven Denken verhilft: Nicht Verbote werden in
den Vordergrund gestellt, sondern die positiven Folgen einer Lebensstiländerung, lobte Rebscher.
Er machte noch einmal deutlich, dass insbesondere Männer häufig vom Herzinfarkt betroffen sind. Bei
Männern zwischen 45 und 49 Jahren ist der Herzinfarkt die häufigste Todesursache. Die Krankheitstage der Männer aufgrund eines Herzinfarktes übertreffen die der Frauen um das Fünffache und Männer
sind doppelt so häufig wegen Herzerkrankungen arbeitsunfähig wie Frauen. Auf der anderen Seite gehen Männer nur halb so häufig zum Arzt wie Frauen,
nehmen seltener Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch und missachten häufig sogar massive körperliche Warnsignale. „Männer leben riskanter und
sterben fünf Jahre früher als Frauen“, könnte ein Fazit daraus lauten. Hinzu kommt, dass Männer sich
weniger gesund ernähren, seltener in Präventionskursen zum Thema Bewegung oder Stressabbau zu
finden und damit besonders gefährdet sind, einen
Herzinfarkt zu erleiden.
An Betroffene wendet sich die Kampagne u.a. mit
Veranstaltungen, in denen Informationen rund um
das Herz, etwa durch ein begehbares Modell, vermittelt werden. Es gibt auch einen Vordruck für einen „Herzinfarktpass“: Hier können Patienten eintragen, wann sie einen Herzinfarkt erlitten haben, welche Medikamente sie einnehmen, ob sie einen Herzschrittmacher oder einen Stent gesetzt bekommen
haben und welche Personen im Fall der Fälle unterrichtet werden sollen. Der „Herzinfarktpass“ gibt
Ersthelfern damit einen Überblick über die wichtigsten Daten. Weitere Informationen zum Thema bietet
die Homepage www.herzbewusst.de.
Dirk Schnack
Unsere Nachbarn
Tumortherapie
Uni Greifswald bekämpft Tumore
im Gallengang mit Laserlicht
Die photodynamische Therapie (PDT) durch Laserlicht greift Tumorzellen direkt
im Gallengang an. Die Uni Greifswald hat gute Erfahrungen damit gesammelt.
Zwölf Patienten mit bösartigen Tumoren im Gallengang haben das zu Jahresbeginn an der Klinik für Innere Medizin A des Universitätsklinikums Greifswald
eingeführte Verfahren inzwischen durchlaufen. Bei
mehr als der Hälfte von ihnen wurde der Krebs durch
die PDT zerstört oder verkleinert, ohne dass es nach
Mitteilung der Uni zu schweren schädlichen Nebenwirkungen gekommen ist. Die Greifswalder Uniklinik
ist nach eigenen Angaben die einzige Einrichtung
in Mecklenburg-Vorpommern, die PDT durch Laserlicht gegen bösartige Tumore der Gallengänge anwendet. Diese sind durch eine vollständige chirurgische Entfernung nur zu einem geringen Teil vollständig heilbar.
„Meistens wird der Tumor erst entdeckt, wenn er
den Hauptgallengang oder seine Abzweigungen in
der Leber verschlossen hat und zu einem Aufstau
der Galle im Körper führt“, erläuterte Klinikdirektor Prof. Markus Lerch. In diesem Fall sei nur bei einem Viertel der betroffenen Patienten eine chirurgische Operation des Tumors möglich. Das wichtigste Symptom, die Gelbfärbung der Haut durch den
Verschluss der Gallenwege, kann man zwar durch
das endoskopische Einlegen von Stents in den Gallengang beheben und damit eine lebensgefährliche
Blutvergiftung beim Patienten verhindern. Das weitere Wachstum des Tumors wird dadurch jedoch nicht
beeinflusst. Auch Strahlentherapie und Chemotherapie sind nach Lerchs Angaben bei dieser Krebsart meist wenig wirksam. Für die PDT wurden Medikamente entwickelt, die das Gewebe lichtempfindlich machen. Werden diese Präparate dem Patienten
in die Vene verabreicht, verteilen sie sich im ganzen
Körper. In den meisten Geweben wird die Substanz,
die die Lichtempfindlichkeit vermittelt, rasch wieder
ausgeschieden. In den Krebszellen dagegen, insbesondere auch des Gallenganges, verbleiben sie erheblich länger und in höherer Konzentration gespeichert als in gesundem Gewebe. Dadurch wird das
Tumorgewebe sehr lichtempfindlich. Durch eine en-
Die erste Greifswalder Patientin, die mit der photodynamischen Therapie behandelt wurde, zwischen
Oberarzt Dr. Matthias Kraft (li.) und Dr. Tilmann
Pickartz von der Uniklinik Greisfwald, hat sich für
den Sonnenschutz gerüstet. (Foto: UKG/Hausmann)
doskopische Laserlichtbestrahlung des jetzt gut
identifizierbaren lichtempfindlichen Tumorgewebes
kann eine gezielte Zerstörung der Tumorzellen und
Verkleinerung des Tumorgewebes erfolgen. Nach
Pionierarbeiten in den USA wurde die Methode in
Greifswald etabliert. Die für Licht sensibilisierende
Substanz wird dem Patienten zwei bis drei Tage vor
der Therapie verabreicht. Anschließend wird durch
den Arbeitskanal eines Endoskops eine dünne Laserlichtfaser direkt vor den Tumor herangeführt. Die
Bestrahlung des Tumors mit kaltem Laserlicht einer bestimmten Wellenlänge, Energie und Beleuchtungsdauer führt dann zur Zerstörung des Tumorgewebes. Über den mit einem Kunststoffröhrchen offen gehaltenen Gallengang kann der Gallenabfluss
abfließen. Als „einzige wirkliche Nebenwirkung“ gibt
die Uniklinik an, dass die Haut teilweise etwas lichtempfindlich bleibt. Dagegen müssen sich die behandelten Patienten für etwa eine Woche mit Handschuhen und Sonnenhut schützen, wenn sie sich viel im
Freien aufhalten. (PM/Red)
Ausgabe 12 | Dezember 2010 79
Unsere Nachbarn
Rechtsmedizin
Misshandlungen werden auch
ohne Anzeige dokumentiert
Ärzte, Sozialarbeiter und Nachbarn schauen inzwischen genauer hin, um Misshandlungen zu verhindern oder zu entdecken. Ein Modellprojekt hilft.
Mecklenburg-Vorpommern hat ein rechtsmedizinisches Modellprojekt gestartet. Es soll Opfern von
Gewalt helfen, die Misshandlungen gerichtsfest dokumentieren zu lassen.
Das Rostocker Institut für Rechtsmedizin der Universität zeichnet ein düsteres Bild von zunehmender Gewalt im Land. „Wir erleben das ganze Spektrum von akuten Gewaltausbrüchen sowohl bei
Männern als auch bei Frauen, bis hin zu langjährigen Misshandlungen in Partnerschaften und Familien“, sagte Prof. Andreas Büttner (49), Direktor des
Rostocker Instituts für Rechtsmedizin. „Das Spek­
trum der Misshandlungen reicht von der einfachen
Ohrfeige bis hin zum Schlag mit dem Hammer oder
Stichen mit Schere und Messer“, schilderte Büttner
die Palette an Grausamkeiten. Während sich in Rostock und Schwerin im vergangenen Jahr 101 Betroffene an den rund um die Uhr tätigen gerichtsärztlichen Dienst der Rostocker Rechtsmedizin wandten
bzw. als Gewaltopfer von der Polizei geschickt wurden, um Misshandlungen hier dokumentieren zu lassen, werde die Zahl dieses Jahr deutlich höher sein,
sagte Büttner: „Es gibt immer mehr Opfer, die nicht
gleich Anzeige erstatten wollen, aber ihre Misshandlungen in gerichtsfesten Gutachten dokumentieren
lassen möchten.“
Auch in Vorpommern wächst die Gewalt. Inzwischen schauen Ärzte, Sozialarbeiter und Nachbarn
genauer hin. „Das spiegelt sich auch in den Zahlen des Greifswalder Instituts für Rechtsmedizin wider“, betont die Direktorin, Prof. Britta Bockholdt. Im
Jahr 2009 wurden in Greifswald und im Einzugsbereich Vorpommern 100 Patienten auf Verletzungen
und eventuelle Misshandlungen untersucht, davon
42 Kinder. Der Trend bei Misshandlungen sei inzwischen leicht steigend. Bockholdt geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Um die auszuschalten, hat das
Land das rechtsmedizinische Modellprojekt ins Leben gerufen. Justizministerin Uta-Maria Kuder von
der CDU begrüßte das Modellprojekt für ihr Bundes80 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
land. Es sei ein weiterer Schritt für einen effektiveren
Opferschutz, betonte die Ministerin. Die Erfahrungen anderer Bundesländer wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen oder Hamburg mit Opferschutzambulanzen zeigten deutlich, wie wichtig es sei, gerade die Rechtsmedizin in bestehenden Hilfesystemen
zu etablieren. „Verletzungen von Gewaltstrafbetroffenen werden sofort dokumentiert und führen letztlich zu einer besser gesicherten Überführung von
Gewalttätern“, so die Ministerin.
Weil die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung
der Täter häufig an einer mangelnden oder nicht ausreichenden Beweissicherung scheitere, sollen künftig Gewaltstraftaten mit Beweisführung für ein späteres Strafverfahren erfasst werden. So konnte dank
der Unterstützung des Ärztlichen Direktors Prof.
Peter Schuff-Werner dieses Jahr am Universitätsklinikum Rostock eine Opferambulanz für die Rechtsmedizin eingerichtet werden. „Wir wollen durch das
Modellprojekt auch niedergelassene Ärzte sensibilisieren, uns bei auffälligen Befunden zu informieren
und uns hinzuzuziehen“, sagte Büttner. Den Opfern
werde ermöglicht, sich auch ohne Anzeige untersuchen zu lassen.
Ein weiteres Problem sei sexueller Missbrauch sowohl in der Ehe als auch bei Kindern. Dieses Thema
wurde gesondert auf einer Landeskinderschutzkonferenz Anfang Dezember erörtert. „Die Taten finden
vielfach unter Einfluss von Alkohol statt“, schilderte
Büttner. Frust werde dann an Angehörigen ausgelassen. „Wir erleben immer wieder, dass Ehefrauen
jahrelang misshandelt werden, weil sie finanziell abhängig von ihrem Mann sind“, sagte der Rechtsmediziner. Durch die Vermittlung von Kontaktadressen
der Hilfsnetze hätten Frauen sich aber auch aus dem
Teufelskreis befreien können.
„Gewalt erlebe ich in allen sozialen Schichten“, sagte Büttner. „Vor allem aber Arbeitslosigkeit und Alkohol fördern die Frustration und Gewaltbereitschaft.“
(PM/Red)
Unsere Nachbarn
Integrierte Versorgung
Die Integrationsversorgung hat
sich fest etabliert
Das sechste Hamburger Symposium zur integrierten Versorgung hat gezeigt,
dass IV-Modelle auch ohne Anschubfinanzierung überleben können.
Für viele ist die integrierte Versorgung eine Black
Box: Niemand weiß, welche Wirkungen die zahlreichen Modelle zur sektorenübergreifenden Kooperation entfaltet haben. Wenn Krankenkassen erfahren wollen, was das in die integrierte Versorgung investierte Geld bewirkt hat, stehen sie häufig vor einem Rätsel. Vdek-Chef Thomas Ballast räumte auf
dem sechsten Hamburger Symposium zur integrierten Versorgung ein, dass man zu diesem Thema
schlichtweg „nicht sprachfähig“ ist. Denn Investitionen in die Versorgungsforschung hat es kaum gegeben. So stützen sich viele Kassen für manche Modelle allein auf vereinzelte, nicht repräsentative Rückmeldungen von Versicherten. Grünen-Gesundheitspolitiker Harald Terpe reicht das nicht aus. Er hält die
fehlenden Erkenntnisse über die Wirkung integrierter Vorsorgungsmodelle für ein Defizit. Er forderte in
Hamburg: „Wir müssen stärker an der Transparenz
arbeiten.“
Das heißt nicht, dass bei Kassen und Leistungserbringern keine Vorstellungen darüber existieren, ob
ein IV-Modell erfolgreich ist oder nicht. Prof. Volker Amelung, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Managed Care, verwies in Hamburg auf
die Folgen der im Jahr 2008 beendeten Anschubfinanzierung. „Das hat gezeigt, dass der Markt funktioniert. Einige Modelle wurden gekündigt, weil sie
nicht funktioniert haben.“ Zumindest auf betriebswirtschaftlicher Ebene der Kassen werden die einzelnen Modelle tatsächlich einem „knallharten Controlling“ unterzogen, wie Prof. Fokko ter Haseborg
vom Hamburger Albertinen-Diakoniewerk feststellte. Das Albertinen ist einer der Anbieter in Hamburg,
die auch nach dem Ende der Anschubfinanzierung
in der integrierten Versorgung stark engagiert sind –
und diese zu einem wichtigen Umsatzträger ausgebaut haben. Zwischen sieben und zehn Prozent des
Umsatzes tragen IV-Modelle zum Umsatz des Krankenhauses bei, berichtete ter Haseborg. Ob es allerdings, wie vor fünf Jahren auf dem ersten Hambur-
ger Symposium zur integrierten Versorgung von Experten prognostiziert, bis 2015 zu einem Umsatzanteil von 15 bis 20 Prozent an der Regelversorgung
kommen wird, mochte in diesem Jahr in Hamburg
niemand bestätigen.
Deutlich wurde, dass bei manchen Kassen die Zahlen der eingeschriebenen Patienten und der teilnehmenden Ärzte steigen. „Bei uns haben die Zahlen
kontinuierlich zugenommen“, sagte Cornelia PrüferStorcks von der AOK Rheinland/Hamburg. Nach ihren Angaben sind derzeit in den verschiedenen IVVerträgen der länderübergreifenden Kasse 43.596
Patienten eingeschrieben. 4.211 Ärzte beteiligen
sich. Vor sechs Jahren – damals erhielt die integrierte Versorgung einen Schub durch die 2008 ausgelaufene Anschubfinanzierung – waren dies noch 744
Ärzte und 1.427 Patienten.
Prüfer-Storcks machte deutlich, dass ein Engagement in der integrierten Versorgung für Kassen auch
ohne Anschubfinanzierung aus mehreren Gründen
sinnvoll sein kann. Wichtigste Ziele seien neben einer verbesserten Versorgung eine höhere Wirtschaftlichkeit und ein verbessertes Image. Dies entsteht für Kassen durch Engagement in ausgewählten Versorgungsbereichen wie Onkologie, Kindergesundheit und Schwangerenversorgung. In Versorgungsbereichen wie etwa seelische Gesundheit
sieht sie die Vorteile dagegen eher in einer verbesserten Versorgung; ein Beispiel für eine verbesserte Wirtschaftlichkeit sei IV in der Versorgung von Diabetespatienten. Nur im Idealfall gelingen Versorgungsverträge in der Schnittmenge aller drei Ziele.
Auch Leistungserbringer berücksichtigen Imageund Marketinggründe bei der Etablierung von IV-Modellen, genauso wie die Möglichkeit, sich besser am
Markt positionieren zu können. Allerdings ist Voraussetzung dafür ein dauerhaftes Engagement, wie einige Klinikvertreter in Hamburg unterstrichen – mit
einem deutlichen Hinweis an die Kassen.
Dirk Schnack
Ausgabe 12 | Dezember 2010 81
Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Folgende Ärzte wurden zur Vertragspraxis zugelassen. Diese Beschlüsse sind noch nicht rechtskräftig, sodass hiergegen noch Widerspruch eingelegt bzw. Klage erhoben
werden kann:
Stadt Lübeck
Die Zulassung von Herrn Dr. med. Klaus Weber,
hausärztlich tätiger Facharzt für Innere Medizin in
Lübeck, wurde in eine Zulassung als Facharzt für In­
nere Medizin und Facharzt für Innere Medizin, Schwer­
punkt Hämatologie und Internisti­sche Onkologie, im
Rahmen einer Sonderbedarfsfeststellung gemäß
§ 24 b Bedarfsplanungs-Richtlinie umgewandelt.
Folgende Ärzte/Psychotherapeuten
wurden rechtskräftig zur Vertragspraxis zugelassen:
Stadt Kiel
Herr Dr. med. Peter Möller ab 01.01.2011 als Fach­
arzt für Kinder- und Jugendmedizin und Facharzt
für Kinder- und Jugendmedizin, Schwerpunkt Kin­
derkardiologie, für 24106 Kiel, Holtenauer Straße
276, als Nachfolger von Frau Dr. med. Marie-Luise
Waack.
Herr Dr. med. Alexander Geschonke ab 02.01.2011
als Facharzt für Innere- und Allgemeinmedizin für
24146 Kiel, Preetzer Chaussee 130, als Nachfolger
für Frau Hannelore Stamm.
Stadt Lübeck
Herr Dipl.-Psych. Jörg P. Willeke, Psychologischer
Psychotherapeut in 23560 Lübeck, Kronsforder Al­
lee 25 a, verlegt zum 01.01.2011 seine Vertragspraxis
nach 23564 Lübeck, Hohelandstraße 58.
Frau Dr. med. Ulrike Moeller, Fachärztin für Kinderund Jugendmedizin in 23566 Lübeck, Meesenring 2,
verlegt zum 01.01.2011 ihre Vertragspraxis nach
23568 Lübeck, Heiligen-Geist-Kamp 1 c.
Kreis Nordfriesland
Herr Lothar Eisfeld, Facharzt für Frauenheilkun­
de und Geburtshilfe in 25832 Tönning, Wolliner-­
straße 5, verlegt zum 01.01.2011 seine Vertragspra­
xis nach 25832 Tönning, Selckstraße 13.
82 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Kreis Ostholstein
Herr Dr. phil. Dipl.-Psych. Eckard Winderl ab
01.01.2011 als Psychologischer Psychotherapeut für
einen halben Versorgungsauftrag für 23746 Kellen­
husen, Hamburger Straße 4, als Nachfolger für Frau
Andrea Drünert.
Kreis Pinneberg
Frau Tatjana Olshausen, Fachärztin für Allgemein­
medizin in 25451 Quickborn, Pinneberger Straße 12,
hat zum 01.01.2011 ihre Vertragspraxis nach 25451
Quickborn, Eichenweg 53 verlegt.
Kreis Rendsburg-Eckernförde
Herr Prof. Dr. med. Jörg-Ulrich Krainick als Fach­
arzt für Neurochirurgie für 24589 Nortorf, Bahn­
hofstraße 2, beschränkt auf einen hälftigen Versor­
gungsauftrag.
Folgende Ärzte haben die Genehmigung zur Führung einer Zweigpraxis
erhalten:
Stadt Kiel
Der Medizinischen Versorgungszentrum Lubinus
GmbH, Steenbeker Weg 25-33, 24106 Kiel, wurde
ab 02.01.2011 die Genehmigung zur Führung einer
Zweigpraxis zur Durchführung von Leistungen des
Fachgebietes Orthopädie in 24159 Kiel, Friedrichsor­
ter Straße 10, erteilt. Die Genehmigung erfolgte un­
ter der Bedingung, dass dem Medizinischen Versor­
gungszentrum Lubinus GmbH vom Zulassungsaus­
schuss die Genehmigung zur Beschäftigung von
Frau Sontka Tamm zum 02.01.2011 erteilt wird.
Stadt Neumünster
Das MVZ Dr. Lehmann, Marienstraße 49 - 51, 24534
Neumünster, hat die Genehmigung zum Führen ei­
ner Zweigpraxis in 24534 Neumünster, Friesenstra­
ße 11, für Herrn Klaus Ewald Westermann, Facharzt
für Chirurgie und Facharzt für Chirurgie, Schwer­
punkt Unfallchirurgie, erhalten.
Kreis Nordfriesland
Der Medizinischen Versorgungszentrum Nordfriesland GmbH, Erichsenweg 16, 25813 Husum,
wurde ab 01.01.2011 die Genehmigung zur Verle­
gung der Zweigpraxis von der Uhlebüller Straße 76,
Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
25899 Niebüll in die Gather Landstraße 75, 25899
Niebüll zur Durchführung von Leistungen in der be­
darfsplanerischen Gruppe der Fachärzte für Nerven­
heilkunde erteilt.
Herr Dr. med. Johannes-Christian Witte, Facharzt für
Innere Medizin und Facharzt für Allgemeinmedizin,
Banhofstraße 12, 23795 Bad Segeberg, hat die Ge­
nehmigung zur Führung einer Zweigpraxis auf 25859
Hallig Hooge zur Durchführung von Leistungen im
Rahmen des Fachgebietes Allgemeinmedizin erhal­
ten.
Kreis Plön
Herr Dr. med. Hans-Peter Rebeski, Facharzt für
Innere Medizin und Facharzt für Innere Medizin,
Schwerpunkt Kardiologie, Chemnitzstraße 32 - 34,
24116 Kiel, hat ab 01.01.2011 die Genehmigung
zur Führung einer Zweigpraxis in 24211 Preetz, Am
Krankenhaus 5, zur Durchführung von Leistungen im
Rahmen der Schwerpunktbezeichnung Kardiologie
erhalten.
Kreis Rendsburg-Eckernförde
Der Medizinischen Versorgungszentrum ViGeZ
Villa Schwensen Gesundheits-Zentrum Brücke
MVZ GmbH, 24768 Rendsburg, Hollesenstraße 25,
wurde die Genehmigung zur Führung einer Zweig­
praxis zur Durchführung einer kinder- und jugend­
psychiatrischen Sprechstunde in 24768 Rendsburg,
Breslauer Straße 1 - 3, erteilt.
Kreis Segeberg
Der Berufsausübungsgemeinschaft von Herrn Dr.
med. Klaus Fleischhack, Frau Marina KardorfMetsis, Fachärzte für Allgemeinmedizin, und Herrn
Dr. med. Michael Pfeifer, hausärztlich tätiger Fach­
arzt für Innere Medizin, Schmiedekamp 3, 23816
Leezen wurde die jederzeit widerrufliche Genehmi­
gung zur Führung einer Zweigpraxis in 23845 Seth,
Hauptstraße 85 a erteilt.
Diese Genehmigung wird befristet bis zu dem Zeit­
punkt, an dem die Praxis von Herrn Dr. Liebsch
durch einen Nachfolger übernommen wird.
Kreis Steinburg
Herr Dirk Hoeft, Facharzt für Radiologische Diag­
nostik in Heide, ist berechtigt, in der Zweigpraxis in
25524 Itzehoe, Robert-Koch-Straße 2, Leistungen
gemäß der nachfolgend genannten Ziffern im Zu­
sammenhang mit Vakuumbiopsien im Rahmen des
Mammographie-Screening, des QuaMaDi-Projektes
und kurativ durchzuführen:
01753, 01754, 01759, 40854, 40855, 34270, 34271,
34272, 34273, 34274 und 99363 EBM.
Kreis Stormarn
Herr Dr. med. Eckart Maaß, Facharzt für Innere Me­
dizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Frau Dr.
med. Anne Wiesmann, Fachärztin für Innere Medizin
(hausärztlich), haben die Genehmigung zum Führen
einer Zweigpraxis in 22926 Ahrensburg, Hamburger
Straße 23, erhalten.
Öffentliche Ausschreibung von Vertragsarztsitzen gemäß § 103 Abs. 4 SGB V
Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein schreibt auf Antrag von Ärzten/Psychotherapeuten deren
Vertragsarztsitz zur Übernahme durch einen Nachfolger aus, sofern es sich bei dem maßgeblichen Planungs­
bereich um ein für weitere Zulassungen gesperrtes Gebiet handelt.
Nähere Informationen zu den ausgeschriebenen Praxen erhalten Sie unter folgenden Telefonnummern:
Ärzte:
04551 883-346
04551 883-303
Psychotherapeuten: 04551 883-259
04551 883-384
Zweigpraxen:
04551 883-378
04551 883-291
04551 883-561
Fachgebiet/Arztgruppe
Planungs­
bereich*
Praxisform
Bewerbungs­
frist**
Ausschreibungs­
nummer
Frauenheilkunde und
Geburtshilfe
Ostholstein
EP
31.01.2010
18069/2010
Hausärzte
Plön
BAG
31.12.2010
16941/2010
Ausgabe 12 | Dezember 2010 83
Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Hausärzte
Kiel
BAG
31.12.2010
17794/2010
Hausärzte
NMS/RD-E
EP
31.01.2011
17866/2010
Hausärzte
NMS/RD-E
EP
31.01.2011
18034/2010
Hausärzte (mit zwei halb­ Segeberg
tags angestellten Ärzten)
EP
31.01.2011
18477/2010
Hautärzte
Lübeck
EP
31.12.2010
17485/2010
Innere Medizin
(Sonderbedarf)
NMS/RD-E
BAG
31.12.2010
18044/2010
Kinderärzte
Nordfriesland
BAG
31.01.2011
17330/2010
Nervenärzte
Steinburg
EP
31.01.2011
18501/2010
Psychotherapeuten
- halbe Zulassung -
Kiel
EP
31.01.2011
18390/2010
* Die Stadt Kiel und die Stadt Lübeck stellen jeweils einen Planungsbereich dar. Alle übrigen Planungsberei­
che richten sich nach den Kreisgrenzen, außer der Kreisregion Stadt Neumünster/Kreis Rendsburg-Eckernför­
de (NMS/RD-E) und der Kreisregion Stadt Flensburg/Kreis Schleswig-Flensburg (FL/SL-FL).
** Die Bewerbungsfrist ist eine Ausschlussfrist, das heißt es können nur Bewerbungen akzeptiert werden, die
innerhalb der Bewerbungsfrist eingehen. Sollte innerhalb der Bewerbungsfrist keine Bewerbung eingehen, so
gilt die Ausschreibung maximal für ein weiteres Jahr. Die Bewerbungsfrist ist gewahrt, wenn aus der Bewer­
bung eindeutig hervorgeht, auf welche Ausschreibung sich die Bewerbung bezieht, für welche Adresse die
Zulassung beantragt wird und ein Arztregisterauszug beigefügt wurde.
Folgende Vertragsarztsitze/Vertragspsychotherapeutensitze waren bereits ausgeschrieben, jedoch hat sich innerhalb der Bewerbungsfrist niemand beworben,
sodass Sie sich um diese Sitze weiterhin bewerben können:
Fachgebiet/Arztgruppe
Planungs­bereich Praxisform
Augenärzte
FL/SL-FL
BAG
Ausschrei­bungs­
ende
Ausschreibungs­
nummer
31.05.2010
1154/2009
Augenärzte
FL/SL-FL
BAG üö
31.07.2010
8513/2010
Chirurgen
Herzogtum
Lauenburg
EP
31.08.2010
9664/2010
Frauenärzte
Pinneberg
EP
31.08.2010
8500/2010
Hausärzte
NMS/RD-E
EP
30.04.2010
2348/2010
Hausärzte
FL/SL-FL
BAG
31.05.2010
4512/2010
Hausärzte
NMS/RD-E
BAG
30.06.2010
3424/2010
Hausärzte
FL/SL-FL
BAG
31.07.2010
9866/2010
Hausärzte
Kiel
BAG
31.07.2010
9769/2010
Hausärzte
Plön
BAG
31.07.2010
7645/2010
Hausärzte
Plön
EP
31.07.2010
7649/2010
Hausärzte
Plön
BAG üö
31.07.2010
7893/2010
Hausärzte
Herzogtum
Lauenburg
BAG
31.08.2010
9616/2010
84 Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Hausärzte
Herzogtum
Lauenburg
BAG
31.08.2010
8601/2010
Hausärzte
Kiel
BAG
31.08.2010
10158/2010
Hausärzte
Nordfriesland
EP
30.09.2010
10391/2010
Hausärzte
Plön
BAG
30.09.2010
10875/2010
Hausärzte
FL/SL-FL
BAG
31.10.2010
11950/2010
Hausärzte
Herzogtum Lau­
enburg
EP
31.10.2010
11957/2010
Hausärzte
Pinneberg
EP
31.10.2010
13581/2010
Nervenärzte
FL/SL-FL
EP
30.04.2010
2166/2010
Der Bewerbung sind ein Auszug aus dem Arztregister sowie ein unterschriebener Lebenslauf beizufügen. Fer­
ner ist ein polizeiliches Führungszeugnis der Belegart „O“ (Behörden­führungszeugnis) zu beantragen.
Hinweis: Die Wartelisteneintragung ersetzt die Bewerbung nicht!
Bewerbungen richten Sie bitte an: Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein, Zulassung/Praxisbera­
tung, Bismarckallee 1 - 6, 23795 Bad Segeberg.
Für folgende Vertragsarztsitze/Vertragspsychotherapeutensitze, die sich in einem für weitere Zulassungen/Anstellungen nicht gesperrten Planungsbereich
befinden, werden Nachfolger gesucht. Es handelt sich hierbei nicht um Ausschreibungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V.
Fachgebiet/Arztgruppe
Planungs­bereich
Praxisform
Chiffrenummer
Hausärzte
Dithmarschen
EP
18051/2010
Hausärzte
Dithmarschen
EP
18054/2010
Nähere Informationen zu den aufgeführten Praxen sowie dem Zulassungsverfahren erhalten Sie unter den
oben angegebenen Telefonnummern.
Fortführung von ausgeschriebenen Vertragsarztsitzen als Zweigpraxen
Für folgende Vertragsarztsitze ist die Bewerbungsfrist seit einem Quartal abgelaufen, ohne dass eine Be­
werbung eingegangen ist. Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein würde für die
hier aufgeführten Sitze eine Zweigpraxisgenehmigung erteilen, wenn sie von einem anderen Vertragsarzt als
Zweigpraxis fortgeführt werden sollen:
Fachgebiet/Arztgruppe
Planungsbereich
Ausschreibungsnummer
Nervenärzte
Ostholstein
21308/2009
Für nähere Auskünfte zu der Möglichkeit der Fortführung einer Praxis als Zweigpraxis setzen Sie sich bitte un­
ter den oben genannten Telefonnummern mit der Abteilung Zulassung/Praxisberatung der Kassenärztlichen
Vereinigung Schleswig-Holstein in Verbindung.
Ausgabe 12 | Dezember 2010 85
Stellen- und
Gelegenheitsanzeigen
Annahme: Samira Rummler, Rummler@quintessenz.de
Berlin: Telefon 030 / 761 80-663, Telefax 030 / 761 80-693
Kiel: Tel: 0431/658 09 50, 0177/565 07 84, helmut.hitze@kielnet.net
Stellenangebote/Stellengesuche
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- auch Wiedereinsteigerhalbtags, keine Dienste,
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PKV, werden Sie Gutachter
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Promotion und Facharztanerkennung erforderlich.
Strikte Termineinhaltung,
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aus der näheren Umgebung
der Praxis gesucht.
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Anzeigenschluss für die Ausgabe 01/2011 ist der 17.12.2010
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Berlin: Telefon 030 / 761 80-663, Telefax 030 / 761 80-693
Kiel: Tel: 0431/658 09 50, 0177/565 07 84, helmut.hitze@kielnet.net
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Angestellter Arzt auf der
Basis der 20Std. Woche
gesucht für allgemeinärztliche
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internistischen Patientenanteil.
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Ausnahme: Sie fehlen dort. Denn in unserem medizinischen Team ist noch ein Platz frei für den
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Tätigkeitsgebiet ist gerade am Ende der Facharztweiterbildung deshalb interessant, weil hier,
bei dem längeren Aufenthalt der Familien und genügender Zeit, Erfahrung in der Familienmedizin
gewonnen werden kann. Die Weiterbildungsermächtigung für das Fach Allgemeinmedizin ist für
ein Jahr gegeben, sodass die Weiterbildung auch bei uns abgeschlossen werden könnte.
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Wir sind die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, zu deren Verbund neben der gesetzlichen Rentenversicherung die Renten-Zusatzversicherung, die Minijob-Zentrale und die Kranken- und Pflegeversicherung gehören. Durch die enge
Vernetzung der Leistungsbereiche stehen wir unseren Versicherten als moderner kunden- und leistungsorientierter Partner zur
Seite. Als einer der größten Sozialversicherungsträger betreuen wir bundesweit rund 5,2 Millionen Versicherte und bieten im
Rahmen des einzigartigen eigenen medizinischen Netzes ein umfassendes Leistungsspektrum.
Mit einem eigenständigen Sozialmedizinischen Dienst (SMD) an 28 Standorten im gesamten Bundesgebiet, ausgestattet mit
modernster Medizintechnik verschiedenster Art, garantieren wir eine hochqualifizierte Betreuung der Versicherten.
Wir suchen zur Unterstützung unseres SMD in Hamburg zum nächstmöglichen Zeitpunkt:
eine/n Fachärztin/Facharzt
bevorzugt für die Innere Medizin
sowie
eine/n Fachärztin/Facharzt
für Psychiatrie und Psychotherapie, Nervenheilkunde (Psychiatrie und Neurologie) für halbe Tage
Ihre Aufgaben
Sozialmedizinische Funktionsdiagnostik und ärztliche Begutachtungen (medizinische und berufliche Rehabilitation,
Rentenbegutachtungen, Begutachtungen für die Kranken- und Pflegeversicherung)
Beratung in vielseitigen medizinischen Fragestellungen z. B. zu Heil- und Hilfsmittelverordnungen
sachverständige Begleitung beim DRG-Controlling und der Krankenhausverweildauerprüfung (gilt nicht für die
Halbtagsbeschäftigung)
Kenntnisse der Krankenhausabläufe, einschließlich der medizinischen Dokumentation werden vorausgesetzt, da
medizinische Sachverhalte und Behandlungsmaßnahmen unter Berücksichtigung individueller Patientengesichtspunkte dem Kostenträger zu erläutern sind (gilt nicht für die Halbtagsbeschäftigung)
Ihr Profil
Sie verfügen über die Facharztanerkennung in einem der oben genannten Bereiche.
Sie sind teamorientiert und besitzen eine erforderliche Sozialkompetenz.
Sie haben Erfahrungen auf dem Gebiet DRG gesammelt und besitzen Kenntnisse über die Abläufe im Krankenhaus
einschließlich der medizinischen Dokumentation (gilt nicht für die Halbtagsbeschäftigung).
Wir bieten
modernste diagnostische Ausstattung (siehe Internetauftritt www.kbs.de/SMD-Hamburg)
eine unbefristete Beschäftigung; Aufteilungen in Teilzeitstellen sind grundsätzlich möglich
ein gutes, kollegiales Betriebsklima im interdisziplinären Ärzteteam
eine leistungsgerechte Vergütung nach dem TV-Ärzte-SMD/DRV KBS (einem Tarifvertrag mit dem Marburger
Bund)
die Möglichkeit, im Rahmen persönlicher, kollegialer Zuwendung vielfältige Weiterbildungen (z.B. Zusatzbezeichnung „Sozialmedizin“) zu erwerben
die Möglichkeit der Übernahme in ein Beamtenverhältnis, sofern die beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfüllt
werden
eine attraktive Arbeitszeitgestaltung ohne Nacht- und Wochenenddienste
die Möglichkeit zur Ausübung einer Nebentätigkeit
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie; wir werden bereits seit 2005 mit dem „audit berufundfamilie“ erfolgreich
zertifiziert
Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See verfolgt aktiv das Ziel der beruflichen Förderung von Frauen und
fordert deshalb qualifizierte Frauen auf sich zu bewerben. Behinderte Bewerber/innen werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt.
Haben wir Interesse geweckt? Kontaktieren Sie uns. Für Rückfragen stehen Ihnen Herr Mermann (Tel.: 0234 304-53100)
Dezernat V.3 „Sozialmedizinischer Dienst“ sowie der Leitende Medizinaldirektor Herr Dr. Hose-Jäger (Telefon: 040 30388-5801)
zur Verfügung. Einzelheiten über unsere Dienststelle können Sie unter der Adresse www.kbs.de/SMD-Hamburg erfahren.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Abschlusszeugnisse, Beschäftigungsnachweise)
bitten wir zu richten an:
Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See
Sozialmedizinischer Dienst, Herrn Ltd. Med.-Dir. Dr. Hose-Jäger,
Millerntorplatz 1, 20359 Hamburg
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Die DRK-Fachklinik Hahnknüll gGmbH sucht für das Psychiatrische Akutkrankenhaus zum
01.01.2011 eine/n Assistenzärztin/ -arzt in Voll- oder Teilzeit.
Weiterhin sucht die Psychiatrische Institutsambulanz der Tagesklinik (17 Plätze)
eine/n Fachärztin/ -arzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Voll- oder Teilzeit zum 01.01.2011.
Wir bieten Ihnen ideale Arbeitsbedingungen in aufgeschlossenen, multiprofessionellen Teams mit
flexiblen Arbeitszeiten ohne Wochenenddienste, keine Nacht- und Bereitschaftsdienste für beide
Stellen. Es bestehen Weiterbildungsermächtigungen.
Wenden Sie sich bitte für die Fachklinik an unseren Oberarzt, Herrn Dr. Riemenschneider,
unter Tel.: 04321-905 210 und für die Tagesklinik an unsere Oberärztin, Frau Dr. Liebsch,
unter Tel.: 04321-14330.
Ihre schriftliche Bewerbung (Papier oder eMail) richten Sie bitte an die Personalabteilung der
DRK-Fachklinik Hahnknüll gGmbH
Hahnknüll 58, 24537 Neumünster
info@drk-hahnknuell.de
(drk-hahnknuell.de)
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PRM, Orthopädie oder
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Allgemeinmedizin
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Annahme: Samira Rummler, Rummler@quintessenz.de
Berlin: Telefon 030 / 761 80-663, Telefax 030 / 761 80-693
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Ausgabe 12 | Dezember 2010 97
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Tumor/Carcinoma (Excluding Gastrinomas). Neuroendocrinology
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Kianmanesh R, Hochhauser D, Arnold R, Ahlman H, Pauwels S, Kwekkeboom
DJ, Rindi G; Frascati Consensus Conference; European neuroendocrine
Tumor Society. Well-differentiated gastric tumors/carcinomas.
Neuroendocrinology 2006;84:158-64.
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Neuroendocrinology 2006;84:196-211.
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Lopes JM, Perren A, Nikou G, Yao J, Delle Fave GF, O'Toole D; Frascati
Consensus Conference participants. Consensus guidelines for the
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Literatur zu S. 60 f.
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bei Erwachsenen. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz, 47, 1204-1215
8
Fußnoten, Quellen, Literatur zu S. 64 ff.
1Siehe auch: Schmuhl, H.-W., Rassehygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie2, Göttingen 1992, S. 23- 126.,
Baader G., Rassenhygiene und Eugenik – Vorbedingungen für die Vernichtungsstrategien gegen sogenannte
Minderwertige im Nationalsozialismus, in: Bleker, J., Jachertz, N. (Hg.), Medizin im „Dritten Reich“ 2, Köln
1993, S. 36-42. Charles Darwin gilt, zusammen mit Alfred Russel Wallace, als Begründer der Evolutionstheorie.
Beide erkannten, dass die evolutive Entwicklung aller Organismen und ihre Aufspaltung in verschiedene Arten
eine Folge der Anpassung an den Lebensraum durch Variation und natürliche Selektion ist. (http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Darwin, download 27.01.2008).
2
Baader G., Rassenhygiene und Eugenik – Vorbedingungen für die Vernichtungsstrategien gegen sogenannte
Minderwertige im Nationalsozialismus, in: Bleker, J., Jachertz, N. (Hg.), Medizin im „Dritten Reich“ 2, Köln
1993, S. 36-42., hier: S. 36-38.
3
Ploetz, A., Grundlinien einer Rassenhygiene, 1.Theil: Die Tüchtigkeit unsrer Rasse und der Schutz der Schwachen. Ein Versuch über Rassenhygiene und ihr Verhältnis zu humanen Idealen, besonders zum Socialismus, Berlin 1895, S. 13. Zit. n. Heesch, E., Nationalsozialistische Zwangssterilisation psychiatrischer Patienten in Schleswig-Holstein, in: Danker, U. et al., Demokratische Geschichte, Jahrbuch zur Arbeiterbewegung und Demokratie
in Schleswig-Holstein, Bd. 9, Kiel. 1995, S. 55-102.
4
Denkschrift über die Ursachen des Geburtenrückganges und die dagegen vorgeschlagenen Maßnahmen, bearb.
Im Ministerium des Inneren, Berlin 1915, 11, 36, 52, zit. n. Weingart, S. 217.
5
Weingart, Peter et al., Rasse, Blut und Gene, Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene In Deutschland,
Frankfurt/ Main 1992, S. 223.
6
Weingart, S. 237.
7
Verminderung der Kosten für die geistig und körperlich Minderwertigen, Archiv für Bevölkerungspolitik, Sexualethik und Familienkunde, 1933, 3, S. 58 -65, hier: S. 58, 62, zit. nach Weingart S. 266.
8
Die Eugenik im Dienste der Volkswohlfahrt, Veröffentlichungen aus dem Gebiet der Medizinalverwaltung 38/5,
Berlin 1932, S. S. 634 f., zit. n. Weingart 273.
9
Vergl. z.B. Ratschko, Karl-Werner, „Bedingungslose Unterordnung“ von Ärzten gefordert und erbracht, Schles wig-Holsteinisches Ärzteblatt, Nr. 8, 63, Jg, S.32- 37, hier: S. 33 f.
10
Diese erstaunliche Tatsache wurde in einem Beitrag der Tochter Kloses, Felicitas Klose, 1940 in einer renommierten Zeitschrift veröffentlicht. Klose, Felicitas, Nachuntersuchung des Schicksals der in den Jahren 1934 bis
1937 in dem Stadtkreis Kiel auf Grund des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sterilisierten Frauen unter der Berücksichtigung der Frage nach der Notwendigkeit einer nachgehenden Fürsorge, Der Öffentliche
Gesundheitsdienst, 6. Jg., Teilausg. A, 1940/41, S. 294- 305, S. 325-333, hier: S. 295.
1
Schirren, Carl Georg, Hundert Jahre Kieler Ärzteverein, Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt, 1958, S. 5-13,
hier: S. 9. Lubinus, Johann, Schirren, Carl, Bericht über die Sitzung der Ärztekammer für die Provinz SchleswigHolstein am 8. März 1933 in Kiel, Hansa-Hotel, Mitteilungen für den Verein Schleswig-Holsteinischer Ärzte, Nr.
4, 52. Jg., 1933, S. 83.
2
Lubinus, Johann, Schirren, Carl, Bericht über die Sitzung der Ärztekammer für die Provinz Schleswig-Holstein
am 8. März 1933 in Kiel, Hansa-Hotel, Mitteilungen für den Verein Schleswig-Holsteinischer Ärzte, Nr. 4, 52.
Jg., 1933, S. 84.
3
Ratschko, Karl-Werner, „Bedingungslose Unterordnung“ von Ärzten gefordert und erbracht, Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt, Nr. 8, 63, Jg, S.32- 37, hier: S. 33 f.
4
U. a. Saller, Karl, Stand und Aufgaben der Eugenik, Klinische Wochenschrift, 1933, 12, S. 1041-1044.
5
Vgl. RGBl I, 1933, S.529, Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 14. Juli 1933.
6
Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses v. 5. Dezember 1933, RGBl
I, 1933,S. 1021.
7
Klose, Franz, Beiträge und Folgerungen der praktischen Durchführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken
Nachwuchses, Der Erbarzt, Nr. 3, 1934, Beilage zum Deutschen Ärzteblatt, S.46.
RGBl. I, S.289.
18
Siehe u.a. Heesch, S. 63-66; Rothmaler, C., Zwangssterilisationen nach dem Gesetz zur Verhütung erbkranken
Nachwuchses, in: Bleker, J., Jachertz, N. (Hg.), Medizin im „Dritten Reich“2, Köln 1993, S. 137-149.
19
Ley, Astrid, Zwangssterilisation und Ärzteschaft, Hintergründe und Ziele ärztlichen Handelns 1934-1945,
Frankfurt/Main 2004, S.152. Die hier verwendeten Zahlen stammen zwar aus Schwabach, erlauben jedoch mit
kleineren Einschränkungen eine Übertragung auf schleswig-holsteinische Verhältnisse.
20
Vergl. Ley S.158.
2
Löffler, Lothar, Aus der Praxis eines Erbgesundheitsgerichts, Zeitschr. f. Morphol. und Anthropol., Bd. XXXIV,
Festband zum 60. Geburtstag von Eugen Fischer, Stuttgart 1934, S. 513-525.
22
Klose, Franz, Beiträge und Folgerungen der praktischen Durchführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken
Nachwuchses, Der Erbarzt, Nr. 3, 1934, Beilage zum Deutschen Ärzteblatt.
23
LASH 355, Nr. 2427, Generalakten Beisitzer, p.9.
9
LASH 355, 2427, Generalakten Beisitzer, p.24, Schrb. Stadtmedizinalrat Klose an Landgerichtspräsidenten v.
14. März 1935.
25
Nach dem 1937 in Kraft getretenen Groß-Hamburg-Gesetz wurde Altona Stadtteil von Hamburg. An seine
Stelle trat das Erbgesundheitsgericht Itzehoe.
26
LASH 355, Nr. 2418, Generalakten Erbgesundheitsgericht 1934, p. 171.
27
LASH 355, Nr. 2427, Generalakten Beisitzer, p.24, Schrb. Stadtmedizinalrat Klose an Landgerichtspräsidenten v. 14. März 1935.
28
LASH 355, Nr. 2427, Generalakten Beisitzer, p.41.
29
Heesch, S. 73.
30
Ebd., S. 81.
31
Piechatzek , Jana, Die Auswirkungen des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses an der Universi täts-Frauenklinik Kiel in der Zeit von 1932 bis 1940, Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde der
Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kiel 2009, hier: S. 43.
32
Piechatzek, Jana, Die Auswirkungen des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses an der Universi täts-Frauenklinik Kiel in der Zeit von 1932 bis 1940, Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde der
Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kiel 2009.
33
Ebd., S. 29.
34
Ebd., S. 39.
35
Ebd., S. 51.
36
Ebd., S. 69.
37
Ebd., S. 75.
38
Martha G. 22.02.1935, Hertha K. 05.05.1937 und 25jährige Patientin nach OP in Nervenklinik verlegt 1937
(Akte UFK K 1174/37). Piechatzek, S. 77 f.
39
Jonat, W. et al., Universitäts-Frauenklinik Kiel und die Michaelis-Hebammenschule 1805-2005, Stuttgart
2005, S 41.
40
Otto Aichel, geb. am 31. Oktober 1871 in Chile, Dr. phil., Dr. med., wurde 1913 Prosektor am Anatomischen
Institut in Kiel, 1920 außerordentlicher Professor und 1921 ordentlicher Professor für Anatomie und Anthropologie, 1923 Direktor des Anthropologischen Institutes. Aichel trat der NSDAP zusammen mit seinem Assistenten
Löffler im Herbst 1932 bei und stand der Rassenpolitik der Nationalsozialisten nahe. Aichel starb am 31. Januar
1935.
4
Saller, Karl, Stand und Aufgaben der Eugenik, Klinische Wochenschrift, 1933, 12, S. 1041-1044. Die Konsequenzen der offenen Stellungnahme Sallers, der seit 1929 in Göttingen lehrte, gegen die herrschende Meinung
ließen nicht lange auf sich warten: Im Dezember 1934 wurden seine Bücher verboten, die beantragte Ernennung
zum außerordentlichen Professor wurde abgelehnt und am 14. Januar 1935 wurde Saller die Lehrberechtigung
und die Assistentenstelle entzogen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ein Sanatorium zu betreiben.
42
Saller, Karl, Eugenik, S. 1042.
43
Lenz, Fritz, Rassenhygiene und Klinische Medizin, Klinische Wochenschrift, 1933, 12, S. 1571.
44
Link, Gunther, Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen an der Universitätsfrauenklinik Freiburg im
Nationalsozialismus, in: Grün, Bernd, Hofer, Hans-Georg, Leven, Karl-Heinz (Hg.), Medizin und Nationalsozialismus, Die Freiburger Medizinische Fakultät und das Klinikum in der Weimarer Republik und im „Dritten
Reich“, Frankfurt am Main 2002, S. 301-330, hier: S. 328.
45
Gesetz zum Schutz der Erbgesundheit des deutschen Volkes (Erbgesundheitsgesetz) vom 18.10.1935. Es führte
die Pflicht zu Vorlage von durch das Gesundheitsamt ausgestellten Ehetauglichkeitszeugnissen ein und verbot
Ehen mit Erbkranken, Entmündigten und Geistesgestörten sowie ansteckenden Kranken.
46
Vgl. Ley, Astrid, Zwangssterilisation und Ärzteschaft, Hintergründe und Ziele ärztlichen Handeln 1934- 1945,
Frankfurt/Main 2004, S. 121 ff.
47
Heesch, S. 82-87.
48
Gesetz zur Aufhebung von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte (Artikel 2 des
Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege und von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501).
24