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OKTOBER 2014 ICON ICON Oktober 2014 HÜLLE UND FÜLLE ©T&CO. 2014 INTRODUCING TIFFANY T BERLIN DÜSSELDORF FRANKFURT AM MAIN HAMBURG MÜNCHEN STUTTGART WIEN ZÜRICH TIFFANY.COM Düsseldorf Martin-Luther-Platz 32 0211 135 40 92 Frankfurt Grosse Bockenheimerstr. 13 069 219 96 700 Hamburg Neuer Wall 39 040 430 94 90 München Residenzstrasse 6 089 238 88 50 00 Wien Am Kohlmarkt 4 01 535 30 53 Akris Boutique auf www.akris.ch moncler.com Unter der Tarnkappe ssoziation ist eine Sache der Erfahrung, der Ausbildung, des Umfelds, des Gefühls. Und so schien uns dieses Foto von David Sims, das dem Prachtband „Hair“ von Guido Palau (Verlag Rizzoli New York) entnommen ist, ganz passend als Einstimmung für diese Ausgabe. Nein, nein, wir haben nicht etwa ein „Haar“Spezial vorbereitet. Der Reiz des Fotos liegt eben in der Assoziation, die es auslöst. Die einen sehen: graue Haare. Andere: Nieten am Kinn. Wir dachten gleich an Pickelhaube. Was nicht als Provokation zu verstehen ist. Eher als klischeebrechende Ironie. Und schon damit zu erklären ist, dass wir viel gesprochen haben über das deutsche Verhältnis zu dem, was sich unter Lifestyle subsummiert, und über das sich ins Positive wandelnde Verständnis dafür hierzulande. Wir haben ja, bei allen Nickeligkeiten, das große, schon geografische Glück, in einem wunderbaren Land zu leben, das wir nach dunklen Zeiten wieder mögen können. Und so wollten wir uns einfach mal bedanken. Mit einer Ausgabe, in der internationale Mode Seite an Seite mit der Begeisterung für made in Germany durch die Konsumwelt schreitet. Wir sind schon eine Weile keine Spießer mehr. Das ist sicher kein Grund, übermütig zu werden. Aber heute, da die Pickelhaube allertiefste Vergangenheit ist, sollten wir die Tarnkappe schon mal lüften. Hinter ihr sieht man viel Gutes und Schönes. DAVID SIMS/RIZZOLI A AUF DEM COVER: Model Caroline trägt einen Mantel von Hermès. Schuhe: Salvatore Ferragamo LYDIA GORGES & JENS SCHMIDT TITEL: SCHMIDT & GORGES/VG-BILDKUNST BONN, 2014; DIESE SEITE: MARTIN U.K. LENGEMANN; HERLINDE KOELBL Seit 2010 machen sich Lydia Gorges und Jens Schmidt gemeinsam einen Namen in der Modefotografie. Davor assistierte SIE bei Branchenstars wie Michelangelo di Battista und Camilla Akrans, während ER Musikgrößen wie Michael Jackson oder Metallica vor seiner Kamera hatte. Im letzten Jahr wurde aus dem erfolgreichen Fotografenduo ein Trio. Mit zwei Monaten durfte ihre Tochter zum ersten Mal mit an den Set. Auch beim Bauhaus-Shooting war die Kleine mit von der Partie. „Zwei komplett ereignislose Tage“, schwärmt die Neu-Mama von der Produktion in Weimar und Berlin. Und meint damit, alles sei perfekt gelaufen: „Das Wetter hat mitgespielt und die Architektur war inspirierend.“ Die Models in Bauhaus-Kulisse zu inszenieren sei ganz besonders gewesen. Wie sich die aktuelle Mode im Ende der 50er-Jahre entstandenen Hansaviertel macht? Oder in den neuen Meisterhäusern? Ab Seite 60 CLAUDIA GRASSL Ihre Ideen findet die Fotografin, die an der Fachakademie für Fotodesign in München ausgebildet wurde, in Deutschland und den USA. Und besonders auf dem Weg dazwischen. Mit gewisser Leidenschaft pendelt die Münchnerin zwischen beiden Kulturen, fühlt sich ihnen immer wieder nah und fern. Das hilft ihr vor allem am Set der Shootings, denn so kommt sie mit den Models leicht in einen Dialog, kann sich schnell in die unterschiedlichsten Situationen hineinversetzen. Das und ein klarer Blick für Details zeichnen ihre Arbeit aus. Für uns reiste sie wiederholt in den hohen Norden und fotografierte den aktuellen Bohemian Look in den Dünen von Sylt. Der Sand unter ihren Füßen, das Meer im Blick und der Wind um die Nase inspirierten die Fotografin auch dieses Mal. Ab Seite 86 Eine rostfarbene Palomino-Hose aus dem Westpaket, später Shell-Parka mit Fleischerhemd, dann Cordjeans und ein sauteures Hemd aus dem „Exquisit“. War das Mode oder Zugehörigkeit? Vom Schüler über den Liebhaber von Untergrundlyrik zum Hilfspopper. Ingolf Kern hat sich darüber nie Gedanken gemacht. So lange nicht, bis Jil Sander kam und er 1997 ihre erste HerrenKollektion für die WELT testen durfte. Dunkelblau und weich-wollig ging er zu Partys und fühlte sich so leicht, weil alles ohne Einlage war. Bei der „FAZ“ und „Monopol“ war dann Berlin in Mode, im Kanzleramt Brioni und am Dessauer Bauhaus ging es wieder um das Ding an sich. Sachsen-Anhalt, Wiege der Moderne, ist ein Land der Mode. In Halle steht mit der Burg Giebichenstein eine Kunsthochschule, an der Haltung gelehrt wird. Auch Jan Kleeberg, Designer bei Calvin Klein, begann hier. Und junge Labels siedeln sich an und feiern Erfolge. Kern traf sie. Seite 48 INGOLF KERN IMPRESSUM ICON Chefredakteurin: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Caroline Börger, Nicola Erdmann, Silvia Ihring, Sarah Lehnert, Adriano Sack, Ligia Tudorica, Mira Wiesinger. Mitarbeit: Julia Hackober. Praktikantin: Meltem Toprak. Korrespondentin in New York: Huberta von Voss. Stylistin in New York: Nadia Rath. Korrespondentin in Paris: Silke Bender Autoren: Wolfgang Büscher, Susanne Opalka, Esther Sterath, Andreas Tölke Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Maria Christina Agerkop, Veronika Thele, Katja Schroedter Fotoredaktion: Julia Sörgel; Elias Gröb Bildbearbeitung: Thomas Gröschke, Liane Kühne-Kootz; Kerstin Schmidt Verlagsgeschäftsführung: Jan Bayer (Vorsitzender), Dr. Stephanie Caspar General Manager: Johannes Boege Gesamtanzeigenleitung: Stephan Madel; Anzeigen ICON: Roseline Nizet (roseline.nizet@axelspringer.de) Objektleitung: Carola Curio (carola.curio@axelspringer.de) Verlag: Axel Springer SE Repro: Druckvorstufe WELT GRUPPE Berlin Druck: Prinovis Ltd. & Co KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 9. November 2014. Sie erreichen uns unter ICON@wams.de Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit. 17 Zu Gast in Dessau: Vor dem Gebäude der „Stiftung Bauhaus“ trägt das Model Kleid und Gürtel von Burberry Prorsum. Schal: Prada. Tasche: Christian Dior. Er trägt einen Ledersweater von Bottega Veneta. Hose: Prada. Daneben im HansaViertel in Berlin: Mantel von Dries Van Noten ICON OKTOBER 2014 22 SCHLAN D, O SCHLAN D Was steckt eigentlich hinter „Made in Germany“? Das ergründen unsere Lifestyle-Weisen, unter ihnen ein Amerikaner, ein Franzose und ein Engländer 32 WALD- U N D WIESEN-M ODE Iconas Mann Iken und Klein-Ike rüsten sich für einen langen herbstlichen Ausflug ins gerade noch Grüne SCHMIDT & GORGES AUSGEWÄHLT MODE 34 STARS & S TERNCHEN Und dann macht es Bling: Akris lässt sich für seine Kollektion vom nächtlichen ruffschen Kosmos inspirieren 36 ALLE S NE U IN M AN N HEI M Vor 25 Jahren gründete Dorothee Schumacher ihr Label, benannte es nun um. Heike Blümner weiß wieso 38 BOSS BE I BOSS Seit einem Jahr ist Jason Wu bei Boss. In Paris bot er Einblicke in sein Leben zwischen Metzingen und New York 40 DE R NE U E JIL SANDER Im April kürte Jil Sander den Römer Rodolfo Paglialunga zum neuen Chefdesigner. Wir trafen ihn in Mailand 42 HE ILIGE S KLEI DLE Das Label Marc Cain hat seinen Sitz nahe Tübingen. Die Kollektionen sieht man inzwischen in 58 Ländern 44 GLO BALRUNDE Wie Odeeh aus Giebelstadt den weltweiten Modemarkt mit einem Mix aus Tradition und Moderne erobert 56 O H DU MEIN DU BAI Für die Cruise Collection reist Chanel gern mal um die Welt. Dieses Mal gastierten sie in Dubai 46 DER GROSSHANSEAT Florian Braun führt in Hamburg in dritter Generation den Designer-Store Unger. Ihm ist das zu wenig 58 MO NACO, MON AMOU R Bei Louis Vuittons Cruise-Präsentation sehen Albert und Charlène zu. Und sind beeindruckt. Wir sind’s auch 48 HALLELA LI Von wegen triste Plattenbauten: Halle an der Saale ist ein Brutkasten für junge Labels, die international angreifen 60 DEUTSCH ES H AU S Alles, nur bitte keine Schnörkel – unser großes Modeshooting steht diesmal im Zeichen des deutschen Design-Exportschlagers Bauhaus 52 MEA NWHILE IN NEW YO RK Die Amerikaner feierten Christian Dior, der Franzose liebte die USA. Inga Griese ging bei der Präsentation der Cruise Collection am Hudson mit vor Anker 72 VIVA T EU TONIA So nähen die Deutschen: Nach Ansicht unserer Doppelseite voller Kleidung und Accessoires wissen Sie alles Links: Kleid von Salvatore Ferragamo. Jacke: Wunderkind. Sein Anzug ist von Louis Vuitton. Schal: Burberry Prorsum. Mantel: Salvatore Ferragamo. Mehr von unserem „Bauhaus“-Shooting ab Seite 60 19 CLAUDIA GRASSL MARTIN U. K. LENGEMANN(2) In den Sylter Dünen trägt unser Model eine Bluse und einen Rock von Wunderkind. Mantel: Dolce & Gabbana. Strumpfhose: Hudson. Tasche: Etro. Handschuhe: Givenchy. Decke: Burberry. Motorradbrille: privat. Mehr vom Shooting ab Seite 86 ICON Malerische Kulisse (links oben): Der Jacobite Steam Train bahnt sich dampfend seinen Weg durch die Highlands. Uns dienten der Zug und die Bahnhöfe an der Strecke als Kulisse für ein Shooting (ab Seite 96). Links: Mantel von Careso, Tasche: Louis Vuitton, Mütze und Handschuhe sind von Hermès OKTOBER 2014 MODE 86 DURCHGEP USTET Wir haben Mode im angesagten Boheme-Stil auf Sylt fotografiert. Weil es farblich so schön passt. Und einem Klischee trotzt 96 SCHOTTEN DI CHT Im Norden Großbritanniens fährt der Jacobite Steam Train durchs HarryPotter-Land – die große Gelegenheit, Reisegarderobe zu fotografieren DESIGN 83 GAR NICHT VERWOHN T Alles, nur keine Schnörkel: Deutsche Möbel sind überall begehrt – keine Überraschung, wenn man sie sieht 95 HE RBSTGLITZERN Wenn Laub und Landschaft leuchten, dann leuchten Sie mit unseren JuwelenAccessoires doch einfach mit! 107 84 LEISTU NGSSCH AU 23 Betriebe zeigen auf dem Gelände der Berliner KPM, dass deutsche Handwerker fast zu allem fähig sind 108 KNOTENPUNKT 112 GLO B AL DIARY Zweimal Wasser, aber ziemlich exklusiv: Unsere Postkarten erreichen uns aus Scharbeutz und Amsterdam 110 SEEFRAUSGARRN Toni Garrn, Supermodel aus Hamburg, erzählt vom Jil-Sander-Duft „Simply“ 114 DER BAU PLAN Ländlich im allerbesten Sinne: So entsteht der Janker von Meindl. Passt scho 111 DET RIECHT ABA DUFTE In den Zwanzigern dominierte J.F. Schwarzlose aus Berlin den Parfümmarkt. Nun gibt’s das Label wieder Blumenparfüm? Bei Bottega Veneta? Wir sprachen mit Kreativdirektor Tomas Maier und der Nase Daniela Andrier KOSMETIK 104 SCHÖNE R OKTOBER GESCHICHTEN Unsere Beauty-Stilisten und -Produkte machen den Herbst hübsch 106 AUGE NBLICK M AL Wimpern wachsen über Nacht: Wie die Kölner Firma M2 Beauté mit einem Serum die Kosmetik veränderte DEUTSCHLA NDS CREME Immer gepflegt auftreten – mit unseren sieben deutschen Newcomern geht das zum Glück schon fast von ganz allein 74 LUXURIÖSE HÄNDE Einst wanderte unser Autor Wolfgang Büscher von Berlin nach Moskau. Nun reiste er auf der Suche nach Handmade in Germany durch die Republik Und natürlich digital: Auf dem iPad in der WELT sowie online auf welt.de/icon ICON 21 Anzeige STILISTEN EDWARD B. GORDON DIESES MAL HABEN SICH UNSERE STILISTEN GEDANKEN ÜBER DEUTSCHE WERTARBEIT GEMACHT Am Ende des Tages Hallo, schöne Frau: Seit 2006 malt Edward B. Gordon täglich ein Bild und versteigert es abends auf seinem Blog A painting a day. Es gibt auch Motive, an denen er Jahre arbeitet. Zu sehen neben seinen Tagesbildern im Band „Tag und Nacht“ (Kein & Aber). ZEIT FÜR AUFWAND unuetzer.com + 49 89 255427-49 Handmade in Germany by Talbot Runhof, Klenzestrasse 41, 80469 München … so lautet seit vierzehn Jahren der Text, den wir in alle unsere Produkte einnähen. Wir sind von jeher besonders stolz auf die Art, wie unsere Produkte hergestellt werden, nämlich mit viel Handarbeit, aber mit noch mehr Liebe unserer Zuschneider, Näherinnen und Büglerinnen, die in beschaulichen Orten im Bayerischen Wald, in der Oberpfalz oder Niederbayern im besten Sinne des Wortes deutsche Wertarbeit leisten. In die Entstehung eines Kleides gehen viele Arbeitsschritte ein. Zuerst wird ein Prototyp drapiert, dann von studierten Modellmachern ein Schnitt erstellt, der wiederum Grundlage eines Musterteils wird. Nach etlichen Anproben und Stresstests für Materialien und Verarbeitung schaffen es manche Teile in die Kollektion. Nun werden die Schnitte in alle Größen gradiert (Anprobe in allen Größen inklusive) und ihre Einzelteile auf großen Tischen ausgelegt, um durch clevere Konfiguration möglichst wenig Stoffabfall zu erhalten. Oft kommen nun Sticker oder andere Veredler ins Spiel, die einzelnen Schnittelementen besondere Details verleihen. Dann geht alles wieder in die Nähereien, die mit Solarenergie CO2-neutral die Kleider zusammenfügen, oft, indem sie immer wieder für letzte Stiche auf Kleiderpuppen gezogen werden, um eine besonders akkurate Passform zu geJohnny Talbot & währleisten. Bis die Kleider zum Kunden gelangen, beweisen noch viele andere Adrian Runhof Mitarbeiter im Lager, Versand und der Administration ihre Fähigkeiten. Wenn Designer-Duo des doch bloß manche Kundin die Kleider nur halb so lange tragen würden, wie für ihMünchner Modelabels Talbot Runhof re Entstehung an Zeit einfließt … jourdhermes.com das neue Eau de Parfum VOGUE ITALIA/ ICON Ich glaub, mich föhnt ’ne Klimaanlage Sie sehen richtig. Über Sophia Loren hängt ein Lüftungsgerät. Kein Föhn, wie man bei ihrer Frisur annehmen könnte. Das Setting warb für ein spektakuläres Projekt: Die italienische „Vogue“ hat ihr Archiv der vergangenen fünfzig Jahre digitalisiert und macht es als Abonnement im Netz zugänglich. Mit den tollsten Aufnahmen wurden zwei Etagen in einem Mailänder Palazzo tapeziert. Bellissimo. DEUTSCH-FRANZÖSISCHE LIEBE UND SONST NOCH 24 Unlängst war der französische Schuhdesigner Christian Louboutin, weltbekannt für seine rote Sohle, in der französischen Botschaft in Berlin, um einen Dokumentarfilm über ihn, gedreht von seiner Freundin Farida Khelfa, vorzustellen. Dieser sehr gelungene Film bestätigt die unbestrittene Magie der weiblichen Silhouette, unterstrichen durch seine schwindelerregenden Absätze. Ganz egal, welchen Preis man dafür bezahlt, physisch oder finanziell: „Wer schön sein will, muss leiden ...“, resümierte Madame Khelfa, selbst auf unendlich hohen Absätzen schwankend. Schön oder praktisch? Ungewohnt oder komfortabel? Sexy oder effizient? Ein wirklich französisch-deutsches Dilemma! Paris – Berlin. Seit zehn Jahren in Deutschland lebend, bin ich täglich mit diesem Widerspruch und dieser Gegensätzlichkeit konfrontiert. Angetrieben von einem natürlichen Hang zum Ästhetischen, bin ich nun auch ein großer Verehrer der deutschen Tugenden: Fleiß, Gründlichkeit, Verlässlichkeit. Der Charme Emmanuel de Frankreichs oder die deutsche Präzision. Paris für die Lebensart, Deutschland für die Geschäfte? Bayser Muss man sich da wirklich entscheiden? Ist das eine besser als das andere? Céline und Givenchy, Mitbesitzer von The zwei der international angesagtesten französischen Marken, präsentieren zwei Star-Bestseller in Corner Berlin ihrer Schuhkollektion. Wir werden sie für die nächste Saison an den Füßen der Fashionistas weltweit sehen. Und wie sehen die aus? Wie die guten alten Birkenstocks, die deutsche Kultsandale par excellence. Wiederauferstanden, erneuert, glorifiziert von den zwei heißesten französischen Modemarken des Moments. Was soll ich da noch groß sagen? Vive la coopération franco-allemande! GLÜCKWUNSCH: Mit dieser limitierten Kamera feiert die Leica M ihren 60. Geburtstag. Das Jubiläumsmodell „M 60“ sieht nur retro aus, fotografiert aber digital. ——— KUNST: „Fette Beute. Reichtum zeigen“ heißt es ab dem 17. Oktober im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Einblicke in die feine Gesellschaft. ——— ERÖFFNUNG I: Das Modehaus Ermenegildo Zegna hat seine Boutique in Düsseldorf wiedereröffnet. 296 Quadratmeter Luxus mitten auf der Kö. ——— ERÖFFNUNG II: Echte Rasurkultur findet Mann im ersten Barbershop der Marke Mühle in den Berliner Hackeschen Höfen. ——— NEU IM NETZ I: Wem die drei Boutiquen der Hauptstadt zu weit entfernt sind, der findet seine urbanen Lieblingsstücke nun auch unter 14oz.com. ——— NEU IM NETZ II: Kunstherbstmuenchen.de informiert über alle Kunst-/Kulturveranstaltungen in der bayerischen Metropole. Wer dieser Aufforderung von Rosa von Schmaus folgt, freut sich über seinen neuen Lieblingspulli. THERE ARE EXCEPTIONS TO EVERY RULE. AUDEMARSPIGUET.COM ES GIBT AUSNAHMEN ZU JEDER REGEL. ROYAL OAK ROSÉGOLD MIT DIAMANTBESATZ. Wenn du aufwachst, träumst du. Ein Bett in den Wolken! Ein Blick aus dem Himmel. Ein Gefühl, wie mit Flügeln zu schlafen. 5 Uhr früh. London. 42. Stock des neuen „Shangri-La-Hotels“ im höchsten Wolkenkratzer Europas (310 Meter) - der GlasPyramide „Shard“ („Die Scherbe“). Sonnenaufgang! Blendende Strahlen brechen durch zarte Wolken – die staunenden Augen suchen durch’s Fernglas (gibt es gratis am Bett). London liegt dir vor den Daunen – Tower Bridge, Tower selbst, Rathaus und die Themse wie ein schlängelnder Drache. Dein Fenster wird zum Cinemascope-Kino wird – ein Panorama mit Bett! 5-Sterne-Luxus: beheizter Toiletten-Sitz, Mini-iPad als Fernbedienung, Nespresso umsonst, TV im Badezimmer-Spiegel, Pool im 52. Stock (11 x4 Meter). Faszinierender kann man in Europa nicht aufwachen! Hotel-Chef Jürgen Ammerstorfer: „Ein einmaliges Erlebnis! Sie wohnen im Himmel! Sie können aber auch nur einen Tee trinken und gucken.“ Günstigstes Zimmer: ca. 438 Euro (z.B. Trivago). Günstigster Tee: Express-Lift in den 72. Stock, Aussichts-Terrasse in 225 Meter Höhe - Ticket: ca. 30 Euro. Noch günstiger: Bier in der „Gong“-Bar, 52. Stock – ca. 9 Euro (deutscher Barmann). Ein Traum-Hotel – zum Schlafen zu schade! David Blieswood Connaisseur aus Hamburg ANDREAS ORTNER/PRESTEL VERLAG EIN BETT IM HIMMEL Mein Modelexikon Keine Ahnung, wo diese Dame aufgenommen wurde? Hier ein Tipp – die Farben Schwarz (der Hauch von Nichts), Rot (Mund) und Gold (Haar) weisen den Weg: Deutschland hat mehr als handfeste Ingenieure. Der Bildband „Fashion Germany“ versammelt jetzt die Elite der deutschen Modebranche. Persönliche Beiträge, Exklusiv-Interviews und ein umfassendes Bildmaterial mit 450 Fotos ehren die Macher auf 208 Seiten. Wussten Sie, dass Angelica Blechschmidt 24 Jahre Chefredakteurin der Vogue war? Und Peter Lindbergh Anfang der 90er mit einem einzigen Foto die Supermodels erfand? Na eben. Von Martina Rink, erschienen bei Prestel. UND SONST NOCH 26 DESIGN: „Ist die Katze aus dem Haus ...“ In diesem Fall tanzt die Maus nicht, sie steht auf dem Tisch: Lampe „Toto“ von Ingo Maurer. ——— ARCHITEKTUR: Luxuriöser Anspruch trifft auf nachhaltiges Bauen. Der Bildband „Die Villa heute – Baukultur und Lebensart“ (DVA) präsentiert 25 preisgekrönte Häuser aus dem deutschsprachigen Raum. ——— KUNST: Die Ausstellung „Contradiction“ in der Hamburger Galerie Anne Moerchen zeigt die Cover-Vorlage für das kommende Queen-Album. Die Collage von Hans Hushan ehrt ein bisher unveröffentlichtes Duett von Freddie Mercury mit Michael Jackson. ——— SHOPPEN I: Die „Green Fabrics“ und andere Accessoires von Codello gibt es jetzt auch in der Hauptstadt in der LP12 Mall of Berlin. ——— SHOPPEN II: Floris van Bommel liebt Köln. Deshalb verkauft er seine Schuhe im ersten deutschen Flagship-Store in der Ehrenstraße 39. TRENDBAROMETER VON WOLFGANG JOOP Herr Haka Das Bedürfnis nach Disziplin, Manieren, Ordnung, Perfektion, dieses „Deutsche“ ist angesichts der zunehmend chaotischen Zustände um uns herum vom Nimbus der Spießigkeit befreit. Selbst die Mode reagiert mit Bravheit. Ich spüre selbst eine große Sehnsucht nach Tradition, nach echter High Society statt OktoberfestGegröle. Benehmen, Bildung, Ausbildung, das waren einst die Privilegien. Es ist doch erschreckend, dass sie scheinbar heute auch nur wenigen zuteilwerden. Frau Dob In einer Welt, die sich derart radikalisiert, kannst du dem Horror wahrscheinlich nur mit Bildung und Haltung begegnen, sonst wird man doch verrückt. Wobei man wie du mit deinen WunderkindSachen auch mit Romantik reagieren könnte. Was mich wundert: In der Geschichte traten gerade in rauen Zeiten die großen Denker hervor. Siehst du jemand? KRISTIAN SCHULLER/BRANDSTATTER VERLAG Lady in red AKHTAR SCHAFFE, SCHAFFE, WEINLE TRINKE Kennen Sie die Geschichte vom weltoffenen Schwaben? Als Kolumbus in Amerika landet, ist unter seiner Mannschaft ein Schwabe. Zum freudigen Ereignis bekommen alle Landurlaub, und als der Schwabe anschließend als Einziger zu spät aufs Schiff zurückkehrt, staucht Kolumbus ihn tüchtig zusammen und fragt dann nach dem Grund. Da meint der Matrose: „EntHerbert Seckler schuldigad Se vielmols, Herr Kultwirt vom Sylter „Sansibar“ Kolumbus, abr i han an Landsmann aus Sendelfinga troffa.“ Ja, uns Schwaben trifft man überall. Mich vor allem auf Sylt – 686,04 Kilometer von meinem Geburtsort entfernt. Die Insel ist mein Zuhause geworden, was jedoch nichts an meiner Heimatverbundenheit zum „Schwabenländle“ ändert. Schließlich gebe ich mir alle Mühe, das Klischee vom „Schaffe, schaffe, Häusle baue“Schwaben zu bedienen. Apropos Klischees: Ich habe eine wunderbare Rotwein-Empfehlung made in Germany: den 2009er „Tailor Réserve“ vom Großmeister Markus Schneider – eine sensationelle Cuvée aus Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon, die gerade Premiere hatte. Dick, fett, stoffig, druckvoll, mit Noten von Cassis, Gewürzen, Marzipan, Rauch und einem eleganten Finale. Wenn man mich fragt – der beste Rotwein, den Markus je gemacht hat. 28 Noch hebt sie nicht ab, die Frau im roten Fallschirm, die ein bisschen so aussieht, als wäre sie nicht von dieser Welt. Denn einer hält sie fest – mit seiner Kamera: Kristian Schuller, Modefotograf und Meister der märchenhaften Momente. Inspiriert von Theater, Film und Zirkus zeigen sich die Arbeiten des ehemaligen Schülers von Vivienne Westwood in seinem zweiten Bildband „Tales for Oskar“ (Brandstätter Verlag) – Oskar steht für das Kind in uns. Eigentlich wurde der Pix Pen von Montblanc für das Galaxy-Tablet entwickelt. Taugt aber auch als Requisite im neuen Star-Wars-Film. An die Kette gelegt: Die handgefertigte Brille der Münchner Marke iOLANi. EIN AMERIKANER IN MÜNCHEN Ich kam im Sommer 2001 aus New York nach München. Zuerst war es ungewohnt, aber dann beeindruckten mich die vielen Geheimnisse hinter den Fassaden. Also blieb ich. Und stellte fest: Wenn man im Ausland ankommt, muss man Fähigkeiten und Sinne aktivieren, die man vorher gar nicht brauchte, einfach um zu überleben: Körpersprache, Zwischentöne, Mimik, alles muss einzeln entschlüsselt werden. Frisuren. Dieser Wind, der Föhn. Das starke Bier. Ich sehnte mich nach ein paar neuen Verbindungen. Also konzentrierte ich mich bald auf die grundsätzlichen Prinzipien menschlichen Verhaltens. Und begann, mich für die Geschichten der Menschen zu interessieren. Und lernte: Jeder, ob Amerikaner, Deutscher oder sonst wer, sucht nach etwas, das ihn definiert, ihm ein Ziel gibt, einen Stellenwert in einer Gemeinschaft. Ja, Menschen führen seit Jahrhunderten Kriege, aber ich denke, dass uns das nur immer weiter von dem entfernt, was unserer Natur entspricht. Ich höre die Deutschen, die sagen, es gebe hier Probleme mit der Integration. Aber ich wurde in Deutschland so herzlich willkommen geheißen, dass es mir nur schwer vorstellbar ist, nicht „erwünscht“ zu sein. Von einigen unfreundlichen Kommentaren abgesehen, bin ich nicht nur ein Schwarzer oder ein Homosexueller: Ich bin hier eine Persönlichkeit, die mit allem hier sein darf, was zu ihr gehört. Was macht den Menschen zum Amerikaner? Was zum Deutschen? Was zum Bewohner von Chris Glass Mutter Erde? Vielleicht sind es die Unterscheide, Membership Manager vom Soho die dafür sorgen, dass wir alle gleich sind. House Berlin PATRICK DEMARCHELIER Auf den Inhalt kommt es an VORSPRUNG DURCH TECHNIK Für das Handwerk auf unseren Inseln freut es mich als Südengländer sehr, dass der Union Jack sein Blau behält: Es steht bekanntlich für Schottland. Gerade im Norden passiert derzeit viel: Die Renaissance des Harris Tweed hat kleine Webereien auf Inseln wie Lewis und Mull ermutigt, mehr ihrer Stoffe zu exportieren – mit großem Erfolg. Einige sind Familienbetriebe und produzieren per Hand auf mehr als 60 Jahre alten Webstühlen. Ohne sie könnten wir in der Savile Row keinen einzigen Anzug schneidern. Überhaupt tun wir Briten gut daran, uns daran zu erinnern, dass wir eine lange handwerkliche Tradition haben: Twinings Tea wurde 1706 gegründet, den Hutmacher Lock & Co gibt es seit 1676, den Schuhmacher John Lobb seit 1866 und unsere Schneiderei existiert auch schon seit 1806. Wir stellen sicher, dass alle Arbeitsschritte im Haus stattfinden. Und das ist auch das Geheimnis, das hinter Handmade in Germany steckt: Bei den AlSimon Cundey lerbesten wurde das Wissen über Jahrhunderte Inhaber von weitergegeben und modernisiert. Den Deutschen Henry Poole, gelang es dazu, eine Symbiose mit der Ingenieurs15 Savile Row kunst einzugehen: Unternehmen wie Thyssen, gegründet 1891, oder Bosch, seit 1886 am Markt, sprechen für sich. Am besten in Worte gefasst hat Audi diese Art, Handwerk zu interpretieren. Was der Slogan „Vorsprung durch Technik“ bedeutet, wissen bei uns schon Kinder, die ansonsten kein Wort Deutsch sprechen. Wir sollten stolz auf solche Firmen sein. Und eine Ausbildung ermöglichen, die dafür sorgt, dass wir weiter Handwerk pflegen, das höchsten Ansprüchen gerecht wird. 21 namhafte Typen dienen als Antwort auf die Frage: Wann ist ein Mann ein erfolgreicher Mann? Das 3 0 „Männer“-Buch erschien im Knesebeck Verlag DIE DNA DES LUXUS’ „Alma“ – das ist nicht die Frau auf dem Plakat, sondern die Tasche. Das Modell von Louis Vuitton setzte der Fotograf Patrick Demarchelier mit Karolina Kurkova – so heißt die Frau nämlich – 2001 werbewirksam in Szene. Sein Blick auf die Marke illustriert die Bedeutung der Luxustaschen zu Anfang des Millenniums. Die Geschichte des Modehauses erzählt jetzt der Band „Louis Vuitton Fashion Photography“ (Rizzoli). Mit Werbestrecken und Editorials, die bis in die 50er-Jahre zurückgehen. Herausgekommen ist ein üppiges Album mit knapp 200 Bildern. Die De-luxeEdition mit wählbarem Cover gibt es in den Boutiquen von Louis Vuitton und online: louisvuitton.com. Luxus und Deutschland – das sind zwei Begriffe, die lange nicht zusammengepasst haben. In den letzten Jahren jedoch hat sich rund um den Globus ein wesentlicher Wandel vollzogen. Immer mehr deutsche Marken etablieren sich als Statussymbole im kleinen Kreis der internationalen Luxusmarken. Wer es sich leisten kann, fährt seit jeher einen Porsche, BMW, Audi oder Daimler – was auch sonst? Aber der neue Kanon klingt weit virtuoser: Man fotografiert mit einer Leica, hört Musik auf einer High-End-Anlage von Burmester und bringt seine Gedanken mit Schreibgeräten von Montblanc, Lamy oder Faber-Castell auf Papier von Gmund. Man kocht mit Freunden im Fissler-Topf in der Bulthaup- oder Poggenpohl-Küche oder entspannt sich im Garten in Kuschel-Jacken von Bogner auf Möbeln von Dedon. George Clooney kann ruhig heiraten, denn nicht nur Nespresso ist angesagt, Dallmayr hält Einzug in die Nische der Connaisseurs. Kein Zweifel: Während Luxus aus Frankreich oder Italien stagniert, gewinnen Produkte aus Deutschland immer mehr Anhänger. Woran das liegt? An den guten alten deutschen Tugenden, die quasi die DNA dieser Produkte bilden: Genauigkeit. Zuverlässigkeit. Solidität. Der aus chronischer Unzufriedenheit gespeiste Perfektionsdrang deutscher Entwickler kulminiert in einer kaum zu übertreffenden Qualität und der schon sprichwörtlichen Langlebigkeit. Nun sind das Eigenschaften, die lange Zeit nicht als besonders sexy galten – solide, humorlos, eher langweilig, typisch deutsch eben. Aber gerade das ist im LuSabine Meister xussegment heute besonders gefragt. Denn Gutverdiener sind eine leisGeschäftsführerin von tungsorientierte Zielgruppe. Sie nehmen es übel, wenn der teuer bezahlte Meister & Associates in München Luxus nur ein fiktives Marketing-Konstrukt ohne inhärente Produktqualität ist. Sie bezahlen einen hohen Preis und erwarten dafür einen hohen Wert. Und hier kommt die berühmte Wertarbeit ins Spiel. Deutsche Luxusprodukte sind der positive Gegenpol zum schnelllebigen, sich selbst entwertenden Bling-Bling-Protz. Sie erfüllen das weltweit wachsende Bedürfnis nach Substanz und Nachhaltigkeit geradezu idealtypisch; nicht als Neuheit, sondern als gelebte Tradition. (Der Begriff Nachhaltigkeit wurde schon 1713 von dem deutschen Forstwirtschaftler Hans Carl von Carlowitz geprägt.) Kaum einer verkörpert die Tugenden so wie der Designer Dieter Rams, der unter anderem mit der Marke Braun Designgeschichte schrieb. Für ihn muss ein Produkt „innovativ, nützlich, ästhetisch, unaufdringlich, ehrlich, langlebig und durchdacht“ sein. Jonathan Ive, Chefdesigner von Apple, nennt Rams als sein prägendes Vorbild und schuf mit iMac, iPod, iPhone und iPad Lifestyle-Kultobjekte des 21. Jahrhunderts. Und ich packe jetzt den Rimowa-Koffer und fliege mit Lufthansa ins „Kempinski“ nach Istanbul (das mit dem Überlauf-Pool auf dem Dach!), um dort Investoren zu treffen, die nur eines wollen: deutsche Markenunternehmen. Unser Streben nach Perfektion. Senator Chronograph Senator Chronograph. Start. Stop. Fly-Back. Der präzise und zuverlässige Zeitmesser beeindruckt mit zentraler Stoppsekunde, 30 Minuten- und 12 StundenZähler mit integriertem Flyback-Mechanismus, kleiner Sekunde, einer Gangreserve von 70 Stunden sowie dem Glashütte Original Panoramadatum. Glashütte Original Boutique ∧ QF, Quartier an der Frauenkirche ∧ Töpferstraße 4 ∧ 01067 Dresden Tel. +49 (0)351 82 12 59 70 ∧ E-mail: boutique.dresden@glashuette-original.com OH, LOOK! ICONAS MÄNNER ZEIGEN IHRE AKTUELLEN LIEBLINGSTRENDS ILLUSTRATIONEN: JAMES DIGNAN (JAMESDIGNAN.COM) IKE IKEN Der Wolf im Tarnfell: Parka von Cervolante + Zeit für einen Männer-Ausflug: Die „New Gent“ Uhr von Swatch Auf der Fährte: Rucksack „Morris“ von Esthex über Smallable.com + + Waldesduft: „Wonderwood“ von Comme des Garçons“ + Für Alphatiere: T-Shirt von Nigel Cabourn für Aigle Für den-ganzen-Tag-aufden-Beinen-sein: Hose von Petit Bateau Ikens Beinfreiheit: Hosen von COS + + + Volle Pulle Abenteuer: Trinkflasche von Sigg ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER Tierisch gut! „Mein erstes Wimmelbuch – Im Wald“ aus dem Esslinger Verlag + Gut getarnt im Windbreaker von Mango Kids + + Geerdet in knöchelhohen Sneakern von Kavat Kalte Pfoten? Kuscheliger Begleiter von Steiff + 32 Hals und Beinbruch! Der Schal ist von Barbour Im Wald ist der Bär los! Ikes Sweatshirt ist von Il Gufo = 34 9 € Für die kulturelle Rast: der Klassiker „Walden“ von Henry David Thoreau Ab durchs Unterholz mit Schuhen von Carhartt WIP x Vans Classic = 1.427 € MICHAELKORS.COM KOOPERATION VON ALBERT KRIEMLER UND THOMAS RUFF, VG-BILDKUNST BONN, 2014 FÜR DIE AKRIS FW 2014/15 KOLLEKTION; AKRIS / MONTAGE: ICON KUNST Licht und Stoff Wenn die Grenzen zwischen Kunst und Mode verfließen, ist Albert Kriemler nicht weit. Für diese Saison ging der Akris-Designer und Sammler eine Kooperation mit Thomas Ruff ein Oben: Das Original „Stern 16h 30m/-59 Grad“ aus der Stern-Serie von Thomas Ruff ist noch bis zum 1. Januar 2015 in der Ausstellung „Thomas Ruff. Lichten“ in der Kunsthalle Düsseldorf zu sehen. Es diente Albert Kriemler als Inspiration für das LED-Kleid (links) B ling-Bling bei Akris? Ausgerechnet. Doch wenn Albert Kriemler in ein schwarzes Abendkleid aus Seidencrepe zahlreiche kleine LED Lichter einarbeitet, dann kündet das nicht von einer völlig neuen Stilrichtung des Schweizers, sondern wieder einmal von einer ganz neuen Stofftechnik. Und einem Zitat. Denn in seinem zehnten Jahr bei der Pariser Modewoche ließ Kriemler sich von dem Düsseldorfer Fotokünstler Thomas Ruff inspirieren, übersetzte für die nun ausgelieferte Herbst-/Winterkollektion sieben von dessen Nachtszenen in Design. Mindestens so spektakulär wie die „Sternenbilder“-Robe sind das Seidenkleid mit dem Druck, der eine mystische Nachtszene auf einem Hinterhof wiedergibt, oder auch ein verfremdetes Foto vom Mars als Mantelstoff. 34 Herr Kriemler, wie kamen Sie eigentlich auf Thomas Ruff? Schon als ich vor gut 15 Jahren seine erste große Ausstellung im Lenbachhaus sah, habe ich mich in seine Arbeit verliebt, er ist ein toller Künstler. Mittlerweile sind wir gut befreundet. Und eigentlich ist eine Freundschaft ja viel wert und Zusammenarbeit ein Risiko. Aber alles ging gut. Im November flog ich mit meinen Zeichnungen zu ihm, hab im Dezember unter Hochdruck die Stoffe entwickelt, das war schon sehr anspruchsvoll, allein dieses spezielle Doubleface, die schwarze Abseite, die weiße Seite „ready to print“... Wie kamen Sie darauf, Seide weben zu lassen, die sich anfühlt wie Kaschmir? Ich bekam ein Stück Flanell in reiner Seide in die Hand, basierend auf dem Garn haben wir den Stoff entwickelt. Ich finde ja immer, wenn so ein haptisches Erlebnis stattfindet, muss man sich gleich darauf stürzen. Thomas Ruff war auch bei der Show in Paris dabei und hat viel fotografiert. Setzt er jetzt wiederum seine Eindrücke um? Das weiß ich nicht, aber ich denke, dass er viel zu sehr in der Technologie lebt, als nur ein Foto am Computer zu verarbeiten. Da ist er längst in anderen Sphären. Er hat mir von einem Bild in seinem Studio erzählt, das ist 5,50 Meter hoch. Das größte Foto, das es je gab. Gedruckt von einem staatlichen Drucker, den einzigen, den es in Deutschland gibt. Was fasziniert Sie an Ruffs Arbeiten? Es ist großartiges Gefühl, wenn man Kunst sieht, fühlt und eigentlich gar nicht genau erklären kann, was es ist. Fotografieren Sie auch? (Lacht) Nein, das kann ich nicht. Sind Sie stolz auf diese Zusammenarbeit? Ich erinnere sehr genau die erste Show in Paris vor zehn Jahren. Donnerstagmorgen, der erste Termin des Tages, 15 Leute da. Damals zeigte ich die Walloton Kollektion, nach dem einzigen Schweizer Künstler bei der Nabi Gruppe. Er war nie richtig anerkannt. Fand ich tollen Einstieg für Paris. Dass die Zehnjahre-Kollektion nun auch wieder einem Künstler gewidmet ist, finde ich wunderbar. Zumal der sehr akzeptiert ist, wie Sie auch. In der Zusammenarbeit kamen dann auch viele Gemeinsamkeiten im Arbeitsprozess zutage. Was ist das Bild für ihn, was das Bild für mich am Anfang? Dass es mit der Technologie auch noch so aufgeht, ist Glück. So intrigante Details wie das LED, die faszinieren und provozieren, dafür macht man ja auch Defilees. Das LED-Kleid könnte man sich auch als Kunst an die Wand hängen. Nein, ich denke, da ist schon ein grundsätzlicher Unterschied. Ein Künstler drückt sich individuell sehr subjektiv aus. Wir Designer wollen jedoch immer auch unseren Zweck erInga Griese füllen. ENTDECKEN SIE DIE NEUEN KOLLEKTIONEN VON Akris Punto Armani Collezioni Boss Brunello Cucinelli Burberry Diane von Furstenberg Escada Etro Helmut Lang Iris von Arnim Jil Sander Max Mara M Missoni Paule Ka Ralph Lauren u.v.m JETZT IN DEN DREI FÜHRENDEN DEPARTMENT STORES DEUTSCHLANDS Nicht alle Marken sind in allen Häusern erhältlich. 24 / 7 ONLINE SHOPPEN AUF WWW.SHOP.KADEWE.DE www.alsterhaus.de www.kadewe.de www.oberpollinger.de Form vorher nicht gab. Ich habe erkannt: Wenn es uns entflammt, wird es auch die Kundin und meine Geschäftspartner begeistern. IM GESPRÄCH MARKUS KIRCHGESSNER; GETTY IMAGES FOR MERCEDES BENZ (3) Vor Kurzem haben Sie den Namen Ihres Labels von Schumacher zu Dorothee Schumacher geändert. Heißt das, dass Sie jetzt noch mehr Einfluss auf die Ausrichtung Ihrer Arbeit haben? Eigentlich ist alles so wie vorher, wir haben jetzt nur noch den „Dorothee-Faktor“, wie wir es nennen, unterstrichen. Tochter Mannheims Sie wollte nicht Karrierefrau im strengen Anzug sein, wie Ende der Achtziger üblich. Auf diesem Widerstand baute Dorothee Schumacher ein starkes Modelabel auf So sieht Dorothee Schumacher den Herbst: Laubfarben, viel Leder, weiche Materialien 36 D as Label, das viele Jahre lang „Schumacher“ hieß, war schon immer von der kreativen Energie seiner Mannheimer Gründerin getrieben. Jetzt rückt die Chefin noch mehr ins Zentrum, weshalb „Schumacher“ nach 25 Jahren in „Dorothee Schumacher“ umbenannt wurde. Frau Schumacher, Sie sind auch international sehr erfolgreich. Haben Ihre Kundinnen bestimmte Erwartungen an ein deutsches Label? Ich glaube, dass keine Kundin, ob in Tel Aviv oder New York, daran denkt, dass sie etwas Deutsches kauft. Sie kauft etwas, was sie verzaubert. Sie möchte etwas haben, was sie beflügelt. Und das ist es auch, was wir in unsere Kollektionen einarbeiten: Begehrlichkeit. Wenn ich mit internationalen Einkäufern zusammenarbeite, merke ich, dass es dort eine besondere Wertschätzung gibt für deutsche Tugenden wie Pünktlichkeit oder Qualität, aber das ist dann die geschäftliche Ebene. Einige deutsche Häuser wie Strenesse oder Escada hatten in den letzten Jahren schwer zu kämpfen und auch viele Nachwuchsdesigner tun sich eher schwer. Was machen Sie besser als die anderen? Ich weiß nicht, ob ich etwas besser mache, aber ich arbeite mit vollem Herzen für die Frauen und genieße die Zusammenarbeit mit wunderbaren Menschen. Wenn ich einen Gedanken pflanze und um mich herum dann das Leuchten in den Augen meiner Mitarbeiter sehe, weiß ich, dass wir das gemeinsam angehen, auch wenn es so etwas in der Was ist der „Dorothee-Faktor“ genau? Das ist das kompromisslos Weibliche. Ich entwerfe eine Kollektion ausschließlich für Frauen. Von 140 Mitarbeitern sind 120 Frauen. Ich arbeite mit Frauen für Frauen und da gibt es immer unglaublich viel zu entdecken. Es macht mir große Freude, mutige Frauen auf ihrem Weg zu begleiten. Ihr Label ist 25 Jahre alt. Welches waren die größten Anfängerfehler, aus denen Sie lernten, und was haben Sie bis heute nicht verändert? Als Unternehmer leistet man es sich doch sehr selten zurückzuschauen, auch in mir drängt es eher nach vorne. Aber wichtig ist mir diese erste kleine, feine T-Shirt-Kollektion, die ich in Italien gefertigt habe. Ich hatte damals im Showroom überall riesige Blumensträuße aufgestellt. Dafür bin ich belächelt worden, doch es war mir von Anfang wichtig, meine Welt um mich herum zu bauen. Es war nicht nur ein Top, es war ein Gefühl. Es ist doch komisch, dass die Leute, die einen am Anfang kritisieren und sagen, mach das anders, dann plötzlich Jahre später mit Standing Ovations applaudieren. Beobachten Sie die junge deutsche Modeszene und sehen Sie da Labels, die Ihnen besonders gut gefallen? Jetzt muss ich sagen Shame on me, denn ich bin natürlich zum Zeitpunkt der Fashion Week in Berlin, aber da bin in meinem eigenen Tunnel, der Blick nach links und nach rechts ist blockiert. Ich kann aber schmunzelnd sagen, dass mein deutscher Lieblingskollege Karl Lagerfeld ist, auch wenn er in Frankreich für Chanel arbeitet. Aber Mode ist nicht Deutschland, Frankreich oder Italien, denn Mode kennt keine Grenzen. Für mich ist die Mode eine internationale Sprache. Egal wo ich auf der Welt gerade unterwegs bin, ob in Spanien, Italien, Griechenland oder Israel, ich immer in der Nationalsprache angesprochen werde. Niemand glaubt mir, dass ich Deutsche bin. Sie haben vier Kinder. Interessieren die sich für Mode und Ihre Arbeit und sammeln vielleicht im Unternehmen schon erste Erfahrungen? Ich habe drei Jungen und ein Mädchen und sie sind 24, 23, 15 und 13 Jahre alt. Zwei von ihnen interessieren sich sehr für die Firma, zwei überhaupt nicht. Ich war vor Kurzem in London, wo einer meiner Söhne lebt. Wir haben uns unterhalten und er sagte, dass man merkt, wie sehr mich meine Arbeit bewegt und wie ich daraus meine Energie ziehe. Es hat mich wirklich berührt, dass er mir meine Freude und natürlich auch die Zeit, die ich mit der Firma verbringe, gönnt. Neulich hatte ich auch ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin und sie sagte zu mir abschließend, dass unsere Firma wie ein Jungbrunnen wirkt. So empfinde ich das auch und ich glaube, das ist es auch, was mein Sohn mir an dem Abend mitteilen wollte. Und da sind wir wieder beim Heike Blümner „Dorothee-Faktor“. Inspiration vom Herrenanzug, Wurzeln in aller Welt. Boss-Models in der Frühjahr/ Sommer-Kollektion 2015 und Jason Wu vor der Show im One World Trade Center Glückskind und Glücksgriff Seine Kundschaft reicht von der Dragqueen Ru Paul bis zur First Lady der USA. Als Kreativdirektor von Hugo Boss schlägt Jason Wu nun ein neues Kapitel für die Marke auf A 38 ls die saudische Prinzessin, Streetstyle-Celebrity und Boutiquenbesitzerin Deena al-Juhani Abdulaziz vom Quai des Pariser Grand Augustin auf die Party rauscht, in einem modisch absolut auf Diskurshöhe wippenden Kleid eines libanesischen Designers, hat sie ein Problem mit ihrer grobgliedrigen Kette. Auch wenn er genug andere Optionen hätte – Supermodel Karlie Kloss begrüßen, auf dem Bürgersteig eine weitere Zigarette rauchen – ist der Gastgeber sofort zur Stelle. Geduldig bemüht sich Jason Wu, das störrische Schmuckstück sicher zu schließen, als gäbe es in diesem Moment nichts Wichtigeres in seinem Leben. Das könnte man auch anders sehen. Als das deutsche Modeunternehmen Hugo Boss vor gut einem Jahr verkündete, den in 1982 Taiwan geborenen Modedesigner Jason Wu als Artistic Director verpflichtet zu haben, klang das plausibel und warf zugleich Fragen auf. Der Mann ist ein Glückskind der amerikanischen Mode, seitdem Michelle Obama 2009 eines seiner Kleider zum Vereidigungsball ihres Gatten trug. Das war von ihrer Seite aus kluge Integrationspolitik – die erste schwarze First Lady in einem Kleid eines Einwandererkindes – und es machte ihn mit einem Schlag weltberühmt. Sein Stil ist sinnlich, ohne jemals ordinär zu sein. Und in gewisser Weise ist er konservativ. Er drapiert Stoffe gern, lässt sie die Silhouette umfließen, setzt hervorblitzende Haut und Farben mit Augenmaß ein: seine Mode funktioniert auf roten Teppichen, ohne zu schreien, dass sie dafür gemacht ist. Seine Zusammenarbeit mit der Dragqueen Ru Paul ergibt in diesem Zusammenhang Sinn. Auch sie steht, trotzt ihrer außergewöhnlichen Körpergröße (1,93 Meter ohne High Heels), für einen traditionell weiblichen Look. Seit gut einem Jahr also verbringt Jason Wu eine Woche pro Monat in Metzingen bei Stuttgart, dem Global Headquarter von Hugo Boss. An seiner Aufgabe sind schon andere, nicht unbegabte Modeschöpfer gescheitert. Aber alle Zeichen weisen darauf hin, dass diese Partnerschaft funktioniert. Er liebt sogar das „Bed & Breakfast“, in dem er dort untergebracht ist, doch vor allem sagt er: „In dieser Marke steckt so viel drin. Man muss es nur sehen.“ Was er gesehen hat, überzeugt: souveräne, körpernahe Schnitte. Beherzter Einsatz von Mustern und hochmodernen Materialien. Erwachsene Mode mit wohltemperiertem Wow-Faktor. Allgemeiner formuliert: Er respektiert die Wurzeln der Marke (Herrenanzüge und -hemden) und schlägt zugleich ein neues Kapitel auf. Die Kollektionen fühlen sich in ihrer Geradlinigkeit durchaus deutsch an, aber vor allem die zweite bereichert um eine zeitgemäße Verspieltheit. Seine Frühjahrskollektion wurde im One World Trade Center in New York gezeigt. Ein sehr selbstbewusstes Signal und ein denkbar radikaler Gegensatz zum beschaulichen Metzingen. Doch wenn man in Taipeh geboren, in Kanada aufgewachsen und in New York groß geworden ist, ist man Kulturbrüche gewohnt. Für Wu ist der Gegensatz zwischen der ultramodernen Architektur seines Arbeitgebers und den sie umgebenden bewaldeten Hügeln ebenso Anregung wie die Farbe von bleichem Sellerie oder der delikate Minimalismus der amerikanischen Künstlerin Agnes Martin. Demnächst will und soll sich der unermüdliche und disziplinierte Designer auch an die Männerkollektion machen. Das Lapérouse in Paris wurde 1766 eröffnet. In den Separees vergnügten sich Frankreichs berühmteste Dichter (Zola, Hugo, Flaubert), in der Küche wirkte einst der größte Koch des Landes, Auguste Escoffier. Nur wenige Meter weiter, am Place St-Michel, hat sich eine johlende Menge von kurz behosten Touristen um eine Dance-Performance versammelt. In den niedrigen, holzigen und plüschigen Räumen des Lapérouse aber könnte es gestern gewesen sein, als Balzacs attraktiver Held Lucien de Rubempré seinen Aufstieg in der Pariser Gesellschaft versuchte. An diesem sommerlichen Abend während der Herbstschauen in Paris lässt die Dichte attraktiver Menschen und der Vorrat an Champagner und CognacCocktails (die Marke Martell lud ein) keinen Zweifel, dass dem Mann des Abends sein AufAdriano Sack stieg gelungen ist. HUGOBOSS.COM/MONTAGE ICON BOSS BEI BOSS NEUSTART AFP PHOTO (4) /MONTAGE ICON Jung ohne jung sein zu wollen, so stellt sich Rodolfo Paglialunga die Marke Jil Sander vor Es sandert wieder Als sich Jil Sander vor fast einem Jahr endgültig zurückzog, schien die Zukunft ihres einstigen Labels eher neblig trüb. Nun ist Rodolfo Paglialunga da und der Horizont reißt auf H 40 uch, ist der Mann sympathisch. Schon wie er nach der Schau schwungvoll wie sein Name Rodolfo Paglialunga klingt, die große Runde an den Zuschauern ablief, war eine Überraschung. Der Mehltau, der sich nach dem endgültigen Abschied von Jil Sander über das Modehaus gelegt hatte, die Unsicherheit, ob und wie es überhaupt weitergehen würde mit der Marke: wie weggeblasen. Ansprechend wie seine erste Kollektion ist auch der neue Designer. In Pullover, Bermuda, Kniestrümpfen – alles in Dunkelblau – kommt er um die Ecke im Showroom gesaust, der Händedruck ist gerade richtig, der Blick offen, wenn er lacht, was er gern tut, blitzt eine Zahnspange. Der 47-Jährige ist wenig bekannt, allerdings kein Neuling. Auf dem „Land mitten in Italien“ aufgewachsen, war er gleichwohl sehr früh interessiert an Kleidung, es waren viele Frauen in seiner Umgebung, aber vor allem die schönen Schauspielerinnen im Fernsehen hatten es ihm angetan. Und mochten seine Geschwister auch anziehen, was die Mutter kaufte, er fand es meist schrecklich. Nach der Schule zog er ganz schnell nach Mailand, besuchte die Designschule, um auch das Geschäftliche hinter der Passion zu verstehen, begann als Jungsdesigner 1993 bei Romeo Gigli, zog weiter zu Prada, wo er viele Jahre verantwortlich an der Seite von Miuccia Prada an der Damenkollek- tion arbeitete, bis die alte Marke Vionnet wiederbelebt und er 2009 angeheuert wurde. 2012 endete die Zusammenarbeit, Paglialunga verschwand. Jedenfalls aus dem Blick der Öffentlichkeit. Mit seinem Designbüro beriet er im Hintergrund andere Marken. Im Frühjahr dann stellte das Haus Jil Sander ihn überraschend als Kreativdirektor vor, im September zeigte er seine erste Kollektion. Zum ersten Mal wurde dafür die ganze erste Etage im Mailänder Hauptquartier freigeräumt. Als Sie gefragt wurden, ob sie den Job übernehmen, was dachten Sie? Nun, im Januar kam es über gemeinsame Freunde zu einem zwanglosen Austausch. Wir sprachen über die Perspektiven, sie waren noch unsicher, in welche Richtung es gehen sollte. Ich sagte, ich liebe die Marke, und es wäre eine reizvolle Herausforderung für mich dafür zu arbeiten. Und so ist es auch. Jil Sander ist die Referenz für alle Designer. Zu ihrer großen Zeit haben wir uns auch bei Prada an ihr orientiert. Deswegen ist es für mich auch eine so große Freude nun hier zu arbeiten. Sie ist auch noch gegenwärtig in diesem Gebäude, das ja komplett ihre Handschrift trägt. Deswegen war es auch schwierig, sich der Kollektion anzunähern. Ich bin nicht deutsch, habe eine andere Kultur, eine andere Geschichte, wollte das Erbe Jil Sanders nicht limitieren und zugleich auch mir selbst treu bleiben. Und? Zufrieden? Zunächst hatte ich schon Angst. Aber als ich fertig war mit der Kollektion, war ich sehr zufrieden. An einem bestimmten Punkt musste ich mich einfach von allem lösen, was Jil Sander gemacht hatte und was auch Raf Simons gemacht hatte, den die Medien ja sehr liebten. Aber als ich auf dem Monitor backstage die Schau verfolgte, fühlte ich mich wirklich wohl. Für mich und für die Marke. Ich frage mich nur, was Frau Sander wohl über die Kollektion denkt? Ich kenne sie ja nicht. Waren Sie schon einmal in Hamburg? Einmal zu Prada-Zeiten mit Patrizio Bertelli, der mir die Firma zeigen wollte und noch einmal mit Freunden zu Besuch. Hamburg ist eine sehr schöne Stadt. Braucht eine Marke eine Heimat? In jedem Fall eine Identität. Aber nicht eine Nationalität. Ich mag die Alltagstauglichkeit der Kollektion, sie ist einfach aber elegant. Ich entwerfe nicht gern für den roten Teppich. Mein Leben ist nicht so. Es ist sehr privat, mit alten, engen Freunden, mit meinen Hunden, Jack-Russell-Terrier, Mutter und Tochter. Mich interessiert Alltag einfach mehr. Auch als Designer ist es leichter, mit Chiffon zu zaubern, als etwas sehr Reales und dennoch Interessantes zu entwerfen. Hedi Slimane hat bei Saint Laurent alles auf den Kopf gestellt. Sind Sie auch so einer? Ich fang erst einmal an. Und freue mich, wenn ich in der schnelllebigen Branche Zeit habe, über eine Kollektion nachzudenken. Ich bin einer, der zur Entspannung ruhige, sehr tiefe Atemübungen macht. Rebirthing nennt sich Inga Griese diese Technik. MESURE ET DÉMESURE TONDA METROPOLITAINE Edelstahl Gefasst mit 72 Diamanten Mechanisches Manufakturuhrwerk Made in Switzerland www.parmigiani.ch BAD OEYNHAUSEN DÜSSELDORF HAMBURG JUWELIER PLACH | BOCHUM JUWELIER HESTERMANN & SOHN; FRANZEN KÖNIGSALLEE JUWELIER HANSEN | MÜNCHEN STUTTGART INNSBRUCK JULIUS HAMPL LE STUDIO PARMIGIANI CHRONOMETRIE VON HOFEN | KITZBÜHEL | JUWELIER HEIDI BOXBÜCHER | DORTMUND, FRANKFURT | MÜNSTER, OSNABRÜCK KAMPEN/SYLT JUWELIER RÜSCHENBECK | WIEN JUWELIER RÜSCHENBECK JUWELIER OEDING-ERDEL JUWELIER SPLIEDT SCHULLIN – UHREN IM LOOSHAUS FÜR WEITERE INFORMATIONEN UND HÄNDLERADRESSEN: PARMIGIANI FLEURIER DISTRIBUTION DEUTSCHLAND GMBH, FON +49 89 210 204 64 0 MODE Heimat verbunden Von der Provinz in 58 Länder. Marc Cain ist eine Erfolgsstory aus Bodelshausen. MARC CAIN (4)/MONTAGE ICON Oliver C. Schilling stattete einen Besuch ab Über-Modern: Der Firmensitz von Marc Cain (Treppenhaus) liegt nahe Tübingen und auch die Boutiquen, wie hier am Hamburger Neuen Wall, wurden modernisiert. Rechts: Looks aus der aktuellen Kollektion N 42 Nach Tübingen hat man es beinahe geschafft. Man fährt die Bundesstraße einfach weiter, biegt irgendwann rechts ab, vorbei am Butzensee, einem Kindergarten und fährt durch das Wohngebiet rund um die Mozartstraße. Und gerade dann, wenn man denkt, dass dieses Dörfliche auch was für sich hat, steht man vor einem futuristischen Bauwerk. Die Architektur stammt vom Büro Hank+Hirth aus Eningen, das Haus könnte genau so auch in Miami oder Seoul stehen: der Firmensitz der deutschen Modemarke Marc Cain. Das Gebäude ist freilich mehr als nur das strategische Zentrum eines Unternehmens, das weltweit erfolgreich ist. Es ist ein selbstbewusstes Statement und ein klares Ja zu „Made in Germany“: Ganz oben, in einer Art Kommandozentrale, sitzt jener Mann, der für den Erfolg und auch den Baustil verantwortlich ist. Helmut Schlotterer, Vorsitzender der Geschäftsführung, gründete das Unternehmen 1973 und baute es kontinuierlich aus. Der Standort Bodelshausen gilt als gesetzt. „Die Werbeabteilung wollte nach Berlin, die Designer nach Mailand, da dachten wir, bleiben wir in Bodelshausen, investieren in unsere Heimat, die liegt in der Mitte“, sagt Schlotterer. „Früher habe ich versucht, bei internationalen Auftritten die Nähe zur Schwäbischen Alb zu verbergen. Was wir damals anders machten, schien nicht zur Region zu passen. Alles sollte ‚Italian style‘ sein.“ Das Label Marc Cain hatte er tatsächlich schon in Ita- lien gegründet, bevor er die Strickerei des Vaters übernahm. „Ein frankokanadischer Kollege hieß so und ich fand den Namen cooler als Schlotterer. Mittlerweile bin ich stolz auf unseren Standort, auf die Rechtschaffenheit dieses Menschenschlags hier und darauf, dass wir aus der Provinz heraus ein Weltunternehmen aufbauen konnten. „‚Think local, act global‘ ist zu meiner Devise geworden.“ Andere global player haben es vorgemacht. Boss sitzt auf dem Land in Metzingen, Tod’s hat den Stammsitz in den italienischen Marken, wo die Eigentümer Della Valles auch wohnen. Verantwortlich für das Design ist Karin Veit, Geschäftsführerin Design & Produktentwicklung. Sie und ihr Team finden bei den Linien Collection, Sports und Essentials genau den richtigen Mix aus Wagemut und Tragbarkeit. Vor dem Image kommt die Kundin – und die kann sich darauf verlassen, dass auch in den modisch gewagteren Saisons irgendwo ein Leopard faucht. Als Print versteht sich, der zu den Markenzeichen von Marc Cain gehört. Statt sich alle paar Monate komplett neu zu erfinden, wird in diesem Haus auch Kontinuität gepflegt. Zweimal im Jahr wird ein Teil der riesigen Produktion (pro Saison etwa 800 Teile plus Accessoires) während der Berliner Modewoche auf dem Laufsteg gezeigt. An der Herbstpräsentation ließ sich beobachten, was das Erfolgsgeheimnis von Marc Cain ausmacht. Auf den internationalen Schauen in Paris und Mailand schwappte eine Punk-Grunge-Welle über die Laufstege. Ein herrliches Thema für Streetstyleblogs, für den Alltag allerdings ein bisschen edgy. Designerin Veit griff den Trend auf, schliff allzu schrille Ecken und Kanten ab, ohne die modische Aussage zu verwässern. So gibt es Lederleggings und derbe Schnürboots, diese werden aber mit feinen Fellwesten kombiniert. Ein Bleistiftrock aus gelackter Spitze sorgt für einen Gothic-Charme, den man auch im Büro problemlos tragen kann, ohne dass die Kollegen einen ungeahnten Lebenswandel vermuten. „Unsere Fans, wie wir unsere Kundinnen nennen, haben einen gewissen Stil, sind selbstbewusst und sie wollen öfter etwas Neues, das sie gut aussehen lässt“, erklärt Helmut Schlotterer. Ein weltgewandter und dabei pragmatischer Mann mit einem Faible für Architektur. Und für Strickmaschinen. Schon in den 70er-Jahren ratterten in Bodelshausen die ersten elektronisch gesteuerten Maschinen. Über hundert sind es heute, darunter Hightech-Geräte, die ein komplettes Kleidungsstück in nur einem Arbeitsgang erstellen. Diese Art der Kundenansprache funktioniert in – bisher – 58 Ländern. Platziert in eigenen Geschäften oder im Umfeld der großen Designermarken. Selbst Stylisten, die spitzzüngigen, selbst ernannten Türsteher des Modeolymps, hören bei Marc Cain auf zu nörgeln. Nach der Show im Juli in Berlin, Stargäste waren die US-Schauspielerinnen Hilary Swank und Marcia Cross, ging Schlotterer schnellen Schrittes durch die Lobby des Veranstaltungsortes. Es schien, als sei die Bussi-Bussi-Szene nicht so seine. Feiern können die anderen. Die Modemacht in Deutschland aber ist er. shop at santonishoes.com PORTRÄT Aus Giebelstadt für die Welt In der deutschen Provinz erdacht, erobert das Label Odeeh den Modeplaneten. Das Geheimnis des Duos Otto Drögsler und Jörg Ehrlich: „Made in Germany“ – aber anders als die anderen E Traditionell und doch technikverliebt: Jörg Ehrlich und Otto Drögsler entwerfen Mode, die schnell zum Lieblingsstück werden kann. In diesem Winter sind weiche Mantelkragen das Erkennungszeichen 44 geht es nur noch bergauf. Dem Namen gerecht: Sie haben ihn vom arabischen „odeh“ entliehen, was für Auferstehung steht. Die Stücke werden inzwischen in mehr als 100 Läden weltweit verkauft, vor allem in Japan ist das Label immer stärker gefragt. Bereits bei den ersten Präsentationen in einer Galerie während der Berliner Fashion Week zählte Odeeh zu den am meisten beachteten Newcomern. Für Drögsler und Ehrlich, seit mehr als 20 Jahren in der Branche und vor der Selbstständigkeit ein Jahrzehnt für das Design bei René Lezard verantwortlich, war diese Bühne aber zu klein. Die beiden haben die nötige Erfahrung und dadurch auch die notwendige Gelassenheit, um ihre Vision entsprechend selbstbewusst zu verfolgen – man könnte auch sagen: Sie wissen einfach, wie gut sie sind. Auch wenn sie das nicht vor sich hertragen. Da kann man sich dann sogar erlauben, in Giebelstadt zu arbeiten. In einer ehemaligen Rewe-Filiale im Gewerbegebiet des 5000-Seelen-Örtchens bei Würzburg entsteht ein Hybrid aus Couture und Prêt-à-porter, höchst individuell und gleichzeitig überaus tragbar: eine enorme Bandbreite an meisterhaft ausgeführten Silhouetten, die auf den ersten Blick schlicht, bei genauerem Hinsehen raffiniert und auf elegante Weise verspielt sind, in der Wirkung so feminin wie ein Couture-Kleid, allerdings eines mit Taschen. Ein Effekt, der sich durch die Wahl der Materialien noch verstärkt. Über Stoffe, Muster und Drucke entscheiden Otto Drögsler, der an der Wiener Hochschule für angewandte Kunst in der Meisterklasse von Karl Lagerfeld studiert hat, und Jörg Ehrlich, der gelernte Herrenmaßschneider, gemeinsam. Brokat, Organza, Seide, streichelweiche Wollqualitäten, sie kommen aus den besten Stoffmanufakturen Norditaliens und werden nach eigenen Vorlagen aufwendig bedruckt. Immer wiederkehrende Elemente sind das SchwarzWeiß der Wiener Werkstätte, englische Arts&-Crafts-Tapeten, die sonnigen Eiscreme-Farben von David Hockney. Das in dieser Hinsicht schönste Detail der Winterkollektion sind enorm flauschige Kragen und Mäntel aus echtem Webpelz in Angora und Mohair vom Teddybären-Hersteller Steiff. Dass sich die Ästhetik kaum der Kategorie „Mode aus Deutschland“ zuordnen lässt – Dries Van Noten ist beispielsweise ein Name, der einem angesichts der Stoff- und Farbenpracht einfällt –, ist eine Tatsache, mit der sich die Designer immer weniger beschäftigen. „Wir werden verstärkt als internationales Label wahrgenommen, ob wir Deutsche sind, interessiert eigentlich keinen mehr“, sagt Jörg Ehrlich. Als Gütesiegel zählt „made in Germany“ allerdings schon: Jede Skizze, die Otto Drögsler an seinem Zeichentisch im Supermarkt-Atelier anfertigt und für gut befindet, jeder Schnitt wird anschließend in Manufakturarbeit umgesetzt – ausschließlich in Deutschland. Überhaupt werde der Atelier-Gedanke immer mehr zum Kernpunkt ihrer Arbeit, sagt Jörg Ehrlich. „Wir versuchen aber, dieses Prinzip in die Gegenwart zu übersetzen. Bei aller Leidenschaft für Handwerk sind wir auch sehr technikverliebt.“ Was sich unter anderem in der Verwendung von Hightech-Stoffen zeigt. In der aktuellen Kollektion findet sich beispielsweise viel atmungsaktives Nylon-Sweatshirt-Gewebe, das in der Kombination mit Seide und Baumwolle dann wieder typisch ist: ein gleichberechtigtes, sinnhaftes Miteinander von Moderne und Tradition. „Uns gefällt die Überlegung, dass Odeeh irgendwann eine ‚Maison‘ werden kann“, sagt Otto Drögsler. „Eines, das stark geprägt ist von Qualität, vom Dialog zwischen uns und anderen, die ihr Handwerk verstehen.“ Dass diese Maison dann in Giebelstadt steht und nicht in Paris – in einer sich immer schneller drehenden Modewelt mag sich das sogar als Standortvorteil entpuppen. Lorraine Haist ODEEH (5) / MONTAGE ICON ine Kollektion aus mindestens 150 Teilen, von der man jedes einzelne auf der Stelle überwerfen und fortan darin leben möchte? Das gibt es vielleicht bei Valentino – aber dass einen dieses Gefühl einmal bei Mode aus Deutschland überkommen würde, überrascht dann doch. Angesichts der eher düsteren Stimmung in der deutschen Branche ist es aber umso erfreulicher. Seit fünf Jahren erst gibt es das Label Odeeh, und seit sich die beiden Designer Otto Drögsler und Jörg Ehrlich Ende 2011 entschieden haben, ihre Kollektionen bei der Pariser Modewoche zu zeigen, ENTDECKEN SIE SICH NEU GRANDE REVERSO LADY ULTRA THIN Lassen Sie sich verzaubern von der Jaeger-LeCoultre Damenuhren-Kollektion auf ladies.jaeger-lecoultre.com An den besten Adressen Deutschlands und in London, Paris, Madrid, Wien, New York und Peking. www.wempe.de Großdenker Nicht nur für Hamburg hat Florian Braun Pläne – mit angesagter Mode wie von Saint Laurent Florian Braun führt den Hamburger Designer-Store Unger in dritter Generation. Doch seine Vision geht weit über den klassischen CHRISTIAN KERBER / MONTAGE: ICON; GETTY IMAGES(2) PORTRÄT Einzelhandel hinaus um vereinbarten Termin fürs Interview am Telefon ist Florian Braun mal wieder unterwegs. Er sitze im Auto vor dem Alexander-WangShowroom in Paris, sagt er. „Mein Team ist schon oben im Showroom. Ich gehe dann nach unserem Interview dazu.“ Als Chef des Hamburger Designerstores Unger und des dazugehörigen Onlineshops unger-fashion.com ist der 34-Jährige locker 150 Tage im Jahr auf Reisen, sichtet neue Kollektionen, wählt mit seinem Chefeinkäufer das Passende für die Shops aus. Seine Eltern, von denen er als Einzelkind 2010 die Geschäftsführung übernahm, haben jahrzehntelang auch nichts anderes gemacht. Nur der Rhythmus war ein anderer. „Als ich mit meinen Eltern als kleiner Junge die ersten Reisen mitgemacht habe, sind wir im Sommer oft noch einmal zwei, drei Tage nach Mailand gefahren und haben dann erst mal drei Wochen Urlaub gemacht. Das ist heute undenkbar.“ Florian Braun blickt nicht sehnsuchtsvoll in die Vergangenheit, dafür ist er noch viel zu jung. Ihm geht es um die Zukunft. Das Modehaus Unger am Neuen Wall zählt heute zu den wichtigsten Designer-Stores in Deutschland, über 130 Labels wie Christian Dior, Lanvin und Alaïa versammeln sich auf 1200 Quadratmetern. Dazu kommt der Onlineshop mit eigenem Blog, und seit Ende September führt das Unternehmen noch ein zweites Geschäft namens Uzwei. Dessen Angebot umfasst mutigere Designs von Labels wie Dries Van Noten und Marni, ausgewählt und zusammengestellt wie in einem Magazin nach bestimmten Themen und Trends. Zudem führt Uzwei einen Stella-McCartney-Shop-in-Shop, eine Schmuckfläche, eine Corner für modische Sportswear, eine Bar und einen Floristen. „Es geht um Erlebnis-Shopping“, sagt Braun. Für ihn sei der Store die Antwort auf die „Müdig- Z 46 keit einer Generation, sich, ganz blöd gesagt, in die Stadt zu quälen.“ Das Modehaus Unger ist eines von diesen traditionsreichen Familienunternehmen, wie es sie heute in der Branche immer seltener gibt. 1878 gründete Gustav Wilhelm Unger das Geschäft mit Sitz an den Alsterarkaden, Ecke Jungfernstieg. Die Familie Unger führte den für seine Accessoires und Lederwaren bekannten Laden mit Erfolg, bis er dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fiel. In den 50er-Jahren erwarb das Ehepaar Erich und Helene Braun das Geschäft und machte daraus wieder eine Boutique für Damen-Luxusmode. Später übernahm Florian Brauns Vater Michael die Leitung von seinen Eltern, kaufte 1982 den Konkurrenten, das Modehaus Horn am Neuen Wall, und zog mit Unger in das Gebäude. Eine schwindende Mittelschicht, große Monobrand-Stores, günstige Ketten und Onlineshops, horrende Mieten haben es den deutschen Mode-Einzelhändlern in den vergangenen Jahren schwer gemacht. Selbst Luxusspezialisten wie Maendler in München oder Eickhoff in Düsseldorf schlossen. Florian Braun kennt sowohl Albert Eickhoff als auch Michael Maendler sehr gut. Bei den Düsseldorfern wusste er schon über das Aus Bescheid, lange bevor es offiziell kommuniziert wurde. „Mich hat das schon sehr getroffen. Aber diese Entwicklung hat mich darin bestärkt, meinen Weg konsequent weiterzugehen.“ Wie dieser Weg aussehen würde, wusste Braun bereits ziemlich früh. Bevor er mit 26 Jahren ins Unternehmen einstieg, studierte er European Business in London. Während seiner Zeit im Ausland prägte ihn die dort intensiv geführte Diskussion darüber, dass besonders wohlhabende Menschen immer reicher würden, während der Mittelstand schrumpfte. Er verstand, dass Luxus zunehmend an Bedeutung gewinnen würde. Nach seiner Rückkehr fand Braun, Unger müsse auf diese Entwicklung reagieren. „Wir haben das Haus re- lativ schnell umstrukturiert und uns auf die Topmarken konzentriert.“ Heute tauschen Vater und Sohn sich aus, das Sagen hat jedoch der Sohn. „Wenn mein Vater nicht hätte loslassen können, hätte ich den Job nicht gemacht. Dafür bin ich dann doch zu viel Alphatier.“ Manche würden Brauns Vision angesichts der Investitionen, die das Unternehmen auf sich nimmt, fast als übermütig bezeichnen. Unger bringt ein eigenes Magazin heraus, das sogar am Kiosk ausliegt. Für die Modeshootings reist ein Team eigens nach Los Angeles oder nach Großbritannien aufs Land, es finden sich in dem Heft Interviews und Trend-Reports, natürlich auch thematisch abgestimmt auf das Angebot. Im August lancierte Unger zudem die „Style is Ageless“-Kampagne, für die man das Supermodel der 80er- und 90er-Jahre Yasmin Le Bon sowie deren Tochter Amber verpflichtete. Eine kostspielige Aktion, mit der der Kaufmann jedoch deutlich machte, wen er erreichen will: nicht Mädchen, nicht Damen, sondern Frauen. Und das nicht nur in Hamburg. Den Spagat zwischen der alteingesessenen Hamburger Kundin und der Instagram-Generation, die weltweit zu Hause ist, gilt es zu meistern. „Ich bin da Realist. Manchmal werde ich in München irgendwo eingeladen und dort kennt eigentlich jeder Unger. Aber viele erzählen mir dann Geschichten nach dem Motto, wenn meine Mutter ihre Tante in Kiel besucht, geht sie gern zu Unger“, sagt er in seiner humorvollen Art. Er freue sich, dass es dem Geschäft so gut gehe. „Aber ich finde es schön, dass wir noch viel Luft haben, um zu wachsen.“ Braun beobachtet seine Branche genau. Er nennt den Onlineshop Net-a-porter, der ebenfalls ein eigenes Magazin herausgibt, den übercoolen Concept Store Dover Street Market. Er freue sich „wie ein kleiner Knirps“ wenn er sehe, dass die britische „Vogue“ dieselben Trendthemen setze wie er in seinem Magazin. Sieht nach einem Deutschen auf Silvia Ihring dem richtigen Weg aus. Schau genau hin: Heike Becker und der Grafikdesigner Benjamin Kräher vom Label Zukker steht für ihre Mäntel bereits ein Showroom in Paris zur Verfügung Mantelmacher: Zu Zukker gehört auch Sebastian Schettler (links) – in der Sommerkollektion wird es auch Bermudas geben FLIEGENDE HALLENSER Der Brutkasten Halle ist keine Modestadt, aber dank einer guten Ausbildung haben sich in den vergangenen Jahren einige Labels von hier auf den Weg gemacht – und sind weit gekommen. Ingolf Kern schaute an der Saale vorbei, Dominik Butzmann fotografierte iva in Grau. So haben sie ihre Stadt genannt. Damals, als ihnen dieses Halle fast auf den Kopf fiel, so sehr hatten Verfall und Ignoranz und DDR-Schlendrian ihr Antlitz verschmort. Aber in dem Wort Diva steckte eben trotz der trüben Beimischung Eleganz, Trotz und Stil. Genau das ist es, was die Diva heute wieder zeigt. Nicht überall wirklich formvollendet, aber doch an manchen Stellen so en vogue, dass es kaum glauben kann. Zum Beispiel im Designhaus. Was von außen eher aussieht wie eine Lungenheilanstalt aus der Kaiserzeit, entpuppt sich im Innern als Inkubator von Gestaltungsideen. Tür an Tür hocken sie hier unter einem Dach, die Illustratoren und Mö- D 48 belmacher, Schmuckhersteller und Trickfilmer, Fotografen und Formliebhaber. Sogar ein Büro für Unsinn gibt es. Allesamt sind sie Alumni der Burg Giebichenstein, jener Hallenser Kunsthochschule, die im kommenden Jahr ihren einhundertsten Geburtstag feiert. Historisch und in der Grundlagenausbildung mit dem Bauhaus verwandt, beherbergt sie seit Jahren eine stolze Modeklasse in ihren Mauern. Hier geben nicht Vivienne Westwood oder Dries Van Noten den Ton an, sondern mit Thomas Greis und Joachim Schielicke zwei knorrige Professoren, die einst die hochpreisigen „Exquisit“Läden der DDR mit rarem Chic versorgten. Die Absolventen, die hinausgezogen sind, zu Hugo Boss oder Calvin Klein, sagen, dass man hier nicht nur etwas über Schnitte und Stoffe gelernt, sondern die Antennen zum eigenen Ich entdeckt habe. Und sicher auch zur Gründerlust. Wer sich entschieden hat, nach dem Studium seinen Weg in Halle zu beginnen, findet im Schatten der „Burg“, wie die Formschmiede hier nur genannt wird, mit dem Designhaus einen geschützten Trainingsraum für die ersten Schritte in Richtung Selbstständigkeit. Und die sind gerade in Sachen Mode sehr ambitioniert. Mit Luxaa, Zukker und Brachmann haben nämlich gleich drei Marken aus Halle den Sprung auf die internationale Bühne geschafft. Aber bitte der Reihe nach. Anne Trautwein ist von ansteckender Fröhlichkeit, wenn sie durch ihre eigenen Räume wirbelt, in denen vor zwei Jahren ihre erste Sommerkollektion und die Marke Luxaa entstand. Eigentlich hatte sie nie vor, ein Label zu gründen, es hat sich einfach organisch ergeben. Und zwar im doppelten Sinn. Alles begann mit Tyvek, einem technischen Papier, das gern für Dachabdeckplanen verwendet wird, aus dem sich aber – gewaschen und gefärbt – ein butterweicher Strick mit atmungsaktiver Membran machen lässt. Ein Hauch von Nichts, um genau zu sein. Heute ist Tyvek bei allen, die Mode gern mit Nachhaltigkeit koppeln, ein Begriff. Aber Anne Trautwein hat das Patent angemeldet. Sie ahnte vielleicht, dass sie mit ihrer Materialrevolution einen Coup landen würde, aber sie war 2012 eine Namenlose im Modegeschäft. Doch schon die erste Fashion Week blies ihr „Wind unter die Flügel“, weil das Feedback auf ihre schlichte, klassische und zeitlose Damenmode ungemein positiv ausfiel. Was jedoch nicht bedeutete, dass ihr die Händler die Türen einrannten. Sie blieben – wie bei allen jungen Labels – zurückhaltend und folgten dem Grundsatz: drei Saisons abwarten und dann ordern. Für die Newcomer bedeutet das ein Kraftakt sondergleichen. Monate der Unsicherheit, die überbrückt werden wollen – vor allem auch finanziell. Da ist man dann froh über den Hallenser Schutzraum, in dem weder Druck noch Konkurrenz existiert und in dem man sich beim Mittagessen oder beim abendlichen Grillen ungeniert offen gibt: Hat es bei dir funktioniert? Man motiviert sich gegenseitig, genießt die Vorzüge einer winzigen Modestadt und pflegt sein Netzwerk. Was in Berlin passiert, wird selbstverständlich genau registriert, die wenigsten aber möchten dort sein. „In Berlin gibt es viele, die sich als Designer ausgeben, aber eigentlich keine sind“, sagt Anne Trautwein kess, und meint damit natürlich dieses typische Hallenser 3 Anne Trautwein (links unten) vom Label Luxaa brachte den Werkstoff Tyvek – ein technisches Papier – in die Mode. Ihre Entwürfe gelten als besonders zeitlos und klassisch. Darunter: eine Luxaa-Mitarbeiterin beim Zuschnitt Fachwerk und Plattenbau: Jennifer Brachmann im Atelier und Showroom ihres Labels Brachmann – sie hat sich einem möglichst eleganten Minimalismus verschrieben Bomberjacke, aber dann ganz schmal nach unten zulaufen, dann wieder ein wenig Glenn Glose als Cruella de Ville in „101 Dalmatiner“ oder Meryl Streep in „Der Teufel trägt Prada“. Bei allem sitzt das Besondere oft im Mantelkragen. Farblich gibt sich „Zukker“ äußerst reduziert: Rosa mit kleinen Gelbanteilen, ein fast militärisches Olivgrün, Schwarz als Kontrast. Das war’s. Und weil sie eben etwas von ganzheitlichem Denken verstehen, kommen sie bei ihren „Brot-und-Butter-Geschäften“ mit Kommunikations- und Interiordesign auf völlig neue Einfälle für ihre Mode. Als Benjamin Kräher und Sebastian Schettler ein Musterzimmer für das Weimarer Hotel „Elefant“ entwarfen, verwandten sie einen Möbelbezugsstoff der dänischen Firma Kvadrat: Loden, unter Wasser gefilzt, extrem fest. Perfekt nicht nur Hotelsessel, sondern eben auch für Mäntel. Taugt Halle zu einem mitteldeutschen Antwerpen? Jennifer Brachmann und Olaf Kranz, die mit Brachmann postklassische Männermode machen, sind da skeptisch. Klar, das allgemeine Verständnis für Farben und Formen, im Studium darauf getrimmt zu werden, eine eigene Handschrift zu entwickeln und die Urteilskraft zu schärfen, das sind schon keine schlechten Zutaten für den Erfolg. Letztlich fehlt es aber in Sachsen-Anhalt an einem Verständnis für Mode, überhaupt an einer Affinität. Nur die wenigsten erkennen die Erfolge des kleinen Modeschwarms. Brachmann hat zwar 2012 in Halle begonnen, gilt aber längst als Berliner Label, auch wenn sie in der Heimat noch ihr Atelier unterhalten. Wenn Jennifer Brachmann davon spricht, dass sie „Klassiker der Herrenmode durch Übertragung von Designprinzipien aus der Architektur“ modernisiert, ist dies auch eine Reverenz gegenüber ihrer Zeit an der „Burg“. Also nimmt sie auseinander, um mit neuen Schnitten wieder zusammenzusetzen. Das Hemd trägt dann eben an der Rückseite eine Norfolkfalte, wie man das von Jacken kennt, die Weite der Breeches stammt aus einer seitlichen Kellerfalte, die vom Norfolksakko über- Der Anzugträger von heute, sagen sie hier, sollte auch einen Sinn fürs Subtile haben 3 Ideal, bei dem vor dem Entwerfen immer das umfassende Nachdenken, manchmal auch das Brüten über die Rolle des Gestalters in der Welt von heute steht. Auch Heike Becker, Benjamin Kräher und Sebastian Schettler vom Label Zukker sind schwere Denker. Als sie jüngst im Pariser Marais-Viertel einen Showroom für ihre außergewöhnliche Mantelkollektion einrichteten, bekamen sie oft zu hören, dass sie ihr Gewerbe doch auch etwas leichthändiger versehen könnten. Und doch brachte Paris die Erkenntnis: Wir sind „auf dem richtigen Dampfer“. Obwohl sie alle aus unterschiedlichen Designrichtungen stammen, haben sich die drei in der Mode und in Halle getroffen. Ein sehr stolzes Kleidungsstück sollte es sein, das sie exzentrischer und objekthafter machen wollten. Obwohl der Mantel natürlich immer ein Mantel bleibt, wird er aufgeladen mit akkuraten Spielereien: Wintermäntel mit halbem Arm, Modelle, die oben aussehen wie eine 50 Inspiration und Analyse – in manchem Atelier fühlt man sich an ein Labor erinnert tragen wurde, und das Hemd wird mit der Weste kombiniert. Ihr geht es nicht um Trends, sondern um „modulares Gestalten“, wie sie es nennt. Sie blickt absolut analytisch auf einen Trenchcoat oder einen Anzug, seziert die Mode und findet so zu einem eleganten Minimalismus. Natürlich kauft kein Mensch nur ein Konzept: „Aber wir bekommen viel Zuspruch, weil die Männer bei uns die Gestaltung erkennen.“ Auf der Berliner Mercedes-Benz Fashion Week ist Brachmann kein Geheimtipp mehr. Kritiker möchten das, was sie machen, auch in Kleiderschränken sehen. Aber dann gibt es wieder den Handel und seine Vorbehalte. Wie kann eine junge Marke vorankommen, wenn sich zum Mut der Macher die Unsicherheit im deutschen Modegeschäft gesellt, wenn nur ins Sortiment genommen wird, was auch bekannt ist? Wohin das führen kann, zeigte das Beispiel Achtland zu Beginn des Jahres. Gelobt, gefeiert, nun in London. Für die Brachmanns ist das noch keine Alternative. Noch arbeiten sie hart daran, die Einzelhändler von ihrer wirklich großartig gedachten und vor allem vorzüglich gearbeiteten „Post-Classical Menswear“ zu überzeugen. Der Anzugträger von heute, sagen sie, sollte doch bitte schön auch einen Sinn fürs Subtile und nicht nur fürs Uniforme haben. Dann steht Jennifer Brachmann auf und zeigt einen gestuften Mantel mit langen, aufgesetzten Taschen. Vor dem Schaufenster laufen Leute vorbei, die sich praktisch und knisternd kleiden. Nein, eine Modestadt ist Halle nun wahrlich nicht, aber es gibt die „Burg“, in der die Vibes sehr genau registriert werden. Mit welcher Leidenschaft die Absolventen der Modeklasse sich dann ins Machen stürzen und darin auch etwas Daniel-Düsentriebhaftes sehen, das hat dann doch etwas von einem Labor des Unberechenbaren. Und das passt ja nur zu gut zu einer echten Diva. F I L I PPA - K . C O M Die Jungs von Service und Organisation sahen blendend aus. Die Gäste wurden in Fähren mit Dior-Logo zur Präsentation der Cruise Collection 2015 in Brooklyn übergesetzt Popstar Rihanna gehörte zu den über 900 geladenen Gästen „Der Blick nach Manhattan ist mir lieber als andersrum“ REUTERS(2); JASON SCHMIDT FÜR DIOR (3); JOE SCHILDHORN/BFA.NYC.COM; SOPHIE CARRE(6) R A F S I M O N S N A C H D E R S H O W I N B R O O K LY N Hinter den Kulissen: Design ist Details und Teamarbeit. Der prüfende Blick von Raf Simons (Vierter von rechts auf dem Stuhl) ist ausschlaggebend In New York präsentierte Dior seine umfangreichste Cruise Collection, die nun in den Verkauf geht – Raf Simons entwarf 66 Teile. Die trägt man nicht nur im Urlaub Der amerikanische Saum Es war Liebe auf Gegenseitigkeit: Die Amerikaner feierten Christian Dior, der Franzose genoss die Leichtigkeit des Way of Life. Inga Griese ging zur Feier von Diors Cruise Collection am Hudson mit vor Anker F rauen tragen nicht, was sie mögen. Sie mögen, was sie tragen.“ Sprach Christian Dior in einem Interview 1953. Das Zitat kommt einem an diesem MaiAbend in Brooklyn von ganz allein in den Sinn. Der Regen hat seine Pläne geändert, hält sich höflich zurück. Man kann zwar davon ausgehen, dass man bei Dior auch für den Umgang mit Unwetter eine elegante Lösung gefunden hätte. Aber natürlich schreitet es sich viel schöner über den in Hausfarbe grauen Teppich, wenn die High Heels nicht mit feuchtem Velours kämpfen müssen. Und mag auch selbst das Pariser Couture-Haus mit seinen prächtig bestickten „Fusion“-Sneakers dem allgemeinen Laufschuhtrend folgen, und mag auch Brooklyn eher cool als elegant und die Gegend am Wasser noch roh sein: Die Frauen (und Männer, klar), die eine Einladung bekommen haben, wollen es sich nicht möglichst bequem machen, sich vielmehr als Teil einer besonderen Inszenierung fühlen. Mögen es auch gut tausend Gäste sein, bei einem Global Player wie Dior darf ruhig vom „kleinen Kreis“ gesprochen werden. Neben einigen Celebrities und Journalisten aus aller Welt (frei nach Frank Sinatra: „Spreading the news...“) sind umsatzstarke Kundinnen aus ganz Amerika dabei – und die haben hinterher in ihrem Club ordentlich was zu erzählen. Der Käufer ist nicht mehr Star, sondern Fan. Das hat die Luxusbranche gut hingekriegt. Das Publikum weiß also, was es der Einladung schuldig ist, die Cruise Collection zu sehen, auch wenn sie erst Monate später in die Geschäfte kommen wird (nämlich ab jetzt). Zumindest einen Total Look, frisch geshoppt. Vom Pier an der 35. Straße geht es mit Fähren, die mit Dior-Schriftzug gepimpt wurden, über den Hudson zum riesigen „DuggalGreenhouse“. So wie Kreativdirektor Raf Simons in seinen Designs die Eleganz des Understatements beherrscht wie kein anderer, gilt für Einladungen und Inszenierungen im Hause Dior: Geiz ist gar nicht geil. Für diese eine Show wurde mal eben eine neue Etage in das hohe Gewächshaus gezogen, damit die Fenster nicht in unerreichbarer Höhe bleiben, sondern wasserseitig den Blick auf die Skyline von New York preisgeben. Aber an der gegenüberliegenden Seite der weiß getünchten Hal- le reflektiert das riesige, spiegelnde Mosaik mit Tausenden LED-Leuchten das Thema der Kollektion – Seiden-Carrée-Inspirationen – ebenso wie die 66 Models. Was ist Wirklichkeit, was Reflexion? Man darf wohl denken, dass Raf Simons genau diesen gedanklichen Effekt erzielen wollte. Was immer er gestalterisch tut, es bedient auch den zweiten Blick. Und dann steht man da vor der Show mit dem Champagner in der Hand und beobachtet erst einmal die Wirklichkeit. Schon auf der Fähre hatte sich die Brücke offenbart, die Luxushäuser beschreiten müssen. Da ist der kreative Anspruch der weltbesten Designer auf der einen Seite und auf der anderen Seite wartet der körperliche Anspruch der weltbesten Kunden. Man staunt als Europäer nur, mit welcher Selbstverständlichkeit zum Beispiel ein ziemlich ausladendes Hinterteil und analoge Oberschenkel in dem engen, gecrushten, türkisgrundigen Rock stecken, um den herum Spruchbänder gesteppt sind. Das Wort „Daytime“ spannt bedrohlich. Na, ist ja auch schon abends. Dazu wird Nerzstola, Brillantuhr und eine knallgelbe Version der gesteppten „Lady Dior“-Tasche ausgeführt. Die silbernen Schuhe könnten bequem als Leiter dienen. 3 53 Die Muster, aus dem die Tücher sind, dienten als Inspiration für die aktuelle Cruise-Kollektion und auch für die Hightech-Show in New York, fotografiert von Jason Schmidt für Dior „Frauen tragen nicht, was sie mögen. Sie mögen, was sie tragen“ C H R I S T I A N D I O R 54 3 Ein paar Meter weiter steht eine Kundin im gleichen Outfit (ohne Nerz und mit weißer Tasche), die schon eher dem Vorbild aus dem Lookbook entspricht. Die Laune ist bei beiden Damen prächtig. Es gibt ja in der Frage, ob man sich etwas leisten kann, einen feinen Unterschied zwischen körperlichen und finanziellen Möglichkeiten. Die Mehrzahl der Frauen hier gehörte offenbar zur zweiten Gruppe. Es spricht doch durchaus für eine Luxusmarke, wenn sie sich nicht zu vornehm ist, Kleider auch in weiteren Größen, als dem Designer womöglich vorschwebten, zu fertigen und zu verkaufen. Und man darf nicht vergessen: Wir sind in den USA. Anythings goes. Es kommen auch sehr alte, aber sehr trainierte MadonnaArme zum Einsatz, viel Botox und viel echte Schönheit. Alles, während allmählich die Sonne im Hudson versinkt und die coolen Abercrombie-Typen in weißen Hosen und Diorgrauen Matrosenblusen den Service drosseln, damit die Gäste ihre Plätze einnehmen. Amerika ist seit jeher ein guter Markt – und auch Heimat des boomenden Mode-Segments „Cruise“-Kollektion, die hier als „Resort“ geführt wird. Christian Dior zierte im März 1957 als erster Modeschöpfer das Cover des „Time“-Magazins, mit einer Riesenschere in der Hand. Zehn Jahre zuvor hatte Carmel Snow, Amerikanerin und Chefredakteurin von „Harper’s Bazaar“, den Teppich ausgerollt und den heute modehistorisch feststehenden Begriff des „New Look“ geprägt. Voller Begeisterung rief sie dem Couturier nach seiner durchaus umstrittenen Präsentation im Februar 1947 in Paris zu: „Es ist wahrlich eine Revolution, lieber Christian! Ihre Kleider sind wunderbar, sie haben einen solch neuen Look.“ Mit den ausgestellten, stoffreichen, in der Taille schmalen, wadenlangen Entwürfen hatte der 42-Jährige in der ausgemergelten europäischen Nachkriegstristesse mit Wohnungsnot, rationierten Lebensmitteln und rationierten Stoffen, plötzlich Mut und Eleganz gezeigt. Während für ein normales Tageskleid damals etwa drei Meter Stoff benötigt wurden, maß der Saum des Plisseerocks, den Dior zeigte, unerhörte 19 Meter. Von aufwendigen Stickereien gar nicht zu sprechen. Und erst die Länge. Wie verschwenderisch! In den USA führte die von Mrs. Snow ausgelöste Begeisterung für den New Look zu massivem Widerstand in der Modeindustrie: Man blieb auf seinen vermeintlich altmodischen, da zu kurzen und nüchternen Kleidern sitzen. In Philadelphia formierte sich protestierend der „Club der abgebrannten Ehemänner“, und als Dior auf Einladung von Neiman Marcus in die USA reiste, um einen Ehrenpreis entgegenzunehmen, rief der „Verein für das kurz unters Knie reichende Kleid“ sogar zur Demonstration auf. Jede Kritik wurde übertönt vom Jubel bei der Verleihung des „Mode-Oscar“ an Dior im September 1947 in Dallas. Und vom Votum der Kundinnen. In dem großen Dior-Band von Farid Chenoune wird die amerikanische ModeJournalistin Phyllis Battelle zitiert, die 1947 zu Thanksgiving von New York wieder in die Heimat Dayton, Ohio fuhr. „Ich trug einen Rock, der mir bis zu den Knöcheln reichte. Alle haben mich schief angeguckt und gedacht, ich wollte mich wichtigtun. An Weihnachten fuhr ich wieder hin. Innerhalb von ein paar Wochen war ganz Dayton umgekippt. An allen Knöcheln sah man jetzt Dior.“ Die Faszination strahlte zurück nach Europa, wo man schließlich dem bescheidenen Mann aus Granville nur zu gern glauben wollte, wenn er sagte: „Frauen sind geschaffen, um schön zu sein und ihre Schönheit zu betonen.“ Das Echo hallte auch an diesem zeitgenössischen Abend durch ein ehemaliges Gewächshaus am Hudson. Halskette 249 € * Armbänder ab 59 € * * UNVERBINDLICHE ENDVERBRAUCHER-PREISEMPFEHLUNG FASZINATION Bei Chanel ist nicht nur die Kleidung großes Kino. Auf einer Sandbank vor OLIVER SAILLANT(2) Fashion Morgana in Do-buy Das Gebäude mit verschlungener CC-Schnitzerei wurde wie Palmen und Büsche von Chanel nur für die Cruise-Schau auf einer Sandbank vor Dubai errichtet. Die Mode: Orient 2014 in lagerfeldscher Fantasie Dubai zeigte Karl Lagerfeld im Land der architektonischen Superlative mal, was ein luxuriöser Superlativ ist D 56 ie Mode lebt nicht vom Stoff allein. Sie braucht Anlässe, Geschichten, Können, Zeitgeist. Trägerinnen natürlich, Begeisterung. Und einen, der alles zusammenfügt. Das aber immer wieder neu. Denn die Mode will, wie das Glück und der Konsument, unterhalten sein. Wenn einer dieses Puzzle beherrscht, dann ist es Karl Lagerfeld. Und da er mit Chanel einen Arbeitgeber hat, der sich das ganz große Bild leisten kann und will, sind die Schauen des Hauses mehr als eine Abfolge von Entwürfen, sondern stets operettenhafte Inszenierungen. So manch eine Frau lässt schon deswegen ein Vermögen in Boutiquen, um eventuell als sehr gute Kundin eine Eintrittskarte zu bekommen. Besonders begehrt im chanelschen „Bühnenplan“ ist die „Cruise“. Die großen Häuser präsentieren die „Zwischen“-Kollektion, die mittlerweile die umfangreichste und von Oktober bis März erhältlich ist, bevorzugt an mondänen Orten, wo der Begriff Kreuzfahrt noch mit jener luxuriös-romantischen Magie behaftet werden kann, wie sie Schauspielerin Dakota Fanning nach der Chanel-Show formulierte: „Ich war noch nie auf einer Kreuzfahrt. Aber ich könnte mir vor- stellen es zu tun, um all die Sachen zu tragen, die wir gerade gesehen haben.“ Dubai, oder wie Lagerfeld sagt: „Do-buy“ ist so ein Ort. Nach wenigen Stunden dort kann man es kaum noch glauben, dass das Öl und damit die Quelle der Neuzeit hier erst 1966 gefunden wurde. Der smarte Herrscher Scheich Rashid bin Saeed Al Maktoum Rashid, der von 1958 bis 1990 die Region wörtlich von Grund auf veränderte, erkannte jedoch, dass das schwarze Gold im Gegensatz zu den Vorkommen bei den Verwandten in Abu Dhabi wohl nicht ewig zur großzügigen Verfügung stehen würde. Eine andere Quelle musste rechtzeitig erschlossen werden. Und so wurden zusätzlich im großen Stil Tourismus und Kaufismus gefördert. „Wenn schon dort, konnte es ja nicht eine normale Show in einem Hotel sein“, erklärte Karl Lagerfeld tiefstapelnd das, was die Gäste kaum fassen konnten. War doch in achtwöchiger Arbeit auf einer künstlich aufgeschütteten Sandbank vor dem Jumeirah Beach eine Chanel Morgana entstanden, ein riesiges golden-beiges Gebäude nur für den einen Abend errichtet worden. Vom Strand aus wurden die rund 1000 Gäste in historischen Holzbooten auf die Insel übergesetzt, ein Laufsteg schlängelte sich über den Sand auf das Gebäude zu, das aus der Ferne an den Berliner Palast der Republik erinnerte, doch beim näheren Hinsehen entpuppten sich die Verzierungen im Stil der Maschrabiyya (den in der Region typischen, hölzernen Fenstern) als verschlungene CC-Initialen. Jeder Grashalm, jedes Gestrüpp, das sich wie zufällig am Wegesrand ausrollte, jede Palme, jede Kerze, selbst das Lagerfeuer zu nächtlicher Stunde, ganz zu schweigen von dem Haus an sich, dem Interieur, den luxuriösen Sitzmulden, dem Buffet, dem Champagner, den Models, der Bühne, wo die R’n’B-Sängerin Janelle Monáe später zur Party rockte – einfach alles war auf die Insel gebracht worden. Und verschwand in den Tagen darauf wieder komplett. Nur der Sand und die Bilder bleiben. Die modische Erinnerung hängt jetzt in den Boutiquen als Orient des 21. Jahrhunderts in der lagerfeldschen Fantasie. „Ein romantischer Ort.“ Mademoiselle Coco hatte ein Faible für orientalische Stoffe wie Goldlammé und mochte den Lagenlook aus Tunika und Pluderhose. Die Kollektion spielt damit wie mit den grafischen Mustern aus dem 11. und 12. Jahrhundert und den farbenfrohen Verzierungen. Und natürlich mit Humor: Die Handtasche in Kanisterform dürfte ein Bestseller werden. Der üppige Diamantschmuck, der diesmal gezeigt wurde, sicher auch. Wobei der Bezug, den Lagerfeld abgesehen von Marktnotwendigkeiten gern zwischen dem Veranstaltungsort und der Chanel-Historie herstellt, eigentlich Perlen sind. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts hatten Perlentaucher ihr Auskommen in der Region, im 19. Jahrhundert war es ein sehr gutes Geschäft. Doch 1916 präsentierte der Wissenschaftler Kokichi Mikimoto in Tokio die erste perfekte Zuchtperle, Japan wurde Weltmarktführer, die Perlentaucher konnten nicht mithalten. Zur selben Zeit nahm die Karriere einer gewissen Coco Chanel gerade richtig Fahrt auf, sie hatte das „kleine Schwarze“ noch nicht erfunden, aber mit den leichten Jerseys schon für Furore gesorgt, in Paris und Biarritz kleine Geschäfte eröffnet. Dubai heute hat alInga Griese lein drei große Boutiquen. visit www.marc-cain.com CHARLES DELIUS/LEEMAGE; LOUIS VUITTON (2); GETTY IMAGES (10) AM WASSER Tja, dieses Licht! Ein Nachmittag vor der Côte d’Azur und zwei Looks aus der Louis-Vuitton-Kollektion Doch Kreativdirektor Nicolas Ghesquière nahm die Stadt ernst, ließ sich für seine zweite Louis-Vuitton-Kollektion vom hiesigen Autorennen ebenso inspirieren wie vom Ozeanografischen Museum. Er zeigte eine fast schockierend rote Rennlederjacke und Hosen wie aus Bourbonvanille gemacht. Viele der Prints zeigten Korallen und Anemonen. Und natürlich verzichtete der Meister nicht auf Interpretationen seiner eigenen Handschrift: die hochhüftige Silhouette, der uniformartige Gesamteindruck, der bei ihm wundersamerweise nie zulasten der Weiblichkeit geht. Und als quirky detail die Gladiatorensandalen, eine Kombination aus orthopädischer Schiene und Sommercocktail. An die Wände des Place du Palais ließ Ghesquière eine Videoarbeit des Künstlers Ange Leccia projizieren; die Hausherren Albert und Charlène sahen eine Show, die Fantasie, Anspruch und strategische PräziAdriano Sack sion verband. Anemonen und eine rote Lederjacke Im Fürstentum Monaco lebt der Mythos Es leuchtet sofort ein, dass Louis Vuitton seine Resort-Kollektion in Monaco zeigte: Die Yachtendichte im Hafen ist unerreicht und die Marke hat eine innige Beziehung zur Côte d’Azur, wo 1908 der erste Louis-Vuitton-Store außerhalb von Paris öffnete. Und wo Geld traditionell aus aller Welt anreist. Erst die Engländer, später Amerikaner, Franzosen, Russen. der Côte d’Azur scheinbar alterslos bis heute. Hier zeigte Louis Vuitton seine Resort-Kollektion – und ließ sich von Farben, Fauna und Formel 1 inspirieren TY GET GES IMA Jil Sander Escada Derek Lam Calvin Klein Michael Kors Ralph Lauren Giambattista Valli Talbot Runhof Agnona Giorgio Armani Cruising with the others EINFACH IMMER GERADEAUS 60 1919 hatte Walter Gropius die Idee, Kunst und Handwerk miteinander zu verbinden. Unter dem Namen Bauhaus machte sein Konzept Furore – es gilt als Geburtsstunde für modernes Design. Schlicht, reduziert, funktional, elegant. Wo also ließe sich aktuelle Modekunst besser in Szene setzen als in originärer Architektur Linke Seite: Kleid von Bottega Veneta. Sonnenbrille: R.T.CO. Er trägt einen Anzug von Ermenegildo Zegna. Top: Burberry Prorsum. Diese Seite: Mantel von Prada. Rolli: Hermès. Hose: Dior Homme Foto: Lydia Gorges & Jens Schmidt c/o Hille Photographers; Assistenz: Arne Vossfeldt. Produktion & Styling: Daniel Sartore; Assistenz: Denise Bodden. Haare/Make-up: Carolin Jarchow c/o Agentur Nina Klein. Mit Produkten von Chanel. Models: Caroline Lossberg c/o Mega Model Agency und Peter Bruder c/o Nest Model Management 61 62 Jeder der führenden Lehrer des Bauhauses durfte sich in einer kleinen Siedlung in Dessau sein „Meisterhaus“ bauen. Wo einst das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Wohnhaus von Walter Gropius stand, wurde im Mai dieses Jahres eine Rekonstruktion des Bauwerks eröffnet. Das Gebäude ist keine originalgetreue Kopie, sondern eine abstrahierende „Interpretation“ des Berliner Büros Bruno-Fioretti-Marquez Oben: Caroline im Mantel von Hermès. Kette: Marni Linke Seite: Peter im Mantel von Dries Van Noten. Hemd: Z Zegna. Hose: Burberry Prorsum. Schuhe: Hermès. Sonnenbrille: R.T.CO. Rechts: Sweatshirt und Hose von Bottega Veneta 64 Links: Pullover von Sportmax. Rock: Christian Wijnants. Rechts: Kleid von Christian Dior. Pumps: Valentino 65 VG-BILDKUNST BONN, 2014 Dem Bauhaus verwandt, aber weniger rigide in den Formen ist das Haus Schminke von Hans Scharoun im ostsächsischen Löbau. Der Architekt, den seine spätere Berliner Philharmonie weltberühmt machte, baute es 1933 für einen Nudelfabrikanten. Das renovierte Gebäude steht heute Besuchern offen Linke Seite: Peter im Anzug von Ermenegildo Zegna. Caroline mit Top von Kostas Murkudis. Hose: Michael Sontag Diese Seite: Caroline mit Lederblouson von Rika. Kleid: Prada. Peter: Pullover von Valentino. Beide ruhen auf einem Mantel von Burberry Prorsum Unten: Caroline in Kleid, Stiefeletten und Ohrring von Louis Vuitton. Peter trägt einen Pullover von Dior Homme. Hose: Hermès. Gürtel: COS. Schuhe: Jil Sander Oben: Top, Rock und Gürtel von Marni. Rechte Seite: Oberteil und Hose von Etro. Bluse: Vladimir Karaleev. Gürtel: Dries Van Noten. Schuhe: Prada VG-BILDKUNST BONN, 2014 (2) Auch die vorgehängte Glasfassade des berühmten Bauhaus-Gebäudes von Walter Gropius aus dem Jahr 1926 ist nicht mehr im Original erhalten. Sie wurde noch zu DDR-Zeiten 1976 wiederaufgebaut, nach 1996 hat man das gesamte Gebäude nach alten Vorlagen wieder instand gesetzt. Architektur ist eben rekonstruierbar 69 DESIGN D 70 ie Produkte des Bauhauses gehören neben der klassischen Musik zu den erfolgreichsten Exportschlagern der deutschen Kultur. Es gibt kaum einen Winkel auf der Welt, an dem sich nicht Gebäude oder Einrichtungsgegenstände fänden, die auf jene Schule der Gestaltung zurückgehen, die 1919 in Weimar gegründet und 1932 von den Nationalsozialisten in Dessau geschlossen wurde. Keine Kunstakademie hat in so kurzer Zeit eine so anhaltende Wirkung entfaltet wie das Bauhaus. Nur fünf Jahre in Weimar und acht Jahre in Dessau wurden die revolutionären Prinzipien einer vollkommen neuen Gestaltung gelehrt. In dieser Zeit entstanden Ideen von visionärer Kraft, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg über den ganzen Globus verbreiteten. Die Kühnheit der einfachen, reduzierten Formensprache war ohne Beispiel, und ihr entsprach ein umfassender, neuer Lebensentwurf für den modernen Menschen des Industriezeitalters – ganz gleich, zu welcher Klasse er gehörte oder in welchem Land und in welchem Klima er lebte. Nach der Schließung des Bauhauses wurden dessen Schüler in die ganze Welt verstreut, Meister wie Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Marcel Breuer erhielten Lehrstühle in den Vereinigten Staaten. Von dort aus begann der weltweite Siegeszug der Bauhaus-Architektur – als günstige industrielle Bauweise und als die moralisch „richtige“, weil von den Nationalsozialisten geächtete Ästhetik. Die Widersprüche und Schwächen, die das Bauhaus von Anfang an begleitet hatten, traten demgegenüber völlig in den Hintergrund. Auch das berühmte Bauhaus-Gebäude von Gropius in Dessau mit den weißen Wänden und der vorgehängten Glasfassade hatte von Beginn an mit Mängeln zu kämpfen. Im Sommer konnte man in den großflächig verglasten Werkstätten nicht arbeiten, weil es zu heiß war, und im Winter nicht, weil man fror. Die Flachdächer waren nicht wasserdicht zu kriegen, weshalb die Stadtverwaltung nach dem Auszug der Bauhäusler dem Gebäude ein flaches Satteldach aufsetzte. Das Haus wurde weiter genutzt – von der Amtswalterschule der NSDAP. „Nie hat man mehr von den praktischen Aufgaben des Bauens gesprochen, nie hat man weniger davon gewusst“, schrieb später der Architekturhistoriker Julius Posener über diese Frühzeit der Moderne. In den 60er- und 70er-Jahren hatte das Bauhaus auf ganzer Linie gewonnen, am sichtbarsten in Architektur und Städtebau, mit all den neuen Siedlungen und gerasterten Hochhäusern in autogerechten, aufgelockerten Städten. Aber es kam der Punkt, an dem sich das Bauhaus zu Tode gesiegt hatte, an dem die Menschen der sterilen Vernunftwelten überdrüssig geworden waren und sich zeigte, was Kritiker seit den Anfängen des Bauhauses beklagt hatten: dass es nämlich mit seiner Verachtung für das 19. Jahrhundert und seiner Tabula-rasa-Mentalität vieles von dem entsorgt hatte, was den Menschen auch in der modernen Gesellschaft noch lieb und teuer war; humane Dimensionen, Abwechslung, regionale Vielfalt, Schmuck, Wohnlichkeit. Heute bevorzugt die Mehrheit ein Maß an städtischer Dichte und Dekor, das dem Bauhaus ein Gräuel war. Die meisten Menschen schätzen Wohnungen mit großzügigen Deckenhöhen und Interieurs, die auch Behaglichkeit verströmen. Dort findet man dann auch die eleganteren der Bauhaus-Möbel und -Lampen, die den Test der Zeit bestanden haben. Beim Design sind die Ideen aus Weimar und Dessau bis heute Rainer Haubrich am lebendigsten geblieben. Schnörkellose Deutsche Eine beispiellose Formensprache: Warum das Bauhaus noch immer einer der größten DesignExportschlager ist Hauptsache keine Verzierung: BauhausSessel (Walter Gropius), Teekanne von Marianne Brandt und Stehleuchte BH-23 Tecta; Technolumen (2) So nähen die Deutschen Typisch deutsch – das steht allgemein (und in der Mode ganz speziell) vor allem für Bequemlichkeit. Nun, dass die Deutschen es gern praktisch mögen, lässt sich schwer leugnen. Dass es am fehlenden Angebot läge, hingegen schon. Ein weiteres imageförderndes Klischee bestätigen diese sechs Labels aber trotzdem. Typisch deutsch, das steht nämlich auch für eines: Qualität Lala Berlin Allude Für manche Berlinerin ist Leyla Piedayesh eine Art Heilige. Nicht anders ist der Kult um die 2004 in der Hauptstadt gegründete Marke zu verstehen, die mittlerweile vom Geheimtippstatus zu internationaler Anerkennung gereift ist. Woran der Hype liegt? Vielleicht an den edlen Materialien, den lässigen Schnitten oder der hochwertigen Verarbeitung. Ganz bestimmt aber an den fantasievollen Prints in leuchtenden Farben. Auch mit Kaschmir kann man die große Modebühne Paris erobern. Das beweist die Designerin Andrea Karg, die gerade zum dritten Mal ihre Kollektion an der Seine vorführte. Das internationale Unternehmen ist Selfmade, „handgestrickt“ sind jedoch nur Kollektionsteile. Das Herbst-Motto der Münchnerin? „Aristo Bohemian“ – viel Grobgestricktes kombiniert zu geflochtenem Kaschmirgarn in Grau-, Creme- und Brauntönen. Vonschwanenflügelpupke Kaviar Gauche Während der gemeinsamen Zeit an der Berliner Modeschule Esmod lernten sie sich kennen. Und blieben sich seither treu. 2005 gründeten Alexandra Fischer-Roehler and Johanna Kühl ihr Label Kaviar Gauche, das heute vor allem für Brautmode bekannt und beliebt ist. Dabei haben die Wahlberlinerinnen noch sehr viel mehr zu bieten. Feinste Materialien und CoutureElemente finden sich nämlich auch in ihrer Prêt-à-porter-Linie wieder. Der Name mag sperrig klingen, die Mode von Eleonore von Schwanenflügel und Stephanie Pupke ist aber alles andere als „edgy“, sondern fließend und mädchenhaft. Vor allem für die geistreichen Printmotive wird das Duo geschätzt. Während eines Praktikums bei Wunderkind lernte man sich 2005 kennen. Und so sehr schätzen, dass 2011 die Geburt des Labels und seither viele fröhliche Kollektionen folgten. Schacky & Jones Capara Es begann mit der „ultimativen Hose“. Claudia von Schacky und Carina Jones wollten nach langjähriger Tätigkeit für internationale Modelabels ihre Erfahrung in eine eigene Modelinie investieren. Sie experimentierten in München mit Stretchleder, aus dem sie erst Hosen, bald eine ganze Kollektion fertigten. Seit 2005 führt von Schacky das Label, das um Pelzmode erweitert wurde, allein. Doppelname und Freundschaft sind geblieben. Die gemeinsame Liebe für Experimentelles und die Suche nach neuen Formen und Proportionen hat Vera und Olivera Capara eng miteinander verbunden. Geboren in Sarajevo, aufgewachsen in Ludwigsburg, studierten die Schwestern in Antwerpen Modedesign. Nach Stationen bei Dries Van Noten, in der Maison Martin Margiela, bei Delvaux und Jil Sander machten sie sich 2009 mit dem eigenen Label unabhängig und noch interessanter. Nicht nur Mode nähen können unsere deutschen Designer. Auch Accessoires „made in Germany" können sich sehen lassen. Eine Auswahl Malaika Raiss Ellen Paulssen Gott behüte euch: Über diesen Segen am Ende einer Kirchenmesse freut sich Ellen Paulssen am meisten. Die 45-Jährige ist gelernte Modistin und hat sich seit 1991 auf Hüte spezialisiert. Mit einem elfköpfigen Team fertigt sie in Aachen um die 10.000 Exemplare im Jahr – von Hand. Chapeau! Windsor Zum Ende des 19. Jahrhunderts zählte Bielefeld zum Zentrum der deutschen Textilindustrie. Die Kleiderfabrik Roos & Kahn wurde dort 1889 gegründet, 1960 in Windsor umbenannt und seither wird auch eine Damenmode angefertigt. 1990 folgten Accessoires – und alles ist bis heute im besten Sinne very Windsor. Antonia Zander + Loup Noir Wenn die Münchner Kaschmir-Designerin Antonia Zander (bekannt für ihre TriangoloSchals mit bunten Lederfransen) und das junge Stuttgarter Label Loup Noir gemeinsame Sache machen, dann kommt ein lässiger Kaschmirponcho heraus, der innen mit einem Seidencarré gefüttert wurde. Gibt es allerdings erst ab Dezember. Lika Mimika Eigentlich ist die Frankfurter Schuhmarke Lika Mimika für ihre bunten Espadrilles aus organisch gefärbtem Ziegenleder bekannt, die man seit 2010 in Spanien von Hand fertigen lässt. Neuerdings wird aber das Sortiment erweitert – um Sandalen, Boots und Loafer. Wir finden: ein kluger Schritt. (likamimika.com) Von wegen nebensächlich: Malaika Raiss entwirft seit 2010 in Berlin neben Mode und Accessoires auch eine kleine, feine Schmucklinie. Und gewinnt gerade dadurch eine große Anhängerschaft. Stiebich & Rieth Das Prädikat deutsche Wertarbeit trifft nicht mehr auf viele zu – auf Stiebich & Rieth schon. Die Produktdesigner Detlef Stiebich und Julia Rieth arbeiteten bereits zwanzig Jahre lang zusammen, fertigten Handtaschen für andere Marken. Seit 2013 entwerfen sie schließlich unter eigenem Namen und lassen ihre Handtaschen in kleiner Auflage in SchleswigHolstein produzieren. Jede ist anders. Gibt’s bei Linette in Hamburg oder Off&Co. in München. Aigner Die Taschenentwürfe des ungarischen Designers Etienne Aigner waren im New York der 50er-Jahren ein voller Erfolg. In den 60ern erkannte der deutsche Kaufmann Heiner Rankl das Potenzial, holte „Aigner“ nach München. Die Besitzer wechselten, das Hufeisen Logo steht für die Beständigkeit der Marke, die längst auch Mode macht. SchoShoes Mit Schuhen kennt Matthias Scho sich aus. Bestens. Arbeitete er doch 20 Jahre lang für Unützer – doch 2010 wollte er mehr, etwas Eigenes, gründete mit SchoShoes ein neues Label und produziert seitdem mit einer kleinen italienischen Manufaktur seine Kreationen, die es etwa bei Kegelmann auf Sylt gibt. Katrin Langer Das Markenzeichen von Katrin Langers Clutches sind die hochglanzlackierten Holzrahmen. Woran sie erinnern (sollen)? Nun, an den aufwendigen Bau von Instrumenten. Aus Makoré, Nuss- oder Mammutbaum fertigt die 47-Jährige in ihrer Manufaktur im Vogtland die kostbaren Einzelstücke von Hand an, bevor sie mit Pythonleder, Seide oder Perlmuttintarsien bezogen werden (katrinlanger.com). 73 Herbst am Berliner Schlachtensee: Jetzt braucht nicht nur unser Autor einen handgenähten Mantel wie den von Brunello Cucinelli. In Deutschland ein Bestseller Wo die guten Dinge wohnen Alles wird immer billiger, ramschiger und geht immer schneller kaputt? Blödsinn. Wer auch nur ein wenig sucht, der findet eine staunenswerte Vielfalt von Familienbetrieben, die von Hand fertigen. Und bei allen ergänzen sich Tradition und modernste Technik. Wolfgang Büscher ist vom hohen Norden Deutschlands bis in den tiefsten Süden gereist und hat sieben solcher Unternehmen besucht. Thomas Meyer begleitete ihn mit seiner Kamera Trabert Schuhe, Stockheim/Rhön: 350 Jahre Schuhmachertradition plus bestes Leder ergeben handwerklich perfekte Schuhe. Seniorchefin Birgit Kempf (unten) und die Fabrikgründer (oben links) W enn einer der wirklich Reichen dieser Welt zu der Überzeugung gelangt, er brauche jetzt mal eine Yacht, so ein Boot mit Privatkino, Sternenobservatorium und ordentlich Platz für ein paar Lieblingswerke aus seiner Kunstsammlung, dann kann es gut sein, dass er in Bremen anruft. Denn da gibt es die Werften, die ihm so etwas bauen können. Und wenn sich ein Sankt Petersburger Milliardär eine neue Villa gönnt und es um die luxuriöse Innenausstattung geht, dann muss der Mann nach Dresden. Dort findet er die Fachleute dafür. Und wenn in Los Angeles die goldenen Briefumschläge geöffnet werden, in denen die Namen der Oscar-Preisträger stecken, dann steckt da noch etwas drin: deutsche Wertarbeit aus Bayern. Dann schmunzelten sie vorm Bildschirm am Tegernsee, denn von dort kommt das Kuvert. Dieser kleine Reigen ließe sich leicht fortführen – Luxus made in Germany. Die Deutschen können nicht nur Autos und Maschinen, sie können auch eine Menge anderer Dinge, die das Leben schöner machen. Einige Namen kennt man, Firmen wie Leica (Kameras), Bechstein (Pianos), Rimowa (Koffer), Robbe & Berking (Silber) oder Burmester (Audio). Aber die Liste deutscher Unternehmen, die Produkte von höchster Qualität in alle Welt verkaufen, ist länger als der Laie ahnt. Oft sitzen sie irgendwo in der sogenannten Provinz und betreiben ihr Geschäft seit Generationen. Es bleibt aber nicht bei den alten Namen, immer wieder kommen neue hinzu. DeutschStyle, das sind nicht nur einige wenige Edelmarken. Es ist eine ganz eigene Welt. Wer sich hineinbegibt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Vielleicht sind wir Deutschen nicht gerade die Stilkönige – von wegen „Image is everything“ –, aber irgendetwas ist an diesem Land, das Qualität hervortreibt, einen Sinn für das gut Gemachte. Nur: was ist es? Unsere spätsommerliche Reise beginnt so deutschbodenständig wie nur möglich, ganz am einfachen Ende des Luxusspektrums – in einer Schuhmanufaktur in der bayerischen Rhön. Falls es einen unglamourösen Luxus gibt, dann wohnt er hier, in Stockheim, Unterfranken. Wer die Manufaktur von außen sieht, denkt sich, irgendeine Gewerbebude, wer sie betritt, fühlt sich in einen sepiagetönten Film aus einer Zeit versetzt, als ein Paar Schuhe und eine Ehe noch ein Leben lang hielten. Ledernähmaschinen längst verschwundener Marken. Stapel gegerbter, gefärbter Häute. Leisten. Halbfertige Stiefelschäfte. Männer in Arbeitsschürzen. Davor ein kleiner Verkaufsraum, darüber das Büro der Seniorchefin, denkbar schlicht. Rohe Pressspanwände. „Ich hab wohl Gerbsäure im Blut“, sagt Birgit Kempf. Es lässt sich leicht scherzen mit 350 Jahren Schuhmacherei im Kreuz. So lange nämlich nähen die Traberts schon Schuhe, „immer vom Vater auf den Sohn, vom Vater auf den Sohn. Unsere Mutter war die erste Frau in dieser Reihe der Generationen.“ Bis Ende des 19. Jahrhunderts zog ein Trabert nach dem andern über die thüringischen und fränkischen Märkte und bot seine Schuhe feil oder seine Lederschäfte. Um 1900 kamen zwei Brüder, Friedrich und Heinrich Trabert, auf die Idee, das Geschäft im größeren Stil zu betreiben. Sie gründeten die „H. & F. Trabert Spezialfabrik für Stiefel, Beruf- und Landschuhe I a Qualität in Ostheim v. d. Rhön“. Eine ganze Weile florierten die Geschäfte, im Frieden verkaufte man Schuhwerk für die Land- und Forstarbeit, im Krieg wurde auf Kampfstiefel umgestellt, Soldaten waren in Deutschland ein gutes Geschäftsmodell. Die deutsche Teilung hätte Trabert fast ruiniert, ihr thüringischer Markt war ihr über Nacht versperrt. Aufträge für die Bundeswehr glichen den Verlust aus. Aber die Ambition, einfach gute Schuhe zu machen, erlosch nie. „Was mir missfiel“, erzählt Birgit Kempf, „war: Unsere Jäger liefen immer in Moonboots 3 75 Deutsche Werkstätten, Dresden-Hellerau: Ihr historisches Gebäude (oben links) haben die Werkstätten gegen moderne Hallen vertauscht – hier entstehen edle Interieurs für Villen und Yachten Kafka war hier, wussten Sie das? Er wollte für seine Ehe die Möbel aussuchen. 76 3 herum, um warme Füße zu haben. Irgendwann bestellte ich mir argentinische Reitstiefel, privat für den Winter, die waren aber ungefüttert. Die Winter sind eiskalt hier in der Rhön, auch im Büro. Und so gab mir mein Vater Einlegesohlen aus Aluminium und Filz, die er von einer Messe mitgebracht hatte. Solche Stiefel wollte ich für die Jäger, damit sie warme Füße haben, Stiefel aus Naturleder mit so einer Fütterung. Wir haben sie dann 1980 erstmals vorgestellt.“ Dann kam die Krise. Eine ganze Lieferung Leder erwies sich als qualitativ schlecht, die Stiefel daraus waren nicht wasserdicht. Für die kleine Firma bedeutete es die Insolvenz. „Ich erinnerte mich an eine Szene mit meinem Großvater, das war 1976 gewesen. Er sagte zu mir: ‚Mädel, das Leder wird immer schlechter. Früher stand das Vieh auf der Weide, heute nicht mehr, und ich sage dir, das Leder ist so, wie das Tier gehalten wird.’“ Birgit Kempf erklärt es: Wenn ein Tier natürlich aufwächst, hat es eine feste Haut, liefert also ein gutes Leder. Wird es aber turbogemästet, ist seine Haut faserig und wirft Falten, und das ergibt ein schlechtes Leder. Die ruinöse Lieferung von 1992 hatte aber eine andere Ursache. Der Lederhersteller hatte, bedingt durch neue Umweltauflagen, seine Rezepturen geändert, ohne es mitzuteilen. Trotz der Insolvenz, die daraus folgte – man gab nicht auf. Andere Traberts gründeten mit einem Partner die Firma neu und stellten sie um, weg von Großaufträgen der Bundeswehr, von den Soldaten, hin zu qualitativ hochwertigen Schuhen für Privatkunden, die handwerkliche Verarbeitung, generationenlange Erfahrung, ausgesuchte Leder und Zwienaht zu schätzen wissen. Und so findet man die Schuhe aus der bayerischen Rhön heute weniger im Kasernenspind als beim gehobenen Einzelhandel in Citylage. Das nächste Ziel liegt nicht nur einige hundert Kilometer östlich, es liegt am anderen Ende der Luxusgalaxis. Die Deutschen Werkstätten in Dresden-Hellerau zogen schon Bewunderer aus ganz Europa an, als die Traberts noch in den Waldhüterschuhen steckten. Ein junger Tischler namens Karl Schmidt beschloss 1898, nach Wanderjahren in Skandinavien und England, eine Möbelfabrik zu gründen. Er war 25 Jahre alt und ging aufs Ganze. Nicht nur neuartige Möbel wollte er, sondern ein neues Leben. Ein neues Wohnen für einen neuen Menschen. Lebensreform hieß der Traum seiner Generation. Schmidt fand das passende Gelände in Hellerau und baute dort sein linksbürgerliches Utopia. Werken und leben sollten seine Arbeiter dort, in Gemeineigentum. Was er herstellte, sollte gut gemacht und nachhaltig sein. Dafür musste er mal eben das deutsche Kunsthandwerk erneuern, vom Sofakissen bis zum Städtebau, so schwebte es ihm vor. „Holz-Goethe“ nannten sie ihn, halb bewundernd, halb belächelnd. Er aber war kein Nostalgiker, er wollte industriell fertigen, das war damals revolutionär bei Möbeln, und mit dem verspielten Jugendstil ging das schlecht. Mit dem neuen Stil, den das Bauhaus später vollendet, funktionierte es. Schmidt setzte auf „Maschinenmöbel“, wie es hieß, aber in guter Qualität – und zugleich auf das Luxussegment. Und der junge Mann hatte Erfolg. Die erste Liga der Architekten und Designer der Zeit arbeitete für ihn, Leute wie Muthesius, Poelzig, Tessenow, und ein neues, progressiv gestimmtes Bürgertum kaufte die Möbel und Hausgeräte aus Hellerau und den lebensreformerischen Spirit gleich mit. Renommee-Aufträge kamen. 1902 richtete Hellerau das erste Schiff für die kaiserliche Marine ein, die „Kronprinzessin Cäcilie“, samt Suite für den Kaiser. Später folgte der Innenausbau großer deutscher Ozeanschiffe, darunter die „Bremen“ und die tragische „Wilhelm Gustloff“, die kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs voller Flüchtlinge in der Ostsee versenkt wurde. Die Deutschen Werkstätten bauten vor dem Krieg das Berliner Gebäude der Reichsbank aus – und nach dem Krieg wieder, nun als Sitz We will not talk about money. Handschlag. Das war’s. des ZK der SED. Und nach der Wiedervereinigung abermals, nun als Auswäriges Amt. Es wäre nicht völlig übertrieben zu sagen, Hellerau habe seit einem Jahrhundert Deutschland möbliert. Eines hat Hellerau dennoch mit der Schuhfabrik in der Rhön gemeinsam – ohne schwere Krisen ging es nicht ab. Der Moment, in dem fast alles aus gewesen wäre, war der nach dem Mauerfall. In der DDR hatten die Werkstätten Möbelserien für deren standardisierten Wohnungsbau geliefert. Die einst so begehrten Schrankwände, auf die DDR-Bürger jahrelang sehnlich gewartet hatten, wollte nun kein Mensch mehr. Was tun? Wäre er im November bei miesem Wetter nach Hellerau gekommen, sagte Fritz Straub später, er hätte wieder kehrt gemacht. Aber es war Mai, und Hellerau bezauberte den früheren Pharma-Manager. Denn es hatte nicht nur die DDR-Massenproduktion gegeben, es gab auch Fachleute für besondere Ausbauten. Als Straub dort Tischler entdeckte, die von Hand fertigten, wurde ihm klar, was zu tun war: Alles abstoßen, was Masse war, und mit einem Stamm von Handwerkern neu beginnen. Straub kaufte Hellerau 1992 mit drei Partnern. Die erste Zeit war hart. Ein großer Auftrag wurde verpatzt, ein anderer musste zäh errungen werden – der Innenausbau des neuen Sächsischen Landtags in Dresden, die konkave Akustikwand aus Holz. Sie war dann der Durchbruch. Heute stellt sich Hellerau auf seiner Webseite stolz so vor: „Eines der weltweit führenden Unternehmen im Ausbau von Anwesen, Yachten und Vorstandsetagen.“ Jan Jacobsen, der die Geschichte der Auferstehung aus Ruinen bei einem Mittagessen im benachbarten Restaurant erzählt, fällt es nicht schwer, eine Episode nach der anderen aus einem Jahrhundert Hellerau hervorzuzaubern. „Kafka war hier, wussten Sie das? Er wollte für seine Ehe die Möbel aussuchen. Aus der Ehe wurde ja dann nichts.“ Oder Walter Ulbricht. „Der hatte was gegen den sachlichen Stil, der wollte Sofas mit Löwenfüßen und historistische Formen – da war wieder das gleiche Problem wie um 1900, alles viel zu kompliziert für maschinelle Fertigung.“ Und noch eine Geschichte hat Jacobsen auf Lager. Als Fritz Straub die Bremer LürssenWerft besuchte, um sein Hellerau ins lukrative Yachtbau-Geschäft zu bringen, stieß er auf die geballte Skepsis der Hanseaten. „Hellerau? Ihr seid so so’ne Tischlerei aus Dresden, nicht?“ Es schien so zu enden, dass Straub unverrichteter Dinge gehen würde. In der Tür rief er dem Yachtbauer noch zu: „Aber wir haben den Metropolitan ausgebaut!“ Der luxuriöse Zug verkehrte einige Jahre lang zwischen Köln und Hamburg, der Bremer mochte ihn offenbar. „Was, ihr habt den Metropolitan ausgebaut? Kommen Sie doch noch mal rein.“ So begann die Zusammenarbeit der Hellerauer Werkstätten mit der Bremer Werft. „Heute“, sagt Jacobsen, „macht der Yachtausbau rund 50 Prozent unseres Geschäfts aus. Sonst betreiben wir Hochbau, also Villenausbau, Museen, öffentliche Gebäude und dergleichen. Luftfahrt machen wir noch nicht. Mal sehen.“ Es gebe nicht viele Konkurrenten in diesem hochluxuriösen Segment. „Ein paar Franzosen noch, Schweizer, dann dünnt das sehr aus. Das hat auch damit zu tun, dass in diesen wenigen Ländern noch anständig handwerklich ausgebildet wird.“ Bauherren kämen gern nach Hellerau, erzählt Jacobsen. „Sie wollen sehen, wie wir arbeiten, wie ihre Villa von innen entsteht.“ Mancher schätze die Hellerauer so sehr, dass er den Geschäftsabschluss auf die gute alte Art abwickele: „Man isst zusammen, man redet, plaudert, und dann sagt der Bauherr: ‚You will build the interior of my home. We will not talk about money.’ Handschlag. Das war’s.“ Weiter geht es in eine Gegend, in der man sich seit Generationen auf Küchen und Polstermöbel versteht – nach Ostwestfalen, in Deutschlands Sofaecke. Warum ist das eigentlich so, warum gibt es dort so viele Möbelfabriken? Das fragen wir Andreas Seufferle von den Bielefelder Werkstätten. „Ganz einfach“, sagt er, „weil es hier früher große Wälder gab.“ 3 77 Tobias Grau GmbH, Rellingen bei Hamburg: Der Firmensitz in Lampionform (großes Foto) deutet es an – der Designer und Unternehmer Tobias Grau (oben links) entwirft und baut seit 30 Jahren Leuchten für private und geschäftliche Räume. Industrie und Handwerk gehen Hand in Hand Moderne Technik nicht als Feind, sondern als Retter der Tradition – so herum ist es wahr 3 Wo viel deutscher Wald ist, da sind Möbel eine naheliegende Idee. Im Fall der Bielefelder Werkstätten begann aber alles von der anderen Seite des Möbelbaus her – vom Stoff. Als Heinz Anstoetz die Verantwortung für die Textilfirma übernahm, fragte er sich, wie er die Stoffe besser verkaufen könne. Und kam 1956 auf die Idee, eine kleine Polsterfirma dazu zu kaufen. Der Kunde, sagte er sich, möchte nicht abstrakt kaufen. Er will nicht nur Stoffballen sehen, sondern damit bezogene Möbel. „Heute würde man es Manufaktur nennen“, sagt Andreas Seufferle, „aber damals war der Begriff Werkstatt in Mode, also nannte Heinz Anstoetz seine neue Firma so: BW – Bielefelder Werkstätten.“ Und was der Name andeutet, ist bis heute Anspruch: „Klassisch-moderne Eleganz. Qualität, ganz konsequent. Hier verlässt kein Stück das Werk, das nicht höchste Qualität hat. Wir bedienen nicht schnelle Trends, unsere Möbel sollen 20, 30 Jahre lang Gültigkeit haben, und nicht nur beim Material, auch im Design.“ Und auch beim Verkauf. „Wir vertreiben unsere Möbel selektiv über den zumeist inhabergeführten Facheinzelhandel. BW realisiert nichts über den Online-Verkauf, das geht nicht im Hochwertsegment. Wer zum Beispiel 5000 Euro für ein Sofa ausgibt, der möchte nicht ein daumennagelgroßes Foto auf dem Bildschirm betrachten, der will das Möbel sehen und anfassen, das er kaufen und viele Jahre nutzen wird.“ Natürlich, gibt Andreas Seufferle zu, habe sich der Geschmack auch in der „Zielgruppe 50 plus“ der Bielefelder Werkstätten gewandelt. „Wir gehen von der klassischen Eleganz zur Modernität – aber wir rennen nicht. Es gibt bei uns keinen Big Bang. Wir werfen nicht alles um.“ Zeit, in die Werkstatt zu gehen. Was sofort auffällt – die Farben. Erdtöne, Sandtöne, auch viel Schwarz. „Das Großflorale, farblich Mutige nimmt in den letzten Jahren ab“, bestätigt Seufferle. „Ein Trend zu Unistoffen ist unübersehbar.“ Das Zuschneiden der Stoffe ist ein unangefochtenes Reich der Handarbeit. „Rapportgerechte Verarbeitung“ heißt das im Fachjargon – gemusterte Stoffe werden so geschnitten und auf dem Möbelkorpus Kante an Kante genäht, dass das Muster fortgeführt wird, auch über die Nähte hinweg. Würde hier gepfuscht, stießen die Muster auch nur drei Millimeter versetzt aufeinander, wäre das Gesamtbild des Sofas oder Sessels zerstört. „Bei solchen Stoffen geht es nicht ohne das menschliche Auge, ohne gute handwerkliche Erfahrung“, sagt Seufferle. „Alle, die hier arbeiten, sind gelernte Polsterer und Näherinnen, die meisten haben hier im Hause gelernt.“ Zuschneidemaschinen, sogenannte Cutter, tun die Arbeit in einem Zehntel der Zeit, die eine Zuschneiderin braucht. Cutter stehen zwar auch in Bielefeld, aber sie werden nur bei der Verarbeitung von Leder eingesetzt, bei dem das Problem des Musterverlaufs eben nicht besteht. Handarbeit ist auch das Polstern. Das Bielefelder Familienunternehmen, das heute von Claus Anstoetz als geschäftsführendem Inhaber geleitet wird, fertigt auftragsbezogen, kei- ne großen Mengen wie ein Industriebetrieb. „Erst wenn der Auftrag erteilt ist, werden die Materialien bestellt. Wir haben einen sehr hohen Anteil an Sonderanfertigungen – das Sofa soll etwas höher, etwas breiter et cetera sein.“ Und mit dem leicht unterkühlten Stolz eines gestandenen mittelständischen Unternehmens setzt er hinzu: „Wir haben eine Reklamationsquote von unter einem Prozent.“ Das hat damit zu tun, dass auch die Teile eines Möbels, die der Kunde nicht sieht, sein Innenleben, gut gearbeitet sind. So kettelt man hier die verarbeiteten Stoffe, das sieht man dem Sofa nicht an, aber es hält eben besser als ein allmählich ausfransender Bezug. Genauso ist es mit dem Holzkorpus, da wird geleimt und verschraubt statt getackert wie bei Billigsofas. Aber bei aller handwerklichen Akkuratesse – das Design wird immer wichtiger, das weiß man auch in Bielefeld. „Früher wurden Möbel eher selten zum Repräsentieren benutzt, das war eher das Auto vor der Tür. Heute ist das anders.“ Ein interessantes Thema, denn beim Sofa werden kulturelle Unterschiede zwischen den Nationen deutlich. In Italien, sagt Seufferle, werde das Design eines Sofas wichtiger genommen als der Sitzkomfort. „In Deutschland ist es umgekehrt.“ So verlassen wir Ostwestfalen in dem schönen Gefühl, wieder etwa mehr verstanden zu haben über unser Land und seinen Begriff von Luxus und Qualität: Mehr sein als scheinen. Und gleich noch eine Erkenntnis: Keineswegs stehen Tradition und moderne Technik auf Kriegsfuß. Und wo sie es doch tun, stirbt die Tradition umso schneller. Die ziemlich einzigartige Vielfalt hochwertiger Produkte aus Deutschland, sei es aus handwerklich geprägten Manufakturen oder aus eher industriell arbeitenden mittelständischen Unternehmen – diesen staunenswerten Reichtum gäbe es längst nicht mehr ohne beständige Innovation, ohne moderne Stoffe und Verfahren. Wer sich die ehrwürdigen Marken als altväterlich produzierte Dinge denkt, der irrt sehr. Modernste Technik nicht als Feind, sondern als Retter des Besonderen, des Eigenen, der Tradition – nur so herum ist es wahr. Das erleben wir mustergültig in Rellingen bei Hamburg. In einem unscheinbaren Gewerbegebiet steht in zweiter Reihe ein Betrieb, der Leuchten entwirft und herstellt – und das ist nun wirklich nicht irgendeiner. Tobias Grau hat die Firma vor 30 Jahren gegründet und führt sie zusammen mit seiner Frau Franziska. Seither entwirft der Designer und Unternehmer alles selbst – allen voran natürlich die Leuchten, die er inzwischen in rund 40 Länder verkauft, dazu Messestände, Kataloge, sogar beim Firmengebäude aus Stahl, Glas und Holz hat er mit dem Architekten zusammengearbeitet. „Eine ganzheitliche Gestaltung!“, so lautet einer seiner Grundsätze, und der Firmensitz zeigt, wie ernst Tobias Grau das meint – bei Tage steht seine Leuchtenfabrik als modernes Unikat in der Eintönigkeit seiner Umgebung, bei Nacht leuchtet sie selbst wie ein riesiger Lampion. Wie passend. Was sofort auffällt an seinen Leuchten, ist deren Dezenz. Nicht die Leuchte steht im Mittelpunkt, sondern das Licht, das sie spendet. Man könnte sagen, Tobias Grau ist eher ein Lichtmacher als ein Leuchtenbauer. „Die Leuchte selbst muss nicht hell sein, aber was sie ausleuchtet, muss hell sein, und zwar blendfrei hell.“ Da wird es technisch interessant. „Man muss versuchen, mit der eigenen Kollektion dem Markt zwei Jahre voraus zu sein, denn so lange dauert die Entwicklung einer neuen Idee zur Produktionsreife.“ Früher als viele andere erkannte Tobias Grau den unvermeidlichen Siegeszug der LEDTechnik. „Dieses Jahr“, sagt er, „erlebt die Leuchtenbranche ihren großen Wechsel. Etwa so, wie die Autobranche den Wechsel zum Elektro-Auto erleben wird. So einen ganz großen Wechsel gibt es nur selten, und ich kann sagen, wir haben ihn frühzeitig vorausgesehen, und wir haben ihn inzwischen geschafft.“ Grau hat die herkömmlichen Lichttechnologien, zuletzt das Halogen, weitgehend aus dem Sortiment entfernt. „Und bevor ich umständlich Halogenleuchten auf LED umrüste, entwerfe ich lieber gleich neue.“ Rund zwei Drittel seiner Leuchten verkauft er an private Kunden, den Rest an Firmen. Mehrere Firmenzentralen hat er ausgestattet, darunter das neue Gebäude des „Spiegel“ in Hamburg, Lanxess in Köln oder Hochtief. Technik und Tradition – letztere ist bei Tobias Grau keine jahrhundertealte, es ist die Formensprache der Moderne, die er als Designer spricht. Die Herausforderung, daraus erfolgreiche Produkte zu machen, liegt stark im Technischen. Mit LED ist es nicht getan, eine qualitativ hochwertige Leuchte muss sehr gut stufenlos dimmbar und ihr Licht muss entblendet sein, sie braucht eine gut funktionierende Kühlung und Steuerung. All das wird im Hause Grau selbst entwickelt. Die Firma beschäftigt eigene Ingenieure, die an solchen Lösungen arbeiten. „Die Leuchten sind intelligent geworden“, sagt Tobias Grau. „Technisch sind wir sehr gut. Wir entwickeln mit der Software, mit der die Lufthansa oder Mercedes auch entwickeln. Wir wissen alles über die Leuchte, die wir neu entwerfen, und zwar schon am Rechner.“ Oder es wird mit einer anderen Firma gemeinsam eine neue Beschichtung für Kupfer entwickelt, die verhindert, dass das Metall bei jeder Berührung von Hand anläuft, die aber andererseits nicht so massig ist, dass von der typischen Kupferanmutung eines Korpus nichts bleibt. Design – Technik – Handwerk, das ist hier die Formel. Bei aller Software ist eine Leuchte am Ende Handarbeit. Denn es geht hier nicht um Stückzahlen von Hunderttausenden wie in der gewöhnlichen Lampenindustrie, es geht um Tausende. Die Teile dafür lässt Grau bei Firmen seines Vertrauens fertigen, manches im europäischen Ausland, besonders hochwertige Teile in Deutschland, wie das BoneChina-Porzellan, das Dibbern extra für Tobias Grau liefert – aber zusammengebaut wird alles in Rellingen. Was durchaus keine Routine ist, kein blindes Zusammenschrauben. In die Leuchte 3 Williamsbirnen aus Österreich. Wildkirschen aus Franken. Äpfel aus Südtirol. 3 „Move“ zum Beispiel bauen Graus Leute eine leichte optische Täuschung ein, indem sie das längliche Objekt an beiden Enden etwas anheben – so wird beim Kunden der Eindruck vermieden, die Leuchte hänge „nicht gerade“. Das muss man wissen, dafür muss man ein Auge und ein Händchen haben. So sehr Hightech alles geworden ist, es bleibt am Ende auch hier eine Aura von Manufactum. 80 Von der Elbe zur Weser ist es nicht weit, wohl aber von der Leuchte zur Yacht. Von unseren Firmen ist die Bremer Lürssen-Werft mit Abstand die größte, wirtschaftlich, aber auch was ihre Produkte angeht. Es gibt eine militärische Abteilung bei Lürssen und den Yachtbau, und beide Bereiche haben etwas gemeinsam – absolute Diskretion. Das versteht sich bei Kriegsschiffen von selbst, aber auch ein Privatmann, der sehr viel Geld für eine Yacht ausgibt, will vor allem eines: eben dieser Privatmann sein können. Beim Bau und auf seinem Schiff – ein Wunsch, dem Hanseaten traditionll gern nachkommen. Und so spricht Peter Lürßen, geschäftsführender Gesellschafter der Werft, eher grundsätzlich über die Beziehung zum Kunden: „Jeder Kunde hat seine eigenen Erwartungen, Wünsche und Vorstellungen. Lürssen hat die Qualität und die Fähigkeiten, sie erfolgreich zu verwirklichen. Vorausgesetzt, sie entsprechen nationalem und internationalem Recht und sind technisch realisierbar. Um die Ideen unserer Kunden detailgetreu nachzubilden, stehen wir während des gesamten Fertigungsprozesses in ständigem Austausch mit ihnen. Ein Umstand, den wir als Familienunternehmen im Übrigen als selbstverständlich betrachten und der von unseren Kunden sehr geschätzt wird.“ Nun ist der Bau einer großen Yacht ein industrieller Vorgang – wie viel Handwerk steckt noch darin? Auch modernster Yachtbau, sagt Peter Lürßen, sei immer das Ergebnis einzigartiger Handwerkskunst. „Entscheidend ist, industrielle Prozesse wie Brennschneidevorgänge optimal mit den handwerklichen Anforderungen an den Bau hochmoderner Yachten zu kombinieren und den Fertigungszyklus effizient aufeinander abzustimmen. Das ist uns gelungen und erlaubt uns heute wie keinem anderen, Schiffe in entsprechend kurzer Bauzeit erfolgreich fertigzustellen.“ Die Werft, erklärt er, kooperiere mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen, etwa um den Emissionsausstoß weiter zu reduzieren oder Alternativen zum Teakholz verwenden zu können, bei gleich hoher Qualität. Eines interessiert uns noch, die Anekdote, die man uns in Dresden erzählte über den Beginn der Zusammenarbeit zwischen der LürssenWerft und den Deutschen Werkstätten Hellerau – erinnert man sich auch hier daran? Peter Lürßen: „Mit den Mitarbeitern der Deutschen Werkstätten Hellerau arbeiten wir in unterschiedlichen Bereichen seit Jahren hervorragend zusammen, die Anekdote allerdings ist mir nicht bekannt.“ Jetzt brauchen wir erst einmal einen Schnaps. Auf dem Weg von der Küste in den tiefen Süden machen wir Rast am Main, in Freudenberg. Eine schmale Altstadt im Flusstal, viel Fachwerk, viel rötlicher Mainsandstein. Hier gab es seit dem 19. Jahrhundert das „Gasthaus Ziegler“ mit Hausbrauerei, auch einen einfachen Obstler für den eigenen Verbrauch brannte man. So gemütlich-bieder könnte es noch immer sein, hätte sich nicht eines Tages der junge Thomas Ziegler gesagt: Das können wir besser. Die Idee der Edelobstbrennerei Ziegler war in der Welt, aber noch lange nicht etabliert. Es war die Zeit der deutschen GastronomieRevolution – von Köchen wie den Brüdern Jörg und Dieter Müller, von Gourmetrestaurants wie den „Schweizer Stuben“ im nahen Wertheim. „Es war die Zeit der großen Spesenetats und der gastronomischen Tempel“, sagt Jürgen Marré, Brennmeister bei Ziegler, „die Leute flogen aus Miami ein, um in Wertheim essen zu gehen – nachdem sie ein halbes Jahr zuvor reserviert hatten. Man gab vierstellige Summen an einem Abend aus, aber damals standen auf den Wägen in den Restaurants Cognacs, vielleicht mal ein Armagnac, aber keine Obstbrände. Heute ist es andersherum.“ Heute, sagt er, reiche der Blick auf ein solches Wägelchen schon, um sich einen Eindruck vom Restaurant zu verschaffen. „Da stehen zwei, drei Ziegler, aha, das Restaurant ist gut.“ Marré zeichnet eine imaginäre Edelbrandweltkarte. „Das internationale Getränk ist Whisky – den finden Sie überall auf der Welt. Obstbrände finden Sie nur in Mitteleuropa. Das wird auch so bleiben. Das Weiße in den Bränden ist Zyanid, und Europa lässt eine gewisse kleine Menge Blausäure zu, die USA beispielsweise lassen das nicht zu. Das sind einfach verschiedene Traditionen.“ Wenn aber der Obstler nicht zu den Amis kommt, dann muss Ziegler eben Whisky machen. Damit hat die Brennerei seit einiger Zeit begonnen. Max Kirchner, ein junger Destillateur, führt durch den Betrieb und auch in dessen bis hoch unter die Decke reich gefülltes Whisky-Lager. Doch zurück zum Obst. Damit Qualität in die Flasche kommt, braucht es moderne Destilliertechnik plus exzellente Ware. Die Obstlaster kommen aus halb Europa. Himbeeren vom Plattensee. Williamsbirnen aus Österreich. Wildkirschen aus Franken. Äpfel aus Südtirol. „Von Juni bis November geht’s hier rund“, erzählt Max Kirchner. „Wenn der Obstbauer sagt, jetzt – dann wird geerntet, aufgeladen, dann fahren die Laster ohne Zwischenlager direkt zu uns, früh um sechs wird abgeladen, das Obst von Hand kontrolliert, gewaschen, von Stielen und Kernen gereinigt und zu Maische verarbeitet.“ Denn es wird kein Supermarktobst angeliefert, das noch nicht ganz reif ist und drei Tage liegen kann. Nur vollreifes Obst kommt auf den Hof, es muss sofort verarbeitet werden, sonst fault es. Und wenn es mal nicht gut ist, wenn es kein Aroma oder gar Faulflecken hat? „Dann fährt der Laster wieder heim, und zwar vollbeladen“, sagt Kirchner. Alles schon vorgekommen. Die Destillation ist eine Kunst für sich. Zwei Durchgänge braucht es, Rohbrand und Feinbrand, damit der Edelobstbrand gewonnen wird. Und Erfahrung. Der Respekt vor dem Brennmeister wächst mit jedem Schritt durch die Anlage – all die Stellräder, die zu bedienen, all die Messinstrumente, die zu lesen sind. Und das ist nur die Technik. Hinzu kommt die Nase, ohne sie geht es nicht. So wichtig moderne, teils extra für Ziegler entwickelte Technik für den Gär- und dann den Brennprozess ist – die Nase des Brennmeisters ist unersetzlich. Wenige Liter zu viel Nachbrand zugegeben – und es ist unverkäuflicher, garstiger Fusel. Die schönste Ziegler-Geschichte spielt im Mai 1945, bei Kriegsende. In einem alten Eiskeller in der Mainufer-Böschung verwahrt die Brennerei bis heute ihren Schatz – Regale voller Glasballons, darin stehen die besten Brände aus dem ganzen letzten Jahrhundert. Als 1945 die Amerikaner auf Freudenberg vorrückten und es absehbar war, dass sie auch der Brennerei einen Besuch abstatten würden, räumten die Zieglers ihren Jahrhundertschatz ganz nach hinten in den Keller und mauerten schnell eine Wand davor. Hätten die durstigen Soldaten die kostbaren Brände gefunden, wäre wohl wenig davon übrig geblieben. Der Trick funktionierte, nach kurzer Inspektion ließen die Amerikaner von dem düsteren ollen Eiskeller ab. Und so ist es heute noch möglich, den einen oder anderen Glasballon zu öffnen und sich den Duft des Sommers 1928 oder 1951 in die Nase steigen zu lassen. Hochverdichtet, versteht sich. Nun aber zu Hollywood. Ganz im Süden, da wo der Herrgott den oberbayerischen Paradiesgarten angelegt hat, liegt mittendrin Gmund am Tegernsee. Daher kommen die goldenen Umschläge, aus denen dann in Los Angeles die Namen der Oscar-Preisträger gezogen werden. Seit drei Jahren schon, zwei weitere Jahre sind zwischen Bayern und Los Angeles fest verabredet. „Der Designer Marc Friedland aus L. A. kennt uns schon lange“, erklärt Caroline Pastor von der Büttenpapierfabrik Gmund den Deal, „er ist ein Papierliebhaber, und wir sind mit sehr wenigen anderen Firmen allein auf weiter Flur, wenn es um solche Qualitätsansprüche geht.“ Friedland habe für die Oscars einen ganz speziellen Goldton gesucht. „Einen, der im Scheinwerferlicht reflektiert. Kein plattes Gold, eines mit Tiefe und Haptik.“ So kam er auf Gmund. Die Papierfabrik legt eine Kollektion namens Treasury auf, ein Papier mit goldenen Partikeln drin – die Rezeptur ist natürlich ein Firmengeheimnis. In dieser Serie fand Friedland den gewünschten Ton. Wir sitzen an einem traditionellen Holztisch, einem außergewöhnlich großen allerdings, in den zu einem Raum zusammengelegten Schlafzimmern früherer Generationen. Johann Nepomuk Haas gründete die 3 Edelobstbrennerei Ziegler, Freudenberg am Main: Im 19. Jahrhundert brannte man im „Gasthaus Ziegler“ seinen eigenen Obstler. Mit der Gastronomie-Revolution der 80er-Jahre kam die Idee, bessere Ware in größerem Stil herzustellen. Heute, sagt Brennmeister Jürgen Marré, gäben Gäste in Spitzenrestaurants hohe Beträge für seine Brände aus. Dafür braucht es natürlich das beste Obst – und eine ausgefeilte Brenntechnik GMUND (6) Büttenpapierfabrik Gmund: Feinste Papiere vom Tegernsee für die ganze Welt – vom Königlich-Bayerischen Hoflieferanten zum Produzenten der goldenen Umschläge bei der Oscar-Verleihung Man stellt kein iPhone auf den Kaminsims. Einen Brief auf Gmunder Papier schon. 82 3 Papierfabrik 1829. Die Gmunder brachten es zu bayerischen Hoflieferanten, um 1880 lieferten sie dann auch nach Berlin. Und wie immer, stand eine Innovation am Anfang, etwas, das die Konkurrenz nicht hatte und konnte – hier war es geprägtes und farbiges Papier. Das wurde dann chic, das wollte jeder haben. Wir steigen mehrere Treppen hinab in die Produktion. Bis heute wird Wasser aus der Mangfall abgezweigt, aus dem Fluss gewinnt die Fabrik bis zu 50 Prozent ihrer Energie. Hier unten steht die „Alte“ – die alte Maschine von 1883. „Sie ist viel langsamer als heutige Maschinen“, sagt Caroline Pastor, „aber das kommt der Haptik des Papiers zugute. Ich habe den Augen-zu-Test gemacht. Man erkennt Papier aus der alten Maschine blind. Sie ist die älteste Papiermaschine Europas, wahrscheinlich der ganzen Welt.“ Ein Koloss ist sie und etwas unheimlich, wie sie im Untergrund der Fabrik hockt und edelstes Papier spinnt. Riesig ist sie, man muss lange an ihr entlanggehen, um an ihr Ende zu kommen. Schwarz und schwer und eisern wie eine dieser monströsen alten Dampfloks, die man in Technikmuseen bestaunt, mit vielen roten Stellrädern, Ventilen, Ketten, Hebeln – und Walzen vor allem, so richtig 19. Jahrhun- dert. An Maschinenanfang ist das Papier eine trübe Masse aus Wasser, Kreide, Kartoffelstärke und Zellstoff, von der sich der Laie nie und nimmer vorstellen kann, wie daraus feinstes Papier werden soll, auf das einmal eine Feder sehr wenige sehr persönliche Worte kratzt. Aber die Walzen – kleine und riesige – tun ihr Werk, und 20 Meter weiter kommt aus dem schwarzen Monstrum tatsächlich Papier heraus. Rolle um Rolle, in jeder gewünschten Farbe, von Prägewalzen geprägt oder glatt. Bis zu 100 verschiedene Prägungen stehen bereit. Der etwas unheimliche Eindruck von der Maschine ist berechtigt. In einer Nacht des Jahres 1921 unternahm der damalige Fabrikant Ludwig Alois Kohler, Urgroßonkel des heutigen Inhabers Florian Kohler, einen späten Rundgang durch sein Werk und kam der Maschine wohl zu nahe. Sein Lodenmantel geriet in die Walzen, er starb. Längst gibt es auch eine neuere Maschine, und was für andere Betriebe gilt, die wir auf unserer Deutschlandreise besucht haben, gilt auch hier: Technik und Innovation sind nicht alles, aber doch sehr viel. In einem Klimaraum werden neue Papiersorten geprüft. Wie lichtecht ist es, wie reißt es, wie verhält sich Tinte darauf? Im Kreativlabor werden Ideen entwi- ckelt. Papier ist Papier? Oh nein, immer wieder erfinden die Gmunder etwas Neues. „Blocker“ zum Beispiel, ein absolut blickdichtes Papier, Gmund hat es sich patentieren lassen. „Für Kataloge der Modeindustrie, Produktkataloge oder Geschäftsberichte ein Novum“, sagt Caroline Pastor, „da scheint nichts durch, da überblendet kein Foto ein anderes auf der Rückseite.“ Oder für BMW ein samtig glänzendes Papier, für Audi eines, das ausschaut wie gebürsteter Stahl. Man müsse versuchen, das passende Papier für das jeweilige Firmen-Image herzustellen, sagt sie. Drei Viertel der Produktion gehen in den Export. Die Kunden ergeben eine stolze Liste. Sie reicht von Marissa Meyer, CEO von Yahoo, über die Filmfestspiele von Cannes bis zu arabischen Königshäusern. Edles Papier für Geschäftspost, für Image-Broschüren, VIP-Einladungen, all das, sicher. Aber für den privaten Gebrauch – im Zeitalter von E-Mail und Twitter? Caroline Pastor bejaht die Frage energisch. „Digitale Welt hin oder her – wenn etwas für mich wirklich wertvoll ist, dann möchte ich es nicht als E-Mail senden. Man stellt kein iPhone auf den Kaminsims, wenn man eine wichtige E-Mail bekommt. Einen Brief auf Gmunder Papier schon.“ DESIGN Ein Baum für den Flur: Garderobe von Simon Kern Klettermaxe: Kleider- und Sachenhalter von Llot Llov Wie gemütlich: Ledersessel „Elm“ von COR Kein Beton, sondern Papier: Hängeleuchten von Dua Tisch aus Stahl: „Buurman“ von Kai Linke Klassisch und kann was: Zweisitzer mit Minischrank von Kati Meyer Brühl Auf drei Beinen: Stuhl von Dante Goods & Bads Skulptur? Tisch? Beides! Marmortisch von Boewer Schreibtisch mit Tiefe: „M11“ von Zeitraum Magnet-Tisch – weshalb die Emaille-Schale auf dem Gestell hält. Von Supergrau Pouf plus perfekt getarnter Stauraum. Von Walter Knoll Keramik als Tischplatte: Beistelltisch von Elisa Strozyk Klassiker in Büffelleder: „S 35“ von Marcel Breuer für Thonet Deutschland, deine Möbel Längst sind es nicht mehr bloß die Italiener, die auf dem Möbelmarkt den Ton angeben. Auch made in Germany kann sich sehen lassen, findet Esther Strerath E in Amboss als Beistelltisch, ein Pouf mit Stauraum: Design aus Deutschland macht Spaß. Und überrascht. Ein Coup gelang dem Siegel „Made in Germany“ schon mit seinem Debüt 1887. Damals beschloss das englische Parlament, dass Importe mit dem Herkunftsland gekennzeichnet werden müssen, der Hintergrund war eine Flut minderwertiger Plagiate britischen Handwerks – aus Deutschland. Doch genau das Gegenteil geschah: Was „German“ war, war toll und heiß begehrt. Praktisch, präzise, pünktlich in der Auslieferung. Der Ruhm wurde von den Wirtschaftswunderjahren weiter genährt, und bei der Wahl von Haushaltsgeräten wie Staubsaugern oder Waschmaschinen läuft manchem Italiener immer noch ein wohliger Schauer über den Rücken, ob der deutschen Perfektion. Dafür kam das Kreative aus der Heimat, die Eleganz aus Frankreich … Vergangenheit. Neben Qualität kann „Made in Germany“ auch Innovation, Humor, Poesie. Die klugen Köpfe hinter der jungen Marke „Dante“, die gerade auf ein Wasserschloss in Süddeutschland gezogen sind, zeigen in ihren Kollektionen Barwagen, Sessel sowie Accessoires von ausnehmender Feinsinnigkeit, zierlich oft, immer elegant. Nicht Funktionalität steht hier im Vordergrund, sondern „Wärme und Komfort“, so Aylin Langreuter und Christophe de la Fontaine. Oder das mittelständische Unternehmen „Boewer“. 1888 als Yes, it’s German Handarbeit: Hocker-/Regalkombination von Art canbreakyourheart (über iconist.de) Dorftischlerei in Neuenkirchen gegründet und mitunter mit der Fertigung von „Schwienstallklappen“ betraut, entwirft heute in der vierten Genration, unter anderem spektakuläre Holzteppiche, Marmortische und ganze Interieurs (zum Beispiel im „Park Hotel“ Bremen). Um den „Made in Germany“-Ruhm allerorts bekannt zu machen, startete am 19. September eine außergewöhnliche Möbel-Ausstellung: 64 Manufakturen vom Bleistift (Faber-Castell) bis zur Badewanne (Kaldewei) stellen derzeit in einer Kirche in Moskau ihre Handwerkskunst vor. In den kommenden Jahren tourt „Handmade in Germany“ durch 25 Städte, darunter Hongkong, Taipeh, Abu Dhabi, New York, Los Angeles, Istanbul und Rom. 83 Anzeige HAND IN HAND So eine Art patriotische Pflicht Im Ausland geht nichts über „Handmade in Germany“. Und in Deutschland? In Berlin haben sich 23 Manufakturen präsentiert. Meltem Toprak hat ihnen auf die Finger geschaut E Der Kult-Kugelschreiber von Caran d’Ache. Die Exzellenz des Swiss Made seit 1915. carandache.com Roeckl ECRIDOR RETRO Kay Gundlack Stübben Es hat lange genug gedauert, bis die deutsche Hauptstadt sich den Ruf erarbeitetet hat, in Sachen Mode und Design nicht vollständig abgehängt zu sein. Der Berliner Hipster ist inzwischen sogar eine so bekannte Figur, dass er zur Karikatur taugt. Mit Handwerk allerdings bringt man Berlin noch immer nicht wirklich zusammen – obwohl ein paar Leuchttürme wie die Königliche Porzellanmanufaktur selbstredend vorhanden sind. Insofern ist es ein erstaunliches Ereignis, das an diesen beiden Tagen auf dem Gelände der KPM stattfindet: 23 Manufakturen der Initiative „Handmade in Germany“, stellen in dem Ziegelbau am Tiergarten ihre Arbeit vor: Seifen- und Stiftmanufakturen, High-End-Stereogeräte, Textil- und Lampenhersteller, sogar ein Orgelbauer ist da. Die Vielfalt kann den Besucher überfordern. Und selbst wer sich auf nur ein Material wie Leder beschränkt, merkt rasch, dass sich in Deutschland oft fernab der großen Städte kleine Unternehmen im globalen Dorf halten, die jahrhundertealte Techniken bewahren und fortführen. In der ersten Etage des Ziegelbaus steht Dieter Schmidt. Er vertritt die Firma Roeckl, gegründet 1839, und demonstriert gern, wie ein Qualitätshandschuh aus Leder entsteht: Präzise strecken seine Hände den Werkstoff, der von einer äthiopischen Haarziege stammt – sehr dünn und doch reißfest –, dann stanzt er mit einem Eisen die Form aus. Bei Roeckl werden die Teile dann in Rumänien oft von Hand zusammengenäht: „Handschuhmacher will in Deutschland kaum jemand mehr werden“, sagt Schmidt. Er stammt aus DoberlugKirchhain im Süden Brandenburgs – und der Besucher lernt, dass dieser Ort traditionell eng mit der Lederverarbeitung verbunden war. Und ein Handschuh von Roeckl, sagt Schmidt, halte so gut wie unbegrenzt. Dieses Argument hört man hier bei fast jedem Aussteller. Dass es hier nicht um modische Trends geht, beweist auch das Erscheinungsbild der Gäste: Nur wenige junge Leute haben den Weg gefunden, die anwesenden Herren tragen auch mal Einstecktuch zum Blazer mit Messingknöpfen, bei den Damen sieht man Reitstiefel zur Tweedjacke – oder man passt sich eben dem allgemeinen Jeans- und Übergangsjacken-Look an. Jörg Woltmann, Besitzer der KPM, sticht in seinem feinen einreihigen Anzug heraus. In seinem unnachahmlichen Berliner Dialekt sagt der gelernte Banker zur Begrüßung, „det es ja ooch so ’n bisschen eine patriotische Pflicht“ gewesen sei, den Betrieb vor acht Jahren zu erwerben. Der KPM ging es schlecht, jetzt ist sie wieder wesentlich präsenter im Markt. Auf Woltmanns Gelände hat übrigens auch Guido Maria Kretschmer seinen Showroom – also jener Modedesigner, der auf Vox Frauen mit 500 Euro bei „Shopping Queen“ zum Kleiderkauf losschickt. Heute hat der Schuhmacher Kay Gundlack hier sein Lager aufgeschlagen, er demonstriert, wie in mehr als 30 Stunden Arbeit Fußbekleidung nach Maß entsteht. Gundlack fertigt in Parchim im Nordosten der Republik, so ziemlich der letzte Ort, an dem man einen wie ihn erwarten würde. Doch er hat bereits Schuhwerk für eine Dame wie Lady Gaga genäht, darauf weist auch der Ausstellungskatalog stolz hin. Eine Etage tiefer erklärt die Krefelder Firma Stübben den Aufbau eines Reitsattels. Jeder hier kann detailliert über jeden Arbeitsschritt Auskunft geben. Sicher eine Stärke. Gundlack sagt, er arbeite 100 Stunden wöchentlich – und wenn „Oma Erna“ mit ihren Schuhen zur Reparatur vorbeikomme, dann kümmere er sich auch um sie. Und vermutlich ist das der wichtigste Aspekt bei dieser Leistungsschau: Viele Unternehmen werben mit ihren prominenten Kunden – aber sie leben von einem diskreten Publikum, das einfach persönlichen Service und das wärmende Gefühl von echter Tradition schätzt. Daran ist nichts falsch – man könnte sagen: Für die Produkte muss man zu den Erwachsenen gehören. Ein wenig mehr Jugend würde das nächste Mal aber auch nicht schaden. CHRIST Juweliere und Uhrmacher seit 1863 GmbH, Kabeler Straße 4, 58099 Hagen Exklusiv bei CHRIST Kollektion BLOSSOM Juweliere und Uhrmacher www.christ.de facebook.com/juwelierchrist 86 COOLE NOMADINNEN Insel der Reichen? Quatsch! Immer schon war Sylt auch Sehnsuchts- und Zufluchtsort für Intellektuelle. Und weil Dünen, Meer und Strand gerade jetzt prächtige Farben und Muster präsentieren, passt der aktuelle Bohemian Look nirgendwohin besser als auf die Nordseeinsel. Willkommen, lieber Herbst Foto: Claudia Grassl Assistenz: Sophie Wanninger Styling: Julia Freitag Assistenz: Daniela Schmitz & Sarah Obertreis Models: Mia & Lou c/o Place Models. Haare/Make-up: Patrick Glatthaar c/o Ballsaal. Mit Produkten von Chanel Local Support: Marc Specowius & Dirk Lins Model links: Kleid von Hilfiger Collection. Tasche: Versace. Stiefeletten: Gianvito Rossi. Decke: Burberry. Model rechts: Kleid von Hilfiger Collection. Schuhe: Gianvito Rossi. Tasche: Versace. Decke: privat. Alle Strumpfhosen im Shooting sind von Kunert 88 Links: Strickpullover und Strickrock von Calvin Klein Collection. Stiefel: Etro. Felltasche: Fendi. Rechts: Strickkleid und Lederjacke von Ralph Lauren. Schuhe: Gianvito Rossi. Kleine Felltasche: Jimmy Choo. Rechte Seite: Kleid von Givenchy. Decke: privat 89 90 Kleines Bild (von links): Kleid von Alberta Ferretti. Lammfellmantel: Etro. Stiefel: Jimmy Choo. Besticktes Kleid von Emilio Pucci. Pelzstola: Fendi. Großes Bild: Hinten: Wollrock, Wollweste und Pelzweste von Max Mara. Davor: Kleid, Weste und Gürtel: Hugo Boss. Wolljacke: Fendi. Tuch: Louis Vuitton. Schuhe: Burberry Prorsum 91 Diese Seite: Kleid, Tuch und Gürtel von Hermès. Decke: Louis Vuitton. Schuhe: Burberry Prorsum. Ringe: Sabrina Dehoff. Motorradbrille: privat. Rechte Seite: Spitzenkleid, Trenchcoat, Gürtel und Schuhe von Burberry Prorsum. Decke: Louis Vuitton. Tasche: Etro 92 93 Bodenlanges Kleid von Tory Burch. Tuch: Hermès. Ohrring: Vibe Harslof. Ring: Maria Black. Rucksack: Jérôme Dreyfuss 94 Cat heri au ne S A.E. Köchert vage Louis Vuitton Indian Summerbling Beinahe ist sie wieder vorbei, jene magische Zeit Anfang Oktober, die uns noch einmal warme Sonnentage schenkt. Tage, an denen Laub und Landschaft besonders leuchten. Wie auch Brahmfeld & Gutruf diese Juwelen in der Farbenpracht des Altweibersommers – auf dass er sich verlängern lässt Ti f f a ny Fope Chopard Ron a Ti l gner Sévigné Wempe Fabergé H. Stern Lorenz Bäumer Bulgari Johannes Hundt ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER Elmar Grupp De Grisogono Susa Beck 95 SCOTLAND FOREVER Diese zwei Worte tätowiert auf seinen rechten Unterarm zeugen von der unendlichen Verwurzelung, die Sir Sean Connery für seine Heimat empfindet. Auch Elizabeth II. liebt die rau-sanften Hügel und tiefdunklen Seen – zur Sommerfrische fährt die Queen immer schon in die Highlands. Auf unserer Zugreise im dampfbetriebenen Jacobite waren wir ebenfalls sehr angetan Foto: Martin U. K. Lengemann Assistenz: Christian Hahn Styling: Odessa Legemah Der Jacobite Steam Train fährt in zwei Stunden von Fort William nach Mallaig, passiert unterwegs den berühmten Glenfinnan Viaduct – auch bekannt aus den Harry-Potter-Filmen N 96 ie waren die Schotten so sehr im Gespräch wie in den vergangenen Monaten. Zwischenzeitlich sah es so aus, als ob sie durch ihr Unabhängigkeits-Referendum das Groß vor Britannien obsolet machen würden. Und ein Blick in die Historie reicht, um zu unterschreiben: Die Engländer haben diesem 5,3-Millionen-Volk mehr als nur den Ruf eingebrockt, geizig zu sein. Ein Ruf, um das hier ein für alle Mal klarzustellen, der falscher nicht sein könnte. Jeder, der je einen Pub besucht hat und sich dabei nicht wie ein englischer Snob oder ein preußischer Feldwebel benahm, wird das erlebt haben. Es sind stolze Menschen, die im Norden Britanniens zu Hause sind. Geformt vom Leben mit den Elementen – in den Highlands, auf den Orkneys und den Shetlandinseln geben Meer und Berge den Lebensrhythmus vor – ist man aufeinander angewiesen. Ein Zusammenhalt, der sich ganz von allein ergibt. Da mögen die Leute im Süden der Insel noch so viele Witze reißen, dass auch sie die Schotten nicht verstehen, weil Wind und Whisky deren Sprache ruiniert hätten. Unser Fotograf Martin Lengemann ist so etwas wie ein Ehren-Schotte: Seit Jahrzehnten besucht der 45-Jährige sooft es eben geht dieses Land, die Faszination für all die Legenden, Gestalten und Landschaften will und will nicht enden (er isst nebenbei sogar Haggis, trägt noch im Sommer Tweed und einen Schluck Single Malt genehmigt er sich abends auch ganz gern). Diese Zuneigung zeigt sich in jedem der Fotos, die er im Jacobite Steam Train aufnahm. Inmitten einer Landschaft, in der man wahlweise Harry Potter oder James Bond 007 als Adoleszenten zu treffen glaubt, wie wir seit „Skyfall“ wissen. Und so werden es pec uns die Schotten hoffentlich verzeihen, wenn wir hier als Deutsche sagen: Scotland forever. Tasche von Burberry Prorsum Hutschachtel und Schmuckbeutel von Louis Vuitton. Hut: Kiss by Fiona Bennett. Handschuhe: Hermès Reisen wie damals: In den Abteilen der Erste-Klasse-Waggons des „Jacobite“ steht schon beim Einsteigen alles für die Five-o’Clock-Tea Time parat Weekender Saffiano von Prada. Mantel: Burberry Heritage. Lippenstift: Tom Ford. Tuch und Ausweishülle: Hermès. Notizbuch: Louis Vuitton. Schreibgerät: Caran d’Ache. Mantel und Weekender von Bottega Veneta. Parfüm: Kilian. Schal: Hackett London. Handschuhe: Giorgio Armani. Kamera: Leica M 98 Travel Book London von Louis Vuitton. Aktentasche: Hermès. Kaschmirschal: Chanel 99 © ARAMIS INC. PARFÜMERIEN MIT PERSÖNLICHKEIT empfehlen ARAMIS – ein klassischer und zeitloser Duft Der männlich-markante Herrenduft Aramis wurde 1964 von Ms. Estée Lauder und ihrem Ehemann Joseph Lauder lanciert und war der erste Herrenduft, der in Kaufhäusern angeboten wurde. Als ein Mitglied der Chypre-Familie unter den Düften, charakterisiert Aramis eine warme, holzig-moosige Basis, die von Citrus, Kräutern und exotischen Gewürzen belebt wird. Produkttrends kommen und gehen, aber Aramis blieb über die Jahre hinweg ein Symbol für männlichen Erfolg und hat mittlerweile Kultstatus erreicht. Aramis steht für alles, was ein Mann ist. Der Duft wurde dreimal zum „Besten Parfum-Klassiker“ gewählt und ist seit 2006 Mitglied der „Hall of Fame“ der deutschen Fragrance Foundation. Entdecken Sie Aramis jetzt in Ihrer Parfümerie. Ihre PARFÜMERIEN MIT PERSÖNLICHKEIT freuen sich auf Ihren Besuch! Tauchen Sie ein in die Welt von Aramis bei den inhabergeführten PARFÜMERIEN MIT PERSÖNLICHKEIT und entdecken Sie dort auch das gesamte Rasur- und Körperpflege-Angebot von Aramis Classic. www.parfuemerien-mit-persoenlichkeit.de MÄNNERSACHEN Schön und gut Mit großen Rehaugen zieht Georgia May Jagger den Be trachter an, Ähnlichkeiten Jerry Hall sind durchaus be mit Mutter absichtigt. Die Schönheit dient dem guten Zweck. Da dänischen Fotografen Kenn s Fo to des eth Willardt stammt aus „Th e Beauty Book“ (TeNeues). rar aus dem Verkauf spend Das Honoet er einer weltweit agieren den medizinischen Hilfsorga nisation. HIER KOMMEN UNSERE KOSMETIKEXPERTEN ZU WORT Wir können es an dieser Stelle gar nicht oft genug schreiben, aber auch für Männer sollte eine tägliche Gesichtsreinigung zum Standardprogramm zählen. Mehr als zwei Minuten müssen Sie gar nicht investieren. Und es ist wie mit den Händen – diese waschen Sie ja schließlich auch mit Wasser und Seife. Äh, oder? Gönnen Sie Ihrer Haut darum am Morgen etwas „Cleansing Foam“ von Shiseido Men, verteilen Sie ihn entweder mit der Hand oder, Sie sind ja schließlich Technik-interessiert, benutzen Sie dafür das „Clarisonic“Gerät, das Ihre Frau wahrscheinlich eh schon besitzt, und setzen Sie einfach vor jeder Benutzung Ihre eigene Bürste auf. Danach ist Ihre Haut optimal für die Nassrasur vorbereitet. Dann fehlt noch etwas Creme (Tipp: „Sisleÿum“ von Sisley), ein Klecks Augencreme („Force Supreme“ von Biotherm ist prima!) und schon sind Sie bereit für den Start in den Tag. JÜRGEN NAGLIK, ERDING THE BEAUTY BOOK BY KENNETH WILLARD STILISTEN Ernst Howerka Inhaber der Parfümerie Howerka in Erding AUS BAYERN Jungbrunnen: Mit Molekularmedizin kennt sich die Düsseldorfer Ärztin Dr. Barbara Sturm aus. Derart gut, dass aus der Praxisarbeit eine Kosmetiklinie entstand. Was sich darin verbirgt? Der Naturwirkstoff Purslane, eine USEntdeckung. Gibt’s auch für Männer. Über molecularcosmetics.de 10 4 Auffällig: Visagisten arbeiten meist mit schwarzen Pinseln. Die auseinanderzuhalten? Schwierig. Also kreierte Makeup-Artistin Miriam Jacks eigene Sets und lässt bunte Stiele in Zusammenarbeit mit dem Berliner Verein für Straßenkinder „KLIK“ gestalten. Über jacks-beautydepartment.com Mini-Kraftprotz: Schönes Haar braucht gute Kopfhaut. Die neue „Revital Density Haircure“ von Marlies Möller soll deren Stammzellenfunktion anregen und für mehr Haare sorgen. Die Ampulle (zwei Anwendungen) scheitelweise auf das gewaschene Haar auftragen. Abwarten. Vollwert: Die Tiegel von „Spagyrik Beauty“, der Kosmetik von Ines Ganz, sind violett. Das spezielle Glas schützt den kostbaren Inhalt: Denn in der Spagyrik (einer 2000 Jahre alten Lehre) werden nur biologisch angebaute und mit Quellwasser versorgte Pflanzen verwendet (über ludwig-beck.de) Wussten Sie, dass ein deutsches Unternehmen Marktführer auf unserem Kosmetikmarkt ist? Sogar in Europa ist Artdeco quasi pinselführend. Die „Garagengeschichte“ aus Bayern, von Helmut Baurecht 1985 gegründet. Heute werden mehr als 1100 verschiedene Produkte im Sortiment geführt. Noch immer werden große Teile der Produktion, wie etwa die guten Lippenstifte oder die Lidschatten, in Karlsfeld bei München hergestellt und dennoch besteht –erstaunlicherweise – ein sehr gutes Preis-LeistungsVerhältnis. Nicht nur für junge Menschen sind die Produkte schon deshalb so gut geeignet. Ab Mitte November gibt’s wieder den alljährlichen Silvester-Look - natürlich mit ganz viel Glitter! Petra Wiesenmüller Inhaberin der Parfümerie Flair in Quedlinburg ACTION PRESS/MONTAGE ICON MARKENGESCHICHTE Millimeter für Millionen Wimpern wachsen über Nacht. Susanne Opalka erzählt, wie ein Kölner Ehepaar mit einem Serum die Kosmetikwelt veränderte O 10 6 ffenkundig ist: Die Welt der Kosmetik leidet nicht gerade an Angebotsarmut. Immer wirksamere, immer modernere Produkte buhlen um die Gunst der geneigten Kundschaft. Ein harter Wettbewerb, in dem die großen und bekannten Champions der Luxusliga augenscheinlich jeden Zentimeter unserer Haut- und Haarfläche abdecken. Wie groß mag da die Chance für einen branchenfremden No-Name sein, an den Start gehen zu können? Geschweige denn, mit Vorsprung die Ziellinie zu überschreiten. Im Fall des IT-Unternehmer-Ehepaars Elke und Uwe Moysies aus Köln waren es Millimeter. Zwei, maximal drei, die zu einem der imposantesten StartZiel-Siege der letzten Jahre führten. Na gut, ein paar (Milli-)Liter waren auch beteiligt. Beim Rotwein tauschen sich die Freundinnen Elke Moysies und Marci Marrek, eine Visagistin zu Besuch aus Amerika, 2007 über den Hype aus, der sich plötzlich um Wimpern dreht. Lang, länger, dichter, voller – es wird gefaked, geklebt, Lash-Studios schießen aus dem Boden, ein Medikament gegen Grünen Star macht die Runde, das die Wimpern wachsen lässt – als eine der Nebenwirkungen. Das muss auch anders gehen, beschließen die Freundinnen. Und zwar rein kosmetisch, besser verträglich, aber auf keinen Fall weniger effektiv. Es bleibt nicht bei der Idee. Studien werden analysiert, Kontakte geknüpft, Forscher, Wissenschaftler interviewt. Bei Cayman Chemical im US-Staat Michigan findet Elke Moysies schließlich den Topstar der Szene, den sie zu nachtschlafender Zeit, wer denkt schon an Zeitzonen, einfach anruft. „Vielleicht kennen Sie das, wenn man selbst so begeistert ist, dann wird man auch ein bisschen hemmungslos.“ Kurze Zeit später trifft man sich am Frankfurter Flughafen. „Ein genialer Mann, er hat den Wirkstoff, eine neue Molekülstruktur, mal eben auf eine Serviette geschrieben und nur gesagt: ,So, ich fahr jetzt nach Hause und baue den im Labor, den könnt ihr dann nehmen, der funktioniert, mit dem und dem Effekt.‘ Und so war es!“ Elke Moysies: „Wir haben es sofort an uns selbst getestet.“ 2008 kommt „M2Lashes Eyelash Activating Serum“ in der gegründeten Firma „M2 Beauté“ (zweimal M – für Moysies und Marrek) auf den Markt. Zuerst überaus skeptisch, steigt der Ehemann mit ein. „Na ja, ich durfte mitmachen, weil beiden klar wurde, dass man auch einen Businessplan braucht.“ Und der geht erst mal dermaßen daneben. Glücklicherweise. „Wir waren drei, meine Freundin, mein Mann und ich. Wir haben den Vertrieb übernommen, haben uns die besten Parfümerien rausgesucht, und sind dann hingefahren, wir haben es kostenlos abgegeben und nur gesagt: Sie müssen versprechen, dass Sie es benutzen. Und wenn Sie Erfolg haben, dann müssen Sie’s auch aufnehmen.“ „M2Lashes“, 5 Milliliter für 120 Euro, macht im ersten Jahr 700.000 Euro Umsatz, im nächsten Jahr zwei Millionen, 2013 sind es 9,5 Millionen Euro. In 30 Ländern reißt man den Moysies ihr Wimpernserum aktuell aus den Händen. „Am Anfang musste ich zur Produktionsstätte nach Estland fahren und hab’s im Koffer von dort geholt, weil wir viel zu vorsichtig bestellt hatten.“ Tja, der Businessplan. Inzwischen hat M2 Beauté sechs verschiedene Produkte im Angebot, 23 Mitarbeiter gehören heute zur Firma, inklusive der Töchter Alexa und Anja, 42 und 41 Jahre alt. In einer Lebensphase, in der der Ruhestand lockt, legten die Eltern einen der erfolgreichsten Markteinstiege der Branche hin – national wie international. Und der nächste Coup ist längst gelandet. „M2Facial Dual Cell Therapy Serum“ erobert den Anti-Aging-Sektor. Diesmal sind es zwei effektive Wirkstoffe, die für Furore sorgen. Sie entstammen der Forschung gegen Progerie, der frühzeitigen Vergreisung. Klinische Doppelblindstudien (auch nicht so üblich in der Branche) belegen die außergewöhnliche Bioverfügbarkeit der Wirkstoffe in der Haut und den verjüngenden Effekt des Serums. Es hemmt nachweislich das Protein Progerin, das als entscheidender Verursacher für die Alterung von Hautzellen identifiziert wurde. Was sagt der Businessplan diesmal, Herr Moysies? „2014 wachsen wir um 40 Prozent. Auf dem Feld der Seren und Cremes ist es schon eine größere Anstrengung, Fuß zu fassen. Das Wimpernserum hatte damals eher eine Alleinstellung.“ Apropos. Woher nehmen Sie beide eigentlich die Kraft? „Wir haben immer viel gearbeitet, aber vielleicht ist es der Mut des Alters, noch einmal etwas ganz anderes zu machen, zu sagen, ich kann es mir leisten, nicht an dem zu hängen, was bisher war. Natürlich haben wir plötzlich viel mehr Verantwortung, aber auch so viel mehr Freude. Am Erfolg, an der Branche, die viel emotionaler ist als die IT. Und es gibt keine Trennung mehr zwischen privat und geschäftlich. Wir mögen das.“ Seit 44 Jahren ist das Ehepaar Moysies verheiratet, miteinander, gemeinsam geht es morgens ins Fitnessstudio, bevor an den Schreibtischen Platz genommen wird. Immer noch in ihrer Wohnung in der Mühlengasse am Dom. In getrennten Zimmern allerdings. Gleich um die Ecke steht auch der Heinzelmännchenbrunnen. Kaum ein Denkmal ist so typisch für Köln. Aber es ist eben die reine Legende, dass die fleißigen Männchen in der Nacht die Arbeit erledigen. Fortes fortuna adiuvat. Und manchmal eben Millimeterarbeit. PSS Vier gewinnt G e r SS t ! Neu man ling e In Aachen wird nicht nur einmal im Jahr ein großer Preis verliehen und Karneval gefeiert, nein, dort sitzt auch Babor. Die Kosmetikmarke, die für ihre kleinen Anti-Aging-Kraftpakete in Glasampullen bekannt ist. Nun wurde in dem Familienunternehmen die ReVersive-Linie entwickelt. Starprodukt soll das „Anti-Aging Dual Serum“ sein, das per Knopfdruck aktiviert wird. Erst dann mischt sich die Ein-WochenKur frisch zusammen, in dem das Zwei-Phasen-Serum zu einer Emulsion wird. Es kommt im 4er-Set und sollte am besten als Vier-Wochen-Kur angewendet werden. Denn: Vier gewinnt. Frankodeutsch Zugegebenermaßen, es war der französische Biochemiker Marcel Contier, der die Haarpflegemarke „La Biosthétique“ in den 50er-Jahren erfand. Aber seit 2006 gehört sie der deutschen Familie Weiser und seitdem gibt es je einen Hauptsitz in Paris und Pforzheim. Voilà. Neu im Programm ist das „Shampoo Protection Couleur Copper Red“ speziell für Rothaarige und jene, die gefärbt sind. Aller Schattierungen versteht sich, denn die seltenste aller Haarfarben ist empfindlich und braucht Extra-Pflege. Gutes aus dem Ländle In den 50ern zählte Annemarie Lindner zu den Pionierinnen der Naturkosmetik und gründete (selbst geplagt von Hautproblemen) ihre eigene Kosmetikmarke, die nach ihrem und dem Nachnamen ihres Geschäftspartner Börner benannt wurde: Börlind. Ihr Credo: „Was ich nicht essen kann, gebe ich nicht auf meine Haut.“ Inzwischen ist sie 94 Jahre alt und längst lenkt ihr Sohn mit Familie das Geschäft im badischen Calw, wo auch produziert wird. Dem Naturkosmetik-Konzept sind sie treu geblieben, klar. Neuestes Produkt: das „NatuRepair Detox & DNA-Repair Fluid“ soll geschädigte Proteine in den Hautzellen abbauen und ihre natürliche Regeneration anregen. Doktor Boost In seinem Alltag beschäftigt sich Dr. Duve in seiner Münchner Praxis mit allem was uns schöner machen soll – medizinischer Natur, versteht sich. Neu in seiner Kosmetikserie für den alltäglichen Hausgebrauch ist die „Boosting Mask“, eine reichhaltige Pflegemaske, die die Haut durch Hyaluronsäure, Stammzellextrakte, Macadamia-, Mandel und Kokosnuss-Öl auf Touren bringen soll. Tipp: Ein- bis zweimal pro Woche auf dem Gesicht verteilen, 15 Minuten einwirken lassen, danach die Reste einfach mit einem Tuch abnehmen. Duft des Goldes Wonach Gold duftet? Zur Enttäuschung aller: nach nichts. Dennoch beschäftigte sich die Münchner Schmuckdesignerin Saskia Diez gemeinsam mit dem Parfümeur Geza Schön damit und beide haben eine flüssige Antwort gefunden und „Gold“ kreiert. In ihren Nasen duftet es (anders als ihr Silber-Duft, den es auch gibt) warm, süß, nach Magnolie, Wacholder, Ambra, Moos und Patchouli. Tipp: Wer erst daran schnuppern mag, auf der Homepage der Schmuckdesignerin können auch kleine Proben bestellt werden (saskia-diez.com). Für Perfektionisten Konturenretter Wofür der Morsecode SOS steht, ob für Save our souls oder Save our ships ist ungewiss. Was wir aber wissen ist, dass es in dem Fall des „SOS Serums“ von A4 Cosmetics aus München für „save our skin“ steht. In Form einer leichten Lotion soll es mehr können als ein reines Serum und der Haut mit zehn Wirkstoffkomplexen helfen wieder mehr Spannkraft zu erhalten und ungeliebten Krähenfüße (die lästigen Mini-Fältchen ums Auge) und die Stirnfalten wegzuzaubern. ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER Sind wir Deutsche wirklich solche Perfektionisten, wie es uns nachgesagt wird? Wenn es um unsere Haut geht, kann es doch gar nicht perfekt genug sein. Prof. Dr. Volker Steinkraus, Dermatologe und Gründer des Dermatologikum Hamburg, brachte 2003 seine Eigen-Kosmetikmarke „SBT“ auf den Markt. Das neueste seiner hochwirksamen Produkte? Ein EnzymPuder-Peeling, das komplett ohne Schleifpartikel auskommt, die Haut aber dennoch gründlich, äh, perfekt natürlich reinigt. Gibt’s über sbt-cosmetics.com COLLIER SCHORR; BOTTEGA VENETA; MONTAGE ICON RARITÄTEN Erinnerungen werden wach Der Knoten im Taschentuch hält Gedanken fest. Bei Bottega Veneta bindet er Begehrlichkeiten: Die Knot-Bag ist lange schon Kultobjekt. Nun könnte ein Taschentuch auch nach Knoten duften Inmitten grüner Hügel befindet sich ein Haus, ein Zufluchtsort mit Blick auf den glitzernden Ozean. Die Fenster sind weit geöffnet, der Innenraum ist sonnendurchflutet. Hinein strömt eine erfrischende Salzwasserbrise, duftend nach frisch gewaschenem Leinen, Pfingstrosen aus dem Garten und Mandarinenblüten. Auf dem Bett sitzt eine junge Frau, ganz gefangen vom Augenblick, die Ruhe und die Umgebung genießend.“ Soweit der Text in der Pressemappe. Dessentwegen wir nun in einem lichtdurchfluteten Büro in Mailand sitzen, die hohen Fenster sind geschlossen, der Blick geht hinaus auf Rasen, überdachten Sitzplatz und den akkuraten Gemüsegarten für die Mitarbeiter. Es duftet nach Salzwasser, Leinen, Pfingstrosen, Mandarinenblüten. Es ist das Büro von Tomas Maier, dem Kreativdirektor von Bottega Veneta und er hat einen Hub von seinem neuesten Duft „Knot“ verteilt. Über Eck an seinem Schreibtisch sitzt genauso entspannt und aufgekratzt Daniela Andrier. Die Parfümeurin. Zwei Kreative, deren Muttersprache Deutsch ist, deren Ausnahme-Karrieren gleichwohl in Paris ihren Anfang nahmen. Hatte sich jedoch Tomas Maier, der Pforzheimer Architektensohn, schon am Tag nach dem Abitur begeistert aufgemacht, um an der Seine einen Platz in der internationalen Modewelt zu finden, war der Umzug für Daniela Andrier von weit weniger Euphorie getragen. Sie ging als Teenager mit ihrem Vater, zwei Jahre nachdem die Mutter gestorben war. Eine noch mal schwere Zeit, nun nicht nur ohne Mutter, sondern auch ohne Muttersprache und Heimat. Die Erinnerung an glückliche Jahre konservierte sie in Düften. Schon als Kind hatte sie die Gabe, die Umwelt auch als Gerüche wahrzunehmen, experimentierte im Badezimmer heimlich mit den Flakons der Mutter. Doch erst bei einem Essen in Paris, wo sie zunächst Philosophie studierte, hörte sie von der Möglichkeit, hauptberuflich Parfümeurin werden zu können, bekam tatsächlich einen Platz in der berühmten Parfümeurschule von Grasse und lernte die Kunst vom kleinsten Molekül auf. che gegenüber, du wirst wahrscheinlich nie wieder einen Klienten bekommen. Ich erwog, alles zu streichen. Aber dann dachte ich: Was soll’s. Sei nicht ängstlich. Und statt der erwarteten Reaktion kam ein Anruf von Coty: Jemand möchte Sie gern treffen. TM: Die Offenheit war ja das, was mir gefiel! Denn sie kritisierte die Dominanz des Marketings. Immer gehe es um irgendwelche Trends statt um die Produktidee. Ich war neugierig auf Daniela. Ich möchte auch nichts entwerfen mit der Idee im Hinterkopf, welcher Markt damit bedient werden könnte. Ich glaube einfach nicht, dass das gut ist. Und es ist schon gar nicht das, wofür Bottega Veneta steht. B Wie haben Sie sich kennengelernt? Tomas Maier: Für einen Duft schreibe ich üblicherweise ein Briefing, das dann an zehn, zwölf Nasen geht. Daniela war nicht auf der Liste. Aber dann las ich im Flugzeug einen Artikel über sie im Stern. Nach der Landung in Amerika schrieb ich an Coty, die den Duft herstellen, dass ich in der nächsten Runde diese Frau gern dabeihätte. Wir trafen uns, und sie war die Richtige dafür. Daniela Andrier: Der Witz an der Geschichte mit dem Artikel war, dass mir der Journalist freundlicherweise den Text zum Gegenlesen geschickt hatte, und als ich dabei dachte: Oh Mann, du warst zu offen, zu kritisch der Bra- Ein Blumenduft eigentlich auch nicht, oder? Zumal er recht schwer scheint. DA: Interessant, dass Sie das sagen. Abgesehen davon, dass Sommerblumen tatsächlich ei- ne schöne Harmonie. Das macht sie interessant, emotional. Normalerweise finde ich Blumendüfte schrecklich langweilig. Warum haben Sie dann diesen komponiert? Meine Liebe zu Parfüms wurde in der Kindheit gelegt und als Kind war ich häufig in Italien, das Briefing erinnerte mich daran. Normalerweise arbeitet man auch als Parfümeur ganz nüchtern. Ich mache die Düfte nicht für mich selbst, sondern für den Auftraggeber. In diesem Fall aber berührte mich der Text, den Tomas geschrieben hatte, sehr, so wie wenn man ein besonderes Buch zu lesen beginnt. Es war eine sehr olfaktorische Beschreibung. Und es traf etwas sehr Persönliches in mir, seine Beschreibung des Geruchs war der, der auch meiner voll mit wunderbaren Erinnerungen war. Deswegen war die Arbeit an diesem Duft sehr beglückend für mich und auch sehr emotional. Ich brauchte keine zehn Minuten, um die Formel aufzuschreiben. TM: Wir hatten elf Nasen, gingen an einem Die Nase und der Designer: Daniela Andrier und BottegaVeneta-Kreativdirektor Tomas Maier nen viel intensiveren Duft verströmen als Frühjahrsblüher, empfinde ich „Knot“ als ausgesprochen prickelnd. TM: Ich wollte etwas nicht so Naheliegendes machen. Ich wollte Konfrontation, aber auch etwas, das Leute nicht veranlasst, fluchtartig einen Fahrstuhl zu verlassen. Und das ist uns gelungen. Nein, dir ist es gelungen (wendet den Blick zu Madame Andrier). Ich weiß noch, wie Coty fragte, ob wir es nicht etwas überarbeiten könnten ... aber ich wollte nach dem ledrigen Signature-Duft ganz bewusst eine andere Note und dachte an ein Haus an der Riviera, am unverbauten Stück selbstverständlich, an frisches, typisch italienisches Bettleinen. Aber es sollte nicht etwa ein Ferienduft sein oder ein Sommerduft. Sondern etwas Besonderes, deswegen ja der Lavendel. Lavendel ist besonders? DA: Lavendel wird sonst in Männerparfüms verwendet, weil er eine saubere, frische Note hat. In diesem Fall gibt er dem Duft seine spezifische Note, die Sie vielleicht überrascht wahrgenommen haben. Diese Mischung aus blumig und frisch irritiert und ist zugleich ei- Tag alle durch, alle hatten komplett unterschiedliche Interpretationen. Aber da war nur die eine, die richtig war. Ohne jeden Zweifel. Parfüm ist ja etwas anderes als Kleidung, wie unterscheidet sich der Design-Prozess? TM: Ich starte immer von dem Punkt, an dem wir gerade stehen. Wie in der Mode geht es um Evolution. Das zweite Parfüm nun baute auf dem ersten auf, am dritten arbeite ich bereits. Aber wir sprechen hier von 2018, Duft ist von der Formel bis zur Verpackung ein sehr zeitaufwendiges Produkt. Der nächste wird vielleicht ein Cologne, das liebe ich sehr, ist vielleicht meinem deutschen Hintergrund geschuldet. Und man will doch gar nicht alles teilen, also auch nicht riechen wie alle anderen, nicht die gleichen Sachen tragen. Ich arbeite meistens in New York und sehe dort viele Bottega-Taschen auf der Straße. Aber nie die gleiche. Das mag ich sehr. Dient ein Parfüm auch als Luxuszugang? TM: Nein, das ist nicht das Bottega Einsteigermodell! Es geht es um den Duft. Und um LeuInga Griese te, die Parfüm lieben. 10 9 PARFÜM E Das riecht nach Hamburg Das Supermodel Toni Garrn JIL SANDER Ein schöner, warmer Tag über das Gefühl, als gebürtige geht seinen friedlichen Gang in Hamburgs beliebHanseatin für Jil Sanders Duft tem Wohngebiet Winter„Simply“ zu unterwegs zu sein hude. Wer ahnt da schon, dass sich in einem Hinterhof-Studio gerade eine der derzeit schönsten Frauen bereit macht. Ihren Freizeitlook tauscht Toni Garrn schnell gegen ein elegantes schwarzes Designer-Outfit. Sie ist nämlich gekommen, um den neuen Jil-Sander-Duft le Sofas, Tische, Betten, die Mar„Simply“ vorzustellen. Bevor man überhaupt morküche, das Bad. Es ist wirkden Mund öffnen kann, heißt es vom Manage- lich so, dass mein Stil dem von ment: „Fragen zum Boyfriend Leonardo DiCa- Jil Sander entspricht. Gerade prio sind tabu.“ Egal. Die 22-Jährige wirkt ent- bei den Outfits, die ich auf Verspannt. Vielleicht, weil sie in der Hansestadt anstaltungen trage. Ein schwarzer Hosenanzug, ein weißes auch zu Hause ist. oder graues Kleid – eher selten Ist es schön, in der eigenen Sprache ein Inter- mit Gürteln oder Blüten kombiniert. Witzig eigentlich, weil der view geben zu können? Auf jeden Fall. Andererseits bin ich auch mit Duft „Simply“ heißt. Englisch als internationaler Modelsprache aufgewachsen. Aber heute morgen bin ich zu Sind Sie schon lange Fan? Hause aufgewacht und mit dem Auto herge- Fan schon, leider habe ich Jil Sander selbst nie fahren, das ist natürlich ein Traum. Ich kann kennengelernt und wurde auch nie für die ungefähr an einer Hand abzählen, wie oft das Show gebucht. Dieses „ohne Make-up“ fand ich immer toll. Ich habe selbst Polaroids geschon passiert ist. macht, die genauso aussahen. Deshalb freut es Gibt es etwas, das Sie immer tun, wenn Sie in mich, dass es endlich geklappt hat, mit der größten Hamburger Design-Marke zusamHamburg sind? Immer Oma und Opa sehen. Und Franzbröt- menzuarbeiten. chen essen. Und ich habe viel zu arbeiten, denn meine Mutter ist meine Managerin, und Erinnern Sie sich an Ihr erstes Parfum? da sie in Hamburg wohnt, heißt das, dass ich Ich weiß noch, dass ich bei meiner Mutter viel jeden Tag auch ein Meeting mit ihr habe, probiert hab. Sie hatte auch „Sun“ von Jil Sanwenn ich hier bin. Einfach im Garten rumlie- der. Das fand ich immer witzig als Kind, weil der Duft so prägnant war. gen, das mache ich eigentlich nie. Weniger ist mehr: der sinnliche Duft „Simply“ 110 Sie haben auch eine neue Wohnung gekauft? Ja, auf der Uhlenhorst. Es ist mir sehr wichtig, dass ich hier noch ein festes Zuhause habe. Auch wenn ich im Moment eigentlich nie da sein kann und schon vorher wusste, dass dort niemand richtig wohnen wird. Verbinden Sie Düfte mit Menschen? Es ist ein ganz besonderes Gefühl, das einem Parfum geben kann. Gerade, wenn man eine Person vermisst hat. Deshalb bin ich auch dagegen, ganz viele Parfums zu haben. Der Duft sollte zu einem gehören. Sie sind unterwegs, seit Sie 13 Jahre sind. Ist so ein Rückzugsort wichtig? Ich habe sogar zwei Zuhause, die Wohnung in New York ist größer. Ich achte zunehmend darauf, dass ich es mir auch wie ein Heim einrichte, weil ich wirklich drei Viertel des Jahres in Hotels und woanders bin. Früher ging es immer nur darum: Wo können die Koffer am besten offen liegen? Und wie wichtig ist Kleidung? Dass ich ein Kleid nur einmal trage, gilt nur für Events. Bei Oberteilen achte ich sehr auf gute Qualität. Ich trage gern bequeme Sachen, in New York manchmal den ganzen Tag YogaHosen. Um mich fit zu halten und das zu essen, was ich will, treibe ich viel Sport. Wie ist die Wohnung denn eingerichtet? Hier habe ich eine Altbauwohnung mit sehr viel Stuck, das wollte ich schon immer haben. Aber mein Stil ist generell sehr simpel und schlicht. Ich immer alles schwedisch weiß. Al- Hatten Sie, bevor Sie entdeckt wurden, eigentlich schon einen Berufswunsch? Ich wollte immer einen Laden haben und irgend etwas verkaufen. Wenn ich einfach Abitur gemacht hätte, würde ich jetzt wahrscheinlich noch als Backpacker durch die Gegend reisen und mich finden. Sind Sie nun erwachsener als Gleichaltrige? Bei bestimmten Gesprächen denke ich schon manchmal anders. Weil ich auch mit 40-, 50-, 60-Jährigen befreundet bin. Aber wenn ich einfach nur feiern gehen will oder mich frei bewege, dann bin ich sicher manchmal auch wie eine Zehnjährige. Wie sehr passen das alte und das neue Leben eigentlich noch zusammen? Seit ich 14 bin, arbeite ich erfolgreich in New York. Als ich damals in die 10. Klasse zurückgeworfen wurde, war es extrem. Mit meinen Schulkameraden Papierflieger durch die Gegend zu werfen, während ich Kampagnen schieße. Mittlerweile sind es fast acht Jahre, und ich weiß, ich arbeite in der Mode und damit in der Öffentlichkeit. Aber in Hamburg bin ich Enkelin, Tochter und Schwester. Verständlich, dass dieses Leben andere möglicherweise einschüchtert? Ich erlebe so viel und habe eigentlich gar keine Zeit, das zu verdauen und zu verarbeiten, weil ich am nächsten Tag schon wieder weiterfliege. Ich bin dadurch möglicherweise etwas abgebrühter als meine Familie. Sie schauen vielleicht aus dem Fenster und sagen: Guck mal! Da ist der und der! Und ich sage automatisch: Ich habe keine Zeit! Meine Familie macht mich bodenständig. Was ist das Beste an Ihrem derzeitigen Leben? Dass ich mein eigener Boss bin und machen kann, was ich will. Dass ich in meinem Alter sagen kann, was ich möchte und denke. Das ist Alexandra Maschewski ein großer Luxus. SCHWARZLOSE PARFÜM Berliner Duft In den Zwanzigerjahren pulsierte das Leben in der Hauptstadt. Eine kleine Duftmanufaktur mischte mit, verschwand wie viele. Und ist nun wieder dabei D as erste Laub liegt bereits auf den gepflasterten Seitenstraßen, türkische Obsthändler und Spielcasinos säumen die größeren Straßen in Berlin-Moabit. Altbauten und restaurierte ehemalige Fabrikgebäude gehören ebenso zum Kiez. Und dort entstanden in einer Fabrik, die während des Zweiten Weltkrieges jedoch komplett abbrannte, ab 1856 Parfüms, die damals bekannt waren wie heute etwa die von Guerlain. Abseits von Industrialisierung und Kohle gab es nämlich einen Klavierbauer namens Johann Friedrich Schwarzlose, der eine Drogeriehandlung unter seinem Namen gegründet hatte und sie gemeinsam mit seinen Söhnen zu einem Parfümhaus ausbaute. Es verwundert aber kaum, dass der einst klingende Name J. F. Schwarzlose vielen heute nichts mehr sagt, die Firma bestand nur bis 1976. Danach fiel sie in einen Dornröschenschlaf, und wäre Lutz Herrmann, Flakondesigner aus Hamburg, während einer Recherche 2010 nicht zufällig auf das alte Parfümhaus gestoßen, wüssten wir heute wohl kaum noch davon. „Nur hin und wieder gibt es noch Parfümeriebesitzer, die Schwarzlose aus ihren Lehrlingsjahren kennen“, erklärt Herrmann. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Tamas Tagscherer belebte er also die Düfte, die in den 20er-Jahren bis an den kaiserlichen Hof nach China verkauft wurden. Und sie zogen zurück in den Berliner Kiez, wo alles begann. „Wir recherchierten zwei Jahre lang, kauften auf Flohmärkten und Ebay alte Flakons, Werbeplakate, fanden in Archiven Fotos, alte Rechnungen. Forschten nach Nachfahren der Familie, sondierten, ob wir den Namen nutzen dürften“, erzählt der smarte Schleswig-Holsteiner Herrmann. Was nicht auftauchte, waren die Originalrezepturen. „Das machte es komplizierter, aber dafür fanden wir ein paar originalverpackte Flakons.“ Herrmann, der mit seiner Designagentur bislang die Hüllen für die Düfte von Jil Sander, Joop, Laura Biagotti, Gucci und anderen entworfen hatte, und Tagscherer, der parallel sei- Heute wie damals ein Hingucker: Flakons von J. F. Schwarzlose von 1895 (oben) und die neueste Kreation. Die limitierte KunstEdition (l. oben) von Olaf Hayek gibt’s ab Mitte Oktober ne Abschlussarbeit über „Luxusprodukte aus Berlin“ an der Berliner UdK schrieb, begaben sich auf die Suche nach einem Parfümeur. „Einfach war es nicht“, gibt Herrmann zu. In Paris fanden sie Véronique Nyberg und konnten sie für ihr Projekt begeistern. „Wir erzählten ihr von der Idee, die SchwarzloseKlassiker wie ‚Treffpunkt 8 Uhr‘, ‚Trance‘ oder ‚1A-33‘ wiederaufleben zu lassen.“ Das war 2011. Sie schickten ihr die alten Flakons mit den umgekippten Düften zu, Nyberg machte eine chemische Analyse, schlüsselte die Inhaltsstoffe auf und reformulierte drei Klassiker – in der Blütezeit gab es fast 1000 Parfüms, Seifen und Puder – ganz ohne Originalrezepte. Sie musste sich neben der Technik auf ihre Nase verlassen. „Die Hauptingredienzen stimmen, aber Véronique hat die Düfte etwas interpretiert und aktualisiert“, so Herrmann. Mittlerweile gibt es sogar zwei neue Kreationen: „Rausch“ und „Zeitgeist“. Allen fünf Düften ist gemein, das Lebensgefühl der Goldenen Zwanziger wiederaufleben zu lassen. Mit Leidenschaft, aber auch Schritt für Schritt. Herrmann, der sein Handwerk bei Peter Schmidt in Hamburg lernte, kümmert sich um die Hülle. Und nun gibt es eine erste limitierte Kunst-Edition, die gemeinsam mit dem Berliner Olaf Hayek entstanden ist. „Die Idee, unsere Düfte mit Kunst zu kombinieren, hatten wir schon beim Launch von ‚Zeitgeist‘ im Herbst 2013. Damals hatte uns ein Künstler angeboten, eine Installation zum Duft zu machen – aber die Zeit war zu knapp.“ Nun aber konnte Hayek gleich eine ganze Edition schaffen und hat für jeden Duft eine Kunst-Verpackung kreiert, pro Duft auf 210 Stück limitiert. Zu jedem Duft ließ er sich etwas Neues einfallen. „Treffpunkt 8 Uhr“ etwa zeigt Josephine Baker tanzend im Bananenrock vor dem Brandenburger Tor, die anderen vier Packungen zeigen Motive im Stil der Zwanzigerjahre. Stellt man die Verpackungen nebeneinander, wird eine fortlaufende Bildergeschichte erkennbar. Das könne man normalerweise nicht in einem Kosmetikunternehmen realisieren, erklärt der 52-Jährige. „Oft wird bloß in Marketingstrategien gedacht.“ Das dass im Moabiter Atelier nicht der Fall ist, merkt man. Doch wieso Hayek? „In Berlin haben wir ein Luxusproblem – die Stadt bietet eine Vielzahl von Künstlern, aber wir kannten Olaf, mochten seine Arbeiten. Ganz einfach.“ An der sechsten Kreation tüftelt das Trio bereits. „Auf der Parfüm-Messe in Florenz haben wir es kürzlich getestet. Zurzeit gibt es auf dem Duftmarkt den Trend der GourmandDüfte, aber wir folgen keinen Trends. Doch wer weiß – Berlin und die Currywurst gehören ja auch irgendwie zusammen. Vielleicht machen wir eines Tages mal einen Duft mit Curry-Note“, erzählt er. Und bei ihm weiß man nie, was noch kommt. Caroline Börger 111 Anzeige So richtig festlich, SONNTAG, 12. OKTOBER 2014 so richtig Urlaub. Ganz in der Nähe, inmitten großartiger Natur. Mit Charme, Stil und Spaß für Groß und Klein. Einfach zum Wohlfühlen. Ganz A-ROSA. Global Diary Erinnern Sie sich? An die Zeit, als man statt SMS und E-Mail noch Karten von fremden Orten schrieb? Wir tun es noch immer SCHARBEUTZ Wish you were here ...! Wo einst das marode Scharbeutzer Hallenbad stand, du weißt schon ... steht jetzt das feine „Bayside Design und Wellnesshotel“. Erst im April eröffnet, ist es wohl der schickste weiße Steinkasten von allen an der Flaniermeile direkt an der Lübecker Bucht. Mit viel kostbarem Holz und noch mehr Glas. Innen lichtdurchflutet, unverschnörkelt das Design. Besitzerfamilie Haltermann zeigt vor allem durch die acht Meter hohe Lobby mit Freitreppe ostseeuntypisches „Think Big“. Aus der Mitte des Vier-SterneSuperior-Hauses direkt in den feinen weißen Sandstrand, zum Lunch ostholsteinische Spezialitäten im „Coast“: Vor und hinter dem Deich, so das Motto, du würdest es lieben! 16 Züge benötige ich für die 14 Indoorpool-Meter, Meer und Kitesurfer stets im Blick. Verzicht auf Entspannung in der Partner-Yin-Yang-Wanne, in ein Farbenlichtermeer getaucht. ... Wish you were here! Stattdessen hole ich mir zu der naturgegebenen Ostsee-Wind- und Wellen-Massage noch einen Kick, bei der Harmony-Anwendung „Ligne St Barth“ – die Karibik-Assoziation ist gewollt. Dankbar zieht meine Haut die Nährstoffe exotischer Pflanzen, Blüten und Früchte ein. Warmes Kokosnussöl für den Rücken, kaltgepresstes Avocado-Öl für die Arme, eine Efeu-Gel-/MentholÖl-Mischung für meine Beine. Am Abend auf meinen einsamen Weg ins „Roof“ nehme ich schwungvoll die Treppe, nach tropischer Tiaré-Blüte duftend betrete ich das Dachrestaurant. Den besten Blick auf das Beladen meiner nicht gerade kleinen Holz-Gondel mit den Spezialitäten von Sushi-Master Ram Kaji Gosai habe ich von der Bar aus. Geheimnisvoll-delikat des Masters „Haus Sauce“. Über den Genuss vernachlässige ich sogar den Sonnenuntergang. Wish you were here! Uta Petersen ist und bleibt ein Küstenkind mit deutlichem Hang zum Luxus AMSTERDAM Weihnachten entspannt genießen: 3 Nächte so richtig Urlaub. Weihnachten 2014 • 3 Nächte im DZ inkl. Halbpension • Festliches Dinner an Heiligabend inkl. Weinbegleitung und Wasser • Weihnachtliches Rahmenprogramm • Freie Nutzung des SPA-ROSA Zum Beispiel A-ROSA Travemünde A-ROSA Sylt ab ab 479 € 539 € Pro Person im DZ inkl. Halbpension Arrangement nur buchbar für den Zeitraum 23.12. bis 26.12.2014, Anreise nur am 23.12.2014 möglich, einzelne Nächte auf Anfrage, limitiertes Kontingent. Buchung auf www.a-rosa.de, im Reisebüro oder unter ILLUSTRATIONEN: TIM DINTER 040-69 63 52 33-8 A-ROSA Resort und Hotel GmbH, Am Kaiserkai 69, 20457 Hamburg, www.a-rosa.de Lassen wir erst mal Treppen und Fenster sprechen. Entlang Amsterdams Herengracht, seit dem 17. Jahrhundert nobelste Adresse der alten Handelsmetropole, erzählen sie von unermesslichem Reichtum. Wer sich doppelte Aufgänge zum Entree leistete und fünf hohe Fenster in der Beletage, demonstrierte Oligarchen-Macht. „Waldorf Astoria“ hat nun gleich sechs dieser hochherrschaftlichen Residenzen zum Hotel verbunden. Die strenge Backsteinfassade durchschritten, staunt man nicht schlecht, was sich im Inneren der Häuser an barocker Pracht offenbart. Verschwenderischer Stuck in der Halle beispielsweise oder das prunkvolle Treppenhaus, beides original im LouisXIV.-Stil, eingebracht Anfang des 18. Jahrhunderts von Daniel Marot, Hofarchitekt vom niederländischen Statthalter und späteren englischen König William III. Ich nächtige hier also gewissermaßen bis über beide Ohren in der Geschichte von Amsterdams Goldenem Zeitalter. Ohne auf zeitgemäßen Luxus verzichten zu müssen, versteht sich. Schlichte Eleganz und hochwertige Materialien komplementieren das glanzvolle Flair, ohne dass sie erschlagen. Der Grundton ist Perlweiß, Akzente setzen Pastellblau und Lapislazuli, Reminiszenzen an Farbschemen auf Gemälden von Jan Vermeer. Und nicht zuletzt wurden die historischen Gemäuer mit dem intimen Guerlain Spa verwoben und einem Indoorpool bestückt, eine Seltenheit im Grachtengürtel. Einzigartig ist auch der bezaubernde Garten nach hinten raus. Ein Schmuckstück darin das achteckige Sommerhaus von 1750, verspielt dekoriert mit Putten, dorischen Säulen und allerlei Blumengirlanden. Es zieht den Blick an, hat man zum Speisen in „Librije’s Zusje“ Platz genommen. Wobei man sich besser auf den Teller konzentrieren sollte. Das Hotelrestaurant ist nämlich die Schwester, auf Holländisch Zusje, vom Drei-Sterne-Restaurant in Zwolle, in der Küche steht sein ehemaliger Chef. So romantisch die Szenerie draußen, so ausgefeilt modern die künstlerische Präsentation seiner Kreationen. Sie basieren auf lokalen Qualitätsprodukten, hier und dort mit einem Touch Asiens aromatisiert. Ich gerate bei jedem Happen ins Schwärmen und behaupte mal kühn, dass man in Amsterdam nirgendwo erlesener speisen kann. Schon gar nicht für 110 Euro ein Sechs-Gänge-Menü. Das „Waldorf Astoria“ offeriert mir ein Radl und los geht’s. In den Grachten gibt es wenig Autoverkehr, zudem schafft man längere Strecken als per pedes. Ich liebe die Haarlemmerstraat nahe dem Bahnhof, sehr angesagt mit seinen modernen Delis, Cafés und Avantgarde- Boutiquen und speziell für Radler ausgebaut. Und dann geht’s querbeet zur Westerstraat 67, wo sich „Moooi“ versteckt, Showroom und Shop von Marcel Wanders, Hollands berühmtestem Designer. Kiki Baron wollte schon immer einmal hinter die Fassenden an der feinen Herengracht blicken The real bling. ch Monatli NEU el im Hand Der WELTSTAR unter den Fashionmagazinen. Jetzt auch als E−Paper. HARPERSBAZAAR.DE BAUPLAN 2 3 1 6 4 7 5 8 9 10 11 THOMAS MEYER 12 DER JANKER VON MEINDL In den Ateliers und Manufakturen dieser Welt werden weiterhin Handwerkskünste gepflegt, und wir schauen dabei zu Das Oktoberfest ist längst vorbei, doch auch jenseits des größten Volksfestes können Janker aus Leder getragen werden. Seit den 20er-Jahren fertigt die Familie Meindl im bayerischen Kirchanschöring Ledermode aller Art an. Noch immer ist die Manufaktur in Familienhand und wird in dritter Generation von Markus Meindl geführt. Wir zeigen die Produktion des klassischen Lederjankers, der in seiner Grundform seit Jahrzehnten besteht und aus knapp 60 Einzelteilen gefertigt wird. Hier die wichtigsten elf Schritte: 1. An einer Wand hängen die für den Zuschnitt und das spätere Einbügeln notwendigen Schnittschablonen. 2. und 3. Jede Lederhaut überprüft Markus Meindl auf Vorder- sowie Rückseite auf seine Farbe und Qualität. Das Leder stammt ausschließlich von Tieren, die gejagt, nicht gezüchtet werden. Das Besondere daran ist die Sämische Gerbung mit Fischtran und dessen Färbung mit Holzfarbstoffen – ein überliefertes Handwerk, das nur noch sehr wenige Gerbereien beherrschen. 4. Der Zuschnitt des Innenfutters erfolgt per Hand. 5. Ebenfalls von Hand wird der Kragen bestickt. Mit Nadel und Faden wird das vorgezeichnete Muster mit einem speziellen Stich nachgestickt. Das Muster stammt übrigens von einer alten Lederhose und ist reine Zierde. Traditionell zeigte die Farbe der Stickerei an, welchem Stand man angehörte. Ein blauer Faden deutete beispielsweise auf die königliche Herkunft hin. 6. Mithilfe einer Nähmaschine können nun die Einzelteile zusammengesetzt werden. Bis zu elf Mitarbeiter sind mit der Produktion des Jankers beschäftigt. 7. Damit die Rückenfalte fixiert werden kann, muss eine Schneiderfliege aufgenäht werden. 8. Das Knopfloch-Passepoile wird mit einer Schere aufgeschnitten, anschließend verstürzt, das gibt dem Knopfloch mehr Halt. 9. Eine spezielle Zickzack-Maschine näht das Etikett ein. 10. Im nächsten Schritt wird der bestickte Kragen auf das Halsloch genäht. 11. Abschließend wird die Jacke noch mal genauestens geprüft. Abstehende Fäden werden verschnitten, alle Details kontrolliert. Übrigens: Je länger das Leder getragen wird, umso mehr Persönlichkeit entwickelt es. Patina gehört daher zum natürlichen Erscheinungsbild unbedingt dazu. BOSS 0630 www.hugoboss.com